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werden auHj das schließlich cmutol begreifen lernen, wenn die Berliner Arbeiterschaft in der praktischen Belchrungsarbeit nicht locker läßt. Ein Zeuge. Den Räubergeschichten des Polizeipräsidiums sei das folgende Zeugnis gegenübergestellt. Der freisinnige Abge- ordnete Gothein schreibt in derBerliner Aolkszeitung" N. a. folgendes: . Uebereinstimmend wird bekundet, daß die Teil- ' nehmer an der Demonstration, die sich auf einen Spaziergang im Tiergarten, im Singen von Liedern im Freien und in Hoch- rufen auf das Wahlrecht beschränkte, sich durchaus gesittet und wohlanständig benommen haben Leider kann man das von der Polizei nicht sagen. Ich selbst habe von dem Fenster meiner Wohnung in der Hiirdersinstraße beobachten müssen, wie sinnlos das Vor- gehen der Schutzleute war. Tie aus dem Tiergarten zurück- kehrenden Menschenmengen wurden von berittenen Schutzmann- schaften die Straße entlang nach der Spree zu ge» drängt derartig, daß mit den Pferden in die Menschen- mengen hineingeritten wurde, daß zwei Pferde nebeneinander auf den schmalen Bürgersteig in die Menschenmassen eindrangen. Was danlidbeztoeckt werden sollte, ist vollständig un» erfindlich, denn an sich hätte die Polizei doch froh sein müssei,, wenn auch durch so verkehrsarme Straßen die Leute nach ihren Behausungen zurückkehren. Wo die Polizei nicht eingriff, voll- zog sich alles in größter Ordnung, und die Störung des Verkehrs beschränkte sich darauf, daß die Automobile und Droschken etwas langsamer fahren mußten, daß ihnen aber auf das Signal überall willig Plah gemacht wurde. Wo eine Störung des Verkehrs ein- trat, hat die Polizei sie bewirkt und in einer Weise, die geeigner ist, die Menschen zu erbittern. Man muß schon ein besonder» ruhiges Gemüt sein, um sich nicht zu empören, wenn einem be, deni ruhigen Benutzen der Bürgersteigc die Pferdehufe auf die Hacken treten, die Pferdeköpfe den Hut vom Kopfe werfen unv man in der Benutzung des Weges ohne jeden Grund durch un- vernünftige Mastregeln der Polizei gehemmt wird. Ich habe sehr ruhige süddeutsche Freunde vorgestern gesprochen, die erklärten, wenn die Polizei sich in Süddeutschland so bc- nehmen würde, so würde jede Stadtverordnetenversammlung, jeder Gemeinderat sofort die..Abschaffung" der Polizei bc- schließen. Ich habe Mecklenburger gesprochen, die er. klärten, schließlich seien die Zustände in dem vcrfassungslosen Obotritenland doch weit besser als in dem Berfassungsstaar Preußens wo die Polizei sich derartiges erlaubt." Der Protest der Solinger Arbeiterschaft gegen den Polizeiüberfall. Solingen , S. März. sPrivatdepesche deSVorwärts*.) Eine imposante Versammlung protestierte gestern abend gegen Sie Polizeitaten vom Sonntag. Der Kaisersaal wurde um 8 Uhr abgesperrt, da er vollkommen überfüllt war. An 3000 Personen besuchten die Versammlung. Eine zweite Versammlung mußte noch nach dem Gewerlschastshause einberufen werden. Trotzdem standen»och Tausende vor dem Kaisersaal auf dem Mühlen- platz und in den Nebenstraßen. Redner waren die Genossen S ch a a l und Dittmann, im Gewerkschaftshause Wendemuth. Die Massen sind entrüstet und begeistert. Eine scharfe Protestresolution wurde angenommen. Nach Schluß der Versammlung im Kaisersaale gab es eine Riescndcmvnstration durch die Hauptstraße». Die unllberseh- bare Menge mag 15 000 Teilnehmer