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|i. 56. 27. IahiMg. t KtilW Ks Jotiüärls" Dienstag, 8. Marz l9t6. ikeickstag. vo. Sitzung vom Montag, den 7. März, nachmittags 1 Uhr. Am Bundesratstisch: v. Schoen, v. Tirpitz. Aus der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung deS am 18. Okrober 1909 abgeschlossenen neuen Vertrages betr. die Gotthard- baha zwischen dem Deutschen Reich, Italien   und der Schweiz  . Staarssetretär v. Schoen empfiehlt die Annahme des Vertrages; evw Abänderung der bisherigen Verträge sei notwendig geworden, weil die Gotlhardbahn am 1. Mai 1909 aus dem Besitz einer Privatgesellschaft in den der Schweizerischen Eidgenossenschaft   über- gegangen sei. Präsident des Reichseisenbahnamts Dr. Wackerzapp empfiehlt den Verlrag ebenfalls, der für alle Beteiligten als gerecht und billig zu bezeichnen sei. Abg. Fürst Hatzfcldt<Rp.) wünscht, daß die Aktionäre der Gott- hardbahn, die zum großen Teil Deutsche   seien, ausreichend ent­schädigt werden. Abg. Dowe sFo. Vo.): Die deutsche Regierung dürfte kaum in der Lage sein, emen Einfluß auf die Entschädigung der Aktionäre auszuüben. Staatssekretär v. Schorn: Ueber die Wfindimg der Aktionäre wird zwischen den Beteiligten bereits verhandelt; die Reichsregierung hat keine Veranlassung, vermittelnd in diese Verhandlungen ein- zugreifen: eine solche Vermittelung wird auch von den Aktionären nicht gewünscht. Abg. Scheidemann(Soz.): Wir stimmen dem Verttage zu und lassen unS darin auch nicht durch das Bedenken des Fürsten   Hatzfeldt   irre machen, die deutschen  Aktionäre könnten zu kurz kommen.(Bravo  ! bei den Sozial- denrolraten.) Abg. Schwabach  (natl.) erklärt die Zustimmung semer Partei zu dem Verttage. Damit schließt die Diskussion. Da Kommissionsberatung nicht beanttagt ist. wird sofort in die zweite Lesung eingetteten und in dieser der Vertrag debattelos genehmigt. Es folgt die Fortsetzung der Beratung des MariueetatS mit dem Antrage A l b r e ch t u. Gen.(Soz.) auf Einsetzung einer Untersuchungskommission über die Un- regelmäßtgkeiten in der Verwaltung der Reichs- werften. Abg. Dr. Stnwe(Fo. vo.): Wir freuen uns über die Worte de» Reichskanzlers, daß die friedliche Verständigung der Kultur- mächte zu fördern sei. Wir fteuen uns auch über unsere Flotte. die als Friedensinstrument dienen soll. Aber deshalb lasten wir uns in der Kritik nicht irre machen; im Parlament kann gar nicht genug an Kritik geschehen und keinen PolizeiprSfidenten geht daS was an!(Lebhafte Zustimmung linkS.) Schon genug ist die Ocffentlichkeit durch solche unnötigen Provokationen gereizt worden, und ich mochte den neugicrigeu Herrn Polizeipräfideuten warnen, sich irgendwie um die Vorgänge im Parlament zu kümmern.(Lebhafte Zustimmung b. d. Fo. Vo.) Herr v. Putlitz   meinte, der deutsche  Marineetat sei dem aller anderen Rationen an Klarheit voran. tAbg. GanS Edler zu Putlitz  (k.Z: Er ist speziali- siert und genau!) Wenn er nur spezialisiert und genau ist. aber nicht klar, so bin ich mit Jonen einverstanden und bitte Sie. uns zu unterstützen w dem Bemühen, mehr Klarheit in den Marineetat zu bringen.(Sehr gut! bei der Fortschritt- lichen Volkspartei.), m Der Staatssekretär hat bestritten, daß von ihm eine Verfügung ergangen sei, daß Beamte nicht mit Abgeordneten verkehren sollen. Daraus kommt es nicht an. sondern ich erwarte von seiner Loyalität, daß er erklärt: So etwas laste ich mir von meinem Wcrstdirektor nicht gefallen, sondern da werde ich mit eisernem Besen dazwischen fahren!(Bravo  ! bei der Fortschrittlichen Volkspartei  .) Staatssekretär v. Tirpitz: Ueber die Stellenzulagen wird im nächsten Jahre eine Denkschrift erscheinen. Uebrigens stnd Tafel- und Mesiegelder keine Stellenzulagen. Abg. Frhr. o. Gamp.