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Nr. 65.

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Vorwärts

Berliner Dolksblaff.

27. Jahrg.

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Freitag, den 18. März 1910.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

Eine zeitgemäße Märzerinnerung. fet, weil es eine große Menge Individuen geben wird, die Junker- und Geldſackvertreter ſich noch in der eitlen Hochmuts­

Der Wahlrechtskampf.

Darlegungen des Abg. Vincke keinen Widerspruch, der sich Provokation zu bieten wagten, wie sie das skandalöse Wahl­dahin äußerte, daß das geheime Wahlrecht unumgänglich gesetz darstellt, liegt daran, daß diese Nachfahren der 48er sich nicht werden lossagen können von dem Einfluß, der über ſtimmung befinden, in der Krone und Scharfmacher sich - unmittelbar vor dem In diesen Tagen preußischer Schmach, wo Junkerfrechheit ihre äußeren Verhältnisse gebietet. Ich erinnere an die Fabrik- auch im Vormärz 1848 blähten und pfäffischer Trug mit Unterstützung liberaler" Geldfack- arbeiter, Gewerksgehilfen usw. Wenn es diesen Leuten mög. Fall! vertreter das preußische Volk um seine Rechte zu prellen lich werden soll, aus nnabhängiger Ueberzeugung zu stimmen, Aber so sicher diese Volksverräter und Voltsbetrüger fich unternommen haben, mag die Erinnerung daran doppelt auf- so kann dies nicht laut geschehen, nicht laut geschehen, sondern nur in auch wähnen mögen, die Nemesis der Geschichte wird auch sie ereilen! Die Erbitterung im Volfe über die ihm angetane peitschend wirken, daß das preußische Volt bereits einmal das geheimer Abstimmung." allgemeine, gleiche Wahlrecht besessen hat. War doch die am So befchloß vor 62 Jahren, Anno 1848, eine feudal- unerhörte Schmach wird wie wäre das bei einem ge­22. Mai 1848 in Berlin zusammengetretene preußische ständische Körperschaft in Preußen mit an Einstimmigkeit funden Volke anders möglich! eine derartige Empörung Nationalversammlung aus gleichen und geheimen Wahlen grenzender Majorität das allgemeine, gleiche und erregen und diese Empörung wird in den breitesten Massen hervorgegangen! Und was angesichts des schmachvollen geheime Wahlrecht für die preußische Volksvertretung! derart um sich greifen, daß die Tage des Junker, Pfaffen­Komplotts der konservativ- ultramontan- nationalliberalen Wahl- und die Regierung akzeptierte ohne weiteres diese Be- und Geldsackübermutes gezählt sind! rechtshafser, das nach dem während der Verhandlungen ge- schlüsse! Die Geschichte kopiert sich nicht, sie liebt nicht mechanische fallenen Worte das Dreiklassenparlament zur Schacher- und Das ähnlich wie der damalige Vereinigte Landtag zu- Wiederholungen. Aber das Schauspiel wird dem Volte nicht Tröblerbude" entwürdigte, besonders interessant ist, ist das fammengesetzte gegenwärtige Dreiklassenparlament dagegen vorenthalten und den Uebermütigen nicht erspart bleiben, daß Faktum, daß das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht hat Anno 1910 das gleiche Wahlrecht verworfen und an dem auch unsere Junker und ihr bürgerlicher Troß noch einmal im April 1848 von dem Vereinigten Landtage geschaffen infamen Dreiklaffenwahlrecht festgehalten, das den erst vor dem Volke de- und wehmütig kapitulieren werden! Wie worden war, einer feudal- ständischen Versammlung! flassigen Wählern zwanzigmal, in Verbindung mit der geschmeidig die störrischste und hoffährtigste Junkerfippe zu Der Vereinigte Landtag bestand aus zwei Kurien, der agrarischen Wahlkreiseinteilung sogar zweihundertmal soviel werden vermag, beweist ja das Jahr 1848! Herrenkurie, die sich aus 72 Mitgliedern des hohen Adels zu- Wahlrecht einräumt als den Wählern dritter Klasse! Es hat sammensetzte, und der Dreiständefurie, in der die Ritterschaft auch nicht einmal die geheime die geheime Wahl bedingungslos 231, die Städte 182 und die Bauern 120 Vertreter zählten. und unverhunzt gewährt. Dagegen hat es an der Und diese Versammlung, die doch wahrhaftig eine ebenso einzigen bedenklichen Bestimmung des Wahlrechts von 1848 Der Protest der Kieler Arbeiter. feudale Zusammensetzung aufwies wie unser gegenwärtiges festgehalten: an der indirekten Wahl! Kiel , 17. März.( Privatdepesche des Vorwärts".) Dreige. Dreiklassenparlament, votierte fast einstimmig für ein Wahl- Dabei war im Jahre 1848 die indirekte Wahl keines­waltige Bersammlungen in den drei größten Versamms system zur preußischen Volksvertretung, das das allgemeine, wegs das Mittel zur Vereitelung volkstümlicher Wahlen wie lungslokalen Stiels, die gleich nach Arbeitsschluß stattfanden und gleiche und geheime Wahlrecht enthielt! heutzutage. Vielmehr glaubten sowohl die Junker wie die von insgesamt 8000 Personen besucht waren, protestierten gegen die Freilich war die Reaktion damals durch den revolutio- Demokraten mit der indirekten Wahl gut zu fahren. Die Polizeiwiäfür und Polizeibrutalitäten vom Dienstag. Die nären Sturmwind, der nicht nur Deutschland , sondern ganz Reaktion erhoffte von der indirekten Wahl eine minder Referenten Adler, Brecour und Poller geißelten Europa durchfegte, arg eingeschüchtert worden. Krone und radikale Zusammensetzung des Parlaments; die Linke um- unter stürmischem Beifall und größter Empörung der Ver Junker fühlten sich durch die Märzrevolution von dem Gipfel gefehrt eine Storreftur reaktionärer Urwahlen durch das Votum sammelten die Maßnahmen der Polizei in der schärfsten Weise. Die ihres eitlen Hochmuts jählings und gar unsanft herab- fortschrittlich gesinnter Wahlmänner! Deshalb kam es in der Versammlungen nahmen einstimmig eine Resolution an, in der geschleudert! Kommiffion überhaupt zu feiner Debatte über die von der die Entrüftung darüber zum Ausdruck gebracht wird, daß wir in Kiel russischen Zuständen entgegengehen und an das Abgeordneten Man weiß ja, wie in den Zeiten des Zusammenbruchs Regierung vorgeschlagene indirekte Wahl, und auch im Plenum haus und den Minister des Innern das Ersuchen gerichtet wird, daß des verfaulten preußischen Militärstaates am Anfang des des Landtages selbst protestierte nicht ein einziger Ab. baus und den Minister des Innern das Ersuchen gerichtet wird, daß Aber der fgl. Polizei in Kiel jede Veranstaltung aus Anlaß von Wahl­Jahrhunderts nicht nur die Stein und Hardenberg sich mit geordneter gegen das indirekte System. Genau so war es rechtsdemonstrationen verbiete. Zum Schluß heißt es, daß sich die dem Gedanken einer wahrhaften Konstitution trugen, sondern auch in der Frankfurter Vorversammlung. Dort traten selbst Bersammelten durch solche Polizeibrutalitäten nicht vom Wahlrechts­daß auch noch die Kabinettsorder vom 22. Mat 1815 ver- Männer wie Vogt und Rauschenplatt für das indirekte Wahl- tampfe abhalten lassen werden. heißen hatte: Es soll eine Repräsentation des Volkes gerecht ein, weil sie die Bauern noch für zu abhängig von den Nach Schluß der Versammlungen gingen die Teilnehmer ruhig bildet werden." Als jedoch die preußische Krone sich von Gutsbesitzern hielten; ja man fämpfle zugleich für indirettes auseinander. ihrem Dränger Napoleon befreit sah, dachten die preußischen Wahlverfahren und die Republik ! Die Städte und die Wahlreform. Könige nicht mehr an die Einlösung ihrer feierlichen Ver- So halfen die Junker im April 1848 ein preußisches In der Elberfelder Stadtverordnetenversammlung hatten sprechungen. Als im Jahre 1847 der Vereinigte Landtag Wahlrecht schaffen, das turmhoch über dem Wahlrecht steht, außer unseren Genoffen auch die Nationalliberalen einen Wahl­zufammentrat, leistete sich Friedrich Wilhelm IV. noch jenen das jetzt ihre Enkel den an politischer und allgemeiner Bildung rechtsantrag eingebracht. Die lekteren verlangten Ablehnung der theatralischen Schwur, daß es feiner Macht der Erde je ge- unendlich höher stehenden Voltsmassen als eine Wahl, reform" Wahlrechtsvorlage, weil diese weder Neueinteilung der Wahlkreise, lingen solle, ihm eine Konstitution abzuringen. Und selbst vorzusetzen wagen! noch die geheime Stimmabgabe, noch eine Aenderung der bisherigen noch in den Märztagen 1848, als es dem Minister Bodel- Aber ist die politische Lehre, die das Volt aus dieser Drittelung bringe. Unsere Genossen verlangten eine Petition, schwingh unter dem Eindruck der knisternden Throne schon historischen Tatsache ziehen kann, lediglich die, daß unser durch die um die Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts unter gleichzeitiger Neueinteilung der halb gelungen war, den König zum Einlenten in konstitutionelle heutiges Junkertum, unfere heutige Bourgeoisie an politischem Wahlkreise ersucht wird. Die Stadtverordnetenversammlung er­Bahnen zu gewinnen, bramarbasierte Friedrich Wilhelm IV. Anstand und politischer Einsicht so unendlich hinter der Gene- flärte sich mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse in Elber­noch in einem Briefe an Radowitz, daß er seine Truppen ration des Jahres 1848 zurückſteht? feld zuständig, lehnte den Antrag unserer Ge­mobilisiere, wohl wissend, daß es leicht dahin kommen könnte, Glücklicherweise nicht! nossen gegen 7 Stimmen, darunter zwei Zentrumsstimmen, ab daß wir allein mit der ultima ratio( der Kanonen!) zu Denn in Wirklichkeit war es ja keineswegs bessere Ein- und nahm darauf den nationalliberalen Antrag die drei sozialdemokratischen Teutschland reden müßten". Alle Verfassungsfragen seien ficht und anständigere politische Gesinnung, was die Groß- gegen uicht so wichtig als:" Truppen fammeln! Um bald mit der eltern unserer heutigen Dstelbier zur Annahme eines so men an. teutschen Revolution aus dem Baß zu sprechen". liberalen Wahlgesetzes veranlaßte. Zu solcher Verkennung der Die Stadtverordnetenversammlung in Barmen lehnte es Die Verwirklichung dieser liebenswürdigen landesväter- treibenden Ursache kann nur ein ,, liberaler" Gelehrter gelangen, lichen Absicht trat rascher ein, als der König vermutete. Die wie der Breslauer Professor Kaufmann, der aus dieser Ab- zunächst ab, in die Beratung des sozialdemokratischen Wahlrechts­antrages einzutreten, sette aber eine Stommission ein, die die brutalen Straßenschlächtereien, die die Soldateska in den stimmung der Junker die Unrichtigkeit der materialistischen 3 u ständigkeitsfrage prüfen soll und wenn sie die Zu­Straßen Berlins an friedlichen Demonstranten verübte, Geschichtsauffassung ableiten möchte, indem er schreibt:" Wir ständigkeit bejaht, beauftragt ist, im Namen der Stadtverordneten­warfen den Funken ins Pulverfaß. In der Nacht vom 18. sehen hier aus der Reihe der Privilegierten die Vorfänipfer versammlung eine Petition an beide Häuser des Landtags zu zum 19. März versuchte der Baß der königlichen Kanonen- für die Reform der Staatsordnung eintreten, auf der ihre richten, durch die um Ablehnung der Wahlrechtsvorlage ersucht schlünde dem Volfe Raison" beizubringen, aber freilich nur privilegierte Stellung ruhte, und nicht bloß einzelne Kämpfer, wird. mit dem Erfolge, daß die Revolution die Bataille gewann nein die Majorität dieser Kreise erscheint als Träger der und Friedrich Wilhelm IV. vor dem Volfe kapitulierte! Reformbewegung. So start das Sonderinteresse der Klassen Die Einberufung des Vereinigten Landtages war die un- ist, so breit es sich geltend macht im alltäglichen Stampfe, in mittelbare Folge des Voltssieges. Und diese feudal- ständische einem gefunden Wolfe wird es nicht das stärkste Element sein." Körperschaft machte sich mit dem durch die Umstände bedingten Leider war es nicht ehrlicher Jdealismus, der die Junker und Eifer daran, ein Wahlgesetz für die schleunigst einzuberufende Junkergenossen für die weitgehendsten Konzeffionen an das Konstituierende Versammlung auszuarbeiten. Am 1. April Bolt eintreten ließ, sondern, wie die braven Konservativen trat der Landtag zusammen und bereits am 5. April trat das ja selbst zugegeben haben, Furcht vor dem Volke, Furcht vor Plenum in die Beratung der Wahlgefehfrage ein.

"

der Revolution!

Stim.

Im Frankfurter Stadtverordnetenkollegium teilte am Dienstag der Vorsitzende mit, daß die von den Stadtverordneten angenommene Wahlrechtsresolution vom Ministerium des Innern aus formellen Gründen zurückgewiesen worden sei. Der Vorsitzende bemerkte bei der Verlesung dieses ministeriellen Bescheides unter lebhafter Zustimmung des Hauses: Der Hauptzweck ist doch von uns erreicht worden, sowohl das Ministerium wie die Regierung und die beiden Häuser des Land­tages haben aus dieser Resolution mit aller Deutlichkeit die Mei­nung der Frankfurter Stadtverordneten zur preußischen Wahl. rechtsvorlage kennen gelernt.

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Der Regierungsentwurf des Ministeriums Camphausen Das ist, wie Hans Mähl in seiner Schrift Die Ueber­fchlug im§ 1 das gleiche Wahlrecht vor, jedoch sollte vom leitung Preußens in das tonstitutionelle System durch den Wahlrecht ausgeschlossen sein, wer ohne eigenen Hausstand zweiten Bereinigten Landtag" hervorhebt, zwar nichts weniger Der Bürgermeister Schlüter in Sommerfeld in einem dienenden Verhältnisse Lohn und Koft be- als ein Kompliment für diese junkerlichen Schöpfer eines( Brandenburg ) sandte dem Bureau der Wahlrechtsprotestversamm­zieht". Die Kommission hatte dagegen mit allen gegen eine demokratischen Wahlrechts, die der Armee meist als Offiziere lung, die den Magistrat ersucht hatte, sich den Städten anzu­Stimme beschlossen, das Wahlrecht auch den in einem dienenden angehörten oder doch angehört hatten, aber doch die historische schließen, die auf dem Wege der Petition für freies Wahlrecht Verhältnis stehenden Bürgern zu gewähren und einzig die Wahrheit. Gibt doch selbst der Erz- und Oberjunker Bismard in Preußen eintreten, namens des Magistrats den Bescheid: jenigen auszuschließen, die aus öffentlichen Mitteln Armen- in einem Brief aus jenen Tagen zu, daß der Vereinigte unterstützung bezögen. Und diese Kommissionsfassung wurde Landtag sich aus Furcht, wenn auch nicht vor den Berlinern, auch fast einstimmig angenommen! Wie das allgemeine gleiche so doch vor der ganzen Lage Europas in all seinen Schritten so fand auch das geheime Stimmrecht nahezu einstimmige An- leiten ließ.

nahme. Ein Antrag, die Worte durch Stimmzettel" zu streichen, Daß unsere heurigen Junker und ihre ultramontanen und fand nicht einmal die nötige Unterstützung! Auch fanden die nationalliberalen Bundesgenoffen dem Volte eine so unerhörte

Dem Gesuch kann nicht entsprochen werden, da wir politische Angelegenheiten als nicht in unseren Geschäftsbereich gehörig ansehen. Schlüter. Der Bürgermeister Schlüter hat als freifonservativer Abgeordneter für die Belastung des Volkes bei der letzten Finanz reform" gestimmt. Von ihm darf niemand erwarten, daß er für die Rechte des Volles eintreten werde. Hoffentlich folgt dem vor