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In dieser löblichen Tendenz vermag selbst daZ Organ KnutemOertels. die Deutsche Tageszeitung" die Denunziationen des frommen ZentrumSblaites nicht zu überbieten. Höchstens, daß bei den Ergüssen der durch den Schnapsboykott und seine erfreulichen Erfolge besonders ge- reizten Fusel-Triarier die unverschämte Verhöhnung der Massen und die Aufputschnug der Polizei zum Vergießen von Bürger- blut noch unverblümter zu Tage tritt: DerSpaziergang" der Sozialdemokraten am gestrigen Sonntag wird in einer besonderen Ausgabe desVorwärts" und in der Montagsausgabe deSBerliner Tageblatts" als Gott weiß was für eine imposante Demonstration dargestellt. DerVorwärts" macht sein Geschäft dabei, denn die einzelne Nummer per- kauft der Strabenhändler für 10 Pfennige und noch mehr. und dasBerliner Tageblatt" kann seiner masockistischen Neigung zu den Genossen mit Inbrunst nachgehen. DaS ist aber auch alles. Denn wie wir an anderer Stelle berichten imposant war diese plärrende, johlende Gesellschaft gewiß nicht, die da gestern den Tiergarten mißbrauchte. Im Gegen- teil. Die Langeweile und die vergnügliche Neugier der unbeteiligten Zuschauer wurde nur selten unterbrochen, und dann so, daß der Eindruck alles anders als imposant war. Als z. B. sünf berittene Schutzleute die Rampe vor dem Hauptportal des Reichstages säuberten und ein einzelner Polizist die Freitreppe darüber von den etwa 100 Demonstranten freimachte, indem er sich nur zeigte. da gab es nichts Imposantes. Die Leute von der Rampe riffen ans wie Schaflcder, stürmten die gerade vorüberfahrenden Straßenbahn- wagen und machten. daß sie nach Hanse kamen. Und die andern taten es ihnen nach, sobald die Schutzmannshelme sichtbar tvurden. Wer gestern in Berlin dieDemonstrationen" mit an- gesehen hat, wird sich nicht verhehlen können, daß die Sache einen kindischen, fast lächerlichen Eindruck machte. Zu oft dürften die Genossen derartige Kundgebungen nicht veranstalten, sie wissen ganz genau, daß sie sonst dem Fluche der Lächerlich- keit verfallen würden. Trotzdem darf man niemals vergessen, daß auch in diesemkindlichen Spiele" der tiefe Sinn des EinexrrzierrnS für die Revolution liegt." Zu diesen höhnischen Provokationen, durch die unsere Schuaps-Triarier die Arbeiter so gern zum Wider- stand gegen die Polizei aufreizen möchten, um auf diese Weise den V o r w a n d für ein allgemeines Blutbad zu haben, passen ganz ausgezeichnet die Schilderungen, die Angehörige des Bürgertums über fkanckalöfe polizeitaten im ,. B e r l. T a g e b l." veröffentlichen. Wir geben davon die folgenden Schilderungen wieder: Gestern nachmittag wurde am Bahnhof Treptow eine Iv e h r l o s e D a m e, die Gattin eines angesehenen Berliner Kauf- manneS H. aus der Zietenstraße, ohne jeden Grund durch Faustschläge in das Genick niedergeschlagen, daß sie bewußtlos liegen blieb! Der Gatte der mißhandelten Dame, Kaufmann H.. begab sich mit seiner Frau vom Bahnhof Groß- Görschenstraße nach dem Bahnhos Treptow , um von dort nach dem Zennerschen Restaurant mit einigen Familien den Kaffee einzunehmen. ÄlS Herr H. mit seiner Gattin aus dem Lahnhofsportal kam und die fast menschenleere Chaussee nach Treptow gehen wollte, fanden sie den Weg von dreißig bis an die Zähne be- waffneten Schutzleuten verstellt. Plötzlich ertönte das Kommando des PolizeileutnantsLoS", und