(Rp.): Herrn Gädke ist zu viel Ehre ge« schehen dadurch, daß Herr zu Putlitz   fich hier mft ihm beschäftigte. (Lachen links.) Ich bedauere, daß Graf OpperSdorff   und Herr Süde- kleines feuilleron. Der schiefe Turm von Pisa  . Wie dem alten Campanile auf dem Markusplatz zu Venedig  , der am 14. Juli 1902 unerwartet in sich zusammenstürzte, scheint der Zahn der Zeit jetzt auch dem bo rühmten schiefen Turm zu Pisa   ans Leben gehen zu wollen. Der Boden unter den Fundamenten hat sich gesenkt und zeigt Verschie- bungen, und eine Kommission von Fachmännern beschäftigt sich mit der Frage, auf welche Weise diesem wunderlichen Baudenkmal zu weiterem Leben verholfen werden kann. Der Streit über die Eni- stehung der Lotabweichung des TurmeS, die von einigen als eine absichtlich gewollte Bauspielerei bezeichnet wurde, ist dahin ent- schieden, daß die Neigung zur Senkrechten ursprünglich nicht be- absichtigt war. Im Jahre 1174 hatte der Architekt Bonnanus mit dem Bau begonnen, bei dem zum großen Teile antikes Material benutzt wurde. Als man bis zum dritte» Stockwerke des zylindrisch- klotzigen, auf acht Geschosse projektierten Turmes gelangt war, trat die unerwartete Senkung des unsicheren Baugrundes«in. ebenso unerwartet kam sie aber auch zum Stillstand, und als man sich ver« gewissert hatte, daß der Schiverpunkt des Turmes auch unter den veränderten Voraussetzungen noch innerhalb des Kreises der Turm- basis liegen werde, wagte man sich kühn an die Errichtung der nach- folgenden fünf Stockwerke, deren oberstes mit seiner Spitze um nicht weniger als 4,3 Meter überhängt. Wenn der Turm heute ohne wesentliche Beschädigungen ein Alter von mehr als 700 Jahren erreicht hat. so verdankt er dies neben seiner schon erwähnten eigen- artigen Schwerpunktslage einerseits der eine hohe Festigkeit ge- währenden Rundung der marmornen Umfassungsmauern, die in sich wie der geschwungene Bogen einer steinernen Brücke wirken, andererseits aber auch dem Architektenkniff, daß auf der der über« hängenden Seite entgegengesetzten Seite größere und schwerere Massen eingebaut wurden, die das Uebergewicht wieder aus- balancieren und ähnlich wirken wie der Schwerpunkt eines Steh- ausgläschens. Nichtsdestoweniger beobachtet man schon seit langen Jahren die Vorsicht, nur drei Personen zu gleicher Zeit zur Be- steigung zuzulassen. Weit bedenklicher als das Gewicht so weniger Menschen ist dasjenige des im obersten Umgang in dessen Bogen häng-''..ocn Geläutes, von dem allein die Assuntaglocke 10 000 Pisaner Pfui.d wiegt. Auch fie ist allerdings vorsichtigcrweife auf der der Neigung entgegengesetzten Seite ausgehängt. Musik. Welchen Schatz wir an den wenigen Opern des heitere» Genres aus deutscher Koinponistenhand besitzen, zeigte noch mehr, als die neuliche Sttadellu-Vorstellung, die Neueinstudierung von A. FlotowsMartha oder Der Markt zu Richmond  ", die uns am Sonntag von der VolkSoper dargeboten wurde. Mit Geschick schlug die Regie eine» Weg ein. der sich sowohl vom Ton der.großen" Oper wie von dem der Operette fernhielt. Auf diesem Weg läßt fich allerdings noch weit ausschreiten; und ein solches Ausschreiten ist um so nötiger und dringender, als uns die kum es nicht fürZ richtig gehalten haben, in die Budgetkommisfion einzutreten. Der Redner preist die Verträge mit Krupp gegenüber dem An- gebot von Thyssen. Eine Reichsanstalt für Geschützgießerei zu er- richten, dürste sich kaum empfehlen; schwerlich würden ihre Leistungen denen der Firma Krupp   gleichkomme». Bei den Werstverwaltungen fehlt eS in der Tat oft an kauf- männischem Geist; der Stanrssekretär sollte hier für Besserung sorgen. Mit Recht legt der Staatssekretär das Schwergewicht unserer maritimen Rüstung nicht auf die Küstenverteidigung. Die Haupt- fache ist die S ch l a ch t f l o t t e. Es war ein Verdienst des Frei- sinns und besonders deS Abg. Rickert, daß er früher als andere Parteien die Bedeutung der deutschen   Flotte erkannt hat. Aber wenn die Freifinnsredner jetzt Kritik am Flotlengesetz üben, dem sie selbst zugestimmt haben, so ist das schließlich ihre Sache. Jeder Preuße hat das Recht der freien Meinungsäußerung.