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amtlichen Schnlstatistik waren in 8er Provinz Branbenliurg 8KZ Lehrer überlastet und 388 überfüllte Klaffen vorhanden, waren 360 Lehrerstellen unbesetzt, die von anderen Lehrern mitverwaltet werden muhten, hatten 33 Schulen über 120 Kinder und nur einen Lehrer. Wie viele Lehrer sind außerdem gegen eine äußerst ge- ringe Entschädigung mit Küsterdiensten belastet, wie viele wirken trotzdem noch aus eigenem Antriebe in gemeinnützigen Vereinen� Und zum Tank dafür will man ihnen diese neue Last ohne jede Entschädigung aufbürden! Im Herrenhanse stellte Graf Häseler   am 29. April 1909 die gleiche Forderung an die Unterrichtsverwaltung. Ihr Vertreter begnügte sich mit der recht zahmen Erwiderung:Es wird sich nie ganz vermeiden lassen, daß die Frage der Remuneration auf- taucht, soweit die Beschäftigung des Lehrers das normale Maß überschreitet." Dieses Entgegenkommen der Schulverwaltung. deren Mitglieder keine Arbeit umsonst leisten, scheint die Herren Junker zu weiteren Vorstoßen ermutigt zu haben. Ein eigenartiger Gewerbegerichtsvorsitzender. Das Spandauer   Gewerbegericht scheint nach der Hinsicht eine Berühmtheit werden zu wollen, wie ein Gericht nicht urteilen sollte. In der Nr. 22 brachten wir einen Bericht über das Vcr- halten des Gewerbegerichtsvorsitzenden Assessor Dr. Kurts. Der Älempnergeselle Beilmeier klagte gegen den Älempnermcister Gärtner wegen einer elftägigen Lohnentschädigung, weil er am IS. November v. I. ohne gesetzlichen Grund und ohne' Kündigung entlassen worden sei. Der beklagte Klempnermeister hatte unter anderem eingewendet, daß er zur sofortigen Entlassung berechtig: war, weil Aeckmeier an seine Lehrlinge sozialdemokratische Flug blätter verteilt habe. Es waren dieS Flugblätter der Jugend kommissio» des Tcutschcu Mctallarbeitcrverbandcs, also einer rein gewerkschaftlichen Organisation. Tos Gewerbegericht faßte in seiner Sitzung am 24. Januar er. unter dem Vorsitz des Assessors Tr. Kurts den sonderbaren Beschlutz, bei der Handwerkskammer zu Berlin   anzufragen, ob der Deutsche   Metallarbeiterverband resp. dessen Jugendkommission sozialdemokratische Tendenzen verfolge. Jetzt fand die Fortsetzung dieser Verhandlung statt. Schon als die Sache aufgerufen wurde, äußerte sich der Vorsitzende, Assessor Dr. KurtS:Aha, jetzt kommt die sozialdemokratische Geschichte!" Er trug dann den Klageinhalt nach dem vorstehend Geschilderten vor und meinte:DerVorwärts" habe über diese Verhandlung einen Bericht gebracht, in welchem die Vermutung ausgesprochen war, daß die Handwerkskammer keinen anderen Bescheid erteilen würde, als man solle sich an den Deutschen Metallarbeiterverband wenden.' Der Herr Vorsitzende beliebte dann einiges aus demVorwärts" artikcl wiederzugeben und erklärte dann, es sei ihm übrigens egal, was derVorwärts" über ihn schreibe, der Bescheid der Hand Werkskammer sei aber anders ausgefallen, als derVorwärts' vermutet habe. Hierauf verlas der Vorsitzende den Bescheid der Handwerkskammer   wie folgt:Unter Rückgabe des mit gefl. Schreiben vom 27. v. Mts. eingesandten?lufrufs der Jugend- kommission des Deutschen Metallarbeiterverbandes erwidern wir crgebenst, daß im allgemeinen die einzelnen sozialdemokratischen Organisationen angegliederten Jugendabteilungen zwar nicht" mittelbar ihrerseits politische Tendenzen verfolgen, daß sie als unter dem dauernden Einfluß der Sozialdemokratie stehend nur als zur Sozialdemokratie zu rechnende Vereinsgebilde an- gesehen werden können." sl) Der Kläger   wandte ein. daß der Borsitzende denVorwärts"artikel falsch wiedergegeben habe, und wurde ihm auf sein Ersuchen gestattet, diesen Artikel zu verlesen. Bei der Stelle:der Vorsitzende, Magistratsassessor Dr. Kurts, verstieg sich zu der Aeußerung: Solange er Vorsitzender sei, werde die Mehrheit des Gewerbegerichts stets gegen die Sozialdemo- kraten sein!" rief der Vorsitzende ganz laut:Sehr richtig!" Nach kurzer Beratung wurde der Kläger mit der Klage kosten- pslichtig abgewiesen. Ter Vorsitzende begründet das Urteil dahin: Es sei nach dem Bescheide der Handwerkskammer festgestellt, daß der Metallarbeiterverband sozialdemokratische Tendenzen verfolge. Es war daher unzulässig, daß der Kläger derartige sozialdemo- kratische Flugblätter an die jungen Leute verteilte und dadurch schon diese jungen Menschen, die noch nicht einmal 16 Jahre alt sind, aufgehetzt würden. Der Beklagte war zur sofortigen Eni lassung berechtigt. Dies Tendenzurteil verdient, den weitesten Av beiterkreisen bekanntgegeben zu werden, gleichzeitig aber auch die Namen der beiden Arbeitgeberbeisitzer, mit deren Hilfe dieö Urteil nur zustande kommen konnte. Der eine ist der Schlosser- meister Buge. Mauerstratze, ein Herr, der die LehrlingSaus- bildung engroS betreibt; der andere ist der Restauroteur Scheele, der in der Neuendorfer Straße ein Tanzlokal hat und der gleichzeitig Äantinenpächter im Feuerwerkslaboratorium ist. Opfer der Tunnelbautr» in der Schweiz  . Der gebirgige Eharakter der Schweiz   bietet dem Eisenbahn  - bau große Schwierigkeiten, die in vielen Fällen durch die Erstellung von Tunnels überwunden werden müssen. Der Tunnelbau ist aber voller Gefahren, denen auch schon zahlreiche Arbeiterleben zum Opfer gefallen sind.. Nach einer bezügliclien Zusammenstellung forderten die verschiedenen Tunnels der Gotthardbahn 242, der Simplontunnel   51, der Bötzbergiunnel 7, der Albistunnel 3, der Horgener Bergtunnel!, Albulatunnel 19. Berner Oberland- lahnen 9, Weißensteinbahn 3, Ricken 5, Haucnsteintunncl 63, zu- sammen 403 Menschenleben, wohl ausschließlich Italiener  . Zu dieser an Bedeutung unermeßlichen Summe von Menschenopfern kommen aber noch die Hunderte und Tausende von Arbeitern, d'e durch Unfälle bei Tunnelbauten zu Krüppeln gemacht wurden und über die keine Statistik belehrt. Allerdings fehlt auch eine Statistik der Millionengewinne, die die Kapitalisten bei allen diesen Bauten auf Kosten der Arbeiter machten und mit denen sie sich enorm be- reicherten. Sericdrs-Geltung. Der Schutzmann muß recht behalten. Das scheint das Prinzip der Staatsanwaltschaft zu sein, denn sonst würde sie doch nicht Berufung einlegen in einer ebenso unbedeutenden wie aussichtslosen Strafsache, wo sich das Zeugnis eines Schutzmannes als mit den Tatsachen in Widerspruch stehend erwiesen hat. Der Fall, der zu diesen Betrachtungen Anlaß gibt, be- trifft den Führer eines Kraftomnibusses, der nach Anzeige des Schutzmannes Tielscher an der Haltestelle am Potsdamer Platz Rauch ausgestoßen haben soll. Das Schöffengericht hat den Angeklagten freigesprochen, weil sich die Angaben des Schutzmannes als unzutreffend erwiesen. Damit hätte die Sache erledigt sein können, wenn nicht die Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil Berufung eingelegt hätte, vermutlich in der Absicht, der Autorität des Schutzmannes in der Berufungsinstanz den Respekt zu verschaffen, den ihr das Schöffengericht versagt hatte. Doch eB kam anders. Als die Sache gestern von der 9. Strafkammer oerhandelt wurde, stellte sich heraus, daß die Anzeige des Schutzmannes Tielscher recht konfus ist. Er hat angegeben, der Angeklagte sei von der Potsdamer nach der Leipziger Straße   in westlicher Rich- tung gefahren. Vor Gericht wollte Schutzmann Tielscher berichtigen, daß es die östliche Richtung gewesen sei, was ja mit der Linie Potsdamer Leipziger Straße   übereinstimmen würde. Es ergab sich aber, daß der Angeklagte in der Rich- tung Leipziger Potsdamer estraße, also nach Westen fuhr und an der Haltestelle von Tielscher aufgeschrieben wurde. Auch darüber, ob der Wagen des Angeklagten am nördlichen oder südlichen Torgebäude des Potsdamer Platzes hielt, wir» bellen die Angaben des Schutzmannes Tielscher durcheinander, auch konnte er nicht sagen, ob der Wagen während der Fahr oder nur beim Anfahren geraucht habe- Nach diesen völlig haltlosen Angaben des Zeugen Tiel scher richtete der Vorsitzende des Gerichts an den Staatsanwalt die Frage, ob er unter diesen Umständen die Berufung nich" zurückziehen wolle. Aber der Staatsanwalt meinte, dazu sei er nicht berechtigt. Nach kurzer Ueberlcgung tat er aber doch das beste, was er in dieser Situation tun konnte, er zog die Berufung zurück. Die Autorität des Schutzmannes war eben nicht mehr zu retten. Das hätte die Staatsanwaltschas eigentlich schon nach der Verhandlung erster Instanz einsehen sollen. Ter Fall zeigt auch, wie notwendig es ist, das Rech der Berufung gegen ein freisprechendes Urteil der Staatsan waltschaft zu versagen._ Ter räuberische Ueberfall auf die Juweliersfrau Richter aus der Potsdamerstraße�sollte nun gestern nach mehrmaliger Ver- tagung endlich vor dem Schwurgericht des Landgerichts III   zur ge- richtlichen Entscheidung kommen. Unter der Anklage des versuchten Raubes bezw. der Beihilfe müssen sich verantworten: Der Kauf- mann Wilhelm Hohe, der Kaufmann Georg Kühne  , der frühere Leutnant Hubert Kuehnel und der Schlosser Otto Stäche. Wegen Anstiftung zum versuchten Raube ist ferner der Makler Jaques Syz angeklagt. Wie noch erinnerlich sein dürfte, scheiterten die früheren Ver Handlungen daran, daß Hotze denwilden Mann" spielte. Er hielt seinerzeit mit theatralischen Gesten phrasengeschwollene Vorträge und erging sich schließlich in den wüstesten Beschimpfungen, als er sah, daß die Sache für ihn schlecht stand. Auch heute legte Hotze das sichtbare Bestreben an den Tag. sichinteressant" zu machen. Als Landgerichtsrat Ellend an ihn die Frage richtete, ob er selbst oder sein Verteidiger das Ablehnungsrecht bei der Geschworenen- auslosung ausüben wolle, erklärte Hotze mit herablassender Hand- bewcgung auf seine Verteidiger deutend:Meine Verteidiger haben Prokura!" Als bei dem Zcugenaufruf die Namen verschiedener neuhinzugeladener Zeugen verlesen wurden, rief Hotze mit lauter Stimme:Wo kommen denn die alle her. welcher Schuft hat die denn hergeschafft?" Nach Vernehmung der Angeklagten über ihre Personalien kommt der Angeklagte Hotze mit einer neuenlieber- raschung". Er gibt in wohlgesetzter und fließender Rede die Er klärung ab, daß er den Vorsitzenden, Landgerichtsrat Ellend» afr lehne. Diese Ablehnung motiviert er damit, daß er nicht in der Lage sei, die ganze Vorgeschichte des Prozesses von neuem aufzu- rollen. Er bitte deshalb den Landgerichtsdirektor Dr. Seligmann, der den damaligen Prozeß geleitet habe und die Sache in allen Details kenne, wieder den Vorsitz zu führen. Das Gericht ist ge- nötigt, eine längere Paus« zu machen, da nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung erst ein anderer Richter herbeigeholt werden muß, der über den Ablehnungsantrag zu entscheiden hat. Unter Vorsitz des Landgerichtsdircktors Dr. Forstmann wird die Verhandlung um 11 Uhr wieder aufgenommen. Da Hotze seinen Ablchnungsantrag wiederholt, muß der neugebildete Gerichtshof hierüber beraten. Das Gericht erklärt schließlich den Ablehnungs- antrag für völlig unbegründet. In dem Moment, als gerade der Eröffnungsbeschlutz verlesen werden soll, erklärt Hotze:Ich habe noch einen Antrag zu stellen. Ich lehne nunmehr die beiden Bei- sitzer, die an der Beratung über mein erstes Ablehnungsgesuch teil- genommen haben und nunmehr auch an der Verhandlung gegen mich teilnehmen sollen, wegen Befangenheit ab." Landgerichtsrat ELend, der wiederum den Vorsitz übernommen hat, versucht dem Ange- klagten mit wohlgemeinten Worten klar zu machen, daß er sich und auch seinen Mitangeklagten durch dieses unverständige Verhalten und die dadurch verursachte Verzögerung doch nur Schaden zufüge. Hotze erklärte, daß er auf seine Mitangeklagten nicht die geringste Rücksicht nehme und bei seinem AblehnungSankrag bleibe. Die Bcr- Handlung wird nochmals auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, da nun» mehr zwei Ersatzrichter herbeigeholt werden müssen. Unter Vorsitz des Landgerichtsrats Ellcnd und zwei schleunigst herbcigeholtep Ersatzrichtern beratet der wiederum neu zusammen- gesetzte Gerichtshof über den Ablehnungsantrag, den er nach kurzer Beratung als völlig unbegründet ablehnt. Erst nach dieser eigenartigen Introduktion, die volle 2 Stunden dauerte, kommt das Gericht zur Verlesung des EröffnungS- beschlusscS. Rechtsanwalt Dr. Puppe stellt den Antrag auf Ver- tagung der Verhandlung, da dem Gericht eine Anzahl Beweis» anträge der Mitverteidiger bezüglich der Glaubwürdigkeit des Hotze unterbreitet worden seien, von denen er und Rechtsanwalt Dr. Werthauer bisher keinerlei Kenntnis nehmen konnten, dies aber im Interesse der Verteidigung des Hotze unbedingt notwendig sei. Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Seit Beginn der Verhandlung habe ich den Eindruck gewonnen, daß der Angeklagte Hotze bezw. seine Verteidiger unter allen Umständen«ine Vertagung der Sache herbei- führen wollen. Ich muß im Interesse meines Mandanten Kühne, der völlig geständig ist, dringend bitten, für den Fall einer Ver- tagung nur gegen Hotze allein zu vertagen und gegen die übrigen Angeklagten zu verhandeln." Rechtsanwalt Dr. Werthaurr bean- tragt dann die Verhandlung gegen Hotze und Syz zu vertagen, da zu einer Beurteilung der Glaubwürdigkeit unbedingt eine Gegen- Überstellung dieser beiden Angeklagten notwendig sei. Diesem An- trage widerspricht mit aller Energie der Verteidiger dcS Syz, Rechts­anwalt Dr. Klee. Auf eine Frage des Vorsitzenden, ob er sich nun zu der Anklage äußern wolle, erklärte Hohr:Nein, ich werde nichts sagen!" Nach kurzer Zeit erklärt Hotze, daß er sich doch eine Be- denkzeit ausbitten müsse. Auf seinen Wunsch gewährt ihm der Vorsitzende eine Pause von 15 Minuten. Nach einer längeren Pause bequemte sich Hotze endlich dazu, üch auf die Anklage zu äußern, die den Angeklagten folgendes zur Zast legt: Am 28. Januar v. IS., nachmittags gegen Mi 5 Uhr, et- chiencn in dem Poisdamerstraße 3S gelegenen Geschäft der Juwe- iersfrau Richter zwei gutgeklcidete junge Leute und ließen sich ilberne Armbänder zur Auswahl vvrlegcn. Es waren dieS die etzigen Angeklagten Kühne und Kuehnel. Da die beiden Kunden längere Zeit in den vorgelegten Sachen herumkramten und sich an- scheinend nicht schlüssig werden konnten, kam Frau Richter auf den Verdacht, daß die beiden es auf einen Diebstahl abgesehen hatten. Kurz darauf betrat der Angeklagte Hotze den Laden. Frau R., die den Zusammenhang nicht ahnte, ließ Hotze unbeachtet und wandte kein Auge von den beidenDieben". Sie mußte sich aber Hotze zu- wenden, als dieser aus einem Ständer eine» Spazierstock heraus- nahm und nach dem Preise fragte. Hierbei ließ Hotze wie aus Ver- ehen den Stock fallen. Frau R. bückte sich jedoch nicht nach dem Stock, da sie Verdacht geschöpft hatte. Als sie sich auf eine Frage des Kuehnel diesem zuwandte, wurde sie plötzlich von Hotze mit beiden Händen am Halse gepackt und zu Boden geworfen. Hotze kniete auf ihr, während die anderen mit den Fäusten auf ihren Kopf einschlugen. Trotzdem die Ueberfallene aus Mund und Nase blutete, konnte sie sich soweit freimachen, um Hilfe zu rufen. Die Täter ließen sofort von ihr ab und flüchteten auf die Straße. Kuehnel und Hotze wurden bald darauf verhaftet, während Kühne die Flucht ergriff, jedoch am nächsten Tage von dem Kriminalkom- missar Nasse l festgenommen werden konnte. Der Spiritus rector des ganzen RaubplaneS soll nach Behauptung der Anklage und des Angeklagten Hotze der Angeklagte Syz sein. Dieser, ein jetzt 42- jähriger Mann, der früher stets nur in Lackstiefcln und Eylinder ausging und den Eindruck eines tadellosen Kavaliers zu machen suckite, verbüßt augenblicklich eine ihm wegen schwerer Urkunden- fälschung und Betruges zudiktierte Zuchthausstrafe von 3 Jahren. Als dritter im Bunde soll sich der Angeklagte Kuehnel, der bis vor kurzem in einem Infanterieregiment Offizier war. an dem Raub- anfall beteiligt haben. Kuehnel ist wegen Mißhandlung Unter- gebener und fahrlässiger Brandstiftung vorbestraft und war einige Zeitlang Privatsekretär bei einem Prinzen. In dem Vorder- fahren waren die Angeklagten mit Ausnahme des Angeklagten Syz geständig. In seiner heutigen Vernehmung bekundete Hohr, daß er mit dem Angeklagten Syz schon im Jahre 1908 in der Strafanstalt Plötzensce bekannt geworden sei und sich mit ihm durch Kassiber und Klopfsignale dort verständigt habe. Syz habe sich ihm gegenüber immer als sehr reicher Mann ausgegeben und habe ihn immer mit einem gewissen väterlichen Wohlwollen behandelt. Syz sei ein Jahr früher entlassen worden, habe ihm aber wiederholt nach dem Ge- fängnis geschrieben und ihn später auch abgeholt. Mit der Zeit habe Syz einen großen Einfluß über ihn erlangt. Der Angeklagte schildert dann mit großer Weitschweifigkeit die einzelnen Phasen vor der Tat und belastet dabei den Angeklagten Syz ungemein schwer. Syz soll u. a. ihn und die übrigen aufgefordert haben, einen Raubübcrfall auf das Schloß seiner(des Syz) Tante in der Nähe von Zürich   zu unternehmen. Außerdem sollten Erpressungs» versuche gegen den Kommerzienrat G. in Friedenau   und die Sängerin Lola Beeth   in Grunewald   unternommen lverdcn. Die Verhandlung wird einige Tage in Anspruch nehmen. Die sogenannte»Spitzbuben im Richtertalar", deren Sireich seinerzeit allgemeine Heiterkeit ausgelöst hat, standen gestern vor dem Schwurgericht des Landgerichts I Berlin  . Die Anklage lautet auf Einbruchsdiebstahl, Urkundenfälschung, Betrug. tchlerei und Anmaßung eines Amtes. Angeklagt sind: 1. Kellner othar Lüdtke, 2. Koch Johann Meyer, 8. Radfahrer Wilhelm Warnicke, 4. Arbeiter- Heinrich Homburg, S. Koch Ernst Ncumann, 6. Kauftnonn Erhard Martin. Geschädigt ist der Justizfiskus, außerdem mehrere Richter, Justizbeamte und Privatpersonen. Der Tatbestand dürfte noch im allgemeinen bekannt sein. Am 25. Oktober, nachmittags gegen 4 Uhr, sahen die im Erdgeschoß des LanogerichtSgebäudes in der Grunerstraße beschäftigten Reinemachefrauen zwei Richter in Amtstracht den Korridor entlang gehen und in einer Gerichts- schreiberei verschwinden. Sie ahnten nicht, daß diese vermeintlichen Richter zwei Svitzbuben, nämlich die Angeklagte» Lüdtke und Meyer waren. Sie hatten sich in ein unversthlossenes Beratungs­zimmer eingeschlichen, die dort hängenden Roben zweier Richter angezogen und waren dann in das Zimmer der Gerichtsschreiberei gedrungen. Dort eigneten sie sich aus einem von ihnen erbrochenen Schrank Gerichtskostenformulare an, Lüdtke schrieb sich aus umher» liegenden Akten die Aktenzeichen ab und unterstempelte die cnt- ivendeten Formulare mit einem Gerichtsstempel. Ferner stellte sich Lüdtke eine Ausweiskarte auf den NamenGerichtsvollzieher Heilbronn" aus. Unter Benutzung der gestohlenen Formulars haben die beiden Schwindler von einer größeren Anzahl von Per- sonen, die in Prozesse verwickelt waren, größere Beträge eingezogen. In einem Fall« schreckten sie sogar nicht davor zurück, die betreffende Person durch Drohung mit einer Pfändung zur Zahlung zu nötigen. Nach Verbrauch der gestohlenen Formulare begab sich Lüdtke in Begleitung des Angeklagten Warnicke nochmals in das Gerichts- gcbäude und wiederholte dasselbe Kunststück. Die Sache gefiel ihm so gut, daß er eines Tages nach Leipzig   fuhr und dort in Gemein- schaft mit dem Angeklagten Homburg   in ganz gleicher Weise ge« richtliche Formulare stahl und dann die gefälschten Kostenrechnungen einzog. Zur Anklage stehen dann noch einige Warenhausdiebstähle, aus denen der wegen Hehlerei angeklagte Martin einige Gegen» stände erworben hat.» Wie die Vernehmung zur Person ergibt, hat Lüdtke eine rechi: bewegte Vergangenheit hinter sich, obwohl er erst 22 Jahre alt ist. Er ist schon mehrfach vorbestraft. Im Jahre 1997 war er als Kanzlist bei dem Amtsgericht Berlin-Mitte beschäftigt und erlangte dort Kenntnis von den räumlichen Verhältnissen und dein Ge» schäftsgange. Er hat in dieser Stellung seinerzeit in sehr ver» schlagener Weise Kostenrechnungen gefälscht und die Beträge in der Maske eines Gerichtsvollziehers eingezogen. Er ist wegen dieser Tat zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach Perbüßung der Strafe kam er noch mehrmals ins Gefängnis. Es gelang ihm »och mehrere Male vorübergehend Stellung zu erlangen, eine Zeit- lang ernährte er sich als Kellner, dann wieder verkaufte er Zei- tungen auf der Straße, gab diese Beschäftigung aber wieder auf. weil er sich genierte, Zeitungen laut auszurufen", schließlich wai! er ganz mittel- und wohnungslos, trieb sich in Kaschemmen herum, nächtigte in Hausflure» und wußte, wie er sagt, nicht mehr aus noch ein. In dieser Stimmung traf er in der Passage den Ange- klagten Meyer, der auch mittellos war und den er überredete, mit ihm den Coup im Gerichtsgebäude auszuführen. Er ist in vollem Umfange geständig. Nach der Darstellung, die Lüdtke auf Befragen des Präsidenten gibt, hat sich die Sache wie oben mitgeteilt abgespielt. Er habe gewußt, daß gegen 4 Uhr im Gerichtsgebäude außer den Scheuerfrauen niemand mehr anwesend ist, und darauf habe er seinen Plan gebaut. Er wußte, dost die Scheuerfrauen während ihrer Arbeit die Zimmer nicht verschlossen hielten und ging daher mit Meyer unbehindert in ein Gerichtszimmer. Meyer zog sich eine Robe eines GcrichtSschreibers, die dort hing, an, er selbst nahm eine Richterrobe über den Arm und dann schritten beide gravitätisch in das Gerichtsschreiberzimmer Nr. 90, Zwei Scheuerfrauen, die sie sahen, glaubten, daß dieHerren Richter" noch etwas zu tun hätten und schöpften keinerlei Verdacht. Die Gauner hatten in dem Zimmer wirklich sehr dringendzu �un". Lüdtke schloß dort angeblich mit dem dort hängenden Schlüssel einen Schrank auf und entnahm demselben eine Anzahl Gerichtsformulare. Aus dem Pult des Gerichtsschreibers nahm er einen Stempelkasten heraus und unterstempelte die Formulare. Dann entnahm er dem Schranke schon ausgefüllte Formulare, übertrug den Inhalt derselben in Ab- ichrift ans seine leeren Formular«, setzte die ordnungsmäßigen Aktenzeichen usw. hinzu, wobei ihr» Meyer geholfen haben soll. Nachdem die ausgefüllten echten Formulare wieder an Ort und Stelle gelegt worden waren, waren die..Amtsgeschäfte" erledigt. Die Angeklagten hingen die Roben wieder an, nahmen auS dem Richterzimmer noch 5 Gesetzbücher, mehrere Schlipse und eine Bürste mit und verließen unbehindert das Gerichtsgebäude. Aus den Gesehbüchern radierten sie die Stempel heraus und verkauften die Bücher für 13 Mark an eine Buchhandlung in der Nähe der Weidendammer Brücke. Von dem Gelde erhielt Meyer 5 M. ab. Mit den gefälschten Kostenrechnungen begab sich dann Lüdtke nach und nach zu den betreffenden Personen, stellte sich als Gerichts- Vollzieher vor, legitimierte sich mit der von ihm angefertigten Er- kennungskarte und leistete, während ihm das Geld ausgezahlt wurde, die Quittung. Es liegen der Anklage 20 solcher Fälle zugrunde, wobei zumeist Meyer den Lüdtke begleitete und während dieser die Kosten einzog, vor der Tür derZahlungspflichtigen" wartete. Die Erörterung dieser Fälle bietet kein allgemeines Interesse. Ueber den Ausgang werden wir berichten. Die Krise im Bund für Mutterschutz   hat eine Privatklage der Frau Schreiber-Krieger gegen den Rechtsanwalt Springer   vcran- laßt, die heute zur Verhandlung bor dem Schöffengericht Berlin  . Schönebcrg unter Vorsitz des Assessors v. Langwerth anstand. Es handelt sich um Vorgänge, die sich am 10. Januar in einer Vor- tandssitzung der Ortsgruppe Berlin   dcS Bundes für Mutterschutz abgespielt haben und die auch zu einer Klage des Frl. Dr. Stöckcr gegen Frau Schrüber geftihrt haben. Diese Privatklage schwebt noch. In der Vorstandssitzung vom 10. Januar wurden, wie be- kannt, Beschwerden gegen die Geschäftsführung des Frl. Dr. Stöckcr» insbesondere von Dr. Beck vorgebracht, die zu lebhafteren Erörte. rungen Veranlassung gaben. Bei diesen Erörterungen soll der Angeklagte Aeuherungen über die Klägerin gemacht haben. durch die sich die letztere in ihrer weiblichen Ehre verletzt Tihlt. Die Verhandlung verfiel, nachdem Vergleichsversuchc ge- cheitert waren, der Bertagung, da ein neuer Schriftsatz seitens der Angeklagten eingegangen war, auf den sich die Gegenpartei weiter vorbereiten will. Der Angeklagte verpflichtete sich, die in seinem neuen Schriftstück aufgestellten Behauptungen über die Klägerin näher zu substanziieren. ES soll baldtunlichst ein neuer Termin anberaumt werden,