Einzelbild herunterladen
 

?>egen solche, die ausgewandert sind und später zuriickkehren. Will ich ein Ausländer hier naturalisieren lassen, so wird ihm daS ander- ordentlich erschwert, wenn er ein einfacher Arbeiter ist. Ein Schuh- macher, der sich in Preutzen naturalisieren lassen wollte, wurde unter anderem auch gefragt, ob er Orden Habel sGroge Heiter- kcit.) Unerhört ist ferner die Spitzelei durch die Polizei. Hat denn die preuhische Polizei gar nichts anderes zu tun? Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ausländer, die von solchen Achtgroschen- jungen als Note verdächtigt werden, werden ausgewiesen. Das Heimatwesen in Deutschland selbst liegt sehr im Argen; ein Deutscher, der sich in irgend einem deutschen Bundesstaate nieder- läßt, sollte doch dort dieselben Rechte genießen wie der Einheimische I sBravo I bei den Sozialdemokraten.) Abg. Graf v. Carmcr-Zicscrwit» sk.) klagt ebenfalls über die Zigennerplage und empstehlt die Resolution deS Zentrums. DaS Kapitel wird beivilligt, die Resolution wird an» gen o minen. �Hierauf vertagt das HauS die Weiterveratung auf Donnerstag Schluß 3'/» Uhr._ Mgeorclnetenbaus. K2. Sitzung, Mittwoch, den 2. März 1910, mittags 12 Uhr. Am Ministertischc: S y d o w. Die zweite Lesung des Bcrgetats wird fortgesetzt. Handelsminister Sydow: Eine Denkschrift über die Uutersuchuirg des Radbodungliicks vorzulegen, wird erst möglich sein, wenn die gerichtliche Uutersuchung abgeschlossen ist. Die Entsunipsung der Grube ist beendet, man ist jetzt bei der Aufräumung der dritten Sohle. Die Schwierigkeiten, die den Aufräumungsarbeiten entgegenstanden, waren sehr groß. Eine Zeitlang mußten die Wasser in der Grube bleiben, damit eine Abkühlung der Kohle eintrat und keine neue Selbentzündung erfolgte. Bo» den Leichen sind bis jetzt 123 geborgen, etwas über 170 find noch zu berge»! Die Bergpolizeibehörde hat sich mit großer Sorgfalt der Ueberwachuug der Arbeiten ge- widmet. Der Referent des Handelsministeriums ist selbst sechsmal in der Zeit in die Grube eingefahren, der Bergrevier- beamte an 200 mal. Die Bergbehörde hat die Verwaltung der Grube ersiecht, jedesmal einen Arbeiter zur Befahrung der Grube mitzunehniFU. Es sind zwei Bergleute auf Veranlassung des Re- gierimgSpräsidenten zugezogen worden: später hat der Knappschafts - vorstand die Entsendung weiterer Slrbeitcrvertretcr abgelehnt; aus welchen Gründen weiß ich nicht. Der KnappschaftSvorstand ist in solchen Beschlüssen selbständig, eine Einwirkung der Bergbehörde auf ihn ist nicht möglich! Was die Ursache der Explosion anlangt, so sind Koksherde hier nur in geringen! Maße gefunden worden. Vielleicht aber findet die Explosion in einem anderen Um- stände ihre Erklärung. Es hoben sich in der zweiten Sohle zwei parallel laufende Spalten von etwa 20 Meter Länge gefunden, die vorher nicht vorhanden waren. I» der sozialdemokratischen Presse ist daS ironisiert lvorden:Nun hätte man mit einem Male einen Anhalt, die Katastrophe auf elementare Einwirkungen zurück- zuführen und die Verivaltung stände rein da". Demgegenüber stelle ich fest, daß wir durch eidliche Vernehmungen die Wahrheit fest- zustellen versucht haben. Neun Bergleute und ein Assessor haben bekundet, daß sie die Spalten vor dem Unglück nicht bemerkt haben, aber bemerkt haben müßten, wenn sie vorhanden gewesen