(Schallende Heiterkeit. Zuruf bei den Sozialdemokraten: Bloß nicht im Trcp- tvwcr Park! Erneute stürmische Heiterkeit links.) Redner polemisiert gegen die Ausstihrungen SüdekumS vom Sonnabend. Es ist nicht wahr, daß Deutschland   kein Geld für sozialpolinsche Aufgaben ausgibt. Deutschland   gibt mehr Ge für sozialpolitische Aufgaben aus als andere Länder. Der deutsche Handel bedarf eines starken Flottenschutzes. Es ist nicht wahr, daß der deutsche Flottenbau sich gegen England richtet. Daß dies nicht der Fall ist, ist hier genügend oft dargelegt worden.(Abg. Ledebour   ruft: Es findet nur leider keinen Glauben!) In England freilich nicht! Vielleicht überzeugt Herr Ledebour   seine englischen Parteigenossen von den friedlichen Absichten Deutschlands  . (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Die englischen Arbeiter sind keine Jingos!) Auch die Mehrzahl der Wähler der Partei des Herrn Bebel ist von der Notwendigkeit einer starke» Flotte überzeugt.(Lachen bei den Sozialdemokraten. Beifall rechts.) Staatssekretär v. Tirpitz wendet sich gegen die Einführung der sogenannten Znglischen Arbeitszeit in den Werftverwaltungen und versichert dabei, daß auch er seine Mittagsruhe haben müsse.(Zu- stimmung rechts.) Abg. Bafferumnn(natl.) feiert das Flottengesetz und die Flotten- Politik und wendet sich alsdann gegen Südekum: Dr. Südckum hat von dem Verhältnis zu England gesprochen. Die deutsche Presse hat gegenüber der maßlosen Deutschlandhetze eines Teils der eng lischcn Presse stolze Zurückhaltung bewahrt. Wir wollen uns nicht das Maß unserer Flottenrüstungen von England vorschreiben lassen. Jede starke Nation hat Recht und Anspruch auf eine starke Flotte. Aber eine englandfeindliche Spitze hat unsere Flottenpolitik nicht. Daß unsere AuSlandsflotte noch keineswegs auf der Höhe ist, geht schon daraus hervor, daß wichtige Auslandsstationen von deutschen  Kriegsschiffen entblößt sind. Die Bedeutung der Ausführungen des Oberst a. D. Gädke im Berliner Tageblatt" liegt darin, daß Herr Gädke, ein früherer Militär, England mit der Nase darauf gestoßen hat, daß wir an- geblich eine England gewachsene Schlachtflotte zu bauen beabsichtigen, während wir doch nur einen Ausbau unserer Flotte im Rahmen unseres Flottengesetzes beabsichtigen. Das ist das Bedauerliche der Ausführungen Gädkes. Redner bespricht ausführlich einen Artikel Karl Leuthners in denSozialistischen Monatsheften", die zwar kein parteiosfizielles Blatt seien, an denen aber doch Leute wie Eduard Bernstein  und ReichStagLabgeordneter Wolfgang Heine   mitarbeiten. In dem Artikel wird ausgeführt, daß ein internationales FlottenabrüsiungS- abkommen einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Nationen bedeute.(Lebhaftes Hört! hört! bei den bürgerlichen Parteien. Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten.) DaS sind sehr bedeutsame Ausführungen auS sozialdemokratischem Munde!(Leb- haster Beifall bei den Nattonalliberalen.) Abg. Ledebour(Soz.): Der Abg. Baffemiann hat wohl gleich uns allen die Empfindung gehabt, daß die außerordentlich dürftigen Ausführungen des Reichskanzlers in seiner Fünstninutenrede dringend einer Er- gänzung bedürfen, und er ist jenem deshalb hilfreich beigespmngen. Den guten Willen erkenne ich an, aber irgend etwas Besonderes, das mich nöttgte, auf fie einzugehen, kann ich in den Reden der beiden Herren Bethmann und Bassermann nicht finden.