die Polizisten stürzten sich mit ge» zogenen Säbeln auf die nichtsahnenden Spaziergänger und drängten diese nach der Schlesischen Brücke zurück. Herr H., der der von der Polizei verursachten Menschenansammlung ausweichen wollte, wollte in ein auf der anderen Seite der Straße belegenes Restaurant gehen, und seine Gattin bat den Schutzmann in der liebenswürdigsten Weise, sie nach dem Restaurant, deren Eingang gleichfalls durch die Polizei gesperrt war, durchzulassen. Ehe cS sich die Dame versah und ohne jede Veranlassung gab der Schutzmann ihr mit der geballten Faust zwei wuchtige Hiebe in den Nacken, so daß sie ohnmächtig zusammenbrach. Die Stimmung der Menge wurde durch diesen Worfall sehr erregt, aber noch che die Spaziergänger eS waren keineDemonstranten", denn die waren um diese Zeit bekanntlich im Tiergarten eigentlich wußten, was geschah, wurden sie von Pferdefüßen und Polizeisäbeln wie eine Herde Strafgefangener zurückgetrieben. Die geschlagene Dame wurde von ihrem Gatten in ein in der Nähe be- sindliches Stift gebracht. Nach vieler Mühe und nach Verabreichung von Medikamenten kam die Dame wieder zu sich und mußte sich sofort nach Hause begeben, wo sie heute noch an den Polizeihieben zu leiden hat." Von einem früheren Beamten wird uns geschrieben:Heute mittag gegen l'/z Uhr kam ich von der Potsdamer Straße , wo ich Einkäufe gemacht hatte, durch die Königgrätzer Straße, um bei dem schönen Wetter im Tiergarten noch einen Spaziergang zu machen. Ich nahm an, daß hier keine Wahldemonstrationen vorgenommen wurden, weil sie in Treptow vor sich gehen sollten. In einiger Entfernung vom Brandenburger Tor sah ich größere Schutzmanns- aufgebote; um hier nicht zu kollidieren, ging ich schräg zum Königs- platz, um diesen zu überschreiten. Von der Ferne sah ich auf der Anfahrt zum ReichStagSgebäude große Menschenmengen, die sich ruhig und würdevoll be- trugen, wie überhaupt bei den großen Mengen, die auf der Platt- sonn des Siegesdenkmals und neben diesem standen, ein ganz ordnungsmäßiges Betragen. Plötzlich stürmten b e- rittene Schutzleute in die Menge zum RcichStagLgebände und in die fliehenden Menschenmengen hinein. Während ich dies vom Königsplatz beobachtete, tauchten auch hier berittene Schutzleute auf und trieben in scharfem Schritt ihre Pferde in die Mengen hinein, die nirgends hinkonnten, weil sie von mehreren Seiten an- geritten wurden. Ich ttat von der Straße auf den Rasen, der mit einer eisernen Umfassung umgeben war, und lehnte mich ruhig gegen einen hier stehenden Baum, ttm so dem Umgerittenwerden zu ent- gehen, auch e i n e D a m e trat herüber. Ein Schutzmann sprengte hinterher und ritt sie nieder. Jetzt wurde ich aufgefordert, sofort meinen Platz zu Verlaffen, dies lehnte ich wegen der für mich bestehenden Gefahr ab, dann kam wutschnaubend ein junger Polizcileutuant und forderte mich noch energischer auf, meinen Standort zu verlassen. Als ich ihm klar machen wollte, daß ich mit meinen 60 Jahren wüßte, was ich täte, um so mehr, als ich ein Lebensalter selbst Beamter war. fuhr er mich an mit den Worten:Lassen Sie mich mit Ihren Redensarten in Ruhe und scheren Sie sich dort weg." Da sich inzwischen das Menschenmcer etwas verlaufen hatte. gelang es nur, einen Straßenbahnwagen zu erreiche». Ich bin über das Gesehene und selbst Erlebte völlig konsterniert, man mag über diese Volksansammlungen denken