wären. Anderwärts find Fälle vorgekommen, wo große Mengen von Gasen au« solchen Spalten ausgeströmt waren. Im Reichstage ist vom Abg. Sachse behauptet worden, die Bergvcrwaltung habe dem Bergbeamten Holländer die Genehmigung zur Aussage über das Radboder Unglück in dem Beleidigungs- prozeß gegen dieBergarbeiter-Zeitung" nicht erteilt, wo es sich um die angebliche Aeußerung eines Direktors handelte: W a S lebt, das lebt, wir müssen heraufl* Die Sache liegt so: Der Verteidiger stellte eine Frage, die sich ans die Ursache des Radbod-UnglückeS bezog. Holländer war der Meinung, er hätte nur die Genehmigung von der Bergbehörde, über den Gegenstand der Beleidigungsklage auszusagen das foll kein Vorwurf gegen ihn sein, während daS Oberbergamt die Genehmigung im w eiteren Sinne hatte geben wollen. Das Gericht hat übrigens die Frage als unerheblich abgelehnt. Was die Frage anlangt, ob noch Arbeiter hätten gerettet werden können,, so ist dafür von Interesse, daß die Leichen, die bis jetzt ge- funden sind mit Ausnahme von Arbeitern, die beim Transport beschäftigt waren, an ihrer Arbeitsstelle in der Haltung gefunden worden sind, in der sie gearbeitet haben; zum Teil hatten sie noch das Werkzeug in der Hand, so daß man an- nehmen muß, daß der Feuerstrom der ersten Explosion sie sofort gelötet hat und daß von ihnen keiner mehr hätte gerettet werden können. Um die Wiederholung ähnlicher Unglücksfälle zu vermeiden, sind eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen getroffen. So ist über« all die Benutzung elektrischer Lampen vorgeschrieben; es müssen Vorbohrungen stattfinden sowie eine stärkere Berieselung. Die aus- ziehenden Wetter iverden analhstert auf ihren Gehalt an Gruben- gasen. Um den Kohlenstaub zu vermindern, soll das Wasser mit starkem Druck eingeführt werden. Die Untersuchung wird auch weiter mit größter Unparteilichkeit geführt werden, denn die Ber- ivaltung hat keine anderen Interessen als: die Ursache des Unglücks klarzustellen. Was die Löhne der staatliche» Bergarbeiter betrifft, so sind sie 1903 gegen 1907 durchschnittlich gestiegen: in Oberschlesien um 23 M., im Oberharz um 21 M. In Dortmund ist ein Rückgang von 13 M., im Saarrevier von 3 M. zu ver­zeichnen, also ein kaum nennenswerter Rückgang. Die Tat- fache, daß trotz der Lohnstcigerung 1906/07 bei der darauf eintretenden allgemeinen Depression kein Rückgang der Durchschnittslöhne zu verzeichnen ist, ist immerhin ei» recht günstiges Ergebnis.<Sehr richtig! rechts.) Was die Frage an- belangt, ob ich bereit fei, für eine Erhöhung der Löhne zu sorgen, so bemerke ich dazu: Die Gestaltung der Löhne richtet sich bei einer Staatsverwaltung auch nach der allgemeinen Konjiulttur. Ich kann nicht aus allgemeinen Wohlfahrtsrücksichten dekretieren, die Löhne sollen erhöht werden, daS wäre unwirtschaftlich und würde die Privatindustrie in eine sehr schwierige Lage bringen.(Sehr richtig! rechts.) DaS Wort vom. Musterbetrieb" wird oft in einem Sinne angewandt, den es nach der Absicht dessen, der es geprägt hat, nicht haben sollte. Unter einem»Musterbetrieb" verstehe ich einen Betrieb, der innerhalb der Grenzen der Wirtschaftlichkeit alle humanen Rücksichten gelten läßt.