(Heiterkeit.) Herr v. Gamp hat verschiedene Aeußerungen getan, die mir durchaus sympathisch waren.(Große Heiterkeit.) So sagte er, jeder Preuße habe das Reckt, seine Meinung frei und unbehindert zum Ausdruck zu bringen.(Abg. K r e t h[L]: DaS steht ja in der Ver- nächsten Jahre in Berlin   und wohl auch anderswo mit einer Hoch- spannung derGroßen" beglücken werden. Den leichten, leichtfüßigen, über der Bretterschwere schwebenden Ton traf wohl am besten die gastierende Jenny Fischer in der Rolle der Lady, die auS Langeweile auf den Mägdemarlt geht und sich in den fie mietenden künf- tigen Grafen verliebt. Ihn sang effektvoll und spielte leider tenorvoll der Gast August B o ck m a n n. LadyS Berttaute war die kräftig dramatische Altistin Rosa S a ch s e« Frie d e l; und von den zwei Barytonen, dem tenorarttgen(August R o e S l e r) und dem baßartigen(Karl Fischotter) ragte besoiiderS der letztere hervor. In einer Nebenrolle überraschte Marie v. F i e l i tz durch gut drastische Sing- und Spielkunst. Der Gang, den die VolkSoper nimmt, ist so sicher und stetig, daß wir von ihr auch noch dieZukunftsmusik" erhoffen können, die solchen Spiclopern gebührt, und die allerdings dem schwer- blütigen Deutschen   in seinem Bühnen- und namentlich Orchesterspiel am schwierigsten zu sein scheint. ei. Humor und Tatire. Die große Vierrede. Hierauf ergreist v. Bethmann das Wort: Meine Herren! Man hört öfters die Bemerkung, daß es in Preußen Agrarier gibt. Ich verstehe daS nicht.(Zuruf links: Oldenburg I) Der Kanzler lächelt weld fremd und fährt fort: Meine Herren, über oldenburgische Verhältnisse habe ich mich nicht zu äußern. Von der gleichen Seite wird auch der Vorwurf erhoben, daß Preußen das Land der finstersten Reaktion sei. Ja, meine Herren, was ist Reaktion? (Lächelt weltfremd.) Gewiß, eS gibt Leute, die sie als den Gegensatz von Fortschritt betrachten, aber was ist damit bewiesen? (Lächelt weltfremd.) Ich glaube, daß ich in dieser Richtung nichts mehr zu sagen habe, und wende mich jetzt zum Kapitel Polizeiwesen. Die preußische Polizei...(Lächelt Welt- fremd.) Ich wende mich jetzt gegen den Vorwurf. daß Landräte bei den Wahlen die Konservativen unterstützen sollen. Meine Herren, der Beamte ist ein Angestellter und bezüglich der Angestellten haben wir gedruckte Bestimmungen. (Lächelt weltfremd.) Ich wende mich jetzt zum öffentlichen Wahlrecht. Meine Herren, was ist denn überhaupt Wahlrecht? Manche verstehen darunter daS Recht zu wählen, aber wann ist dieses Recht in Preußen jentals bestritten oder verkümmert worden?(Lächelt weltfremd.) Man kann eine Frau wählen; man kann einen Beruf wählen; man kann dies und das wählen. Unser ganzes Leben setzt sich auS Wählen zusammen; muß man gerade einen Abgeord- nelen wählen?(Lächelt weltfremd.)(In diesem Augenblick betritt ein anderer Minister, von Trottel ohne Salz, den Saal.) v. Bethmann   fährt weiter: Ich komme jetzt... Die Kaste der Gebildeten.(Der typische Schutzmann): Nur immer feste druffjehauen, daß man unsere Bildung sieht l Wa sin doch Wähler zweeter Klasse I" (»SimplicissimuS'.) faffnng!> Wir können also hoffen, Herrn Frhrn. v. Gamp-Massaunen demnächst gleich einigen Demokraten   bei unseren Demonstrationen zugunsten der freien Meinungsäußerung am unserer Seite zu finden. (Große Heiterkeit links.) Aber in einer gewissen nervösen Weise hat Herr v. Gamp sich gegen jede Kritik gelvcndet.