umfaßt haben. Der Zug wälzte sich durch die Köluerstraße am Rathaus vorbei, wo am Sonntag der Ueberfall geschah, unausgesetzt Hochrufe aus- st o ß e n d und Freiheitslieder singend. Dann ging eS am Neumarkt vorbei durch die Ufergartenstraße in die Kaiserstraße vor das Haus des nationalliberalen LandtagSavgeordneten Dr. Gott- schall, wo ebenfalls demonstriert wurde. Bon hier aus bewegte sich der Zug durch die Birkenstraße zum Gewerlschastshause. dann zum LandratSanit und ins Stadtinnere zurück, wo sich der Zug langsam auflöste. Polizei war nur am Rathaus und Landratsamt zu sehen, blieb aber ruhig. Trotz der großen Erregung und kolossalen Beteiligung ist die Aktion ohne Zwischenfälle verlaufen, die Partei hatte eine große Anzahl Ordner gestellt. Die Demo»-' stration hat hier einen gewaltigen Eindruck gemacht. Freisinnige Wahlrechtskämpfe. Aus Breslau wird uns unterm 7. März geschrieben: Die Kreslauer Genossen haben beschlossen, nächsten Sonntag ein großes Massenmeeting auf der Pferderemibahn im städtischen Scheitniger Park " zu veranstalten. Die Demokratische Bereinigung hat ferner zur Teilnahme an dieser Kundgebung eingeladen den Wahlverein der Liberalen(Freisinnige Vereinigung ), den Wahlvereiii der Freisinnigen Volkspartei , die freisinnigen VereineFranz Ziegler",Wäldeck" undJungfreisiim", denVerein für Frauen- stimmrecht" und im übrigen alle Freunde eines freien Wahlrechts und alle Feinde unserer Funker und ihrer amtlichen Stallknechte. Da seit Sonntag alle die hier genannten Vereine der neugegründeten Fortschrittlichen Volkspartei " angehören, so wird man ja bald sehen, inwieweit man mit dem alten Namen Feigheit und Unentschlossenheit abgelegt hat oder ob auch in der neuen Firma Waschlappigkeit oberstes Prinzip ist. Der Platz, auf dem die Kundgebung stattfinden soll, faßt mehrere Hunderttausend Personen und ist städtischer Besitz. Dadurch erhält zugleich der freisinnige Magistrat Gelegenheit, durch Hergabe oder Verweigerung des Platzes Wahlrechtsstenndschaft oder Furcht vor dem Junkerzorn zu bekunden. Die Antwort auf die Frage, ob die neueFortschrittliche Boltspartei" einen energischen Wahlrechtskampf wagen wird, ist schnell erfolgt, wie die folgende Depesche zeigt: Breslau , 9. März. (Privaibepefche desVorwärts".) Der freisinnig« Magistrat hat die Hergäbe deS städtischen Rennplatzes für die WahlrechtSkundgebung verweigert. Ebenso haben die freisinnigen Vereine die Beteiligung abgelehnt! Opfer des Wahlrechtskampfes. Dortmund , 8. März. Schnelle Justiz wird jetzt während des Wahlrechtskampfes geübt. Am lt. Februar wurde gegen die DortniunderArbeiterzeitung" ein Strafvor- fahren wegen eines Artikels«Dortmund demonstriert!" ein- geleitet, am folgenden Tage erfolgte die Konfiskation. wenige Tage später die Anklage wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Gesetze und wegen Aufreizung zum Klassenhaß, heute schon war H a u p t- Verhandlung und erfolgte der Urteilsspruch. Freilich stand es mit derRichtigkeit" anders als mit der Fixigkeit" der Anklage. Die Verhandlung ergab den völligen Aufammenbrnch des Hauptteils der Anklage. ES waren in dem Artikel hauptsächlich folgende Satze inkriminiert worden: Ihr wollt den Krieg habe», ihr Herren wohlan so sollt ihr den haben." Wir»verde» auch fernerhin tun. was in unserer Macht steht. »nn Blutvergießen zu verhindern, aber aus die Straße gehen jetzt die