Abg. Dr. Südebum(Soz.):Auch wir stimmen der Resolution zu, weil wir die Gleich-bercchtigung aller Kunstrichtungen anerkannt wissen wollen.Der Freiherr v. Hertling will den geforderten Kredit für dieKunstausstellung in Rom zwar bewilligen, hat aber eine sehr ge-wundene Erklärung abgegeben, die sich nur verstehen läßt aus derStellung seiner Partei als regierende Partei.(Oho! im Zentrum.)Er kann der Regierung den Kredit nicht recht verweigern, würdeaber sonst abgeneigt sein, etwas zur Feier eines Festes zu geben,dessen Anlaß seiner Partei nach ihrer ganzen Tradition unsympa-thisch sein muß. Würde die Wiederherstellung des Kirchen-staates gefeiert werden sollen, so würde er gern ein paar tausendMark geben.(Heiterkeit und Sehr gut! links.) Wir unsererseitsfreuen uns der Taten, die Anlaß gegeben haben zur Veranstaltungdieser Gedenkfeier und bewilligen den Kredit daher mit Ver-gnügen. Die Einigung Italiens war nur möglich nach dem Sturzder Bourbonenhcrrschaft in Neapel, nach Beseitigung des grau-samen und blutigen Regiments des Re Bomba, des Bombenkönigs,und die kühnen Züge des Empörers Garibaldi werden nicht aus derGeschichte Italiens auszulöschen sein.(Lebhafte Zustimmung beiden Sozialdemokraten.) Die Regierung des Königs, der so rechtein klerikaler König war, Ferdinand II. von Sizilien, die erst ge-stürzt werden mußte, ehe an eine Einigung Italiens zu denkenwar, nannte ein so vorsichtiger Beurteiler menschlicher Dinge wieder alte Gladswnc eine Regierung der Negation Gottes!Ein Regiment, wie es damals in Sizilien geführt wurde, das nichtdavor zurückschreckte, einen Mann wie Carlo Poerio mit einemVerbrecher in Ketten zusammenzuschließen, ein solches Regimentder Volksentrechtung gestürzt zu haben, war ein Verdienst derFreiheitskämpfer Italiens und ein glänzendes Vorbild für alleVölker, die noch um ihre Freiheit zu ringen haben.(Bravo! beiden Sozialdemokraten.)Abg. Kirsch(Z.): Freiherr v. Hertling hat keine gewundeneErklärung abgegeben, sondern nur hervorgehoben, daß die EinigungItaliens erst nach 1870 herbeigeführt wurde.Die Diskussion schließt.Die Position wird bewilligt, die Resolution aber gegendie Stimmen der Sozialdemokraten und eines Teils der Rechtenabgelehnt.Damit ist der ordentliche Etat des Reichsamts des Innernerledigt.Im außerordentlichen Etat werden4 Millionen zur Förderung des Baues von Kleinwohnungen für Ar-bciter und gering besoldete Beamte in Neichsbetriebengefordert.Abg. Dr. Jäger(Z.)(schwer verständlich) tritt erneut fürbessere Wohnungsfürsorge«in.Abg. Dr. Weber(natl.) schließt sich diesen Ausführungen an,regt die Erhöhung des Fonds an und hebt die Vorzüge desErbbaurechts hervor.Abg. Dr. Südckum(Soz.):Das Reichsamt des Innern hätte beachten sollen, daß die Ver-Minderung dieses Fonds einen schlechten Eindruck macht. DieOrgane, welche Hausbesitzerinteressen vertreten, haben auch mitJubel darauf hingewiesen, daß das Reich mehr und mehr davonabzukommen scheine, die Wohnungsverhältnisse der Arbeiter zu' verbessern. Meinen Freunden und mir liegt daran, daß eine solcheMeinung nicht aufkommt, sondern daß der Reichstag möglichst ein-mütig der Regierung empfiehlt, für die Wohnungsbeschaffung derArbeiter des Reiches möglichst viel Mittel aufzuwenden.Die allgemeine Bedeutung der Wohnungsfrage will ichnicht erörtern. Den Ausführungen des Abg. Weber über