(Widerspruch rechts.) Zunächst wandte er sich feierlichst gegen Herrn Oberst Gädke, wobei er sich im Einklang befand init den Herren Gans Edler zu Putlitz und Bassermann. Mir liegt es fern, mich in eine Verteidigung der Ansichten Gädkes einzulassen. Gädle ist Mann geim« sich selber zu verteidigen, und er läßt sich auch durch die Attacken der Patrioten hier im Reichstage nickt einschüchtern.(Sehr richtig, links.) Daß Sie hier bei jeder Gelegenheit die Erklärung abgeben, auf die Ansichten und Ausführungen des Herrn Gädle dürfe man nichts geben, hat ja seinen Grund lediglich in dem Aerger, daß ein Offizier sich soweit von den anerzogenen Gewohnheiten emanzipiert hat, daß er eS wagt, seine Meinung frei herauszusagen über die Dinge, von denen er was versteht.(Lebhafte Zustimmung links.) Die Er­klärungen des Herrn Gans Edlen zu Putlitz  , deS Freiherr  » von Gamp-Massaunen und der anderen erinnern nur daran, daß die schwarzen Krähen innner versuchen, der weißen die Augen auszuhacken.(Sehr richtig! links.) Daß er ein Militär war, wird dem Mann furchtbar übelgenommen von den Militaristen und noch mehr von den angefärbten Militaristen: den Reserve» offizieren.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Mit gleicher Erregung hat sich Frhr. v. Gamp gegen den Grafen OpperSdorff   und den Abg. Südekum gewendet. In der K o m» Mission, meinte er, hätten sie ihre Kritik anbringen sollen. Was den Kollegen Südekum betrifft, so ist diese Meinung ganz de- plaziert, am allerdeplaziertesten im Munde des Vorsitzenden der Audqetkommission. Mit diesem Vorsitzenden, dem Frhrn. v. Gamp- Maffaunen, bin ich ja nicht oft einverstanden, aber eS hat mich immer gefreut, daß er beständig darauf lauert, jede Gelegenheit zu ergreifen, die Verhandlungen der Kommission abzukürzen, und er besitzt in dieser Neigung eine anerkennenswerte Unparteilichkeit und Rücksichtslosigkeit nach allen Seiten hin(Große Heiterkeit), auch gegenüber den Herren Staatssekretären. Hätte der Abg. Südekum, was er vorgestern hier ausgeführt hat, in der Budget- kommisson vorgebracht, so würde der Vorsitzende, Freiherr v. Gamp, ihn mit vollem Recht mit der Bemerkung unterbrochen haben: daß allgemeine, politische Erörterungen ins Plenum gehören l(Lebh. Sehr richtig I rechts.) Sie rufen Sehr richtig, Herr v. Gamp! Sie haben also schon vergessen, daß Sie dem Abg. Südekum vorgeworfen haben, er hätte seine Ausführungen nicht in der Budgetkommisfion gemacht!(Große Heiterkeit.) Nun komme ich zu den anwesenden und abwesenden Herren. Der Reichskanzler hat in seiner kurzen Rede einige Ansichten über die Flottenpolitil geäußert, die bei ähnlicher Gelegenheit seit dem Bestehen des Reiches jeder Reichskanzler äußern kann und äußert: allgemeine Ansichten über die Tendenz der Politik, daß unsere auswärtige Politik nicht nur England, sondern allen Mächten gegenüber darauf gerichtet sei, die wichtigen kulturellen Kräfte der Nationen zu fördern, daß diese Richtlinien in der Politik nicht willkürlich gewählt seien. sondern sich aus dem Dasein der kulturellen Kräfte ergeben. Alles ganz richtig. Und ich bezweifle auch nickt, daß der Reichs- kanzler die besten Absichten hat. Aber all' das ttifft nicht den Kern der Sache. Was Kanzler, Minister, Diplomaten bei solchen Gelegenheiten hier oder bei Festessen oder auf einer Rordlandsreise irgend einer Korona von Zuhörern sagen, ist ganz gleichgültig für die auswärtige Politik. Die Diplomaten beurteilen sich nicht nach dem, waS sie bei offiziellen Gelegenheiten sagen womit ich übrigens nicht betonen will, daß Herr v. Bethmann Hollweg   sich schon als Diplomat qualifiziert hat.