it. 59. Z7.?ahtMs.1. Kilm des Jumits" Kerlimftfilotj, II. Uiq 1910.Reichstag.68. Sitzung vom Donnerstag, den 10. Närz,nachmittags 1 Uhr.Am BundeSratStisch: Kraetke.DieBeratung deS Etats der RcichSpost- und TelegraphenverwaltungWird beim Titel.Staatssekretär" fortgesetzt.Hierzu hat die B u d g e t k o m m i s s i o n beantragt, den Reichs-kanzler zu ersuchen, in eine Prüfung darüber einzutreten, ob die Post-Verwaltung in den Schutzgebieten an die Lerioaltung der Schutz-gebiete anzugliedern sein möchte.Die Abgg. Basser mann und Gen.(natl.) beantragen eineResolution, in der ein ständiger Beirat für Post- und Tele-graphenangelegenheiten aus Vertretern deS Handels, der Industrie,der Landwirtschaft und des Handwerks gefordert wird.Die Äbgg. Albrecht und Genossen sSoz.) beantragen, in dieserResolution hinter.deS Handwerks" noch einzufügen:„und der Ar-beiter".Abg. Zudeil(Soz.):Von verschiedenen Seiten des Hauses ist bereits darauf hin-gewiesen, daß die Einrichtungen unserer Post nicht mehr auf derHöhe stehen. So ist durch den Wegfall des Ankunfts-sicwpels es jedem unmöglich gemacht, festzustellen, an wemdie Schuld verspäteter Briefbestellung liegt. Doch willich darauf nicht eingehen. aber ganz energisch müssenwir uns wenden gegen die Einschränkung des Personals der Unter-beamten. Der Verkehr ist von Tag zu Tag gestiegen. WachsenderBerkehr und Verminderung des unteren Personals bringt eineungeheure Mehrbelastung der unteren Beamten nebst Verlängerungihrer Dienstzeit ohne Rücksicht auf die Be'chliisse des Reichstags. AlleParteien haben darauf hingewiesen, dah eine Dienstzeit von 60 Stundenwöchentlich vollauf genug ist. Aber im gegenwärtigen Etat und wohlauch in dem nächstjährigen und für eine weitere Reihe von Jahren isteine Vermehrung der Unterbeamtenstellen nicht vorgesehen, so datzbei dem wachsenden Verkehr selbstverständlich eine Ueber-lastung der Beamten erfolgen muh. Verschiedene Oberpostdirektionenhaben auch einfach verfügt, die Zahl der Dienststunden aus 69 und70 zu verlängern.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Indem industriereichen Bezirk Düsseldorf sind 311 AuShelfer entlasten,die die Hoffnung hatten, in ganz kurzer Zeit fest angestelltzu werden. Indem man 30 Aushelfer rücksichtslos auf die Slrasiewirst, spart man freilich 30 mal 2,50 M. pro Tag, das ist 27 375Mark pro Jahr. Rücksichtsloser kann auch kein Privatunternehmervorgehen. Täglich fallen nun auch 30 mal lll'/« Dienststundenweg. das sind 315 Stunden pro Tag, die nun durch die übrigenUnterbeamten mitverrichtet werden müsten. Um so auf-fallender ist, das; in demselben Bezirk, in derselben Zeit eine Reiheneuer Stellen für obere Beamte geschaffen ist: ein Inspektormit 4000 M. Gehalt und 920 M. Wohuungsgeld, ein Obersekreiärmit 3700 M. und 760 M. Wohnungsgeld, ein Sekretär mit 2700 M.und 630 M. WohnungSgeld und eine Reihe weiterer Beamtenstellen,die im ganzen eine Ausgabe von fast 50 000 M. pro Jahr der-Ursachen! DaS ist eine Illustration des Kraetkeschen Spörens.Wenn unsere Postverwaltnng nicht auf der Höhe des Verkehrssteht, so ist sie doch vorbildlich für alle übrigen Reichsämter, wennes sich uni dieMaßregelimg von Beamten und Arbeiternhandelt, die sich erlaubt haben, das System Äraetke nach irgendeiner Richtung zu kritisieren. Als im vorigen Sommer und Früh�jähr wegen der Besoldungsvorlagen die Wogen der Erregung sehrhoch gingen, fingen auch die Beamten aller Restorts sowohl imReiche wie in den Einzelstaaten an, ungeduldig zu werden, alsihnen durch die Vorlage klar geworden war. dah ihren berech-tigten Wünschen und Forderungen nur zum Teil Rechnunggelragen wurde. Zum 18. April V. I. riefen die Beamteneine grohe Versammlung nach der Hasenheide ein, und dort fielmanch hartes, herbes, aber zutreffendes Wort gegen die Regierung,die Parteien und vor allen Dingen auch gegen das preuhischeHerrenhaus. Die Herren an der Spitze der Reichsämter hat dassehr stark verschnupft, und wenige Tage nach der Kundgebung konnteman in der konservativen Presse lesen, man müsse gegen die Beamten,die gewagt haben, gegen den Stachel zu lecken, einschreiten!Unter diesen Beamten befand sich auch derkleines fcuillcton.„München 1910." Oberammergau, Ma� Reinhardt, OrientalischeTeppichausstellung, Musiksest, Wagner-Fesi'piele, Säkularfeier desOkiobersestes, Mozartfestspiele. Parseval-Passagierfahrten a 300 Mark,Uraufführung von Gustav Mahlers VIII. Sinfonie mit 1500 Mit-wirkenden— Bumbum!— Oskar StrauS und LSHar Franzi höchst-eigenhändige Walzertakistockschwinger— Bumbnmbum 1— wird daseine goldene Ernte diesen Sommer und Herbst werden für die Groh�und Ehrenritter der Münchener Fremdenindustrie! Die internatianalen zahlkräfligen Besucher Obera in mergauS sollen natürlich»das Hauptkontingent der auf und über dem AuSstellungSpark zurupfenden Fremden stellen. Und der übergeschäftige Reklame-Ausschuh der AusstelluugSleilung bringt das Wort Ober-ammergau gar nicht mehr aus dem Mund. Auch JulinS Diez,der konkurrenzlose Münchener Plakatzeichner, hat auf seinem rechtgeschmacklosen AnsstellungSplakat das orientalische Teppich-Gschuasinit dem nazarenischen Passionsspiel gewaltsam zusammengekuppelt..München 1910" rechnet aber stark auf die Passionsgäste und ihreunbegrenzte Anpassungsfähigkeit: Heute das Erlöserdrama, morgenOskar Straus! Da die„erstklassigen M u s i k f e st e der AusstellungMünchen 1910" unseren durch die skandalösen Ereignisse desMünchener Mnsikerkriegs von 1908 verloren gegangenen Ruf als.führende Musikstadt Süddeutschlands" wieder herstellen sollen, hatman für einen würdigen Raum Sorge getragen I Die Prinz-Lugwighalle aus der Ausstellung ist durch Theodor Fischerund den RegierungSbaunieister Geiger in eine kolossale Musikhalleumgewandelt worden, die berufen sein soll, die vielerörterte Frageder modernen K o n z e rtsa a l r e fo rni oder des Refornikonzert-saales der Lösung näher zu bringen. Die Münchener Mnsikfesthallerepräsentiert sich als ein rechtwinkliger Raum mit drei amphi-theatralisch aufgebauten Rängen, die über 3000 Sitzplätze enthalten.Das riesige Doppelpodium niit Orgel saht bequem einen Orchester-und Chorkörper von 800 Personen. Dah das Prinzip des Amphi-theaters auch für den Konzertsaal der Zukunft die einzig zweck-mähige, weil optisch und akustisch zweckentsprechende Form sein wird,ist dem erfahrenen Architekten Fischer nicht entgangen. Frühere Er-fahrungen haben ihm dabei zur Seite gestanden. Wie steht es nunmit der Akustik der Musikhalle? Die erste Probe, zu der als Saal-fiillung ein Regiment Infanterie kommandiert war, ergab kein sehrgünstiges Resultat. Hoffentlich wird die schleunigst einzuhauendeSchallniuschel diese Mängel beseitigen. Dann steht dem Massen»betrieb moderner Musik als Bildungsmittel für die soziale Ober-schicht— das Volk ist selbstverständlich wieder von den Kunstgenüssender Ansstellung 1910 so gut wie auSgeschlosten und auf den Auf-enthalt im Vergnügungspark oder Wurftlprater angewiesen— nichts«ehr im Wege. m.Rothschild und das Papsttum. Das Mnseo del Risorgimentoin Rom hat unlängst ein Autograph Pius' IX. erworben, daS imJahre 1870 an eüien italienischen Prälaten in Paris gerichtet wurdeund dem Empfänger den Auftrag gab, von dem Haufe Rothschild demOberpostassistent Zollitsch,der Vorsitzende deS Verbandes der mittleren Reichspost- undTelegrapheubeamten. Das Organ dieses Verbandes, die„DeutschePostzeitung", hatte auch einige Artikel gebracht, die das Mißfallendes Staatssekretärs erregt hatten. Die Hetzereien der konservativenPresse hatten Erfolg, und als erster auf der Strecke blieb der Ober-postassistent Zollitsch! Es wurde gegen ihn einDisziplinarverfahren auf Amtsentsehungeingeleitet, weil er die Zensur über die.Deutsche Postzeitung'nicht scharf genug gehandhabt habe. Er war eben der PostVerwaltung unbequem geworden, weil er eS verstanden hatte,die Jntereffen seiner Standesgenossen zu wahren! In ihmsollte daher nicht bloß die Person Zollitsch getroffen werden,sondern der Verband, der Herrn Kraetke schon lange ein Dornim Auge war. wie überhaupt alle Organisationen von Angestellten.Zollitsch hatte 21 Jahre tadellosen Dienstes hintersich! Der Staatssekretär aber wollte mit der gepanzerten Faustjedes Vorwärtsstreben der Beamtenwelt, jede freie Meinung?-äußerung der Beamten unterdrücken. Dieses brutale Vorgehen wirdhoffentlich dazu beitragen, den Beamten und Unterbeamten zuzeigen, daß sie die energische Pflicht haben, zusammenzuhalten, daß ihnen zum Bewußtsein kommen muß. daß sie nichtnur Beamte, sondern auch Menschen sind.(Zustimmung bei denSozialdem.) Die Rache des Staatssekretärs gegen Zollitsch ist nichtganz geglückt. Die Disziplinarkammer sprach nicht die Dienst-entsetzung aus, wohl aber die Strafversetzung unterVerminderung deS Dien st einkom mens um einSechstel und unter Auferlegung der Kosten deserfahre ns!Ging der Staatssekretär schon gegen die Beamten so rückstchtS-loS vor, so noch viel rücksichtsloser gegen die Arbeiter undArbeiterorganisationen. Hier hat er ja nicht erst ein langwierigesDisziplinarverfahren nötig, sondern kann mit seiner gepanzertenFaust unmittelbar eingreisen, wie es gegen denTelegraphenarbeiter Vallentiugeschehen ist, den Vorsitzenden deS Telegraphenhandwerker- undArbeiterbundeS, der im September V. Js. plötzlich entlassenwurde. Auch hier handelte es sich in erster Linie um zwei Zeitung?artikel; der eine beschäftigte sich mit dem Aufsehen erregenden FallZollitsch und sprach Zollitsch die Synipathie der Arbeiter aus, derzweite trug die Ueberschrift.An die Gewehre!"und richtete sich mit keinem Worte gegen die Verwaltungsondern forderte die Mitglieder des Bundes auf, sich zumKampfe zur Durchführung ihrer Lohnforderungen zu rüsten.Nachdem beide Artikel im Organ des Bundes erschienen waren, gabVallentin dem Druck der Behörde nach, welche von ihm verlangte,er solle erklären, er habe die beiden Artikel vor ihrem Erscheinennicht gelesen. Es war ihm mitgeteilt morden, die Angelegenheit solltedamit für ihn erledigt fein! Run hatte der Arbeilerausschuß beschlössen, wenn die Postbehörde wiederum eine Lohnerhöhung ablehnte, solle eine öffentliche Versammlung einberufenwerden, um die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf die un-genügenden Verhälmisse der Telegraphenarbeiter zu lenken. Mit derAusführung des Beschlusses wurde selbstverständlich der Vorsitzendedes Bundes. Vallentin, beauftragt. Die Behörde antwortete denArbeitern,daft kein Grund zu einer Aufbesserung der Löhnevorliege!Als nun die Versammlung zum 19. September einberufen wurde,wurde Ballentin am 18. auf die Oberpostdirektion bestellt und ihmeröffnet, die Versammlung dürfe nicht stattfinden, er müsse sie aufseine Kosten rückgängig machen!(Hört! hört! b. d. Sozialdemokraten.)Als er sich weigerte, erklärte die Oberpostdirektion, sie würde dieKosten übernehmen. Aber auch jetzt lehnte Vallentin ab, da er nurder Beauftragte deö ArbeiterausschusseS der Telegraphenarbeiter sei.Die Versammlung fand statt und Vallentin referierte und kritisiertedabei die Postverwaltung, wie die Presse aller Parteien anerkannte:in sehr bescheidenen Grenzen. Darauf wurde er, nach-dem a>n 20. September eine Konferenz aus der Oberpostdirektionstattgefunden halte, am 21. aufs Telegraphenbauamt gerufen,und dort wurde ihm erklärt, er solle seine Ausführungen wider-rufen und in den Tageszeitungen bekannt machen, seine Aus-führungen in der Versammlung seien unzutreffend gewesen, die Löhneder Telegraphenarbeiter, Vorarbeiter und Handwerker seien vielmehrausreichend, und die Arbeiter hätten keinen Grund, überpäpstlichen Stuhle ein neues Darlehn auszuwirken. In dem Briefe wirddem Prälaten aufgetragen, Rothschild zu sagen, daß der Papst Geldbrauche.„Er soll nickt den Geizigen spielen," bemerkt Pius,„denndiesmal wie die anderen Male wird er nichts verlieren. Rothschildsoll daran denken, daß er recht gute Geschäfte mit dem heiligenStuhl gemacht hat." Weiter bemerkt der Papst, daß das Schiff deshl PetruS trotz de» heftigen Sturmes nie untergehen könne. DasPapsttum hatte schon ftüher Geschäftsverbindung mit Rothschildgehabt. Zuerst hatte Gregor XVI ein Darlehen aufgenommen, zudem niedlichen Zinsfuß von 75 Proz. Die Sache wurde damals vonden Liberalen festgenagelt. Zur Rechtfertigung Rothschilds wurdegesagt, daß dieser als Jude nicht an die ewige Existenz der Kirchezu glauben brauche und daher sein Darlehen für unsicher haltenmüsse. Pius selbst hatte Darlehen von Rothschild in den Jahren1850, 1856 und 1863 erhalten, immer zu sehr ungünstigen Be-dingnngen. Das letzte Darlehen, von dem in unserem Dokumentdie Rede ist, wurde abgeschlagen, und das war ein Glück für dieitalienische Regierung, da sie ja nach dem Fall der Papstherrschaftfür alle Schulden des Kirchenstaates aufkommen mußte.Masik.Bolkö-Oper.„Kalif Storch' nennt sich, nach WilhelmHauffs gleichnamigem Märchen, diese Novität, für deren Verfasser-lchaft als Libretiist und Kompositeur Herr Max Es mann, einJenaer Oberlehrer, verantwortlich zeichnet. Das Dichten scheintESmannS Hauptstärke nicht zu sein. Von Dramawrgie undBühnentechnik hat er keine Ahnung. Die Personen gehenund kommen, grab„wie'S trefft". Wenn sie Witze machen.so sind sie weder von Kala« noch von anderswoher. Nachdem Kalifund Vezir als Störche herumwandern, offenbaren sie dem Publikumdie Neuigkeit, daß ihres Gewandes Zeichnung den Farben derdeutschen Reichsfahne entspreche uslv. Im übrigen hat der Text-dichter dem Musiker redlich vorgearbeitet Er bringt eine ver-wunschene Prinzessin, einen Mohr, Zauberer. Zigeuner, Hofleute, jaden Satan selbst auf die Bretter. Und nun wird lustig drauf loSkomponiert. Wir kriegen Arien, traurige und fröhliche, Duette undChöre zu hören. Einige Ansätze zur Charakterisierung sowie einWalzer lassen sich ganz hübsch an. Sonst aber kommt der Komponistvor lauter endloser Melodie zu keiner liedmäßigen Form. Immerhinhat er sich bei klassischen, romantischen und modernen Opernkomponistentüchtig umgesehen; nur hat daS den Nachteil, daß sich schwer sagen läßt.wieviel von dem allem auf seine eigene Schöpferfähigkeit entfällt.Verschiedene frische Motivchen und Figurationen entschädigen wirklichnicht für die eiuschläsernde Blässe des Ganzen. Dementsprechendkonnte auch nur die Aufführung sein. Schablone, nichts als Schablone!Der Dichterkomponist niachte den Eindruck einer jovial-gemütlichenErscheinung: er wird also den Mißerfolg nicht allzu tragisch nehmen.0. k.Humor und Satire.Jogows wildeJagd.Was glänzt dort bei Treptow im Sonnenschein?Man hört eS trampeln und scharren.mangelndes Entgegenkommen der Postverwaltung zu klagen l l(Hört Ihört! bei den Sozialdemokraten.) Es ist erklärlich, daß jemand, deretwas auf seine Ehre hält, eine derartige Zumutung z u r ü ck w e i st.Man verlangte von Vallentin, er solle sich selbst kastrieren undein Schurke gegen seine eigenen Arbeitskollegen werden.(LebhaftesSehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Weil er das ganz energischablehnte, wurde ihmsofort gekündigt!So rücksichtslos geht die Postbehörde unter dem SystemKraetke gegen alle vor, die auch nur das geringste Streben zu er-kennen geben, ihre wirtschaftliche Lage irgendwie aufzubessern. Aberdie Postbehörde geht noch weiter. Oft genug ist von dieser Stelleausgeführt worden, daß niemand verächtlicher ist als derjenige, dersich zumSpitzelhergibt.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Aber die Post-behörde siebt ihre vornehme Aufgabe darin, Spitzel zu züchten undin Versammlungen von Arbeitern zu dirigieren! Als in Stettin imOktober v. I. eine TelegrapHenarbeiterversaininlung stattfand undder Referent sagte, daß die Oberpostdirektion Stettin besser getanhätte, sich in der Versammlung vertreten zu lassen, um die Wünscheder Arbeiter aus eigener Anschauung kennen zu lernen, meldete sichein Kollege und gab der Versammlung unter großer Entrüstung be-kannt, er sei auf die Oberpostdirektion bestellt und aufgefordert worden,der Versammlung beizuwohnen und am Montag Bericht zu erstattenlLebbastes Pfui! bei den Sozialdemokraten) darüber, was dort gr-sprachen sei und wer gesprochen habe! Dem zum Spitzel gestempeltenArbeiter war die Schamröte inö Gesicht gestiegen, und er gabdaher der Versammlung bekannt, zu welchen unsauberen Zwecken eraufgefordert war, auf die Oberpostdirektion zu kommen.,Präsident Gras Schwerin: Sie dürfen nicht sagen, daß die Ober-Postdirektion unsaubere Zwecke verfolgt.Abg. Zubeil(fortfahrend): Wir waren bisher der Meinung, daß,wenn jemand beauftragt wird, feine Kollegen zu bespitzeln, dieseine sehr unsaubere Sache ist.(Lebhafte Zustimmung bei denSozialdemokraten.)Präsident Gras Schwerin: Ich bitte einen solchen Ausdruck nichtzu gebrauchen.(Bravo I rechts.)Abg. Zubeil(fortfahrend): Nun, die Postverwaltung wird schonwissen, wie wir und alle anständigen Leute darüber denken.(Sehrgut! bei den Sozialdemokraten.)In einem Falle ist die Postbehörde gegen einen Unterveamtenvorgegangen, ohne daß der geringste Beweis dafür erbracht war,daß dieser Beamte ein Spitzbube war: In Wiesbaden hatte auf demdortigen Postamt 5 der Postbote Konradi neun Jahre lang zurvollsten Zufriedenheit gearbeitet, wie auch aus seinem Abgangs-zeugnis hervorgehl Er glaubte, nun endlich von der Post-Verwaltung übernommen zn werden. Doch er sollte zu seinerAnstellung nicht kommen, sondern sogar der vollkommenenVernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz anheimfallen. Am9. August v. I. hatte Konradi am Nachmittag auf dem provisorischenPostamte der Ausstellung in Wiesbaden Dienst. Nachdem er diePostkästen geleert hatte, begab er sich sofort in daS Dienstzimmer, umdie Briefsäcke in der vorschriftsmäßigen Weise mit Postsiegeln zuschließen. Er machte den diensttuenden Beamten sogleich daraufaustnerksam, daß das im Augenblick nicht möglich war, und begabsich nach dem zuständigen Hauptpostamt mit den Briefsäcken. Ichmuß erwähnen, daß er an Leibbeschwerden litt und deshalb einstilles Oertchen aufsuchen mußte.(Heiterkeit.) Es ist notwendig,daß ich das anführe. Als er das Klosett verließ, trat ihm einfremder Mann entgegen und sagte:„Sie haben in dem Raum jetztvier oder fünf Briese geöffnet und haben aus einem Brief einenFünfmarkschein entwendet I' Konradi glaubte eS mit einem Geistes-gestörten zu tun zu haben und ging ruhig nach dem Dienstzimmer.Bald trat ihm aber wieder der Fremde in Begleitung des Ober-postasststenten Korb entgegen. In her weiteren EntWickelung derSache stellte sich dann heraus, daß dieser fremde Mann einSchauspieler war. Konradi bat, daß er sofort vifittert werde;das wurde abgelehnt! Es fanden weitere Vernehmungendes Kouradi statt; der Postdirektor sagte nun zwar, daß ihm dieSache leid täte, aber schließlich wurde Kouradi doch entlassen!Zu derselben Zeit etwa war ein anderer Brief auf demselbenPostamte verschwunden gewesen, und sofort stieg der Verdacht auf,daß auch dieser Brief durch Konradi beiseite gebracht worden sei.Zum Glück fand sich dieser Brief später bei der Abfertigungsstellein Würzburg wieder vor. Konradi konnte wenigstens vondiesem schmählichen Verdacht gereinigt werden. Trotzdem wurde erES zieht sich zusammen in blauen Reih'n,Kommandorufe erschallen dareinUnd erfüllen die Lüfte mit Schnarren.Und wenn ihr die blauen Bestalten ftagt-»»DaS ist JagowS wilde, verwegene Jagd.Was krabbelt dort rum in dem Treptow« Said,Was ist'S, daS den Rasen zerstockert?Es legt sich ringsum in den Hinterhalt,Der Sabul wird noch ein Loch fester geschnalltUnd die Browning-Pixtaule gelockert.Und wenn ihr die mut'gen Gesellen fragt—DaS ist Jagows wilde, verwegene Jagd.WaS braust vor der Kneipe die wilde Schlacht?Eine Frau ist zusammengebrochen.Sie ward von sechs Reitenden niedergemacht,Weil sie an Kaffee bei Zenner gedacht;Das wurde blutig gerochen.Und wenn ihr die tapferen Reiter fragt—DaS ist JagowS wilde, verwegene Jagd.Wer zieht dort mit langer Nase nach Hau?,Vom Kampfesmute entsättigt?Sie sehen betrübt wie'ne Leberwurscht au»,Doch machen sie sich fast gar nichts daraus,Der Treptower Park ist gerettigt.Und wenn ihr die stoobigen Brüder fragt—Das ist Jagows wilde, verwegene Jagd.Wer lacht da? Der Hauptmann von Köpenick.Jetzt steht er nicht mehr alleine.Er schiebt die Mütze vergnügt inS GenickUnd sagt: Der Sozi versteht et wie ick,Sein Spaß is so jut wie der meine.Und wenn ihr fragt, worüber er lacht---Ueber JagowS wilde, verwegene Jagd._(Der Oberbonze.)Notizen.— Im Berliner Buchgewerbesaal sind zurzeit auS-gestellt: neuere Erzeugnisse des Dreisarbenbuchdrucks sowie einegrößere Anzahl Farbendrucke, die unter Benutzung Gebr. LumivrescherAutochromplatten in den hervorragendsten Kunstanstalten Deutsch-lands hergestellt wurden. Der Saal ist täglich von 11—3 Uhrgeöffnet.— PearhS Beweise, daß er den Nordpol erreicht hat.lvurden bisher der Oeffentlichkeit vorenthalten. Der anierikanischeKongreß ließ darum ersuchen, ehe er die für Pearh bestimmtenEhrungen annehmen lvollte. Peary fühlte sich dadurch gekränkt undlehnte auch mit Rücksicht auf seinen Verlagskontrakt ab. Darauf hatder Ausschuß deS Kongresses, der durch die Cook-Affäre vorsichtiggeworden ist, Pearh die zugedachten Ehrungen versagt.— Peary istalso nicht Bize-Admiral geworden und wir wissen immer noch nicht,ob er am Pol war.