Massen- daran wird sie kein Gott und kein Teufel mehr hindern! Und SchutzmannSdrohung erst recht nicht!" Die Rechte, die man uns nicht freiwillig gibt, nehmen wir uns! Und der Arbeiter, der am Hochofen und in der Grube tagtäglich im Dienste des Ausbeutertums sein Leben aufs Spiel setzt, wird nicht zurückschrecken, wenn der Schutzmannssäbel ihm sein Recht strittig mache» will. Fließt Arbeiterblut für das Kapital, so kann es auch fließen im Kampfe ums Recht!" Der Anklagevertreter erblickt in diesen Sätzen, wie gesagt. Der- gehen gegen die KZ 110 und lZV. Vor allen Dingen sollle gegen Z 130(Aufreizung zun, Klassenhaß) verstoßen sein. Aufgereizt seien die Arbeiter gegen die Schutzleute. Die Schutzleute sind nach Ansicht des Staatsanwalts eine Bevölkerungsklasse(I). Ferner bedeute der Artikel eine Aufforderung zu weiteren Demon st ratio ns- zügen, auch ohne Genehmigung der Polizei. Und das fei e i n V e r g e h e n gegen den tz 110. Der Staatsanwalt beantragte nicht weniger als 6 Atonale Gefängnis. Der Verteidiger deS angeklagten Genossen Beyer, Herr Rechtsanwalt Frank, wies in glänzenden Ausführungen die Un- Haltbarkeit der Anklage nach, namentlich soweit der§ 130 in Frage komme. Schutzleute seien keine besondere Be- völkerungsklassc. Es befände sich auch keine wirkliche Be- völkerungsklasse im Bezirk, die sich zum Wahlrechtsentwurf der Regierung bekenne, sondern er erfahre von allen Schichten mehr oder minder heftige Ablehnung. Freunde der Borlage seien vielleicht nur die ostelbischen Junker. Sicherlich habe der Artikel nicht ge« ivollt. daß die Arbeitermassen deS Jndustriebezirks sich auf den Marsch nach dein Osten begeben sollten, um an Junkern Gewalttaten zu verüben. Aber auch eine Aufforderung zum Un« gehorsam gegen die Gesetze enthalte der Artikel in keinem einzigen Satze. Der Artikel konstatiere lediglich Tatsachen, gebe die Stimmung deS Volkes wieder, sei ein Stimmungsbild über dieVorgänge am 13. Februar. Der Verteidiger beantragte die Freisprechung. Das Gericht wies die Anklage auf Aufreizung zum Klassenhaß ab und erkannte insoweit auf Frei- sprechung, dagegen wegen Aufforderung zu weiteren nicht genehmigten Demonstrationszügen auf 500 M. Geldstrafe. In der Begründung hieß, daß es nicht angängig fei, die Schutzleute als eine besondere Bevölkerungsklasse hinzustellen. Selbst wenn angenommen würde, die Schntzlmte feien Werkzeuge der herrschenden Klasse, könne man doch zu keiner Ber« urteilung kommen. Das Gericht hat ferner zugunsten des Angeklagten berückflchtigt die hocherregten politischen Zeitläufte, die Tatsache, daß es in Dortmund noch nicht zu nennenswerten Ge- walttätigkeiten gekommen fei, und endlich, daß auch die Presse der bürgerlichen Parteien hefttge und erregte Arttlel bringe. Ein nationalliberaler Wahlrechtsplan. Die Vertrauensmänner der nationalliberalen Partei für den Wahlkreis Bochum hatten am der- gangenen Freitag eine Sitzung, in der sie sich mit der Wahl- rechtsfrage beschäftigten. Es ist beschlossen»vorden, der nationalliberalen Landtagsfraktion zu empfehlen, für das geheime und direkte Wahlrecht einzutreten. Die Dreiklasseneinteilung sei beizubehalten, doch solle jede Abteilung für sich einen Kan- didaten wählen. Die Neueinteilung der Wahlkreise solle so erfolgen, daß das Abgeordnetenhaus 4(50 Sitze er­halte. * Der Eindruck in Frankreich . Paris , 7. Marz. (Eig. Ber.) Die Presse