bas Erb-bourecht stehe ich nicht ablehnclch gegenüber, doch scheint er dessenBedeutung zu überschätzen. Auf dem privatrechtlichen Wege einerFortbildung des Hypothekarrechts läßt sich die Wohnungsfrage nichtlösen, das ist vielmehr eine öffentliche Angelegenheit des Reiches«des Staates und der G e m e t n de. Hätte» nicht Kt'Gemdirs.den in der manchesterlichen Zeit ihre gesamten Bestände an Grunduud.Bodcu ausverkauft, so lväre die Lösung der Wohnungsfrage inDeutschland ein Kinderspiel. Wir müssen die Gemeindenimmer wieder auf ihre Verpflichtung auf diesem Gebiete hinweisen.Die Seele kann einem bluten, wenn man in der Umgebung vonBerlin, mitten im Grunewald, wo noch keine Spur von Siedelungist, asphaltierte Straßen sieht mit großen Kandelabern, und dorterlaubt die Regierung den Menschen, sechsmal übereinander zuwohnen!s ES ist ein öffentlicher Skandal, wie da mit der Gesund-heit der Menschen gewirtschaftet wird. Um eine lächerliche Pracht-strahe zu bauen, die nicht Sinn und Verstand hat, verschandeltincm die Umgebung Berlins.(Sehr wahr! b. d. Soz.) UnserStrafgesetzbuch kennt für die einfachsten Vergehen und Verbrechenzum Teil sehr harte Strafen. Aber was ist ein Vergehen gegendas Eigentum und selbst gegen das Leben im Vergleich dazu, daßunter der Aegide der Staatsverwaltung und vor den Augen derVolksvertretung Methoden der Siedelung eingeschlagen werden, diegeradezu einer Vernichtung der Volkskraft gleichkommen!(LebhaftesSehr richtig! b. d. Soz. und im Zentrum.) Der Fluch der Gene-rationen wird sich an den gegenwärtigen Landwirtschastsministerund an seine Räte hängen, die ohne Ueberlegung und ohne zu be-denken, was sie anrichten, Stück für Stück der Umgebung von Berlinder privaten Spekulation überlassen und im Interesse einer fis-kalischen Politik in der Sandwüste und in der Wildnis, die nur alsLunge der Großstadt Wert hat, Bodenpreise schaffen, welche einenWechsel der Bebauungsweise ein für allemal unmöglich machenmüssen. Wenn wir diese Gefahr vor uns sehen, sollte das Reichnichts dazu tun, um eine Besserung herbeizuführen?(Sehr wahr!b. d. Soz.) Deshalb beklage ich die Zurückschraubung dieses Fonds.Staatssekretär Delbrück: Das Reich wird stets die Ehrenpflichterfüllen, für gute Wohnungen seiner Beamten und Arbeßer zusorgen. Ich werde stets darauf halten, daß eine alljährliche Posi-tum in entsprechender Höhe in den Etat eingestellt wird.Das Erbbaurecht ist sicher von der allergrößten Bedeutung.Eine Denkschrift über die Frage ist in Vorbereitung.Ein Geheimrat erklärt die Angaben über Mißstände in Arbei-ierkolonien am Danziger Hafen für übertrieben. Soweit sie be-standen, seien sie beseitigt.Abg. Dave(freis. Vg.): Kollege Dr. Südekum hat recht, wenner ausführte, daß die Kommunen zu wenig Aufmerksamkeit demGrund- und Bodenproblem gewidmet haben. Aber er mißt allzu-viel Schuld dem Liberalismus bei. Äatt unZ in Erörterungenüoer die Schuldfrage zu vertiefen, sollten wir uns lieber vereinigen,ein Haupthindernis wie der gesamten sozialen Kommunalpolitikein Haupthindernis wie der gesamten sozialen Kommunalpolitikso auch jeder gesunden Wohnungspolitik ist.(Lebhafte Zustimmungbei den Sozialdemokraten.Abg. ßrzberger(Z.):Ich kann mich den scharfen Ausführungen des Abg. Dr. Süde«kum über das Versagen des Reichs in der Wohnungsfrage nur an-schließen.