wie man will, jedenfalls war das Betragen der Menge musterhaft und würdevoll, und ich glaube auch nicht, baß die Rampe und Trepp« zum ReichStagZ- gebäud« Schaden gelitten hätten, wenn man dies« Menschen dort ließ. C. Schulz, Stationsvorsteher a. D." Bitter« Beschwerde führte ein Kaufmann aus Charlottenburg heute aus unserer Redaktion über die Art und Weise, wie er gestern in Treptow sistiert wurde. Der Vorgang spielte sich folgender- maßen ab: Eine vornehm gekleidete Dame trat auf einen Polizei- offizier zu und bat ihn um Auskunst, wo die Puderstraße liege, Als Anlwort erhielt die Dame:Scheren Sie sich zum Teufel, ich gebe solche Auskunft nicht!" Aus Empörung über diese unerhörte Behandlung warf sich jener Kaufmann ins Mittel. Er stellte den Offizier zur Rede, hatte aber ebenso wenig Glück. Als der Offizier dann drohte, die Dame abführen zu lassen, falls sie nicht sofort von allein gehe, rief der Kaufmann dem allzu- schneidigen Leutnant zu:So sehen Sie auch aus, daß sie eine Dame verhaften!" Daraufhin wurde der Kaufmann selbst sistiert. In geradezu bestialischer Weise erfolgte dieseHeldentat". Nach seiner eigenen Angabe wurde der Sistierte von den Beamten mit Füßen gestoßen und mit Fäuste» bearbeitet, so daß er heute einen Arzt anffuchen mußte. Ausdrücke wieDu elender Hund",man nmßte Dich eigentlich überlegen und mit der Plempe eins über den Schädel geben"..., mußte der Mann ruhig entgegennehmen, um nicht von neuem gepeinigt zu werden. Erst nach anderthalb Stunden wurde er wieder freigelassen....* Oer erste Parteitag der fortschrittlichen üolkspartei". DieFortschrittliche Volkspartei ", die Partei der geeinigten drei stetsinnigen Gruppen, hielt am Sonntag im Wintergarten des Zentralhotels zu Berlin ihren ersten Parteitag ab. Es wurden dabei von zahlreichen Parlamentariern allerhand schöne Festreden gehalten, doch bewegten sich diese Reden allzusehr auf dem Gebiete jener liberalen Phraseologie, die auch bisher schon im Freisinn allzusehr die liberalen Taten überwucherte und denent- schiedenen Liberalismus" bei den Massen in so argen Mißkredit gebracht hat. Herr Müller-Meiningen führt« zwar ganz richtig aus, daß der Freisinn infolge seiner schwächlichen Regier» ngS- Politik der Gefahr der Erdrückung nahe gekommen sei. Statt hieraus jedoch die Lehre zu ziehen, daß der Freisinn künftighin eine energische und zielbewußte demokratische Politik zu treiben habe, erklärte Herr Müller-Meiningen, daß der Freisinn die Erhaltung guterBeziehungenzurnationalliberalenPartei erhoffe! Wenn der Freisinn wirklich auf die Erhaltung guter Be- Ziehungen zum Nationalliberalismus Gewicht legt, würde er stets von neuem Gefahr laufen, einerschwächlichen RegierungSpoliti!" zu verfallen. Für die V o l k s p a r t e i nimmt eS sich auch einigermaßen sonderbar aus, wenn derselbe Redner erklärte, daß eine Politik verwerflich sei, dienach Popularität und Wählerfang lechze". Popularität braucht wahrhaftig nicht in einem verlogenen Wähler- fang zu bestehen, kann vielmehr, wie ja die Sozialdemokratie beweist, durchaus begründet sein in der e h r 1 i ch e n V e r t r e t u n g der Interessen der breiten Volksschichten! Es wäre deshalb entschieden Keffer, wenn die Fortschrittliche Volkspartei künftighin mehr Wert auf die Gewinnung der Sympatten der breiten Volks massen legte, als auf die Erhaltung guter Be- Ziehungen zur nationalliberalen