aller Richtungen erkennt einmütig an, daß die Sonntagsdemonstration einen groß« artigen Verlauf genommen hat und für die Sozialdemokratie einen gewaltigen Erfolg darstellt. Alle Berichte heben auch die B l a m a g e des Polizeipräsidenten hervor.Die Berliner Polizei ist von den Sozialisten gefoppt worden." schreibt derTemps". Die Kundgebung selbst nennt er wahrhaft grandios. Das Journal des Debats " sagt:Dank der Vollkommenheit ihrer Organisation und Disziplin haben die Berliner Sozialisten die Vorkehrungen der Polizei zu vereiteln vermocht.Diesmal wird die Polizei auf dar Höhe der Situation sein," sagten voll Zu- verficht die konservativen Blätter. Und die Scharfmacher zählten darauf, daß die Sozialisten, wenn sie sich nicht ruhig verhielten, eine ordentliche Lektion bekommen würden. Es ist aber Herr v. I a g o w, der eine Lektion in Strategie erhalten hat." Das»Echo de Paris" schreibt:Die Manifestation war unerhört. Von allen Punkten Berlins ergossen sich Kolonnen in den un- geheuren Park. Im Nu war die Charlottenburger Chaussee und alle angrenzenden Wege schwarz von Menschen und immer weiter rückte das Menschenmeer bor . Verloren wie in einem Ozean tauchten einige Polizisten auf großen Pferden hervor und machten berzweifelte Gesten. Ich versichere Ihnen, sie hatten heute nichts Provozierendes und nian konnte neben ihnenPfui Bethmann" rufen, ohne daß sie etwas hören mochten. Die Menge dagegen hatte, im Bewußtsein ihrer Macht, eine stolze Haltung eingenommen, die einen gewissen guten Humor nicht ausschloß. Ich habe niemals der Berliner so entschlossen, so fest, so begeistert gesehen wie unter der sanften FrühlingSsonne. Die Arbeitermarseillaise, unzählige- mal wiederholt, flog über die Massen hin und man hörte nicht aus, Hochrufe auf das allgemeine Wahlrecht auszubringen. Das Schauspiel war in seiner Größe und Macht hinreißend." Der Berichterstatter spricht dann über die Ansprachen, die im Angesicht der ohnmächtigen Polizei gehalten wurden und fügt hinzu:Das Schauspiel dieser vollkommenen, eroberten Freiheit, war zugleich komisch und furchtbar. Wahrlich, das war ein Tag, den ein Datum in der Geschichte deS preußischen Volkes bleibt. Zum erstenmal hat das preußische Volk den Autoritäten die Stirn geboten und es hat die Probe vollkommen siegreich bestanden. Man hat im Tiergarten seinen Zorn herauszufordern nicht gewagt. Man hat ihn nicht herausfordern wollen, nicht herausfordern können und dies trotz der drohenden, gebieterischen und aufgeregten Phrasen, die gestern auS der autori­sierten Feder des Polizeipräftkten geflossen und heute zum Kinder- spott geworden sind."_ poUtilchc üeb erficht. Berlin , den 9. März 1910. Kiautschou. Aus dem Reichstag , 9. März. Als diesmal das unglücklichste Schmerzenskind der deutschen Kolonialpolitik, die Pachtung Kiautschou , zur Verhandlung kam, benahmen üch plötzlich die Redner der bürgerlichen Parteien, als ob sie die unbehagliche Stimmung über die Kostspieligkeit dieses gefährlichen weltpolitischen Spielzeugs überwunden hätten. Sie stöhnten zwar noch etliches über den hohen Reichszuschuß, )er sich nach etlichen bescheidenen Abstrichen in der Kommission noch immer auf mehr als 8 Millionen Mark deläuft« Dann fanden sie aber doch so viel Schönes und Gulcs an dem Hafen» platz Ttingtau, daß sie einige Töne auf der patriotischen Fest- leier riskierten. Ungemischte Freude