<Sehr richtig! rechts.) Das Wort wird aber häufig so angewandt, als ob darunter ein Betrieb zu verstehen wäre, der den Arbeitern so viel zahlt wie irgend möglich. Herr Leinert hat die Frage der Behandlung der Arbeiter ge« streift und einen Fall angeführt, den er für typisch erklärte. Die Aeußerung, zu der sich der betreffende Werksdirektor in Altenau gegenüber dem Arbeiter, dch: ihn nicht grüßte, hinreißen ließ, ist ge- miß zu mißbilligen, aber der Arbeiter, um den es sich handelt, ist bereits wiederholt wegen Mißhandlung, einmal mit dem Messer, bestraft worden und hat sich überhaupt als gewalttätige und auf- fäisige Natur erwiesen, so daß der Direktor eine beabsichtigte Provo- kalion annehmen konnte. Im übrigen kann die Staatsverwaltung natürlich nur wünschen, daß die Arbeiter durch ruhige, ernste Menschenfreundlichkeit zur Erfüllung ihrer Pflicht bon den Vor- gesetzten angehalten werden. Was den Antrag Borgmann anlangt, so wären zu semer Au§- führung eine Menge Beamte notwendig. Man wünscht doch sonst immer eine Verminderung des Beamtenheeres; auch sehr kauf- männisch wäre ein solches Vorgehen nicht, und wir sollen doch den Betrieb kaufmännisch gestalten. Der Effekt würde nur sein. daß die Arbeiter nun Vergleiche zwischen jedem einzelnen Werk und jeder einzelne» Klasse anstellen, und jeder Unterschied von einigen Pfennigen würde zum Gegenstand einer eingehenden Landtags- oder ReichslagSrede gemacht wenden.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wie bei den Beamten I) Da also der Antrag sachlichen Interessen nicht dient, bitte ich das hohe Haus, durch Ablehnung des Antrages die Staatsregierung mit dieser Aufgabe zu verschonen. (Bravö'rechts.) Abg. Korfanty (Pole) fordert Sicherung der geheimen Wahl der Sicherheitsmänner und größeren Einfluß der Arbeiter auf die Grubenkontrolle; dadurch würde die Zahl der Unfälle sich verminder». Redner kritisiert des weiteren das Verhalten der Knappschaflsärzte gegenüber den polnischen Bergleuten. Abg. Jinbusch(Z.): Der Antrag Borgmann rennt offene Türen ein. Herr Leinet t bezeichnet sich als Arbeiter und nennt unsRenommier- arbeiter". Andererseits behauptet er, wir seien gegen den Willen der Parleileitueg in den Landtag gekommen. Darin liegt ein Widerspruch. Alis mit der Wahrheit und Logik steht Herr Leinerl auf gespanntem Fuß. Aber nun sind wir doch einmal hier und müßten uns doch als Arbeiter unterstützen, statt dessen greift er gerade uns hier aus das heitigste an.(Sehr gut! im Zentrum.) Aus dem anderen Teil der Rede des Herrn Leinert waren deutlich die Spuren des Herrn Hue zu merken. Ueber Herrn Hue hat der jetzige Redakteur desVorwärts", Düwell, geschrieben:Er ist absolut nicht wählerisch in der Wahl der Mittel, wenn sie nur seinem Zweck dienen." Diese Eigenschaft scheint stark auf Herrn Leinert abgefärbt zu haben. Herr Hue hat eS auch mit seiner Moral vereinbar gefunden, in öffent- licher Versammlung zuzugeben, daß aus dem Nachlaß eines Führers der christlichen Gewerkschaft gestohlenes Material sich im Besitze der sozialdemokratischen Partei befinde.(Hört l hört I im Zentrum.) Herr Leinert warf dem Zentrum auch feine Haltung bei der Bergnovelle vor. Dabei hat damals Herr Leinert in der Kommission unseren Anlrägen fast ausnahmslos zugestimmt, ebenso im Plenum.(Abg. Leinert: Nachdem Sie unsere ab- gelehnt hatten!) Das 30 000 Mark-Flugblatt ist in der Druckerei derRhein . Zeitung" in Köln gedruckt.(Hört! hört! im Zentrum, Abg. Leinert: Privaldruckereil) Vor Gericht ist festgestellt, daß ein Redakteur derRheinischen Zeitung" das Flugblatt vor dem Druck gelesen hat. (Hört! hört! im Zentrum.) Die öffentliche Erklärung, daß das Flugblatt von einem Vorstandsmitglied deS christlichen Gewerkvereins der Bergarbeiter verbreitet sei, hat Herr Sachse noch erlassen, als ihm. dos Gegenteil schon bekannt war.(Hört! hört! im Zentrum.) Warum hat man Spaniol nie gefragt, wer denn das christliche Vorstandsmitglied war, das ihm den Text des Flugblattes mit- geteilt habe? Darüber hat man noch nie etwas gehört. Die Aus- sagen in dem Prozeß beweisen, daß Mitglieder des Bergarbeiter- Verbandes hinter dem Flugblatt standen.(Widerspruch bei den Sozial- demokraten.) DaS Urteil hat Herr Leinert nicht völlig verlesen. Es wird in ihm auch ausgesprochen, daß Herr Sachse das Flugblatt nicht deutlich genug zurückgewiesen hat. Wenn die Sozialdemokratie sich immer als alleinige Vertreterin der Arbeiter aufspielt, erinnere ich daran, daß Gelder, die für die Bergarbeiter gesammelt waren, vom Parteivorstand 1905 den russischen Revolutionären gegeben ivurden,(Hört! hört! rechts) ferner, daß, als die sozialdemo« kratische Interpellation über das Borussia-Unglück auf der Tages- ordnung stand, die Sozialdemokraten so wenig zahlreich vertreten waren, daß die notwendigen Stimmen zur Unterstützung des An­trages aus Besprechung der Interpellation nicht zusammenkamen. Als das auf dem Parteitag gerügt wurde, tadelte Herr Hue den Delegierten, der mit dem Vertuickungssystem nicht einverstanden gewesen war. Eitle Partei, die solche Sünden auf dem Kerbholz hat, darf dem Zentrum keinen Vorwurf machen.(Sehr richtig! im Zentrum, Lachen bei den Sozialdemokraten.) DaS Zentrum wird fortgesetzt von der Sozialdemokratie in unehrlichster Weise verdächtigt, aber die Wahrheit und Gerechtigkeit wird schließlich doch siegen. (Bravo ! im Zentrum.) Abg. Schmieding(natl.): Interessant ist, daß der Zentralarbeits- Nachweis in der Debatte gar nicht erwähnt worden ist. Das beweist beweist wohl, daß die Arbeiter allmählich sich mit dieser Einrichtung befreunden. Redner polemisiert des weiteren gegen die neulichen Angriffe des Abg. Gronowski. Herr GronowSki Hai ganz im sozial- demokratischen Ton gegen uns gesprochen, und Freiherr v. Schorleiner hat mit Recht einmal gesagt: Vom sozialdemokratischon Ton zur sozialdemokratischen Gesinnung ist nur ein Schritt.(Heiterkeit und Bravo I bei den Nationalliberalen.) Abg. Gyßling(fts. Vp.j: Die Tatsache, daß solche Debatten in diesen Tagen hier sowohl wie im Reichstage ftattgefimden haben. beweist die Unrichtigkeit der Worte des Herrn Reichskanzlers, daß gerade das demokratische Wahlrecht zu einer Verflachung des Parla- mentarismuS führe. Es war hier genau so wie im Reichstag!(Sehr richtig I links.) Der ZecheiiarbeitsiiachweiS ist jedenfalls deshalb nichl erwähnt worden, weil wir kurz vorher eine Interpellation darüber gehabt haben. Ich nehme an, daß die Regierung nach wie vor dieser Frage volle Aufmerksamkeit widmet. In der Auslegung des BegriffsMusterbetrieb" kann ich dem Herrn Staatssekretär nicht zustimmen. Jedenfalls ist doch für einen Musterbetrieb Be- dingung, daß er auch in bezug auf die Löhne an der Spitze marschiert. Wenn immer von einem Sinken der Leistungen die Rede ist, so kann das leicht mißverstanden werden, wenn nicht auch betont wird, daß die Gchwierigleit der Arbeit bedeutend zugenominen hat. Davon kann keine Rede seui. daß die Arbeiter nachlässiger in ihrer Arbeit geworden wären. Abg. Dr. Loh mann natl.): Ein Zentrumsblatt hat es fertig gebracht, bei der Geburt des ersten Sohnes unseres Kronprinzen seinen Lesern vorzuerzählen, die Hochzeit des Kronprinzen hätte erst sechs Wochen vorher stattgefunden.