Partei. Besser klangen schon die Ausführungen der Herren Wiemer und Paher über die Stellung des Frei- sinns zum Wahlrecht. Herr Wiemer erklärte, daß die Fortschrittliche Volkspartei daS Stückwerk der Regierungs - vorläge ebenso wie das glickwerl der Kommission ablehne. Und Herr Paher meinte, daß die ganze innere Entwickelung Preußens an dem preußischen Wahlrecht kranke. Es werde die Aufgabe des Freisinns sein, das durchzusetzen, waS die Kämpfer der iOer und 60er Jahre nicht gebracht hätten. Noch beffer freilich wäre es gewesen, wenn sich der Parteitag endlich klar darüber geworden wäre, daß die bisherige frei- sinnige Taktik im Wahlrechtskampf eine ver- fehlte gewesen ist und daß der Freisinn besser getan hätte, schon vor Jahren den Mahnungen der Sozialdemokratie zu folgen und sich der großen Volksbelvegung gegen das Drei- klassenwahl recht mit der äußersten Energie an- zuschließen! Hat doch das Schicksal der Wahlrefvrm gerade in diesen letzten Monaten und Wochen bewiesen, wie wenig Hoff- nung vorhanden ist, eine wirkliche Wahlreform innerhalb des Dreiklassenparlaments und mit Hilfe unserer reak» tionären Regierung und des Herrenhauses durch» zusetzen. Hätte der Freisinn bereits vor Jahr und Tag gemeinsam mit der Sozialdemokratie die Wahlrechtsfanfaren er- schallen lassen, hätte er, statt sich damals noch der abge. schinackten Illusion einer konscrvativ-ltberalcn Paarung hinzugeben, gemeinsam mit der Sozialdemokratie allen reaktionären Wahl- rechtsfeinden, konservativen Junkern solvohl wie dem verheuchclten Zentrum, den Krieg angesagt, so stünde es heute besser um die Wahlreforml Aber wir würden die Unterlassungssünden des Freisinns in der Vergangenheit gern vergessen, wenn er nur jetzt durch fern Verhalten begründete Hoffnung böte, sich jemals zu einer wirk­lichen bürgerlichen Demokratie zu entwickeln. Eine solche Hoffnung ist aber trotz aller schönen Rcdefloskeln der Paher, Wiemer, Müller-Meiningen so unbegründet wie jel 0er englischeSoz)alliberall$mu$". Ic. London , 5. März.(Gig. Ber.) Von der letzten kon- scrvativen Regierung wurde gesagt, daß sie an der vielen Taktik gestorben sei. Dasselbe läßt sich von dem'Sozialliberalismus" sagen, der überdies auch noch in der Taktik geboren wurde. Er entsprang der Erwägung, daß man, um die Lords, den Feinden der Unterrichts- und Schankvorlagen, beikommcn zu können, das arbeitende Volk gegen sie mobil machen müßte. Dies sollte durch die Inangriffnahme einer durchgreifenden Sozialpolitik geschehen, der sich die Lords jedenfalls widersetzen würden, und die auch noch für die liberale Partei den großen Vorteil hätte, daß sie der sich bildenden Arbeiterpartei den Wind aus den Segeln nehmen würde. Daß diese taltischen Erwägungen teilweise gut begründet loaren und daß sie Erfolg gehabt haben, kann nicht geleugnet werden, wenn sich auch die Urheber dieser Politik wahrscheinlich größere Erfolge versprochen haben. Man kann jedoch jetzt fest- stellen, daß es der liberalen Partei gelungen ist, einen großen Teil der englischen Arbeiterschaft an sich zu fesseln und die Frage des Hauses der Lords zur Haupttagesfrage zu machen. Mit der Erreichung dieses Zieles fällt auch die Notwendigkeit einer Sozial- resorm. Die Versprechen, die die sich radikal gebärdenden liberalen Wortführer in, letzten Jahre der Arbeiterschaft machten, fin> vergessen. Das Budgets dgs ig; kommenden gmanzjaijrfi