(Hört! hört! b. d. Soz.) Man kann dem Reichstag nichtvorwerfen, daß er in Fragen der Wehrkraft oder auch etwa derArbeiterversicherung versagt hat; aber er hat versagt in der hoch-wichtigen Frage deö Wohnungswesens. Und doch ist ein Reichs-Wohnungsgesetz vielleicht die wichtigste sozialpolitische Aufgabe derGegenwart.(Vielfache lebhafte Zustimmung.)Ein Haupthindernis jeder gesunden Bodenpolitik ist, wie Kol-lege Dave sehr richtig hervorgehoben hat, das Hausbesitzer-Privileg(Lebhafte Zustimmung b. d. Soz.), um so mehr, alsdie Hausbesitzer durchweg gleichzeitig Terrainspekulantensind. Mit Recht hat Dr. Südekum den Unfug der Grunewald-Asphaltierung getadelt. Die Döberitzer Heerstrahe ist nicht mehrrückgängig zu machen, aber verhindern wollen wir, daß die letzteLunge Groß-Berlins, das Dempelhofer Feld, bebaut wird.Abg. Südckum(Soz.):Ich trete den Ausführungen des Abg. Erzberger über die Not-tvendigkeit einer Erhaltung des Tempelhofer Feldes vollständigbei. Nicht einmal vom fiskalischen Standpunkt aus läßt sich dieVeräußerung empfehlen, die uns für Zeit und Ewigkeit diesesFelde? berauben wird. Wie immer man sich auch das Geschäftdenkt, in jedem Falle würden sich dort die Mietskasernen und diegroßen Etagenhäuser ansiedeln. Nehmen wir einmal an, derFiskus würde 100 Millionen Mark für das Feld erhalten, so spieltdiese Summe im Vergleich mit den gewaltigen Zahlen unseresEtats gar keine Nolle.In Deutschland tut man gut, wenn man eine Einrichtungdurchzusetzen wünscht, sie mit irgendwelchen militaristischenInteressen zu verbinden. Deshalb erlaube ich mir, darauf auf-merksam zu machen, daß bei der Entwickelung der Luftschiffahrtder Tag bielleicht nicht mehr fern ist, wo wir im Weichbild derStadt Berlin große Flächen für Luftschiffahrtsbahnhöfe nötighaben werden. Dazu könnte in Berlin nur das Tempelhofer Felddienen. Indessen bleiben die Hauptsache immer die vorhin schonerwähnten Gründe der Volkswohlfahrt, und deshalb stehe ich prin-zipiell auf dem Standpunkt, daß der Reichstag es mit aller Ent-schiedenheit ablehnen sollte, das Tempelhofer Feld jemals ver-kaufen zu lassen.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Damit schließt die Debatte.Der Titel wird bewilligt und der Rest des Etats debatte-loS erledigt.Es folgt dieLeratwig cles Gtato für dk Verwaltungder katferUchen JMarlne.Die allgemeine Debatte beginnt bei dem Titel„Staats-sekretär.zu welchem folgende Resolution Albrecht u.Gen.(Soz.) vorliegt:„Die Verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine Unter-suchungskommission einzusetzen, die zur Hälfte vom Reichstagaus seiner Mitte ernannt und mit dem Recht der eidlichen Ver-nehmung von Zeugen und Sachverständigen versehen wird. Auf-gäbe dieser Kommission soll sein, die insbesondere durch dieKieler Schwurgerichtsverhandlungen bekanntgewordenen Unregel-Mäßigkeiten in der Verwaltung der Reichswerften auf ihre Ur-fachen hin zu untersuchen sowie Maßnahmen zu beraten undvorzuschlagen, die geeignet sind, eine Reform der Verwaltungder Werftbetriebe auf sozialpolitischem, technischem und kauf-männischem Gebiete herbeizuführen."Abg. Graf Oppersdorf(Z.):Der Reichsschatzsekretär möge seinen Daumen recht stark aufden Marineetat halten. Die Besoldungen sind in den letzten18 Jahren um 80 Proz. gestiegen, beim Kriegsministerium nurum 40 Proz. Die fortdauernden sowie die