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dieSteigerung des Handels" hin; aber die ausgeführten Waren kommen nicht au-Z dem Schutz- gebiet, und die eingeführten Waren gehen nicht hin. denn Tsingtau ist nur Durchgangshafe in Ich sagte vorher schon, das; die Chinesen sich daraus einrichten werden. Waren zu exportieren, nicht zu i m p o r t i e r e in Das zeigt auch die Handelsbilanz dieses Jahres. Die Einfuhr ist geringer als die Ausfuhr, und auch die Einfuhr ist zum großen Teil chinesischen Ursprungs. Mit keinem Worte sagt die Denkschrift, für wieviel Geld deutsche Waren eingeführt sind. Wahrscheinlich ist das so wenig, daß man sich geniert, die Summe zu nennen. Ich bitte aber trotzdem, daß dieS im nächsten Jahre geschieht. Ich stimme in die Klagen mit ein, daß die Zahl der Beamten sehr groß ist. In gewisser Beziehung liegen die Verhältnisie eben so wie in Ostafrika . Ziehen wir die Beamten und die Garnison zurück, so würde ein vollkommener wirtschaftlicher Zusammenbruch der europäischen Geschäfte eintreten. Die Denkschrift verweist auf das Vertrauen, das auch aus- ländische Firnien zur Entwickelung Kiautschous haben. Dabei kann nur eine einzige genannt werden, die sich dort niedergelassen hat! Die deutschen Reedereien wissen genau, Ivo Geld zu verdienen ist. Bisher waren sie noch nicht der Ansicht, in Kimitschou sei'was zu holen: denn die Denkschrift klagt, daß bisher die Postdampfer Tsingtau nur aus besonderen Anlässen anlaufen. Auch sonst haben die deutschen Kapitalisten eine feine Witterung dafür, Ivo Geld zu verdienen ist; sie haben aber keine Neigung verspürt, sich in Tsingtau in Unkosten zu stürzen. Und deshalb haben wir die Borlage ge- habt, die für Kiautschou die Ausgabe kleiner Aktien erniöglicheu sollte. Dann könnte das Risiko fauler Gründungen auf die kleinen Leute abgeschoben werden!<Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich habe mich schon beim Kolonialetat degegen gewandt und hoffe, daß die Regierung den Entwurf zurückzieht, damit wir ihn nicht erst abzulehnen brauchen.(Zustimmung bei den Sozial- demokraten.)... Unangenehme Dinge verschweigt die Denkschrift. Die chinesische Kaufmannschaft hat wochenlang einen scharfen Boykott gegen Tsingtau durchgeführt. Davon finden Ivir in der Denkschrift keine Andeutung l Wenn sie Wert haben soll, so müssen nicht nur günstige EntWickelungen hervorgehoben werden, sondern auch zu- tage getretene Unbequemlichkeiten, um somehr, weil auS den Ausführungen des Staatssekretärs eine Neigung hervorgeht, die angenehmen Dinge schärfer zu betonen, als in der Natur der Dinge begründet ist. So leistete er sich ja die Uebertreibung, ganz Oft- asien laufe in Kiautschou zusammen, um die mustergültige Wirtschaft dort anzusehen I(Lachen b. d. Soziald.) Dabei ist der Personen- verkehr der Schantungeisenbahn von 846 000 Personen auf 740 000 Herabgegan gen! Wenn das so weiter geht, wird sie mit ihrer Verzinsung bald auf dem Nullpunkt angelangt sein. Die vielen hineingesteckten Millionen, welche treibhausmäßig die wirtschaftliche Entwickelung bringen sollten, haben nur geringe Erfolge gezeitigt. Deshalb wird immer wieder die Hoffnung auf den Ausbau der chinesischen Eisenbahn gesetzt, und in der Tat hängt die Wirtschaft- liche Zukunft Kiautschous von der wirtschaftlichen Aufschließung des Hinterlandes und dem Handel mit dem Westen und Südwesten von Schantung ab. Vorläufig führen die Chinesen von dort ihre Waren nicht nach Tsingtau . und es ist keineswegs gewiß, daß die Bahnen fo gebaut werden, daß Tsingtau Vorteil davon hat l In der Zivilverwaltung ,» das Bestreben auf größere Sparsamkeit gerichtet werden. Viel- -r,ch wird ans dem vollen gewirtschaftet, und ich bezweifle, daß bei l er