(Lebhaftes Hört! hört!) Auch in einem sozial- demokratischen Blatt würde man eine solche Gemeinheit niemals finden. Wenn Herr Gronowski das so geschmackvolle Bild von dem begossenen Pudel uns gegenüber anwandte, so kann ich für dasgentrumnurdasBild der Hammelherde gebrauchen: wie ihr Leithammel blökt und springt, so springt die ganze Herde.(Große Heiterkeit und Sehr gut! links. Lärm im Zentrum.) Im allgemeinen kann ich in daS harte Urteil des Herrn Leinert über das Zentrum nicht einstimmen, aber darin hat Herr Leinert recht: Die charakteristische Eigenschaft der Zentrums- Partei außerhalb dieses Hauses ist Mangel an Wahrhaftigkeit.(Leb- hafte Zustimmung links.) Ich erinnere die Konservativen an das Wort v. Treitschkes:Jeder Bundesgenosse des Ultramontanismns ist am letzten Ende der Betrogene".(Lärm im Zentrum; Sehr gut l links.) Abg. Gronowski(Z.): Was die Ausführungen des Herrn Leinert über die Wahl in Dortmund anbetrifft, so hat mir der Borsitzende des Zentralwahlkomitees der Zentrumspartei für Dortmund mit- geteilt,daß die sozialdemokratische Parteileitung von Dortmund - Land an das Zentrumswahlkomitee in dem von dem Abgeordneten Leinert angeführten Sinne geschrieben hat, daß aber diesseits auf dieses Schreiben weder schriftlich noch mündlich direkt oder durch das Telephon eine Antwort gegeben worden ist. ES ist diesseits nichts darüber bekannt, daß die ZeutrumSpresse oder eine von ihr beauf- tragte Person ein Abkomnien getroffen oder eine solche Zusage ge- aeben hat. Ich erkläre deshalb die Behauptung deS Herrn Leinert für unwahr. Also da ist auch Ihr jzu den Sozialdemokraten) Märchen zertrümmert.(Gelächter und Widerspruch bei den Sozial. deniokraten.) Herrn Lohmann erwidere ich, daß jeder Zentrums- anhängcr für seine Glaubenstreue und seine Liebe zu Kaiser und Vaterland bereit ist, alles hinzugeben.(Bravo ! im Zentrum.) Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Der Antrag B o r g m a u n(Soz.) tvird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Die Einnahmen werden bewilligt. Abg. Leinert(persönlich): Herr Gronowski behauptete, baß daS, was ich gestern über das Zentrumswahlkomitee in Dortmund aus« geführt habe, unwahr sei. Der betreffende Vorfitzende des Zentrums- Wahlkomitees hat am 12. Juni an die sozialdemokratische Partei geschrieben, daß er unsere Slichwahlforderungen anerkenne. (Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich habe erklärt, daß auf das Zirkular, das am 15. Juni von uns dem Zentrums- Wahlkomitee zugestellt worden ist, eine schriftliche Antwort nicht ein- gegangen ist, daß aber am Wahltage morgens t e l e p h o n i s ch mit- geteilt' wurde, daß es für die Zentnimspartei Ehrensache sei, unsere Bedingungen zu erfüllen. Diese Tatsache bleibt wahr.