einmaligen Ausgabensind in den letzten 4 Jahren enorm gewachsen und da dieDreadnoughts noch kommen sollen, wird dies in Zukunft noch mehrder Fall sein. Wir verkürzen die Lebensdauer der Schiffe mitvollen. Recht; um so mehr ist aber zu verlangen, daß die jetztgebauten Schiffe von den jetzt lebenden Generationen bezahlt wer-den. Wir müssen doch angesichts der hohen Ausgaben wieder denGedanken anregen, ob nicht daS Wettrüsten der Nationen durchfriedlichen Vertrag beseitigt werden kann.Die Bedürfnisse der Werften, für Torpedowesen usw. sind überden ganzen Etat verstreut. Angesichts der jahrelang hierüber er-hobenen Klagen scheint die Beibehaltung dieser Uebung Absicht zusein.— Die Kontrolle müßte durchsichtig sein; der obersteKontrolleur dürfte keine gesellschaftliche und dienstliche Abhängig-keit haben, er müßte ein Beamter ohne Uniform und fast ohneFrack sein.(Sehr gut!)Kanonen und Panzerplatten stellen an die Finanzkraft desReiches große Ansprüche. Wir sind überzeugt, daß die Firma Kruppihre Monopolstellung nie wucherisch ausbeuten wird; aber dieMonopolstellung ist und bleibt bedenklich. Mit jedem neuen Ver-.trage ist. die Position des Reiches der Firma Krupp gegenüber un-günstiger geworden.(Hört! hört!) Juristisch, ideell besteht dieMöglichkeit, die Panzerplatten von einer Konkurrenzfirma zu be-ziehen, aber tatsächlich besteht die Möglichkeit nicht, oder wirdwenigstens in kurzer Zeit nicht mehr bestehen. Der Staatssekretärscheint in dieser Sache unfrei zu sein.(Hört! hört!) ES gibt aberMittel und Wege, die Konkurrenz zu ermutigen. Vielleicht werdenauch Vorschläge aus der Mitte des Hauses gemacht. Gerade daSJahr 1010, in welchem ein wichtiges Patent der Firma Krupp ab-läuft, ist geeignet für solche Versuche. Wir sind stolz auf dieFirma Krupp, die den Namen Deutschlands auf dem Erdkreiseberühmt gemacht hat(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.Rufe: Uebertreibungl), aber wir dürfen die Zukunft nichtder Vergangenheit opfern. Hoffentlich gelingt es dem Staats-sekretär(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Oder seinem Nach-solger!), zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen. Wir sindstolz auf die Marine, aber njcht auf jede Einzelheit des Marine-etats.(Beifall im Zentrum.)Staatssekretär des ReichSmarineamtS». Tirpitzsucht zunächst darzulegen, daß der Marineetat ein durchaus gün-sngeS Bild biete, das keineswegs durch künstliche Verschiebungenbewirkt sei. Unbestreitbare Zahlen beweisen, daß wir Jahr fürJahr billiger bauen. Der deutsche Marineetat ist anerkanntermaßenweit übersichtlicher als der französische und englische Etat.Zur Frag« Krupp-Marineamt: Wir haben 1004 der FirmaEhrhart die Lieferung eines Marinegeschützes aufgetragen. Wirwarten heute noch darauf.(Lebhaftes Hört! hört! rechts.) Inlängeren Ausführungen sucht Redner darzulegen, daß die Liefe-rungsverträg« mit Krupp so günstig waren, wie sich auch unterBerücksichtigung der Konkurrenz erreichen ließ. Wir haben unsauch die Freiheit vorbehalten, mit anderen Firmen Verträgezu schließen, aber andere Firmen sind nicht leistungsfähig. Wirhaben jedenfalls die besten und billigsten Panzerplatten der ganzenWelt.