entquoll sogar dem Munde des konservativen Redners, des Herrn Dr. D r ö s ch e r aus Schwerin . Alle diese Vertreter kapitalistischer Parteien, denen ursprünglich Kiautschou als eine Goldquelle galt, siird jetzt rein ethisch geworden in der Würdigung diesesPlatzes an der Sonne". Sie wollenmoralische" Eroberungen machen bei den Chinesen mit Kunstbauten, Aufforstungen und Unter- richtsanstalten, kurz, sie sind von so moralischer Enthaltsam­keit wie der Fuchs vor den hochhängendcn Trauben. Den sozialdemokratischen Standpunkt vertrat Genosse Noske, indem er gleichzeitig die Verschlcierungstaktik der amtlichen Denkschrift geißelte. Ist darin doch dieses Jahr »viederum in den statistischen Angaben über den Handel Tsingtaus sorgfältig verschwiegen worden, wie stark denn der d e u t s ch c E i g e n h a n d el daran beteiligt ist. Aus anderen Taten ist es aber bekannt, daß dieser Anteil außerordentlich dürftig ist. Auch das bemängelte Noske, daß ein so»vichtigcs,. allerdings höchst unbequemes Ereignis wie der vorjährige Bbykott deutscher Waren durch die chinesischen Kaufleute völlig übergangen ist. Die Unterhaltung einer deutschen Hochschule für Chinesen steht aber in einem auffälligen Gegensatz zu der Tatsache, daß in Deutschland den Ausländern der Besuch deutscher Hochschulen nach Möglichkeit erschwert wird. Wie die deutsche Sozialdemokratie von Anfang an allein der törichten Pachtung Kiautschous entgegengetreten sei, lehnen sie auch jetzt jede Bewilligung dafür ak Als der Etat für Kiautschou um 6 Uhr erledigt»var, wurde noch die Beratung des Postctats begonnen und nach anderthalb Stunden aus Donnerstag vertagt. Abgeordnetenhaus. Das Abgeordnetenhaus bat nun glücklich unter Zuhilfenahme einer Abendsitzung den HandelSetat in zweiter Lesung zu Ende be- raten. Die Debatte am Dienstagabend drehte sich fast ausschließlich um daS ForlbildungSschulwesen, und es ist bedauerlich, daß eine so wichtige Frage in einer Abendsitzung erledigt loird, wo ersahrungs- gemäß von einer gründlichen Beratung nicht die Rede ist. Am Mittwoch verlor sich die Debatte in Einzelheiten, meist lokaler Natur. Bon Interesse ist einzig die Rede unseres Genossen L e i n e r t über die Arbeitsnachweise und die Rechtsberatung Minder- bemittelter. Mit Recht tadelte Leinert die lächerlich geringe Summe, die der preußische Staat für die Arbeitsvermittelung ausgibt, und mit guten Gründen legte er der Regierung die Pflege der Arbeitsvermittelung ans Herz, schon im Interesse der Verringerung der komniunalen Ausgaben für Zwecke der Armen» Verwaltung. Die scharfe Kritik, die er an den Wanderarbeitsstätten übte, verdient ganz besondere Beachtung. In der Tat dürften sich selbst unsere Gegner, wenn sie einmal ehrlich sind, nicht verhehlen. daß es eine Schande ist, wenn für solche Kulturaufgaben noch nicht einmal so viel Geld zur Verfügung gestellt wird, wie für die Züchtung von Spitzeln, die wie die Vorgänge vom letzten Sonntag beweisen sür den Sündenlohn noch nicht einmal ar- b e i t e n I Auch daß die Rechtsauskunftsstellen der Regierung ver- sagen und daß man besser täte, die gewerkschaftlichen Arbeiter- s-kretariote finanziell zu unterstützen, anstatt das Geld für jene Zwecke zum Fenster hinauszuwerfen, wies der sozialdemokratische Redner schlagend nach. Leider predigte er tauben Ohren, denn die in den Etat eingestellte Summe zur Förderung der