(Heiterkeit.) Also: die Diplomaten urteilen nicht nach dem, was einer sagt, sondern nach dem, was einer tut oder unterläßt. Und die Taten und Unterlassungen der Reichsregierung und auch des Herrn v. Bethmann Hollweg   sind es, welche in Eng- land Beunruhigung hervorgerufen haben, und auch die neueste Leisttmg des Reichskanzlers wird in England den Glauben be- stärken, daß das, waS die Herren über die Flottenpolitik sagen, keine Bedeutung hat. Mit keinem Worte ist der Reichskanzler auf die wichtigste Frage für unsere Beziehungen zu England eingegangen: auf die Frage, ob England und Deutschland   nicht dazu kommen könnten, eine Verständigung über die Abrüstung herbeizuführen.(Sehr richtig I b. d. Soz.) Und da muß ich darauf Notizen. Vorträge. Pros. Dr. Schubert spricht Dienstag, abends 8 Uhr. in der Urania   überDaS Klima Norddeutschlands und seine Ursachen". Am Mittwoch spricht Prof. Rathgen über Mörtelwaren und Kalksandstein", Donnerstag Dr. Bern dt über Kultur- und Wirtschaftsleben auf niederen Stufen" und Sonnabend Dr. Gehl hoff überDie physikalischen Grundlagen der elektrischen Leuchttechnik". Deutsche   Polarpläne. In der Berliner   G es elk» schaft für Erdkunde entwickelte am Sonnabend Wilhelm F t l ch n e r. der sich durch seilte Reisen in Tibet   bekannt gemacht hat, den Plan einer neuen deutschen   Südpolarexpedttion. Hauptzweck soll die Erforschung des gewaltigen Innern der Antarktis  sein. Der Vorstoß soll von der weit nach Süden offenen Wcdellsee und womöglich gleichzeitig mit einer zweiten Expedition von der Roßsee aus unternommen werden. Die Mittel(1,2 Millionen für ein und 2 Millionen für zwei Schisse) hofft Filchner privatim aufzubringen. Prof. Penck und der schwedische Forscher Otto Nordensyöld begrüßten den Plan, der vorauSfichtlich im Oktober 1910 in» Werk gesetzt werden soll. In Hamburg   tagte der Arbeitsausschuß der Zeppelin» Polargesellschaft, die bekanntlich im Luftschiff Polforschungen unter» nehmen will. In Hamburg   soll eine Station errichlet werden für zwei Lustschiffe, um Vorstudien für die Polarreise zu unternehmen. Ein Luftschiff stiftet Zeppelin. Im Hochsommer soll mit Borstößen ins Polareis auf dem ReichSforschuitgsdaiitpferPoseidon" begonnen werden. Jeanne Marni  , eine der bekanntesten französischen  Schriftstellerinnen, ist in Cannes   im Alter von SS Jahren gestorben. Sie hat sich zuerst auf dem Theater versucht und begann erst in reiferen Jahren alS Schriftstellerin hervorzutreten. Ihr erster Roman erschien 1887. Einen großen Erfolg hatten dieCourtisanen- gespräche", die sie gemeinsam mit Maurice Donna y für dieVie Parisienne" schrieb. Mit dialogischen Szenen auS derGesellschaft" hat sie am meisten Gliick gehabt. Ihre größte Produktivität und der Höhepunkt ihres literarischen Ansehens fällt in das Jahrzehnt 1890 bis 1900. Begabung hat sie sicher besessen, aber eigentlich war eS die Oberflächlichkeit und die eben noch gesellschaftlich er- laubte Schlüpfrigkeit ihrer Produktionen. die ihnen einen Platz in sranzösischen und auch deutschen   Bourgeoisblättern verschaffte. Ein neues Drama von Perez GaldoS  , dem hervorragendsten unter den lebenden spanischen   Drc.matilern. wurde. wie uns aus Madrid   geschrieben wird, am vergangenen Montag im Madrider Spanischen Theater aufgeführt. Es heißt3 a s an d r a" und gehört in die Reihe der früheren antiklerikalen Dramen;Gloria". Donna Perfecta".Nazarin",Halma  " undElektra". InCasandra" ist ein neuer Fall der religiösen Entartung dargestellt, die in der bürgerlichen spanischen   Gesellschaft wütet. Die Hauptperson Juana Samantego verkörpert den tu Spanien   so häufigen Typus der Fanatttkerin, deren Unduldsamkeit schließlich die Existenz ihres Gatten und ihrer Kinder opfert. Der Erfolg war außerordentlich stark. DaS Publikum bereitete dem Dichter eine Ovation und be« gleitete ihn bis in seist? Wohnung.