(Hört! hört! rechts.) Wenn der Vertrag mit Krupp ab-gelaufen sein wird, im Jahre 1913, werden wir natürlich wiederversuchen, so gut und billig zu kaufen wie möglich, und wir würdeneventuell auch mit der Firma Thyssen abschließen; allerdings stelltdie Firma heute noch unannehmbare Bedingungen: sie will nurauf 10 Jahre abschließen, und wir sollen uns verpflichten, innerhalbdieser 10 Jahre nicht zu besseren Platten überzugehen.(LebhaftesHört! hört!)Gegen einen Werftkontrolleur, wie ihn Graf Oppersdorf vor-schlug, habe ich nichts einzuwenden. Im ganzen aber muß man dochfagen, daß mit dem Gelde, welches der Marineverwaltung zur Ver-fügung gestellt ist, für die Kriegstüchtigkeit Erhebliches geleistet ist,und daß die Marine den Vergleich mit keiner Marine der Welt zuscheuen hat.(Bravo! rechts.)Abg. GanS Edler zu Putlib(k.): Unsere Flotte soll nichtdem Angriff dienen, sondern dem Schutz, dem Schutz unseres Welt-Handels, unserer Kolonien, unseres Landes. Die Flotte als Teilunserer Wehrkraft ist ei'n F r i e d e n S i n st r u m e n t und hat sichals solches bewährt, weil sie uns bündnisfähig und stark macht.Unser Flottengesetz wird nach unserer Meinung für die nächste Zu-kunft für die Entwickelung der Flotte ausreichen.Ich muß nun auf einige Sleußerungen des Herrn Gädke zusprechen kommen Im Inland wird Herr Gädke ja längst nicht mehrernst genommen(Zustimmung rechts), aber seine antinationalenAeußerungen sind in einem Blatte erschienen, das im Auslandweit verbreitet ist, und dort stiften diese Aeußerungen Schaden.Hoffentlich schätzt man da Herrn Gädke auch bald richtig ein.(Zu-stimmung rechts.)Beiin Kieler Prozeß konnten Defraudationen höherer Beamtennicht nachgewiesen werden, und die bestehenden Schäden will dieVerwaltung beseitigen. Aber nicht festgestellte Sachen sollte mannicht vorbringen, um nicht unnötigerweise die öffentliche Meinungzu beunruhigen.Dem Werftbetrieb ist borgeworfen, er sei nicht kaufmännischgenug. Aber er kann gar nicht anders sein, denn er ist ein Staats-betrieb und muß es auch bleiben.(Sehr richtig! rechts.) Natür-lieh müssen wir bei der Marine möglichst sparsam wirtschaften; aberwir haben die Ueberzeugung gewonnen, daß bei allen Lieferungs-Verträgen sparsam und geschickt vorgegangen ist.Graf Oppersdorf griff unseren Marineetat als unübersichtlichan. Aber unfer Marineetat ist allen anderen voraus. So ist derdes Musterlandes des Parlamentarismus— England— ganz undurchsichtig. Gerade die Herren der Linken sollten das beherzigen.Unsere Marineverwaltung löst ihre Riesenaufgabe in einer Weise,daß die Freude an unserer Flotte immer mehr wächst.(Bravo Irechts.)Abg. Dr. Semler(natl.): Sehr überraschend war der Vorstoßdes Zentrumsredners gegen den Marineetat. Sollte das nur einThhssen-Geschoß gewesen sein im Kampfe mit dem Feldgeschrci:„Hie Krupp, hie Thyssen!"Ich habe früher auch geglaubt, daß in der Marine die Technikermehr Ellbogenfreiheit haben müssen. Aber die Ergebnisse unsererLinienschiffe zeigen, daß unsere neuen Schiffe vollwertig sind, unddasselbe gilt für unsere neuen Panzerkreuzer. Ebenso stehen unserekleinen Kreuzer auf voller Höhe. In unserer Marine sind ja auchGott sei dank und unberufen weniger Unfälle vorgekommen alsin der französischen und englischen.Sehr drmgeild will ich die Aufmerksamkeit des Staatssekretärsauf das Elend lenken, dasdie Arbeiterentlassungen in Wilhelmshavenhervorgerufen haben. DaS Prinzip, nach dem-jnan hierbei vorgegangen ist, scheint nicht richlig zu sein; man hat von 1002 andie Leute entlassen, darunter einen Familienvater mit sieben Kindern,während man unverheiratete Leute behalten hat. Das scheintmir nicht richtig.Ich wende mich zu der Frage der Panzerplatten und der Kon-kurrenz hierfür, die nach dem Grafen Oppersdorff hier nicht mehrverschwinden soll, bis sie befriedigend gelöst ist. Wenn dadurch nurnicht nationale Werke vernichtet werden, denn Krupp und Dillingensind nationale Werke.(Zurufe bei den Sozialdemokraten:Nationalliberale!(Heiterkeit.)) Eine ausländische Macht hat Kruppangeboten, es gäbe leine Summe, über die sie nicht bereit wäre zuverhandeln, wenn Krupp ihr seine Erfahrungen zur Verfügungstellen wolle. Krupp hat dieses Angebot glatt abgelehnt.(Bravo Ibei den Nationalliberalen, Zuruf im Zentrum: Krupp liefert insAusland!) Darauf kommt es nicht an, sondern darauf, daß Kruppseine Erfahrungen dem Auslande nicht zur Verfügung stellt.Man macht in England gruselig vor der deutschen Flotte. MitUnrecht. Wir bauen keine Angriffsflotte z wir haben unsere Friedens-liebe seit 40 Jahren oft bewährt. Dem Zwei- Mächte- StandardEnglands setzen wir die Notwendigkeit einer starken Flotte� zumSchutz des deutschen Handels entgegen. Unter solchen Umständenbedauern wir die wenig flottenfreundliche Rede des Vertreters desZentrums.(Lebhafte Zustimmung bei den Nationalliberalen.)Abg. Dr. Leonhart(frs. Vp.): Wir wünschen dringend gute,friedliche Beziehungen zu England. Unsere Flotte soll ein Friedens»instrument sein.(Bravo! bei den Freisinnigen.) Die steigendenAusgaben für die Marine werden über kurz oder lang neue Steuernnotwendig machen.(Sehr richtig!- links.) Die Marineausgabenhaben sich seit 1898 ungefähr vervierfacht.(Hört! hört!) Ich habehier zu erklären, daß wir alle Abstriche der Kommission imPlenum auftecht erhalten werden.(Hört! hört!)— Wenn derReichstag vom Marineamt Nachweisungen z. B. über Mesiegelderwünscht, so wünscht er solche Nachweisungen ohne nachträglicheKorrekturen!(Lebhafte wiederholte Zustimmung links.)Wir sind den: Grafen Oppersdorff dafür dankbar, daß er dieBeziehungen des Manneamts zur Firma Krupp kritisch beleuchtethat und können nicht mit Herrn Semler in dieser Beleuchtung einennationalen Schaden sehen.(Sehr wahr l bei den Freisinnigen,Sozialdemokraten und im Zentrum.)Man hat hier Artikel des Obersten Gädke angezogen. Ich kenneden Herrn nicht, aber ich glaube er wird schon mit seinen Angreifernfertig werden.Der Oberwerftdirektor in Kiel, hat Untersuchungen angestelltüber Beziehungen von Werftbeamten zu Abgeordneten!(LebhaftesHört! hört! links.) Wir verbitten uns ganz entschieden, daß denpaiöaltchen Beziehungen der Lieichstagsabgeordncten nachgeschnüffeltwird.(Lebhafter anhaltender Beifall links.),Staatssekretär v. Tirpitz: In keiner Weise ist eine Anweisungergangen, welche den Werftbeamten den Verkehr mit Abgeordnetenverbietet. Ueber die Frage der Messegelder ist der Abg. Leophartfalsch informiert.Abg. Dr. Südekum(Soz.):Im vorigen Jahre ist der Marineetat debattelos angenommen.Aber die Enthüllungen über die Mißstände auf den Werften habenim Volke und bei den Abgeordneten diesmal eine starke Spannungerzeugt, die bei den Abgeordneten noch erheblich vermehrt wurde.als wir gestern den Brief des Grafen Oppersdorff in unserenMappen fanden in bezug auf die Lieferungen: Thyssens Ge-schoß, wie es Herr