die Mittel für den Ausbau der Altersrenien. die Einführung der Arbeitslosenversicherung und die Inangriffnahme großer natio- »aler Arbeiten zur Linderung der Arbeitslosigkeit liefern sollte. ist in die ungewisse Ferne gerückt, wenn nicht gar fallen gelassen worden. Die Eozialreforln, so heißt eS, kann erst wieder an- gefangen werden, wenn die Frage der Lords entschieden ist, wann den Lords das Recht, über Leben und Tod einer liberalen Maß- regel zu entscheiden, genommen worden ist. Das bedeutet natür- lich das Ende der Soziqlreform: dem, die Frage des Hauses der Lords ist ein Prograinmpunkt. von dem die liberale Partei Eng- lands zehren mutz, solange wie es eben geht; sie bildet den einzigen Punkt im eigentlichen liberalen Programm, für den eine Bolls- Majorität vorhanden ist. Nach den Ereignissen der letzten Wochen scheint c? am Platz: zu sein, einmal der Frage näherzutreten, ob es sich denn der eng- tischen Arbeiterschaft verlohnst den jetzigen Kamps gegen die Lords weiter mitzumachen. Die Erklärung des Premierministers in der Adretzdebatte hat den guten Glauben des Volkes an die Ehrlichkeit der Liberalen tief erschüttert, und die Konzessionen, die letzten Montag den energischen Elementen ii, der Anti-Lords-Majorität gemacht worden, sind auch nicht derart, datz sie für die Sache der Arbeiterschaft viel Gutes versprechen. Ter Kamps gegen die Lords mit papiernen Resolutionen gehört zu dem alten liberalen Melo- drama, bei dem sich die Lloyd George und Churchill in die Brust werfen können und den schwarzen Schurken von einem Lord denunzieren. Die Szene endet dann wie aus der Bühne: Schurke und Held sitzen hinter den Kulissen und trinken ihren Schoppen zu- sammen. Auch ist nicht zu vergessen, datz die Einführung der Re­form des Oberhauses in das liberale Programm der ganzen Frage eine andere Wendung gegeben hat. Die Reform des Oberhauses bedeutet eine Stärkung desselben, und die Absicht, dem Oberhause einen pseudodemokratischen Charakter zu verleihen, macht die Sache nur noch schlimmer. Hier kann die englische Arbeiterschaft unmög­lich mitmache». Wegen dieser seichten liberalen Verfassungspolitik die Regie- rung zu unterstützen, scheint heute recht unangebracht. Von dem liberalen Dornenstrauch sind keine Trauben zu erwarten. Die englische Arbeiterpartei wollte die erste Gelegenheit benützen, um sich von dieser ohnmächtigen Regierungspolitik loszusagen und sich mit aller Gewalt auf die Sozialpolitik werfen, was auch immer aus dem verpfuschten Feldzug gegen die Lords werden möge. Der Sozialreform sind die Lords nicht so gefährlich, wie es die Libe- ralcn darzustellen belieben. In den letzten viet Jahren haben die Lords daS AlterSpensionSgesetz, das Achtstundengesetz für den Bergbau und Viele andere ähnliche Gesetze von geringerer Acdeu- tung bewilligt, zwar nicht aus Liebe zum Volke, sondern aus Furcht vor dem Volke. Von den LordS droht der Sozialpolitik die geringste Gefahr; denn die Herren wissen, datz eine wirkliche Volks- bewegung, die durch eine Handlung des Oberhauses gegen ein die Lebensinteressen des arbeitenden Volkes tief berührendes Gesetz hervorgerufen, sie wie die Spreu vor dem Winde hinfegen würde. Die Hauptaufgabe der englischen Arbeiterbewegung mutzte jetzt die sein, die sozialpolitischen Projekte, die der SozialliberaliS- mus unzweifelhaft populär gemacht hat, nicht einschlafen zu lassen und systematisch zu propagieren, ehe die Taktiker der liberalen oder der konservativen Partei Zeit haben, sich ihrer wieder für ihre Manöver zu bemächtigen. poUrtfcbe CUberUcbt. Berlin , den 7. März 1910. Flotteupolitik und deutsch -englische Beziehungen. In Fortsetzung der Generaldebatte über den Marineetat. die heute im Reichstage zu Ende ging, brachte zunächst der freisinnige Abg. Dr. Struve eine' Fülle von Einzel- beschwerden vor, die meist Wohl auf örtliche Erhebungen in Kiel zurückzuführen sind. Auch Struve wie später sein FrqMonskollcge Leo«hart hatten Tatsachen vor- zubringen, aus denen hervorging, daß hinter den Worten deS Herrn v. Tirpitz häufig ein verborgener Sinn zu suchen ist. Herrn Struve gelang es auch, einen Protest gegen die anmaßende Kritik des Polizeipräsidenten v. I a g o w an der Parlamentstätigkeit einzuflechten, welchem Protest er die Worte anfügte:Ich warne den neugierigen Herrn Polizeipräsidenten vor der Wiederholung solcher Ucbcrgriffe". Der reichSparteiliche Herr v. G a m p verteidigte die Marineverwaltung gegen die Angriffe deS Herrn v. Oppers- d o r ff, war aber sonst auch nicht völlig mit dem Mangel an Sparsamkeit in der Marinoverwaltung einverstanden. Bei seiner Polemik gegen die Sozialdemokratie verwickelte er sich in die lustigsten Widersprüche. Dann ergriff der nationalliberale Herr Bassermann das Wort, offenbar in dem Bewußtsein, daß die dürftige Kanzlerrede vom Sonnabend dringend einer sachlichen Ver- vollständigung bedürfe. Er suchte also die Haltung der deutschen Regierung gegenüber England zu rechtfertigen, in- dem er sich auf die englischen Sozialisten berief, die weit patriotischer seien als die deutschen . Dann führte er auch zur Unterstützung seiner flottenpatriotischcn Ansichten- den österreichischen Genoffen Karl Leuthner ins Feld, der in denSozialistischen Monatsheften" einen Artikel ganz im Sinne seiner eigenen Auffassung veröffentlicht habe. Genosse Ledcbour rechnete gleichzeitig mit Herrn v. Bethmann und Bassermann ab, indem er an der Hand deS Schicksals der vorjährigen sozialdenlvkratischen Abrüstungs- resolution nachwies, daß von der Regierung ein verständiges Eingehen auf Abrüstungsmaßregeln zur Sicherung des Friedens nicht zu crlvartcu sei. Als Ledcbour zum Schluß den Nach- weis für die Schädigung des deutschen Ansehens im Auslände durch die verderbliche Jnlandpolitik des Herrn v. Bethnmnn und die volksfeindlichen Maßregeln des Herrn v. Jagow er- brachte, versuchte der Vizepräsident Erbprinz zu H o h e n l o h e seine Ausführungen abzuschneiden, ließ sich aber über- zeugen, daß der Zusammenhang mit der Tagesordnung zu rechtfertigen sei. Unter dem Toben der Rechten schloß Ledebour mit der Erklärung, daß die Sozialdemokratie mit aller Macht auf die Beseitigung dieser unfähigen, das Ansehen Deutschlands im Auslände schädigenden Regierung hinarbeiten werde. Nach einigen weiteren Ausführungen des Abg. Erzberger gegen die doppeldeutigen Auskünfte deS Marincmmisters wurde die Generaldebatte uni 7>/z Uhr geschloffen. Morgen stehen die Werftverwaltungen zur Debatte. _ Konservative Städtcfcindlichkcit und sozialpolitische Riiikständigkeit. DaS Abgeordnetenhaus genehmigte am Montag zunächst eine Reihe von Eingeincindungsvorlagcn, darunter auch die Vorlage betr. die Auflösung des Landkreises Frankfurt a. M. und E r w e i t e- kvng dxs StgdtkreiscZ£ia»I|urt Dix boden