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sich seine Vertretung im Westen sichern will. Wer bah die Kon- servativen Schrittmacher dieser Maßregel sind, das verstehe ich nicht. Ein Schlußantrag wird angenommen. Persönlich bemerkt Wg. Leinert sSoz.): ES ist mir zum zlveitenmal als dem Vertreter der größten Partei das Wort abgeschnitten worden. sSchallendeS Gelächter rechts.) Das ist um so ungeheuerlicher, als eS sich bei dieser Frage darum handelt, die Sozialdemokratie aus diesem Hause hinaus» zubringen. In einem anständigen Parlament könnte so etwa? nicht vorkommen, und Sie sollten sich schämen, so etwaZ zu tun. tLebhaste Zustinimung links. Lachen rechts und im Zentrum.) Vizepräsident Dr. Krause: Wegen dieser Aeutzerung rufe ich Sie zur Ordnung. (Beifall rechts und im Zentrum.) Bei der Abstimmung wird der Antrag auf Einführung der Drittelung in den Gemeinden gegen die Stimmen der Freikonservativen und Nationalliberalen abgelehnt. Der sreikonservatibe Antrag auf Erhöhung der MaximierungS- grenze in den Städten über 50 000 Eimvohner auf 10 000 M. wird angenommen, dagegen wird der zweite Teil des Antrages, diese Summe jeweilig zu erhöhen, abgelehnt. 8 8 verleiht den Inhabern deS Reifezeugnisses das Wahlrecht der zweiten Klasie. Abg. Freiherr v. Zedlitz ifl.U Da unsere Anträge doch keine Aussicht aus Annahme hätten, verzichten wir darauf, sie hier ein- zubringen, und werden den Paragraphen trotz seiner Unvollkommen- heiten annehmen.(Beifall.) Abg. Leinert(Soz.): (Die Rechte lärmt ostentativ, so daß die Worte deS Redner? Verhallen. Erst durch ein energisches Eingreifen de? Vizepräsidenten Dr. Porsch tritt Ruhe ein. Die Rechte und das Zentrum ver- lasten den Saal.) ES ist auf die verschiedenste Art und Weise versucht worden, den plulokraliichen Charakter der Dreiklassenwahl zu mildern durch eine Privilegierung der Bildung. Die Regierung hat das so an- gefangen, daß sie demjenigen ein erhöhtes Wahlrecht geben wollte, der 10 oder 12 Jahre lang Rekruten gedrillt hat. Weshalb ist sie da nicht einen Schritt weiter gegangen und hat jeden Soidatenschiiider in die erste Klasse versetzt Z(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) ES fehlt nur noch, daß man die Unbotmäßigkeiten gegen die Junker bestraft, und daß das Volk gewarnt wird, die konservative Macht im Osten und die ZenlrumSmacht im Westen zu brechen. Die gegenwärtige WahlrechtSvorlage ist weiter nichts als eine SeNncieorcinung für das preußilche Volk. Die Gebildeten find die Großlncchte, die etlvaS vor dem übrigen Gesinde bevorzugt werden.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Und dam, der Besitz! Wodurch gelangt man denn zu Vermögen? Man kann Besitz ererben, ergaunern, und man kann andere für sich arbeiten lasten!(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die Privilegien für die Bildung hätten noch einen Schimmer von Recht, wenn die Bildungsstätten in gleicher Weise allen Volkskreisen zur Verfügung ständen. Wir aber haben keine Bildungsstätten für das gesamte Volk, sondern nur für die Söhne der Reichen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wer also in der Auswahl seiner Eltern sehr vorsichtig war und deshalb in den Besitz de« ReifezeugnisteS gelangt ist, der soll ein Vorrecht erhalten I Man drückt die höheren Lehranstalten mit dieser Bestimmung geradezu herab zu einer Brutstätte für Wähler zweiter Klasse. Die Inhaber von Reifezeugnissen sind Musterbürger, auch wenn sie keine Steuern zahlen. In der dritten Klasse läßt man das gewöhnliche Volk wählen, den Pöbel, die Bagage, den Schutt der Menschheit. Alles andere ist der Regierung und diesem Hause soviel wert, daß eS in die zweite Klaste kommt. Solche Vorlagen müssen das RechtsgeMhl des Volkes auf das einpfindlichste verletzen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Angeblich soll diese? Privilegium die Wistenschast prämiieren. Das nimmt sich sonderbar gerade im Munde der Leute aus, die bisher immer eine wistenschastsseindliche Gesinnung bekundet, die den Geheimrat Adolf Wagner niedergeschrien haben. Es handelt sich bei diesem Privilegium nicht um Achtung vor der Wissenschaft, sondern man bringt diese Leute in die zweite Klaste, weil sie dort staatSerhaltend wirken und verhindern sollen, daß die zweite Klaste nicht mit der dritten Klasse zusammengeht.(Sehr richttgl bei den Sozialdemokraten.) Vor allen der Abg. v. Richthofen, der selbst einmal von der Unbildung deö Volks gesprochen hat, tut sich uns gegenüber immer sehr viel auf seine Bildung zugute. Er hat dazu nicht de» geringsten Anlaß. Welche Bildung in seinen Kreisen herrscht, das beweist all­jährlich der Bund der Landwirte(Abg. v. R i cht Hofen ruft: Diest-Daber!). Nein, ich n, einte jetzt nicht den Ausspruch, daß die Minister uns sonst waS können. Ich meinte vielmehr das vieltauiend- stimmige Pfui, das im Zirkus Busch ertönte, als ein Redner den Satz sprach: Man kann mir nicht zumuten, daß ich Brolwucher treibe (Hört I hört I bei den Sozialdemokraten). Dies Pfni galt nicht der Regierung, sondern es ging höher hinauf!(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten.) Das ist die.Bildung' der Junker, die uns Bildung lehren ivollen und sich, darüber entrüsten, daß wir den Bolkszorn bei dieser Vorlage zum Ausdruck bringen. Die Frage, ob da« preußische Boll reis für daZ gleiche Wahlrecht ist, können Sie auf der Rechten nicht entscheiden. Sie haben kein Verständnis für die Lage des Volkes.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Lachen rechts.) Wag von Ihrer Bildung zu halten ist, beweisen auch die Bonner Borussen, die sich wie das liebe Vieh benommen haben und die nach diesem Paragraphen auch in die zweite Wählerklasse aufrücken würden! Diese Leute werden dann später Siaatsauwülte und Richter, vielleicht auch einmal Mitglieder dieses Hauses oder erbliche Mitglieder des anderen Hauses und können stch dann über die.Verrohung' und.Unbildung' deö BolkeL beklagen! Der Abg. v. Woyna hat einmal gesagt, er kenne unter den Acb�-em viele»nützliche Elemente". Wir wissen, was darunter zu verstehen ist. Warum krönen Sie Ihr großes Werk, mit dem Sie es angeblich so ernst meinen, für das Sie sich geradezu aufopfern. nicht damit, daß Sie auch die S t r e i k b r e ch e r in der ersten Klaste wählen laste»? Das wäre dann erst die echte preußische Eigenart: Junker, Reichtum, Bildung, Soldatenschinder und Streik- brecher wählen in der ersten Klasse und ncbmen die Deklassierten in der dritten Klaste in Fürsorgeerziehung I. (Sehr gut I bei den Sozial- demokralen. Lärm rewtS.) In diesem Privileg kommt die Ver- acbtung gegenüber den Arbeitern zum Ausdruck. Dieses Moment leitet Sic. Es ist Ihnen unangenehm, daß einige Gebildete in der dritten Klaste mit den Arbeitern loählcn müsten.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Früher dachte das Zentrum anders. Die»Kölniicke Voikszeitung' war eS. die einst für das gleiche Wahlrecht eintrat und auf Bebel hinwies als ein Bei- spiel dafür, daß die ExamenSbildung den Menschen nicht ausmacht. Sie wies auf die vielen Männer in der christlichen Arbeiterbewegung hin. die alle über ihr Studierzimmer die Worte schreibe» könnten: Aus eigener Kraft.(Hört! hört l bei den Sozialdemokraten.) Heute stellt das Zentrum selbst einen Antrag: daß nur diejenigen in die höhere Klasse kommen sollen, die eine höhere Schulbildung genoste» haben l Der berühmte Historiler Tbeodor Mommscn hat einmal geschrieben: Es ist leider wahr, zurzeit ist die Sozialdemokratie� die einzige Partei, die Anspruch auf politische Achtung hat. Sie ist um ihre Jeder Mensch in Deutschland weiß, daß man So spricht ein Mann, der von den Dingen eiwaS versteht. Wäre daS Zentrum bei der Wahlrechtsfrage entschieden auf- getreten, es hätte der Regierung seinen Willen aufzivingen können. (Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Ich bin gespannt, welchen Lob» das�Zenlrum für die Nachgiebigkeit bei der Wahlrechisfrage erhalten wird. DaS Zentrum tut nichts uneigennützig, und es wird auch für diesen Verrat der Arbeiterklaste und der Volksrechte, der leider in diesem Parlament bestätigt werden wird, seineti Lohn ver- langen.(Lärm im Zentrum.) Vizepräsident Dr. Borsch: Wegen dieses Ausdrucks rufe ich Sie zur Ordnung. (Beifall im Zentrum.) Abg. Leinert: Die Arbeiter werden ihr Recht fordern und erhalten, sie werden sich ihr Recht erkämpfen trotz Junker und Pfaffen. (Bravo ! bei den Sozialdemokrateu.) Abg. Dr. v. Campe(natl.): Wa' vom§ 8 übrig geblieben ist. ist lediglich eine Prämiierung der Examensweisheit,' ein geradezu ungeheuerliches Singularrecht.(Sehr richtig! links.) ES gebt auS von einem Examen, das noch dazu in verhältnismäßig jungen Jahren abgelegt wird. Es verläßt vollkommen den Standpunkt, daß die Be- Währung im öffentlichen Leben für daS Wahlrecht von Bedeutung sein sollte. Unter diesen Umständen ist keiner nteiner politischen Freunde mehr in der Lage, für den§ 8 zu stimmen.(Beifall links.) Damit schließt die Debatte. Persönlich bemerkt Abg. Frhr. v. Richthofen(k.): Der Abg. Leinert hat behauptet, ich hätte gesagt, die Arbeiter seien ungebildet. So etwas habe ich nie gesagt. Ich habe nur davon gesprochen, daß manche sozial demokratischen Führer einen gewisien Grad von Bildung vermisten lasten.(Sehr gut! rechts.) Ich kenne viele Arbeiter, die ich he züglich ihrer Bildung und Herzensbildung sehr hoch einschätze. (Beifall rechlS.) Diese Herzensbildung aber vermiste ich völlig bei Menschen, die de» Vertreter der Staats! egieruna in der Weise be- grüßen, wie wir tS erlebt haben, bei Menschen, die die patriotischen und religiösen Gefühle der großen Mehrheit dieses HauscS verletzen. (Beifall rechlS und im Zentrum.) § 8 wird gegen die Stimmen der Linken angenommen. Der Rest des GefedrS wird nach den Beschlüsse» der zweiten Lesung rntgenommen. Die Sozialdanokraten beantragest namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf im ganzen. Die übrigen Parteien stimmen diesem Antrage teils sofort, teils zögernd zu. Das Resultat der namentlichen Gesamiabstimmung ist folgende«: Von 40S abgegebenen Stimmen lauten 236 auf ja, 168 auf nein. Für die Vorlage stimmten: das Zentrum geschlossen und die Konservativen mit Ausnahme der Abgg. v. Brandenstein, v. Davier, Krüger-Marienburg, v. Jagow und v. Wentzel. Dagegen stimmten: die Freilonservaliven mit Ausnahme der Abgg. v. d. Kuesebcck-Colboru und Dr. Schröck, geschlossen die Nationalliberalen. die Fortschrittliche Volkspartei , die Polen und die Sozialdemokraten. Im Anschluß hieran werden Rrsoluttone» behandelt. Zunächst eine Resolutton der Nationalliberalen, die ein« Ver- mehrung der Abgeordneten nach Maßgabe der veränderten Wirtschaft- lichen mtd BevölkerungSverhältnisse wünscht, und eine Resolution der Volkspartei, die eine Aendcrung der Wahlkreise auf Grund der Volks zählung von 1905 verlangt. Außerdem liegt eine Nesolution der Sozialdemokraten vor, die eine Herabsetzung des zur Wahlberechtigung nötigen Alters aus 20 Jahre und da« allgemeine, gleiche und direlte Wahlrecht für beide Geschlechter fordert. Abg. Dr. Schiffer(natl.) befürwortet die nationalliberale Re- solutton und Abg. Hoff-Kiel(Fortschr. Vp.) die der Volkspartei. Die Debatte wird mit einem Schlußantrag geschlossen I Sämtliche Resolutionen werden abgelehnt» Damit ist die Tagesordnung erschöpft. DaS Haus geht in die Osterferieu. Nächste Sitzung: Donnerstag. 7. April, 11 M)r.(Etat der Bau- Verwaltung.)_______ Gerichts-Zeitung. Der Gemeindevorsteher Schmidt von Roscnthal-WilhelmSruh. Der BeleidigungSprozeß Schmidt Korb, der am Dienstag vor dem Amtsgericht Pankow begonnen hat, wurde am Mittwoch fort- gesetzt. Zunächst beendeten die Parteien ihre auf die Klage bzw. Wiederklage abzugebenden Erklärungen, mit denen sie am erstxn Verhandlungstagc in ziemlich fünfstündiger Sitzung nicht fertig gc- worden waren. Herr Korb kam schließlich noch mit etlichen Er- gänzungen zu seiner Widerklage gegen Schmidt. Beleidigt fühlte er sich unter anderem auch dadurch, daß Herr Schmidt einem von Korb eingereichten Schriftsatz über eine Grundwertsteuersache, der amtlich an ihn gelangt war, die RandbemerkungenCluaisch!" und Verrückt I" angefügt habe. Da das BeiveiSmaterial hierfür erst be- schafft werden sollte, so drohte der Vorsitzende mit Vertagung. Herr Korb verzichtete dann einstweilen, stellte aber in Aussicht, daß er noch mit einer selbständigen Klage vorgehen werde. Aus der Beweiserhebung war am ersten Tage ein Teil vorweg» genommen worden, die Bekundungen- eines Bausachverständigen darüber, ob Schmidt sich eine pflichtwidrig. nachlässige Anwendung baupolizeilicher Vorschriften habe zuschulden kommen lassen, wie Korb behauptet hatte. Am zweiten Tage ging die Beweiserhebung zunächst auf die Widerklage ein, die Korb erhoben hatte, weil Schmidt in Privatgcsprächen und in öffentlicher Gemeindesitzung sowie in Artikeln der inzwischen eingegangenen ZeitungNorden " und in anonymen Briefen an den Magistrat von Berlin ihn be- leidigt habe. Eine Veröffentlichung deS Bororiblattes«Norden ", die Schmidt mit seinem Namen unterzeichnet hatte, richtete sich offen gegen Korb. Sie war gedacht als Abwehr gegen ein dem Gemeinde- Vorsteher sehr peinliches Geschichtchen, das Ende 1907 durch einen ,.Borwär«S"°Artikel und dann auch durch einen bezugnehmenden Artikel derWilhclmsruher Zeitung" pcrbreitct worden war. Ihm war damals vorgeworfen worden, daß er in einer Wilhclmsruher Kneipe mit einem zu Gaste gebetenen Mädchen ein Abenteuer ge° habt habe, das zu der Würde eines Gemeindevorstehers nicht passe. Da Schmidt irrtümlich annahm, daß hinter diesen Angriffen sein Gegner Korb stehe, antwortete er diesem imNorden ". Dabei lieh er durchmerken, daß auch er zu plaudern wisse, und spielte auf schamlos« Sachen" an, die vor LS Jahren sich in Angcrmündc er- eignet hätten. Korb hatte lange in Angermünde beim Militär ge- standen und dort auch seine daselbst geborene Frau kennen gelernt, darum sah er in diesemNorden '-Artikel einen Angriff auf seine Frau, durch den auch er getroffen werden sollte, vor Gericht er- klärte Schmidt, er habe nicht Korb und besten Frau gemeint, doch weigerte er sich, zu sagen, wer denn sonst gemeint sei. Der Jour- nalist Bolber, der damals Redakteur desNorden " gewesen war, bekundete als Zeuge, er wisse nicht, auf wen die Anspielung gehe, und er habe Schmidt auch nicht weiter danach gefragt. Buchhalter Talente zu beneiden. mit einem Kopf wie Bebel ein Dutzend ostelbischer Junker aus»............... statten könnte und daß sie dann immer noch über ihresgleichen her- Gericke, der au» Angermunde gebürtig tst und Frau Korb von Kind- vorragen.'(Hört! Hort! bei den Sozialdemokraten.) heit an kennt, war m den Verdacht gekommen, bei Schmidt den Ein- 1 l blaset gemacht zu haben. Als Zeuge bestritt er das und versicherte, 1 ihm selber sei über Frau Korb niemals etwas Ehrenrühriges zu Ohren gekommen. Gemeindeschöfte Livner bekundete, in Wilhelms» ruh habe man Schmidts Hinweis auf Angermünde als Angriff gegen Frau Korb empfunden und Gericke als mitbeteiligt an- gesehen. Herr Schlcndow sagte aus(und er hielt das aufrecht trotz des hefttgcn Widerspruchs Schmidts), Schmidt selber habe ihm An» deutungen über eine Angermünder Affäre gemacht, auch habe cc dabei direkt den Rainen der Frau Korb genannt. In einem zweitenRorden'-Arttkel. als dessen Verfasser Volker sich bekannte, war Korb bezeichnet worden als derMann mit dem Ltzpenheimer Attest". Ter Siervenarzt Dr. Oppenheim«! sollte Korb für geisteskrank erklärt haben, so daß man ihn rächt verant­wortlich machen könne. Korb hatte einmal in einer Verhandlung vor dem Kreisausschuß auf seine Nervosität hingewiesen, die ihn in seinem Vortrag beeinträchtige, und hatte hinzugefügt, er sei in ärzt- licher Behandlung. Schmidt habe, meint Korb, daS dahin um- gedreht, daß Korb, wenn man ihn für etwas verantwortlich mache, sein Attest aus der Tasche ziehe. Zeuge Velber wußte nicht, woher er seine Informationen hierüber erhalten hatte, aber in ganz Wilhelmsruh sei davon gesprochen worden. Mitgeteilt hatte cs Schmidt dem Pastor Merkel, dieser dem Kirchenältesten Pfleger, und der wieder dem Gcmeindeschöffea Livner. Die Bekundungen dieser drei Zeugen, namentlich des letztgenannten, gingen dahin, daß Herr Schmidt in der Tat Herrn Korb in jenes ihn kränkende Gerede gebracht habe. Aus der weiteren Beweiserhebung soll hier, unter Uebergehung etlicher Kleinigkeiten und Kleinlichketten, der KanalisationSstrcit zwischen Berlin und Rosenthal-WilhelmSrnh hervorgehoben werden. Korb, der bei der Stadt Berlin Magistratsbureauassistent ist, war bei dem Berliner Magistrat durch zwei mitArnold Kindler" unter« zeichnete Briefe denunziert worden, daß er seine Kenntnis der Bcr - liner Akten zugunsten seiner Wohngemeinde Rosenthal-WilhelmZ- ruh ausgenutzt habe. Diesen Kindler kennt niemand; Korb meintt Schmidt-verberge sich hinter ihm. Die Vernehmung mehrerer Zeugen ergab keinen Anhalt hierfür. Auch eine Zeugin, Frl. Ger- trnd Thielicke, die nach Schmidts Diktat die Briefe geschrieben haben sollte, erklärte, von nichts zu wissen. Herr Schlcndow versicherte übrigen», daß die RechtSnngültigkeit des zwischen Berlin und Rosenthal-Wilhelmsruh geschlossenen Vertrages von verschiedenen Personen längst erkannt gewesen sei, als dem neuen Gemcindevor- stehet Schmidt die Durchführung des Streites übertragen wurde. Die Beschuldigung Korbs, daß Schmidt pflichtwidrige Begiinsti, gung in baupolizeilicher Hinsicht vorzuwerfen sei, wurde auch durch Vernehmung eines angeblich Begünstigten, des Hausbesitzers Kühl, nicht bestätigt. Ebensowenig ergab die Beweiserhebung dafür, daß Herr Schmidt Herrn Korb durch polizeiliche Schikanen drangsaliert habe. Ein Versuch, durch Zeugenaussagen festzustellen, daß eigeut- lich keiner der beiden Kmnpfhähne dem anderen feindlich gesinnt sei, gelang prompt und weckte bei dem Gerichtshof, der Zeugenschar und der Zuhörerschaft fröhliche Heiterkeit. Heute wird die Verhandlung fortgesetzt. Es soll bann auch Oberbürgermeister Kirschner über dieKindler'-Briefe vernommen werden. , Eine anonyme Denunziation. Der Sekrctariatö-Assistent BeyerhanS, angestellt im Kaiser- lichen Statistischen Amt, bekam im vorigen Jahre außer seinem Sommerurlaub wegen Krankheit noch drei Wochen Nachurlaub. An dem Tage, wo er seinen Dienst wieder antrat, lief beim Präsi, denten deö Statistischen Amtes ein mitE. Vogt" unterzeichneter Brief ein, worin gesagt wird, BcyerhauS bedürfe keines Nach» Urlaubs, denn er sei gar nicht krank, er verstelle sich nur und treibe sich nachts herum. Der Inhalt.des Briefes wurde Herrn Leherhaus vorgehalten. Er suchte nun nach dem Verfasser und folgte zunächst der durch die Unterschrift gegebenen Spur. Ein Schriftsetzer Joseph Vogt , der in der Nachbarschaft von BeYcrhauS wohnt, wurde von diesem vor den Schiedsmann gefordert. Hier stellte sich aber durch einen Handschriftenvcrgleich als sicher her- aus, daß Vogt nicht der Schreiber des Brieses war. Um den» wirklichen Denuuzianten auf die Spur zu kommen, wandte sich Bcyerhaus an eine Kartenlegerin. Das Orakel der Peisen Frau lautete: Suche den Briesschreiber nicht unter Fremden. Er ist einer deiner besten Freunde. Ein schwarzer Herr, von den« dir Uebles droht. In der Tat gehörte zu den Freunden des Sekreta- riats-Assistenien Beycrhaus ein schwarzer Herr narneuS Mrowiy, der im ReichS-Marine-Amt Geheimer Kanzleisekcetär ist. Doch will Beyerhaus auf den Orakelspruch kein Gelvicht gelegt, auch keinen Verdacht aus seinen Freund Mrowitz gehabt haben. Er sprach oft mit ihm über die Angelegenheit. Mrowitz erging sich bei diesen Gelegenheiten stets in den schwersten Verwünschungen gegen' den unbekannten Denunzianten und versicherte, der' Briesschreiber werde wohl nie herauszukriegen sein. Denn solche Schriftstückc würden von Behörden nicht im Original ausgeliefert. BcyerhauS hatte aber bereits den Originalbrief. Auf Grund eines Vergleichs desselben mit der Handschrift des Geheimen Kanzleisekretärs Mrawitz kam Beyerhaus zu der Ucbcrzeugung, daß kein anderer als sein Freund Mrowitz den Brief geschrieben haben könne. Er verklagte ihn wegen verleumderischer Beleidigung. Mrowitz be- stritt, Verfasser deS Briefes zu sein. Er wurde in erster Instanz freigesprochen, weil das Gericht das Gutachten der Schreibsachver, ständigen nicht für belvciskräftig genug hielt und andere Beweis» mittel nicht vorlagen. In der vom Kläger angerufenen Berufungsinstaiiz(Land- gericht lll) wurden gestern 16 Zeugen und 3 Schreibsachverständige vernommen. Die Beweisführung des Klägers sollte in der.Haupt» fache dartun, daß Mrowitz ein Mensch sei, welchem die ihm zur Last gelegte Handlung zuzutrauen sei. Mehrere Kollegen des An- geklagten, die mit ihm zusammen nn Reichs-Marineantt beschäf- tigt sind, führten bestimmte Fälle gn, wo sie von Mrowitz bei ihren Vorgesetzten ohne Grund verklatscht und verdächtigt worden sind. Acußerungcn, die im Kreise der Beamten beim Frühstück über Vorgesetzte sowie über Kollegen gemacht wurden, sind de» Vorgesetzten bald darauf bekannt gewesen. Die Zeugen sind über« zeugt, daß nur Mrowitz die Denunziationen den Vorgesetzten zu- getragen haben kann. Wenn er wegen solcher Dinge zur Rede gestellt wurde, sagte er:Ich bin es nicht gewesen, so wahr Christus am Kreuze hängt." Auch Familienklatschereicu. deren Urheber der Angeklagte gewesen sein soll, wurden zur Sprache gebracht. Nach diesen Zeugenaussagen ist der Angeklagte ein Mann, der die größte Freundlichkeit zur Schau trägt, hinter dein Rücken aber die Personen, mit denen er freundschaftlich verkehrt, schlecht macht. Der Angeklagte bestritt alle nach dieser Richtuiig angeführten Einzelfälle und berief sich auf das Zeugnis von cini» gen seiner Vorgeietztcn aus dem. Marineamt, die bekundeten, Mrowitz habe bei ihnen ieine Denunziationen seiner Kollegen an« gebracht. Die Sachverständigen, Schulrat Grabow und Dr. Altrichkcr, bi�eidhneten es als ganz zweifellos, daß der Angeklagte den dcnun« ziatorischen Brief geschrieben habe. Der dritte Sachverständige, Tr. Meier, hielt den Angeklagten mit einer an Sicherheit grenzen- den Wahrscheinlichkeit für den Briesschreiber. Das Gericht kam zu der Nebcrzcugung, basi der Angeklagte den dcnunziatorischen Brief geschrieben habe. Dafür spreche nickst nur die Handschrift, sondern auch der Umstand, daß in dem Briese Verhältnisse behandelt seien, die nur einem engen Personen- kreis aus der Umgebung des Klägers bekannt sein konnten. Nach den Zeugenaussagen sei dem Angeklagten die Handlung wohl zu» utrauen, so baß also alles die» für seine Verfasserschaft spreche. kn Anbetracht der. niedrigen Gesinnung, die der Angeklagte durch seine Handlung bekundet habe, dürfe die Strafe keine geringe sein. Wissentliche Verleumdung habe das Gericht sticht für vorliegend erachtet. Das Urteil lautete auf eine Geldstrafe von 200 M.