Semler nannte. Wer diesen Brief gelesen.mußte meinen: wenn der Herr Staatssekretär.nicht genügendeAufklärungen über die Lieferungen geben könne, müsseer seinen Posten verlassen". Was der Staatssekretär aber vorhinüber diese Lieferungen gesagt hat, kann die Forderungen desGrafen Oppersdorff nicht erfüllen. Graf Oppersdorff wies auf dieVorzugsstellung von Krupp und Dillingen in bezug auf Kanonenund Panzerplatten hin. Der Staatssekretär glaubte, das damitabtun zu können, daß er sagte:„Bezüglich der Kanonen habe ichschon im Jahre 1004 der Firma Ehrhardt einen Auftrag für ein8,8 Zentimeter-Gcschütz gegeben, aber bis heute hat sie noch nichtgeliefert." Es liegt auf der Hand, daß keine Finna sich darauf ein-lassen kann, ein Geschütz zu liefern, wenn ihr noch nicht einmal dieAbnahme von emem halben Dutzend Geschütze gewährleistet ivird.(Zuruf rechts: Wie soll es der Staatssekretär denn machen?) Bei denPanzerplatten sagte er, er habe eine amerikanische Firma aufgefordert.die aber auch nicht liefern konnte, und in Teutschland haben wir nurKrupp und Dlllingen.Die für das Reich sehr nachteilige Berlängerung der Verträgeerklärt sich, meinte der Staatssekretär, daraus, daß er gewisse Vor»teile bei den Lieferungsverträgen herausgeschlagen hat, und seineKonzession dafür bestand dann in der Verlängerung der Verträge.Das ist ein auffallendeö Verkennen der Situation der MarineverwaltuuggegenüberKrupp und Dillingen. Diese können keine Platten und Kanonenverkaufen, wenn das Reichsmarineomt sie ihnen nicht abnimmt.(Sehrrichtig I bei den Sozialdemokraten.) Haben sie ein Lieferungs-Monopol, so hat das Manneamt eine Abnahmemonopol.Denn Privatflotten gibt es noch nicht.(Heiterkeit bei den Sozial-demokraten. Zuruf bei den Nationalliberalen.) Auch Herr Senilerhat noch keine Privatflotte I Bei solchen Erklärungen, wie sie derStaatssekretär abgab, fällt mir ein, was der Abg. Eugen Richter imJahre 1002 bei Erklärungen des Siaatssekretärs Herrn v. Tirpitzsagte:„Muß man schon Erklärungen von RegieruiigSseiteaus immer mit Mißtraueu entgegentreten— das ist diePflicht des Abgeordneten— so mutz man denen des Reichsmarine-amtes mit besonderem Mißtranen gegenübertreten.(Sehrrichtig I bei den Sozialdemokraten.) Der Erlaß enthält das Ein-geständnis einer Hinierhaltigkeit, eines Mangels an Offenheit, demwir leider bei dem Staatssekretär v. Tirpitz nicht zum ersten Malebegegnen."(Abg. Ledebonr(Soz): Auch nicht zum letzten Male!)Tas gilt auch von dem Erlaß, der den Beamten den Verkehr mitAbgeordneten verbietet. Es ist sehr eigenartig, daß der Staats-sekretär behaupten kann, ein Erlaß an die Beamten, der ihnen denVerkehr mit Abgeordneten verbietet, sei nicht ergangen, wenig-stens von ihm nicht. Sollten in der Marineverwaltiingnicht auch andere hinterhaltige und etwas selbständigeStellen fein? Auch de» nachgeordneten Stellen mußklargemacht werden, daß sie weder das Recht noch die Macht zusolchen Verboten an die Beamten haben.(Lebbaftes Sehr wahr!bei den Sozialdemokraten.)Es handelt sich aber hier nicht um persönliche Angelegenhettendes Staatssekretärs, sondern darum, daß der Marineetat im ganzenso unklar aufgestellt ist, so viel Gelegenheit zu Schiebungen zwischeneinzelnen Posten bietet und es dem Kritiker so schwer macht, zu sehen,was in den einzelnen Posten steckt. Da muß der Reichstag den Etat