Rechtsauskunftsstellen dient ja gerade dein ausgesprochenen Zweck, unseren Arbeiter- sekretariaten Abbruch zu tun. Allerdings ein nach wie vor ver« gebliches Bemühen l_ Sozialdemokratischer Wahlrechtsantrag.' Die sozialdemokratische Fraktion des Abgeordnetenhauses hat zur zweiten Lesung der Wahlrechtsvorlage, die am Freitag beginnt, ihren bereits in der Kommission gestellten Antrag auf Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und diretten Wahlrechts unter Zugrundelegung des Proportional- Wahlsystems für alle über Ä) Jahre alten Männer und Frauen. sowie auf gerechte Einteilung der Wahlkreise von neuem ein- gebracht._ Kein nationallibcrales Kompromiß! Die nationallibcraleN a t i o n a l z e i t u n g" bringt an der Spitze der Abendausgabe vom Mittwoch eine Auslassung über den Stand der Wahlrechtsverhandluugen. in der es heißt: Die Regierung will sich vorläufig noch abwartend ver» halten, lieber ihre Ansichten und Absichten wird eine Darstellung verbreitet, die einen durchaus glaubwürdigen Eindruck macht. Es heißt, die Regierung sei nicht taub und blind sür die Wahl- rechtskundgebungen in Berlin und im Lande. Sie wünsche viel- mehr, der Stimmung im Lande dadurch gerecht zu werden, daß sie den Forderungen der gemäßigten Liberalen soweit als möglich Rechnung trägt. Sie wolle deshalb, daß die Wahlreform unlc, keinen Umständen gegen die Nationalliberalen zustande kommt. Im Falle der Wahlreform lägen die Dinge wesentlich anders als bei der Reichsfinanzreform. Hier ständen moralische Güter in Frage, und formell hindere die Regierung nichts, ihre Vor» läge, falls sie ganz oder teilweise vom Parlament verworfen wird, zurückzuziehen und eine neue Borlage einzubringen. E» könne aber weder im Interesse der Regierung, noch in dem der bürgerlichen Parteien liegen, die jetzt schon so lebhaft entbrannte Agitation im Lande weiter fortgesetzt zu sehen. Die Regierung selbst habe bereits zu verstehen gegeben, daß sie mit ihren dem Landtage vorgelegten Acnderungen des bestehenden Wahlrecht» nicht daS letzte Wort gesprochen hat. Sie dürste sich auch boraussichtlich mit einem von der Majorität votierten Gesetz abfinden, soweit sich dieses in dem Rahmen der von der Kommission beschlossenen Acnderungen bewege. Sie wünsche je- doch, daß. mit Rücksicht auf die Stimmung im Lande, wenigstens die gemäßigten Liberalen an dem Kompromiß beteiligt sind. Be- stimmte Vorschläge in der Richtung dürften zwar von der Ne- gierung kaum gemacht werden, sie überlasse es den Parteien, den Weg zu finden, auf dem eine Verständigung erfolgen kann. Soweit die offiziösen Auslassungen. Wir stehen diesem Optimismus der Regierung sehr skeptisch gegenüber. Die unver» bindlichcn Besprechungen, die in diesen Tagen mit den Konserva. tiven gepflogen sind, sind ergebnislos geblieben, weil die Kons«- vativen von ihren Forderungen nicht abgehen wollen. Für dr» nationalliberale Fraktion ist jetzt der Weg vorgezeichnet, den sie gehen muß. Sie wird in der zweiten Lesung mit aller Energie an dem geheimen und direkten Wahl- recht festhalten, ohne das jede Wahlrechtsreform w e r t l o s i st." Hoffentlich fallen die Nationalliberalen nicht noch in letzter Minute um!_ Es bleibt beim Wettrüsten. Die nichtssagende Erklärung des deutschen Reichskanzlers über die Beziehungen zu England sind heute im Unterhause zur Sprache gebracht worden. Ein Londoner Telegramm berichtet: