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«ntscheide», wer für die Interessen d-S Volkes mehr getan hat, die Sozialdelnvkratie oder die Freunde des Herrn Liebermann, so Aweifle ich nicht, zu wessen Gunsten die Entscheidung aus- fallen wird. Die Maunesmann-Affäre wurde vom Alldeutschen Verband   in einer Weise betrieben, daß die Herren am liebsten an dem Feuerchen der Mannesmannfragc einen 23 e l t b r o n d an- geblaien hätten. In der bekannten Resolution der Alldeutschen wurde dem Auswärtigen Amt   vorgeworfen, dafj es dem Ausland Waffen gegen deutsche   Unternehmungen liefere. DieMarotko-Korrespon- denz" meinte dazu, diese Resolution sei ein Schlag gegen die Re- gierung. der sie härter treffe als alle Schläge der Opposition, denn diese Kundgebung komme au« 5kreisen. auf die sich die Regierung stützen müsse, wenn sie eine antidemokratische Politik treiben wolle! sHortl hört! bei den Sozialdemokraten.) DaS ist der Hintergrund der Sache, da dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Sozialdemokratie eS al-Z ihre Pflicht empfindet, in Wahrung der höchsten Interessen des deutschen   Volkes einem so unverantwortlichen Treiben entgegenzutreten. Die Unterstellung des Herrn v. Liebcrmann, als wenn wir die Interessen des Auswärtigen Amtes vertreten, ist lächerlich. Nein, die schönen Augen des Herrn v. Echoen sind es nicht, die uns be- stimn.cn. Wir haben dem Auswärtigen Amt   auch Sünden anzuschreiben. Es müßte gegen den Paßzwang gegenüber ausländischen Arbeitern einschreiten, und es hätte gegen den Vertragsbruch vorgehen müssen, den die preußische Regierung gegenüber Holland   und Oesterreich   beging, als sie die Einfügung der Schiffahrtsabgaben in das Kanalgesetz zuließ. Das Ansehen deS Reiches kann nicht gefördert loerden, wenn die preußische Regierung internationale Verträge ohne weiteres ignoriert.(Sehr wahr I links.) Auch die Handhabung des Aus- Weisungsrechts sollte das Auswärtige Amt besser übermachen. Der Herr Reichskanzler hat heute auf den diplomatischen Be- schluß vom August 1908 hingewiesen, der von Deutschland   beantragt und einstimmig von den Algecirasmächten akzeptiert wurde: daß lein Berggesetz anerkannt werden könne, bevor eS nicht dem diplo- tnatischen Korps mitgeteilt und von ihm geprüft sei. Eine ganz selbstverständliche Sache, lind da mutet man der deutschen   Regie- rung zu, sie solle in Verhöhnung ihres eigenen Antrages erklären: Wir stehen jetzt nicht mehr auf dem Standpunkt, denn inzwischen ist es einem Deutschen   gelungen, einen fetten Happen wegzuschnappen! Ein solche» moralisches Harakiri(Selbstmord) den Vertretern des Deutschen Reiches zuzumuten, heißt: die höchsten Interessen der deutschen   Nation auf das schwerst: gefährden(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten), das moralische Prestige unserer Vertreter vernichten.(Sehr richtig!) Wir halten Ehrlichkeit und Rechtsgefühl im Verkehr der Völker für eine Taktik, die auf die Dauer die Jntereffen eines Landes bester schützt als eine gegenwärtige Be- gaunerung.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Kardinalfragc unserer auswärtigen Politik ist das Verhältnis zwischen England und Deutschland  . Von einer Lösung dieser Frage wird eS abhängen, ob ein Welt- brand vermieden wird. Die Gefahren aus dieser Spannung werden immer drohender. Die englischen Marinemilliardenforderungen sind das Resultat unserer deutschen   Flottentreiberei. Man sollte das Wort des früheren Direktors im Auswärtigen Amt  . des Herrn v. Holstein. beherzigen. daß eS darauf ankomme, die Lügen- hastigkeit des perfiden Satzes klarzumachen, jedes Schiff mehr sei eine Vermehrung der Macht deS Deutschen Reiches j denn jede» Schiff mehr sei der Anlaß, daß England z w e« Schiffe baue! Diese Aeußerung hat sich durch die EntWickelung glänzend bewahrheitet. Die englische   Regierung hatte seit 1906 die Frage der Rüstungsbegrenzung ernsthaft proklamiert. Ein dahin­gehender Antrag eines englischen ArbeitersührerS wurde von der Regierung akzeptiert und vom Ober- und Unterhause an- genommen. Ja, die liberale Regierung wagte eS damals, das Marinebudget von 190S nachträglich zu reduzieren. Auf An- rearu Campbell Bannermcnis hat die internationale Kon- ferenz in London   1906 einst'""". g beschlossen, die Frage der Rüstungsbegrenzung auf dem H.>t ongreß vorzubringen. Dteselben Friedensfreunde, die diesen Be.... mitfaßten, haben aber nachher die Politik deS Fürsten Bülow mitgemacht, die darauf hinauslief, die Besprechung dieser Rüstungsbegrenzung zu vereiteln und die englische Regierung zu desavouieren. Nachher hat noch einmal Lloyd George   die Frage der Rüstungsbeschränkung inoffiziell anzuregen versucht. Alto die liberale Negierung hatte sich all die Jahre hindurch in der Frage engagiert und wurde von Deutschland   desavouiert. Der AuStall der Wahlen bedeutete dann einen Sieg der Chauvinisten, und die liberale Negierung sah sich gezwungen, wenn sie nicht unter dem Einfluß des deutschen   Schreckens weggefegt sein wollte, die ungeheuere Flottenvermehrung, die die Konservativen forderten, in ihr eigenes Programm oufzunehmen. DaS hat die deutsche Politik erreicht. Die Erklärung deS jetzigen Herrn Reichs- kanzlerS klang ja etwas entgegenkommender. Hoffentlich folgt ihr die Tat. Wenn unser Antrag auf Begrenzung der Rüstungen im vorigen Jahre angenommen wäre, so wäre eine solche Kundgebung deS Deutschen ReichSlages vor den englischen Wahlen eine Waffe für die Liberalen gewesen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dazu kommt, daß dieselben Leute, die in England die ungeheuer- liche Flottenvermehrung betreiben, auch die englischen Schutzzöllner find. Was ein zollgeschütztes Imperium für Deutschland   bedeutet, ist selbst den Herren auf der Rechten nicht unbekannt. Auch Graf Könitz   gab zu, daß daS eine schwere Schädigung für Deutsch  - land bedeute. Würde der englische   Markt uns verschlossen, so würde das eine Erschütterung des deutschen   Wirtschaftslebens be- deuten, wie wir sie nock nicht erlebt haben. Daher muß unser KurS geändert werden.(Sehr tvahr! bei den Sozialdemokraten.) Ebenso schädigt der neue französische   Zolltarif die deutsche Industrie aufö schwerste. Herr Bassermann hat eine Resolution eingebracht, wonach umere Regierung sofort Repressalien üben soll. Dan» hätten wir sofort den Zollkrieg, und deshalb lehnen wir eS ab. diesen Weg zu be- schreiten. Unser Freund Jaurös hat statt dessen in der französischen  Kammer beantragt, eine internationale Verständigung aller Regie- rungen zur Herabsetzung der Zollgebühre» herbeizuführen, und die französische   Kammer* hat diesen Antrag angenommen und dadurch ihr prinzipielles Einverständnis erklärt, auf dem Wege der Verhandlungen aus dem immer unhaltbarer werdenden Zustand herauszukommen. Wir laden Sie(nach rechts) ein. aus diesem Wege mitzugehen. Gehen Sie auf Ihrem Wege weiter und kommt dann auch England zum Schutzzoll. so beschwören Sie eine Katastrophe über Deutschland   herauf, die Sie nicht verantworten können. Freilich, ein Gutes würde sie haben. sie würde die Junkerherrschaft hinwegfegen, und daS tväre zu be- grüßen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Herr v. Dirksen»neinte, die preußischen Zustände seien vor- bildlich. daS kann nur Heiterkeit erregen. Weiter sagte er. wir ivollen gegen das preußische Wölk mobil machen. Nein, wir wenden uns nicht gegen daS Volk, sondern gegen dos Kastentum und das agrarische Junkertum, das Preußen beherrscht I Wir stehen auf den, Standpunkt einer kulturellen Jnteresiei, Politik der Völker. Von diesem Standpunkt aus wollen wir alles tun, um eine friedliche Verständigung der wirtschaftlichen und politischen Gegensätze der Völker herbeizuführen. Neun Zehntel der Bevölle- rung stehen auf demselben Standpunkt. DaS alte christliche Ideal der Solidarität der Völker ist heute eine politische und Wirtschaft- liche Notwendigkeit geworden, und deshalb wird dieser Gedanke den Sieg erringen. Deshalb ermahnen wir auch die Liberale», ihren früheren Idealen treu zu bleiben. Schließen Sie sich uns an und liefern Sie damit den Beweis, daß die große Mehrheit des Volkes auf diesem Standpunkt steht. Die Sozialdemokratie hat schon Mllionen in allen Ländem zu dieser Einsicht gebracht und dadurch dem Vaterlande und der ganzen Kultnrwelt einen ungeheueren Dienst gelefftet.(Lebhaftes Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Ich weise eS zurück, daß unsere internationale Gesinnung von Herrn Lirbermann v. Sonncn- berg mit antinationaler Gesinnung gleichgestellt wird. Wir erlennen jedem Volke fem« nationale Selbständigkeit zu, das ist ew Prinzip unserer Jnteruationalität. Wir find darin auch einverstanden mit unseren Freunden jenseits der Grenzen, und da England im Vordergrunde des Interesses steht, will ich schließen mit den Worten des Führers der englischen Arbeiterpartei, hinter der bereits l'/a Millionen englischer Arbeiter stehen: Wir sind auch der internationalen Arbeiter- und sozialistischen Bewegung angeschlossen, deren Mackt von der Diplomatie nicht mehr ignoriert werden kann. Und je stärker wir werden, desto unmög- licker wird es für die Diplomatie, Aristokratie, Kriegshetzer und Völkerverhetzer werden, die Arbeiterklassen aller Länder in einen Krieg gegeneinander hineinzutreiben.(Lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Staatssekretär v. Echoen: Der Abg. David nannte den Beschluß der preußischen Regierung über die Schiffahrtsabgaben einen Ver­tragsbruch gegen Oesterreich-Ungarn I(Sehr richtig I bei den Sozial- demokraten.) Diese Behauptung muß ich auf das eittichiedeiiste zurückweisen. Selbstverständlich wird diese schwierige Frage nicht anders als auf dem Wege der freundlichen Verständigullg gelöst werden. Hierauf wird ein Antrag auf Schluß der Debatte an» g e n o m m e it. Abg. Liebermaim v. Sonitenburg(Wirtsch. Vg.. persönlich) erklärt. er habe den Reichskanzler nicht in einen Gegensatz zum Staatssekretär gebracht; es sei auch nicht wahr, daß er Klatsch und Tratsch gegen den Staatssekretär v. Schoen vorgebracht habe. Der Titel.Staatssekretär' wird bewilligt. Beim KopuelGesandtschaften und Konsulate" wendet sich Abg� Gothel»(Forlschr. 93p.) dagegen, daß preußische Minister durch zollkriegerische Ausführungen störend in unsere auswärtigen Beziehungen, z. B. zu Amerika  , eingreifen. Abg. Dr. Goercke(uatl.) spricht über den Schutz der Deutschen  im Auslände und bringt dabei den Fall Haß aus Venezuela   zur Sprache. Staatssekretär v. Schoen: Die Beschwerden des Herrn Haß waren teils völkerrechtlich nicht vertretbar, teils unbegründet. Abg. Scheidemanu(Soz.): Die Madeira  -Mamors-Gesellschaft baut am oberen Amazonas  in Brasilien   eine Eisenbahn, wozu sie deutsche   Arbeiter suchte. Unser Auswärtiges Amt   und die Zentrale für Auswandererwesen, an welche das Auswärtige Amt sich um Auskunst wandte, warnte die Arbeiter ausdrücklich»ach Brasilien   zu gehen. Es fanden sich mehrere Hundert bereit, weil ihnen ein Arbettsverdienst von 15 M. und eine acht- stündige Arbeitszeit für jenes Klima außerordentlich viel zu- gesichert und in Deutschland   während der Krise keine Arbeit zu finden war. Als sie in Hamburg   ankamen, warnte das Auswärtige Amt und auf seine Veranlassung der Hambnrgische Senat die Ar- beiter noch einmal. Aber diese Warnung war deshalb vergeblich, weil ein Telegramm vom deutschen   Konsul in Manaos   eiiittaf. der daS Klima für erträglich erklärte. Als die Arbeiter in ManaoS   an Ort und Stelle eintrafen, wurde ihnen erklärt, der in Deutschland  geschlossene Vertrag sei ungültig, sie bekämen nur 8 Mark und müßten 10 Stunden arbeiten. Bei den Berawngen darüber wurden sie von Angestellten der Madeira  -Mamorsgesell- schaft mit geladenen Flinten bewacht, und so ist es erklärlich, daß etwa 200 auf die Bedingungen eingingen. Die übrigen, die das nicht wollten, wurden in den Unvald getrieben!(Hört l hört I bei den Sozialdemokraten.) Sie bauten sich Flöße, um zurück- zufahren; eines dieser Flöße barst und ein Teil ertrank, ein anderer Teil wurde von Indianern ermordet, ein Teil schließlich nach ManaeS zurückgebracht, fast alle in krankem Zustande, und auch da hat sich der Konsul in ManaeS wieder ganz unglaublich benommen. indem er die Leute auf der Straße liegen und dann auf Karren ins Spital schaffen tiefe! Innerhalb 6 Tagen sind dort auch noch neun gestorben I Endlich nahm sich der Konsul in Rio de Janeiro   der Leuie an und ließ 44 nach Hamburg   zurückbringen, wovon freilich nur 38 Noch lebend eintrafen. In Hamburg   trafen die Leute um 1 Uhr nachts ein, und sofort wurde ihnen ein Revers zur Unterschrist vorgelegt, sie sollten sich verpflichten, die Reisetosten an daS Auswärtige Amt zurück­zuzahlen I(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Abgesehen von dieser bureaukratischen Maßregel hat das Auswärtige Amt, so lange die Leute in Deutschland   waren, alles getan, um sie zurückzuhalten, aber der Konsul in Manaes, der die Zustände genau kannte, hat die Leute hingclockt. Ich möchte an alle Parteien die Bitte richten, in ihrer Presse Warnungen an die Arbeiter vor der Madaira-Mamerä- Gesellschaft ergehen zu lassen, und weiter frage ich den Staats- sekretär, in welcher Weise er sich mit dem Konsul in ManaoS   aus- einandergesetzt hat. Direktor im Auswärtigen Amt FrantziuS  (auf der Tribüne fast unverständlich) gibt die Darstellung deS Abg. Scheidemann als richtig zu. Abg. Dr. Heckscher(Fortschr. Vp.): Wir haben in der Er- klärung der Regierung vermißt, was mit dem Konsul in Manaos  geschehen ist, durch dessen Verhalten ein wahrhaft frevelhaftes Spiel mit dem Leben deutscher   Arbeiter getrieben ist. Abg. Scheidemann(Soz.): Ich möchte da? Auswärtige Amt bitten, eine strenge Mahnung an unsere Vertreter im Ausland er- gehen zu lassen, in derartigen Fällen der Wahrheit gemäß Auskunft zu geben, ittckit aber in Rücksicht auf irgend welche kapitalistischen Gesellschaften und Interessen zweifelhaste und deutbare Auskünfte. wie sie der Konsul in Manaos   gab, indem er nach Hamburg   tele- graphierte: das Klima ist erträglich!(Bravo I bei den Sozial- demokraten.) Direktor im Auswärtigen Amt   FrantziuS: Wir haben von dem Konsul in Manaes einen Bericht eingefordert; der ist jedoch nock nicht-eingetroffen. ES handelt sich un, einen Wahlkonsul, der dort lebt und das Klima wahrscheinlich nicht für so sehr schlecht hält. Das Kapitel wird bewilligt. Beim Kapitel.Allgemeine Fonds' werden von der Forderung von 1 800 000 M.zu'geheimen Ausgabru" gemäß dem Antrage der Budgetlommission 300 000 M. gestrichen. Der Rest des Etats wird dcbatlelos bewilligt. ES folgt der Etat deS Reichsschatzamtes. Die hierzu vorliegenden Resolutionen zur Eosinfrage und der Veteranenfrage werden zur Beratung nach Osten, zurück- gestellt. Ein Antrag Albrecht(Soz.) wünscht Aenderung des Tabak- steuergesetzes vom 15. Juli 1909 dahin, daß den Einzelstaaten weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Hausgewerbe- treibenden und Arbeiter des TabakgewerbeS, die infolge des Gesetzes arbeitslos geworden sind, ausreichend zu unterstützen, sowie Em« stellung der erforderlichen Summe in einem RachtragSetat. Abg. Stolle(Sozi): Der Reichstag hat am 4. März vorigen Jahres eine Petition um Wiedereinführung deS Identitätsnachweises und Aushebung der AuSnahmetarife für Brot und Mehl der Regierung zur Berück- sichtigung überwiesen. Hierauf ist gar nichts geschehen, während aararischen Wünschen sofort Rechnung getragen wird.(Leb- bastes Sehr wahr! bei den Sdzialdemokraten.) 5?n der Frage der Einfuhrscheine hat Herr v. vethmann Hollweg im April vorigen Jahres erklärt, die vergrößerte Roggenausfuhr sei nicht eine dauernde Erscheinung, sondern nur auf die gute Ernte zurück- zuführen. Aber auch in diesem Jahre hat sich die Roggenausfuhr bedeutend vergrößert. Was gedenkt die Regierung demgegenüber zu tun? Durch das System der Einfuhrscheine wird die Reichskaffe jährlich um viele Millionen geschädigt.(HörtI hörti bei de» Sozialdemokraten.) Die Regierung handelt, wie immer, auf Kommando der Aararier. Redner beweist aus der Statistik, daß die Brotpreise trotz der guten Ernte gestiegen find.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auf dem Gastmahl des Landwirtschaftsrats hat der Graf Schwerin- Läwitz gesagt, die Verteuerung der Lebensmittel rühre von den er- höhten Ansprüchen der Arbeiter und den gesteigerten Löhnen her. Ich frage den Präsidenten, was für Löhne die Arbeiter bekommen? Präsident Graf Schwerin  : Der Präsident des Reichstages ist nicht in der Loge, Auskunft zu aeben über da», wa» der Graf Schwerin-Lvwitz im Landwirt- fchastsrat gesagt hat.(Große Heiterkeit,) Abg. Stolle(fortfahrend): Nun, die hohen Löhne der Arbeiter, die der Graf Schwerin» Läwitz   rühmt, sind ganze 13 Pf. in der Stunde I(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Es ist Zeit, daß mit der gesamten Zoll» Wirtschaftspolitik gebrochen und endlich freie Bahn für den Handels» verkehr geschaffen wird.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Reichsschatzsekretär Wermuth: Die versprochene Denkschrift über die Einfuhrscheine wird dem Reichstage in den nächsten Tagen zu» gehen. Die fortdauernden Ausgaben werden bewilligt. Bei den einmalige» Ausgaben beantragt die Kommission, einen Titel in Höhe von 750 000 M. einzustellen zur Gewährung von Beihilfen an Hausgewerbetreibende und Arbeiter des Tabakgewerbes in Fällen besonderer Hilfsbedürstigkeit, für die Zeit, nachdem der Viermillionenfonds aufgebraucht ist. Hierzu gehört der oben mitgeteilte sozialdemokratische Antrag sowie ein weiterer Antrag Albrccht, in dem Wortlaut der Kommission die Wortein Fällen besonderer Hilfsbedürftigkeit' zu streichen. Staatssekretär Wermuth: Der Fonds von 4 Millionen wird im Hochsommer zu Ende gehen. Für die weiteren Unterstützungen wird der von der Kommission eingesetzte Betrag von 750 000 M. wenigstens reichen, bis der Reichstag   wieder zusammentritt. Sollte das aber nicht der Fall sein, so werde ich mich für berechtigt halten. Not- ständen und Schwierigkeiten auch dann mit weitherziger Auslegung des Gesetzes abzuhelfen. Abg. Molkenbuhr(Soz.): Die Schwierigkeiten in dieser Frage sind nur entstanden dadurch, daß das Zentrum den Fonds auf vier Millionen beschränkt hat. Die Regierung wäre auch so sehr sparsam mit den Mitteln umgegangen, denn eS handelt sich ja um Arbeiter und nicht um Großgrundbesitzer!(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Unser Antrag auf Aenderung deS Gesetzes würde alle Schwierigkeiten be- fettigen. Daß die vier Millionen nicht reichen würden, haben wir ganz richtig vorausgesagt. Mit Rücksicht auf die geringe Summe wird eine Reihe von Bedürftigen von der Unterstützung auSge- schloffen. Zunächst viele kleine sogenannteFabrikanten', die eigentlich Arbeiter sind, ihr Gewerbe aufgeben mußten, aber keine Entschädigung erhalten, weil sieselbständige Gewerbetreibende' waren. Ebenso sind die Zigarcttenarbeiter ausgeschlossen, die auch gerade infolge dieses Gesetzes brotlos geworden sind. Ferner sind Leute ausgeichloffen, die Zigarrenarbeiter waren und vom Militär kamen. Nun behauptet man, die Lage in der Tabakindustrie bessere sich. DieSüddeutsche Tabakzeitung" bestreitet da» entschieden.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wer Wahrjcheinlichkett nach wird der Rückgang wie nach 1379 auch dies- mal länger andauern, insbesondere in den Bezirken mit höheren Löhnen. Die Wortein Fällen besonderer Hilfsbedürftigkeit" bedeuten eine Neuerung, die im Gesetz nicht steht. Es soll also nicht mehr die Arbeitslosigkeit infolge des Gesetzes genügen. Aber diese Worte werden dazu führen, daß Unterstützung nur dann gewährt wird. wenn der Mann so weit heruntergekommen ist, daß er auch Armenunterstützung bezieht. Wie sollten die Zollbehörden über- Haupt die Hilfsbedürstigkeit feststellen? Wir beantragen daher die Streichung dieser Wort. Wenn Sie die Worte aufrecht erhalten wollen und damit zum Ausdruck bringen, daß nach Erschöpfung de» Fonds die Voraussetzungen zum Bezug dieser Unterstützung andere als bisher werden sollen, so bitte ich Sie, lieber unseren Antrag anzunehmen, der das Gesetz so ändern will, daß neue Mittel zur Verfügung gestellt werden, während die Voraussetzungen zum Be- zug der Unterstützungen dieselben bleiben sollen. Mg. Evcrling(natl.): Für meine Person kann ich erklären, daß ich für die Streichung der Wortein Fällen besonderer HilfS» bcdürftigkeit" stimmen werde. Ministerialdirektor Kühn bittet, die Worte aufrechtzuhalten. Die Gewährung von Beihilfen ist auch im Tabaksteuergesetz an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, und auch hier bei Einstellung eines besonderen Titels kann von der Bestimmung irgendwelcher Voraussetzungen für die Gewährung der Beihilfen nicht abgesehen werden. Abg. Doormann(Fortschr. Vp.) spricht sich für die Streichung der Worte:in Fällen besonderer Hilfsbedürftigkeit" aus. Abg. Behrens(Wirtsch. Vg.): Am praktischsten wäre es, in' dem neuen Titel statt der zu streichenden Worte zu sagen:Unter den Voraussetzungen des Artikels IIa des Tabaksteuergesetzes." Abg. Bebel(Soz.) und Gen. beantragen, statt der zu streichen» den Worte zu setzen:die wegen der Aenderung des Tabaksteuer­gesetzes vom 15. Juli 1909 arbeitslos geworden sind". Abg. Frhr. v. Gamp(Rp.) beantragt, zu sagen:-im Falls der Hilfsbedürftigkeit". Der Antrag Bebel wird angenommen und mit der so beschlossenen Aenderung der Antrag der Kommission. Die Einmaligen Ausgaben werden bewilligt, der Rest des Etats debattelos erledigt. Es folgt die Beratung des Etats der Einnahmen an Zöllen, Steuern und Gebühren. Abg. Dr. Rösickc(k.) erörtert die Frage der Mühlenumsatz» steuer. Abg. Gothein(Fortschr. Vp.) polemisiert gegen den Vorredner. Mg. Hubrr(Soz.) führt Beschwerde über die Behandlung eines Weinhändlers durch die bayerische   Zollverwaltung, wobei Verstöße gegen die Bestim- mungen des Zolltarifgesetzes vorgekommen seien. Bayerischer Ministerialrat Ritter v. Kohl bestreitet, daß die bayerische   Zollverwaltung sich Verstöße gegen daS Tarifgesetz habe zuschulden kommen lassen. Abg. Dr. Barcnhorst(Rp.) wendet sich, wider Dr. Rösicke pole» misierend, gegen die Mühlenumsatzsteuer, die eine ungerechte Er» drosjelungssteuer sein würde. Wg. Lehmann-WieSbaden(Soz.) weist auf Unstimmigkeiten in den Ausführungsbestimmungen de»' Bundesrats zum Branntweinsteuergesetz hin, die zu Unzuträg- lichkeiten in der Praxis geführt haben. Ein Regierungskommissar sagt nochmalige Prü» fung zu. Abg. Dr. Rösicke(k.) weist den Abg. Varenhorst auf den bedenk. lichen Beifall der Linken hin, den er gefunden(Gr. Heiterkeit links); auf der rechten Seite des Hauses werde er keinen Bei, fall finden, auch nicht bei seinen engeren Parteigenossen. Damit schließt die Diskussion. Der Etat wird bewilligt. Debattelos wird dann der Etat der Reichsschtkld be» willigt sowie Etatsreste und das E t a t s g e s e tz. Hierauf wird in erster und zweiter Beratung debatteloS ein Gesetzentwurf zur Ergänzung des BesoldungS- ge fetz es, welches wegen der Umwandelung der Veterinär« beamtenstellen in Veterinäroffizierstellen die Veterinäroffiziere in daS Besoldungsgesetz einschaltet, angenommen. Es folgt die zweite Beratung des Entwurfs eines Reichs» kontrollgesetzes, welches die Kontrolle über den Reichs- Haushalt durch den Rechnungshof vereinfachen soll. Der Entwurf wird in der Fassung der Kommission debatteloS enbloc ange, n o m m e n. Debattelos wird auch eine hierzu von den Abgg. Baffer, mann(natlib.) u. Gen. gestellte Resolution angenommen, die einen Gesetzentwurf zur dauernden Regelung des RechnungS  - Wesens durch den Rechnungshof wünscht, und eine Resolution Bassermann(natlib.) u. Gen., die eine Kommission von Ab- geordneten und anderen Sachverständigen und Grundsätze für eine kaufmännische Leitung, Verwaltung und. Ucbcrwachung der ReichSbetriebe wünscht. Damit ist die Tagesordnung erschöpft.' Nächste Sitzung; Donnerstag 10 Uhr.(3. Beratung des Er- gänzungseutwurfs zur. BesoldunaSvrdnyng, deS Rciqskontroll- gesetzes. des Etats.) SSluß 341® Ufr