Revision Kiautschous durch einen oder den anderen Abgeordneten viel herauskommen wird. Aber selbst wenn mit der Möglichkeit zu rechnen wäre, daß der Handel Tsingtaus einen bedeutenderen Auf- schwang nehme, müßte man doch darauf sehen, den Reichszuschuß bcrabzudrücken oder ganz zum Verschwinden zu bringen. Es ist doch toll, baß auch für die Zivilverwaltung in diesem Jahre wieder eine Million draufgelegt werden soll. Aber alles Reden über Ersparnisse beim Etat ist zwecklos, so lange man sich darauf, beschränkt, auf die hohen Ausgaben für die Bauten hinzuweisen, während für die militärische Sicherheit unverhältnismäßig viel mehr ausgegeben wird; sie kostet in diesem Jahre wiederum rund O'/a Millionen I Nicht weniger als 2200 Soldaten halten wir dort! Meine Anregung in der Budgetkommission, diese Truppe unverzüglich zu vermindern oder noch richtiger: sie ganz zurückzuziehen, hat leider keine Gegenliebe gefunden. Und doch bleibt, wenn der Reichszuschuß geringer werden soll, nichts übrig als eine Verringerung der militärischen Ausgaben. Seit Jahr und Tag macht dabei die Regierung kein Hehl daraus, daß gegenüber einem ernsthaften Angriffe Chinas und Japans Kiautschou unmöglich zu halten ist I Man sagt, es müsse gehalten werden wegen der ungeordneten Verhältnisse in China . Doch dem gegenüber ist darauf hinzuweisen, daß die chinesische Regierung sich ernstlich bemüht, Ordnung im Lande zu schaffei., und daß die militärische Reorgani- sation Chinas schnelle Fortschritte macht. Moralische Eroberungen in China können wir gar nicht besser machen, als indem wir möglichst rasch die militärische Besatzung von Kiautschou zurückziehen! Der Staatssekretär sagte, die Chinesen nehmen keinen Anstoß an dieser Besatzung. Aber der Boxeraufstand hat uns doch etwas anderes gelehrt.(Sehr wahrl bei den Soz.) Und selbst wenn breite Kreise in China einsehen, daß ihre Kultur durch die deutsche Kultur in Kiautschou gefördert wird, so ist es verständlich, daß sie es sich gern gefallen lassen und keinen Widerspruch erheben, wenn zum Beispiel auf Kosten der deutschen Steuerzahler eine Hochschule gebaut wird. Aber sie würden das schwerlich verstehen, wenn sie wüßten, daß bei uns zu Lande in vielen Bezirken das größte Schulelend besteht.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Auch entbehrt eS nicht einer gewissen Komik, daß wir in China eine Hoch- schule bauen in dem Augenblick, in welchem hier von vielen bürger- lichen Politikern höchst törichterweise Maßregeln verlangt werden, um die Ausländer aus den Hörsälen unserer HoHschulcn zu entfernen, weil von diesem Besuch wirtschaftliche Nachteile befürchtet werden I Wie gesagt, ich bezweifle nicht, daß die Chinesen sich solche Vorteile sehr gern gefallen lassen, Dankbarkeit aber werden sie uns nicht erweisen, denn Dankbarkeit ist eine Tugend, die in der Politik nur höchst selten geübt wird. Man spricht von den recht herzlichen amtlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China . Was davon zu halten ist, ist von Kennern der Chinesen wiederholt auseinandergesetzt. Die Hauptsache ist doch, daß in den Boltskreisen in Schantung «ine deutschfeindliche Stiunnung herrscht. Und das kann ja auch gar nicht anders sein. Sobald so etwas wie das nationale Empfinden in China sich regt, müssen die Chinesen die deutsche Festsetzung in Kiautschou als einen Pfahl im Fleische empfinden, den sie loszuwerden wünschen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Wenn hier fortgesetzt von den ZukimstS- Hoffnungen für Kiautschou geredet wird, so sollte man doch auch ernsthaft erwägen, wie sie sich beim Erwachen und Erstarken des chinesischen Nationalgefühls und der militärischen Macht Chinas gestalten werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Bei all den schönen Erörterungen habe ich die Erwägung ver- mißt, wie wir eS anfangen sollen, unS in Kiautschou rückwärts zu konzentrieren, damit wir nickt abnvarten, bis wir hinausgeworfen werden! Wir Sozialdemokraten haben von Anfang an gegen die Fest- setzung in Kiautschou gekämpft, und wir werden daher auch in diesem Jahre Mittel für diese Festsetzimg verweigern.(Lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Cioercke(natl.) erklärt sich bereit, die ihm angetragene Sendung nach Kiautschou zu übernehmen. Ob et die Kennt niffe im Reichstage werde verwerten können, hänge ja von seiner Wieder- wähl ab, aber so sicher, wie Noske das hinstellt, sei seine Nicht- Wiederwahl doch nickit.(Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. Nacken(Z.) schließt sich-den Ausführungen Dr. Paasches über die unrentable und kostspielige Berwaltungsweise an, die durch den Staatssekretär keineswegs widerlegt worden sei. Im übrigen sei dem Reichsmarineamt der Dank dafür auszusprechen, daß"es m Ostasien eine Stätte deutscher Kultur geschaffen habe. (Lebhafter Beifall im Zentrum.) Staatssekretär o. Tirpiy verspricht, nach Möglichkeit den Wün- schen des Vorredners entgegenzukommen. Der Bureaukratismus Hab keinen Listigeren Gegner als das Reichsmarineamt. Hiermit schließt die Diskussion. Der Etat für Kiautschou wird mit den Streichungen der Kommission bewilligt. Angenommen werden die Resolutionen der Kommission auf Aufftellung einheitlicher Grundsätze für die Unterhaltung der Gebäude unter Berücksichtigung möglichster Sparsamkeit und auf Verminderung der Zahl der Sanitätsoffiziere unter Ansehung ent- sprechender Zuschüsse für Zivilärzte. Damit ist die Beratung des Etats für Kiautschou beendet. An Stelle des zweiten Vizepräsidenten, Prinz Hohenlohe, über- nimmt um 6 Ubr den Vorsitz Präsident Graf Schwerin-Löwitz: Wir kommen jetzt zum zweiten Punkt der Tagesordnung: Zweite Beratung des Post- etats.(Laute Vertagungsrufe auf verschiedenen Seiten des Hauses.) Präsident Graf Schwerin : Ich bitte von einer Vertagung ab- sehen zu wollen.(Lebhaftes Bravo I im Zentrum.) Abg. Kämpf(Fortschr. Vp.) bleibt zunächst unverständlich, trägt dann Lokal- und Spezialschmerzen vor und tritt, wie all- jährlich, für Herabsetzung des Weltportos ein. Abg. Lattmann(Wirtsch. Vg.) wünscht engere Fühlung der Post mit dem praktischen Leben. Staatssekretär Kraetke: Die Postverwaltung kann nicht Ar- beiter beschäftigen über ihre Mittel hinaus; deshalb waren die hier beklagten Arbeiterentlassungen notwendig. In bezug auf den kaufmännischen Geist können wir es nie recht machen; ob wir es so oder so machen. Prügel bekommen wir stets.(Heiterkeit.) Hierauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Donners- tag, 1 Uhr. Schluß:?48 Uhr._ Hbcfcordnetenbaus. 1910, für 37. Sitzung. Mittwoch, den 9. März vormittags 11 Uhr. Am Ministertische: S y d o w. Auk der Tagesordiniiig steht»die EingemeindungSvorlage Spandau , die in dritter Lesiing debatteloS angenommen wird. Es folgt die Fortsetzung der Sprzialberawng des Etats der Handels- und Gewcrbcverwaltung. Beim KapitelGewerbliches Unterrichtswefen" tritt Abg. Thurm(Fortschr. Vp.) für die Förderung der Sorauer Webersckule und der Flachsindusirie auf dem Lande ein. Ministerialdirektor NeuhauS hält eS für zweifelbast, ob bei den heutigen Landarbeiterverhäliniffen die Flachsindustrie auf dem Lande noch rentabel gestaltet werden könnte. Abg. Nichtorsky(Z.) tritt für die Interessen der schlesischen Haus Weber ein. Ministerialdirektor NeuhauS: Die Regierung tut alles, um den schlesischen Hauswebern zu helfen. ES ist ober sehr schwer, mit künstlichen Mitteln eine aussterbende Wirtschaftsform zu erhalten. Abg. Dr. Müller-Berlin (Fortschr. Vp.): Unsere Flachsindustrie wandert allmählich ins Ausland. Nur durch eine großzügige Wirt« schaftspolitik können wir dem steuern. Die Abgg. Frhr. v. Zedlitz(stk.), Dr. Schröder-Kassel(natl.) und Dr. Pieper(Z.) regen eine Erhöhung des Zuschusses für die Zentral- stelle für Volkswohlfahrt an. Handelsminister Sydow: Die Zenstalstelle für Volkswohlfahrt ist kein Verein zur theoretischen Erforschung von Volkswohlfahrts Problemen, sondem verfolgt eminent praktische Ziele. So hat sie uns in der Arbeiterwohnungsfrage, bei der Jugendfürsorge, bei den Haushaltungsschulen und bei vielen anderen wichtigen Fragen wertvolle Dienste geleistet. Ich bin für eine materielle Förderung der Zentrale durchaus eingenommen, erkenne auch eine gewisse moralische Verpflichtung dazu an. Soweit es nötig und im Rahmen unserer Finanzen möglich ist, werden wir die Zentralstelle unter- stützen. Abg. Dr. Faßiender(g.) regt Untersuchungen über die Wirkung deS Alkohols auf die menschliche Gesundheit an. Abg. Dr. Müller-Berlin (Fortschr. Vp.): Mit einer Ueber- spannung der Antialkoholbeivegung ist der Volksernährimg und der Volksgesundheit nicht gedient. Die Alkoholstage wird nur gelöst werden können, wenn ein Ersatzmittel für den Alkohol gc- fnnden ist. Für die Förderung und Unterstützung der nicht gewerbsmäßigen Arbeits- vermittclung und der gemeinnützigen RechtSnuSkunftsstellm werden 86 000 M. ausgeworfen. Abg. Dr. Flrsch(Fortschr. Vp.): Auf die nicht gewerbsmäßige ArbeitSvcrmittelung entfallen nur 10 000 M. Das ist noch unserer Meinimg viel zu wenig angesichts der großen Bedeutung, die die rage der ArbeitSvermittelung für unser Wirtschaftsleben hat.(Bei- all links.) Abg. Leinert(Soz.): Zunächst einmal wird nicht gesagt, für welche ArbeitSvermittelung diese 10 000 M. ausgegeben werden. Wir stehen grundsätzlich ans dem Standpunkt, daß nur solche ArbeitSverinitteluiigSsteNen unter­stützt werden dürfen, die auf paritätischer Grundlage auf- gebaut sind. Der Arbeitsnachweis ist eine öffentliche Angelegenheit geworden, die nicht mehr nach polizeilichen Gesichtspunkten, auch nicht mehr nach dem Gesichtspunkt der,.Fürsorge" oder derWohlfahrt" betrachtet werden kann. Die Arbeitsnachweise müssen unter der Mitwirkung von Arbeitern und Arbeitgebern unbedingt staatlicherseitS gefördert werden. Die Summe von 10000 Mark ist geradezu lächerlich gering. Der preußische Staat sollte sich schämen, mit einem solchen geringen Betrage aufzuwarten. Das Geld, dns hierfür aufgewendet wird, ist gut angelegt und kann viel zertretenes Menschenglück verhindern. Wir können die Staats- regierung nur bitten, diese Summe zu erhöhen und sich der ganzen Frage warm anzunehmen. Es ist ausgerechnet worden, daß im Reich jährlich 300 Millionen Mark für Armenzwccke ausgegeben werden. Würde man den 60. Teil davon benutzen, um die Arbeitsnachweise auszugestalten, so würde man großen Segen stiften können. Mit einem gut organisierten Arbeitsnach- weis könnte man die Arbeiter dahin dirigieren, wo sie ihren Fähigkeiten und Wünschen entsprechend beschäftigt werden. Der heutige Arbeits- nachlveis mit den Wanderarbeitsstätten ist ein elendes Flickiverk, und die dafür ausgegebene Summe steht in gar keinem Verhältnis zu den Vorteilen, die mit ihm erreicht worden sind. In diesen Wander- arbeilSstätten werden die Arbeiter mit Arbeiten beschäftigt, für die sie sich meist gar nicht eignen, so z. B. mit Steineklopfen, und sie erhalten dafür das Recht, in diesen Stätten eine Nacht zu s ch l a f e n I Dann müssen sie wieder fort l Das ist natürlich keine Erziehung zur Arbeit, sondern es ist geradezu die Beseitigung des ArbeitStriebes! Man kann es den Leuten nicht verdenken. wenn sie diesen Arbeitsstätten direkr auS dem Wege gehen.(Sehr richtig I bei deit Sozialdemokraten.) Ich selber bin auf meinen Wanderungen diesen Wanderarbeitsstätten imnier aus dem Wege gc- gangen, da es mir nicht Paßte, einen halben Tag Steine zu klopfen und dann wieder fort zu müssen. Diese Waudcrarbeitsstäiten stellen eine unverschäiiite Aiisbcutniig der Arbeitslose!« dar. Da. wo der Arbeitsnachweis von Kommunalbehörden mit Liebe gepflegt wird, greift häufig störend die Polizei ein. Was bleibt so einem Arbeiter, der keine Arbeit finden kann, weiter übrig als zu betteln. So sehen wir als Folge des heutigen Systems eine Zu- nähme der Landstreicherei und Vagabondage. Die Arbeiter kommen in» Arbeitshaus , ins Gefängniö und schließlich ins Armenhaus. Auch hier kann man sagen: Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr ihn der Pein! Der Minister hat schon in der Kommission gesagt, er könne die vom Verband deutscher Arbeitsnachweise geforderte Unter- stützung in Höhe von 260 000 Mark angesichts der schlechten Finanzlage nicht zur Verfügung stellen. Gestern abend hat der Minister schöne Worte gesagt über das Bestreben, unserer Jugend wieder Lebensfreude zu verschaffen. Wir stellen uns für derartige Zwecke gern zur Verfügung, und bei unseren Jugend- organisationen wird der Minister gleichfalls Unterstützung finden. Aber dieses ganze Werk wird vernichtet, wenn man den erwachsenen Arbeitern nicht die Möglichkeit gibt, sich diese Lebensfreude zu bewahren. 300000 M. werden für die Züchtung von Polizei- spitzeln ausgegeben und lumpige 10000 M. für dieses große Kiilturwerk! Dazu kommt, daß man auch diese Einrichtungen lediglich nach dem Grundsatz gestaltet: gegen die Sozialdemokratie I Viel richtiger wäre, wenn Sie mit der Sozialdemokratie und den Arbeiterorganisationen zusammenarbeiten würden, um das Volk auf die sonnige Höhe des Menschenglücks emporzuheben.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Die Rechtsauskunftsstelle» der Städte sind meist Winkelbureaus geblieben, die keine Beachtimg ge­funden haben. Dagegen weisen die Arbeitersekretariate der Gewerkschaften einen starken Besuch auf. In 157 Arbcitcrsckretariatcn find a» 488 000 Besuchern 531 000 Auskünfte erteilt worden!(Hört I hört l bei den Sozialdemokraten.) Eine halbe Million gibt die Arbeiter- klaffe für diese Arbeitcrsekretnriate aus, und in Bant, Koburg und Gotha werden sie auch schon behördlicherseits unterstützt! Sie sollten sich doch selbst sagen, daß mit solchen Einrichtungen, wie sie die königliche StaatSregierung unterstützt, nicht aufzukommen ist gegen die Einrichtungen, die die Arbeitersekretariate dafür bereits getroffen haben. ES ist traurig, daß in Preußen nicht ein einziger Pfennig den Arbeitersekretariaten für diese Zwecke zur Verfügung gestellt wird.(Sehr richtig! bei den Soziaidemolraten.) WaS Sie hier auswerfen, ist weggeworfenes Geld. Ich kenne diese RechtsaiiskniistSstellen, Die Leute gehen zu der NechtsauskunftSstelle der Stadt, aber die Beamten sind mit den Dingen nicht vertraut. Die Leute kommen dann zu den Arbeiter- sekrctariaten und stagen, ob das richtig ist. was sie erfahren haben. Jene versuchen oft sogar, die Arbeiter zu einem für fie ungünstigen Bcrgleich mit dem Arbeitgeber zu bewegen. Der Arbeiter geht da- durch eines Teils feines Rechtes verlustig.(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten.) Solche Einrichtungen können nicht dazu führen, daß der Arbeiter zu ihnen Vertrauen gewinnt. Werfen Sie doch die Scheuklappen ab! Sie kämpfen gegen Winmühleuflügel, wenn Sie glauben, daß Sie die Sozialdemokratie durch Unterstützung solcher Einrichtungen bekämpfen können. Der Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie soll mit seinen Rechtsauskunftsstellen sogar vorzügliche Erfolge erzielt haben l DieseErfolge" sind Phantasiegebilde. Was der Reichsverband mit seinen Winkeladvokatenstuben erreicht, habe ick in Linden gesehen. Dort hat er einen Laden gemietet, der war aber meist zu! Kam jemand, der eine Auskunft wollte und erhielt er diese auch einmal, so wurde er ersucht, noch einmal wieder» zukommen, weil es möglich fei, daß das nicht stimmt, waS ihm ge- sagt worden war!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das hier ausgeworfene Geld sollte nutzbringender angewandt werden, und das würde am besten bei unseren Arbeitersestetariaten geschehen. Solche Einrichtungen, ivie sie der Staat und der Reichs- verband unterstützt, werden Schiffbruch leiden in dem Augenblick, wo man mit ihnen die Sozialdemokratie bekämpfen will. Die Arbeiter- sestetariate und die Gewerkschaften haben ihre Erfolge ohne Staatshilfe erreicht. Glauben Sie nicht, daß durch die Slaatöeinrichwngen die Gewerkschaftseinrichtungen aufgehoben werden. Hat nicht die Reichs- regierung vorgeschlagen, daß diese Gewerkschaftsorganisationen sogar mit Rechtsfähigkeit ausgestattet werden? Und hier will die preußische Regierung den Gewerkschaften mit solchen Winkeladvokaturen ent- gcgentreten l Geben Sie Ihren Kamps auf! Werfen Sie da? Geld nicht unnütz weg. sondern geben Sie es den Arbeitersekretariaten, wo es nutzbringend verwendet werden kann.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Die 86 000 M. werden bewilligt. Desgleichen der Rest des Etats der Handels- und Gewerbeverwaltung. ES folgt die zweite Lesung des BauetatS. Abg. Lötz(stk.) verlangt eine Unterstützung der ostfriesischen Küstenschiffer, die unter der holländischen Konkurrenz schwer zu leiden hätten. Nach weiterer Debatte werden die Einnahmen bewilligt. Das Haus vertagt sich aus Freitag 11 Uhr. Zweite Lesung der Wahlrechtsvorlage. parlamentarircbes. Zölle und Stenern. Eosin. Auswärtiges Amt. Die Manncsmannaffäre. Die Budgetkommission des Reichstages erledigte am Mittwoch zunächst den Etat des Rcichsschatzamtes. Beim TitelZölle, Steuern und Gebühren" gab Staatssekretär Mermuth eine Uebersicht über die Entwickelung der finanziellen Verhältnisse auf Grund der Dezembevabschlüsse. Danach betragen die Mehrausgaben neun Millionen Mark, dre Minderausgaben 24 Millionen Mark, so daß sich der Etat um rund 15 Millionen Mark verbessert. Außerdem werden nach den für die ersten neun Monate des EtatSjahreS ge- machten Berechnungen die folgenden Posten mehr einbringen als angenommen worden tvar: Zölle............ 3 374 000 Tabaksteuer......... 788 000 Zigarettensteuer........ 2 000 Ziickersteuer.......... 7 887 000 Salzsteuer.......... 704 000 Leuchlmittelsteuer....... 1 300 000 Zündlvarensteuer(Streichholzsteuer). 900 000 Brausteuer und Uebergangsabgabe. 6 784 000 Spielkartenstcmpel....... 84 000 Wertpapiersteuer........ 10910000 Zinsbogenscheine, Kaufgeschäfte... 9 910 000 Lotterieeiiiiiahnlen....... 2 088 000 Automaisteuer..........- 632 000 Tantieniensleuer........ 1 270 000 Grundstücksübertragungssteuer... 4 000 000 Erbschaftssteuer........ 9 000000 Statistische Gebühr....... 71 000 Mehrüberschuß der Reichseisenbahnen 1 511 000 Veri'chiedene Verwaltungseinnahmen. 7 026 000 Zum Ausgleich der nicht allen Bundes- staate» gemeinsamen Steuer.. 2 858 000 Die Mindereinnahmen werden demgegenüber betragen bei der Brennsteuer......... 2 233 000 Schaumweiusteuer....... 38000 Wechselstenipelstener....... 600 000 Frachturkunde......... 680 000 Schecksteuer.......... 1 000 000 Mindcrüberschuß der Post.... 1 800 000 Minderüberschuß der Reichidruckcm. 1000000 Anteil am Reingewinn der ReichSbank 18 196 OOO Banknotensteuer........ 215 000 Zum Ausgleich........ 278000