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) In einer Flut weiterer persönlicher Bemerkungen zwischen Nationalliberalen und Zentrum bemerkt Abg. Bartsch«:(Z.): Der sozialdemokratische Etatsredner hat die Nationalliberalen selbst als BundeSbrüder der Sozialdemokraten bezeichnet. Abg. Hirsch(Soz.): Dieser sozialdemokratische Etatsredner war ich. Ich erkläre dem Vorredner gegenüber, daß das WortBundes- brüder" selbstverständlich nur ironisch gemeint war.(Lachen im Zentrum.) Jeder vernünftige Mensch mutz das von selbst einsehen. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Es steht auch im steno- graphischen Bericht in Anführungszeichen. Ich glaube, es ist überflüssig, zu versichern, daß wir die Nationalliberalen genau so als unsere Feinde betrachten wie das Zentrum. Es war uns nur nicht möglich, beide Parteien an eine,» Tage totzuschlagen.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Nächste Sitzung: Freitag 1 Uhr. Fortsetzung der heutigen Beratung. Schluß 5 Uhr._ parlamentanfcbca. Wirtschaft aus dem Bolle». Wir sind eS gewöhnt, daß die Kolonialverwaltung auS dem Vollen wirtschaftet und daß Summen verschwendet werden, die uns ungeheuerlich erscheinen. Was für die Kolonien im allgemeinen gilt (daß die Ausgaben zu hoch sind und der Etat zu wenig durchsichtig ist) das gilt doppelt für die Marinestation K i a u t s ch o u. So wurden zurUnterhaltung der Garten- und Parkanlagen" 9000 M. gefordert, obgleich eS sich in der Hauptsache eigentlich nur um einen einzigen Park handelt. Tlan muß über­dies bei allen Angaben über Kiamschou immer im Auge behalten, daß unser Besitztum in Ostasien nicht größer ist als das Bremer Staatsgebiet. Für Reinigung, Feuerung und Beleuchtung der öffentlichen Gebäude der Zivilverwaltung werden 185 000 Vi. gefordert. Die Kommission strich von dem ersten Posten 4400, vom zweiten 10 000 M. Für Gewährung von WohnungSgeldzuschüssen werden 128 520 verlangt; eS werden den Beamten für eine Fünf- zimmerwohnung 2700 Mark bezahlt, eine Summe, die in Wirk- lichkeit»och höher ist, als sie erscheint, wenn man sich ver­gegenwärtigt, daß der Grund und Boden billiger und die Löhne niedriger find als bei uns. Die Kommission strich denn auch ein Viertel der geforderten Summe mit der Maßgabe, daß den unteren Beamten ein prozentual geringerer Abzug gemacht iverde als den höheren. Bon dem Posten von 7ö000 M. für Reise- und UmzngSkosten werden 25 000 M. abgesetzt. ES sind in Kiautschou etwa 100 Beamte in der Zivilverwaltung beschäftigt; davon erhalten die oberen und »nittleren Beamten alle vier Jahre einen HeimatSurlaub von sieben Monaten, Wenn man die geforderte Summe auf die Urlaubs - fälle verteilt, so kommen auf einen Fall nicht weniger als 6000 M.! Das erhellt aber nicht etwa aus dem Etat, sondern es mußten den Herren von der Marineverwaltung erst nach und nach die Würmer auS der Nase gezogen werden. Für Bureaukosten, also für Tinte, Bleististe, Papier und Streu- fand werden 9700 M. verlangt! Auf die einzelnen Aemter verteilt, entfallen auf die Zentralverwaltung 2000, auf das Gouvernement 2400 M., auf die Landesverwaltung 1600 M., bis herunter zum Gouvernementsarzt, der im Jahre nur für 200 M. Tinte und Papier gebraucht I! Die Kommission strich 2700 M. von der Gesamt­summe ab. Bei der Beratung des Etats der Militärverwaltung in Kiautschou verlangte Genosse N o S k e die Verringerung der 2300 Mann betragenden Besatzung, denn nach einem Ausspruch eine« höheren Offizier« sei im Ernstfalle an eine Verteidigung Kiautschou » einer fremden Macht gegenüber nicht zu denken. Und da ein Hand- streich der Chinesen auch nicht zu fürchten sei. so könnten wir unsere Truppen zurückziehen und so weit es erforderlich sei die Polizei verstärken. Der Abg. Erzberger stimmte dem zu. Zur erfolgreichen Verteidigung der Forts gehörten allein acht Regimenter, wie ein General bei der Besichtigung erklärt habe. Der Staatssekretär gab auf diese Anregungen selbstverständlich eine ablehnende Antivort.... AuS der GeschSstsordnungSkommissson deS Reichstags. In der Sitzung am 2. März wurde über eine Neugestaltung des§ 35 debattiert, der von der Behandlung der Initiativ- antrage aus dem Hause und der Petitionen handelt. Die gegenwärtige Fassung leidet an Unklarheiten; auch sind die Be- stimmungen über den in diesem Paragraphen vorgesehenen Schwe» r i n S t a g, durch den ein bestimmter Tag in der Woche für Jni- tiativanträge festgelegt ist, in den letzten Jahren nur sehr unregel- mähig beobachtet worden. In der vorigen Session war deshalb schon eine neue Fassung vereinbart worden, die von den Herren Jungk(natl.) und Müller- Meiningen(frs.) als Antrag neu eingebracht wurde. Danach sollen einmal die Vorschriften über die Behandlung der Petitionen von denen über die Behandlung der Initiativanträge auS dem Hause sinngemäß getrennt werden. Fer- ner wird für die Behandlung der Initiativanträge die Ansehung eines Tages in der Woche zur bindenden Pflicht gemacht. Ein Unterantrag Ledebour(Soz.) verlangt noch, daß die jetzt bereits auf Grund gegenseitiger Uebereinkunft zugelassene Ersetzung eines zur Verhandlung kommenden Initiativantrags durch einen anderen von der nämlichen Partei eingebrachten aus- drücklich rechtmäßig gemacht wird. Von den konservativen Parteien war eine größere Anzahl An- träge eingebracht worden, die alle die Tendenz haben, die Bewe- gungsfreiheit bei der Einbringung von Anträgen einzuschränken. Vom Grafen Westarp(k.) lag noch ein Antrag vor: auch die Resolutionen" genau zu definieren und ihre Behandlung neu zu regeln. Doch kam man überein. diese Frage besonders zu behandeln, nachdem die in dem Antrag Jungk-Müllcr formu» lierten Bestimmungen erledigt sind. In der Diskussion fanden die Anträge der konservativen Gruppen bei den übrigen Parteien keinen Anklang, während der Antrag Müller-Jungk, sowie der Unterantrag Ledebour im Prinzip die Zustimmung der Liberalen, des Zentrums und der Sozialdemo. kraten erhielten. Besonders drehte sich die Debatte um die Frage, ob die Mehrheit des Hauses daS Recht haben sollte» außerhalb des SchwerinstagcS jederzeit einen An- trag auf die Tagesordnung zu setzen, wogegen die konservativen Gruppen sich sträubten. Zur Abstimmung kam es noch nicht. Am Donnerstag, den 3. März findet die nächste Sitzung statt. Stellenvermittlergesetz. Die ReichStagskommission für das Stellenvermittlergesetz setzte in der Sitzung am Mittwoch ihre Beratung bei§ 2 fort. Mehrere unserer Genossen beantragten: für die private Stellenvermittelung die Erlaubnis dann zu versagen, wenn ein Bedürfnis»ach Stellen- vernüttlern nicht vorliegt: ein Bedürfnis für einen bestimmten Beruf oder Gewerbe ist insbesondere nicht aitzuerkeunen, soweit für den Ort oder den wirtschaftlichen Bezirk durch Vereinbarungen zwischen einem erheblichen Teil der Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder