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wurden acht Verhaftungen vorgenommen. In L i e g n i tz Bricg, Trebnitz und Parchwitz fanden Versamm-, lungen unter freiem Himmel statt, die alle einen starken Andrang auswiesen. In Hainau , Goldberg, Kattowitz , Neisse. Neustadt und Ziegenhals fanden Versa, mnlungcn in Sälen statt, die zum Teil polizeilich abgesperrt werden mußten. In den meisten der Städte fanden auch Straßen« Umzüge statt, die ohne Zwischenfälle verliefen. Ein ftfonds für den Wahlrechtskrieg. Unser Kieler Parteiblatt, dieSchleswig-Hol» st e i n i s ch e V o l k s z e i t u n g" erläßt folgenden Aufruf: Die Proletarier Kiels haben ihre ehrliche Absicht, für die Beseitigung des Dreiclassenelends das Aeußerste zu wagen, durch einen glänzend durchgeführten Massen- streik betätigt. Die Solidarität der Arbeiterschaft hat auch den Opfern der Unternehmerrache jeden Schaden fern- zuhalten gewußt, indem sie auf einen Schlag 32l)iX> M. für die Unterstützung der Ausgesperrten hergab. ES ist sicher, daß der Kampf um das Wahlrecht noch schärfere Formen aunehme» und noch mehr Opfer koste» wird «lS bisher. ES ist sicher, daß auch dabei wie bisher die Arbeiter Kiels sich an der Spitze der Bewegung halten werden. Natürlich wird es dann den Kassen der Organisationen nicht immer leicht sein, all die Mittel aufzubringen, die der eventuelle langtägige politische Massenstreik erfordern kann. Unter den Umständen wäre es nicht richtig, nur mit den Kassen der Organisationen zu rechnen und sich nur auf die regelmäßigen Beiträge ihrer Mitglieder zu verlassen. Wer Parteigenosse ist und Einnahmen hat, die über den Durch- schnitt hinausgehen und wer. ohne Parteigenosse zu sein. Freund des demokratischen Wahlrechts ist und Sympathien hat für da? gewaltige Ringen, das jetzt einsetzt, der sollte eine Gelegenheit finden, nach seinenMitteln beizutragen. Zu diesem Zwecke eröffnen wir für die Kreise dieser Ge- noffen und dieser Wahlrechtsfreunde hier eine Sammlung. Da in unserer Provinz sicherlich Kiel den Brennpunkt der Wahlrechtsbewegung darstellen wird, werden wir die Gelder zunächst in Kiel zur Verwendung bringen.. Zur Wahlentrechtung Gefängnisstrafen! Halle, IS. März. Unter dem Vorsitz des LandgrrichtSdirektorS Schubert, be­kannt aus Königsberg und Erfurt , wurde am Sonnabend vor der Strafkamnier in Halle gegen dreizehn Angeklagte verhandelt, die sich bei den großen W a h l r e ch t s d e m o n- strationen der Halleschen Arbeiterschaft. namentlich am 13. Februar, dem Blutsonutag. der verschiedenartigsten Vergehen schuldig gemacht haben sollten. Auflauf. Wider- stand gegen die Staatsgewalt. Polizisten- beleidigung. grober Unfug usw. lauteten die angeblichen Delikte. Erst sollte Anklage wegen Aufruhrs erhoben werden. jedoch blieb es bei der Absicht. Bis spät in den Abend hinein währten die Verhandlungen und sie gestalteten sich zu einer schweren moralischen Nieder- läge der Polizei. Zwar wurde gegen die Angeklagten auf insgesamt S? Wochen Gefängnis und 30 M. Geldstrafe erkannt. Doch konnte von den Angeklagten, den Zivilzeugen und den Verteidigern festgestellt werden, daß Tausende und Abertausende Gutgesinnter" in Halle über daS Verhalten der Polizei bei den WahlrechtSdcmonstrationen noch heute geradezu empört sind. Zu berücksichtigen ist auch bei der Wertung deS Urteils die Bcr- handlungSsührung. Während die Polizeibeamten, die ihre Aussagen ganz schematisch gegen die Demonstranten richteten, mit aus- gesuchter Höflichkeit behandelt wurden, mußten sich die An- geklagten und die wenigen Entlastungszeugen, die auftreten tonnten, in barschester Weife anreden lassen. Der Verteidigung wurden sämtliche BeweiSanträge, die ein klares Bild über die ganzen Vorgänge schaffen sollten, rundweg abgelehnt, dagegen durften die Hauptzeugen der Anklage, wie der Polizeiinspektor V. Dossow, a la Polizeibericht Ding« schildern, die sie selbst gar nicht gesehen hatten. Erst aus Reklamation unseres Genoffen Liebknecht veranlaßte der LerhandlungSleiter Polizisten die den Anwälten nicht ant- Worten wollten, die geforderte Auskunft zu geben, von vorn- herein wurden die Wahkrechtsdemonstranten vom Vorsitzenden des Gerichts als eineunvernünftige Menschenmenge", die sichzusammengerottet" habe, die Angeklagten al»Herum- treiber" bezeichnet! AIS Gewalttätigkeit", diedas Signal zu der brutalen Metzelei gegeben haben soll, wird de» zeichnet, daß jemand einem Berittenen, dessen Pferd unter anderem ein Kiud schwer verletzte, in de» Zügel siel. Ueber die Ent- lastungSzeugen äußerte sich der Landgerichtsdirektor Schubert. daß sie sich eigentlich alle strafbar gemacht hätten und selbst auf die Anklagebaak gehörten. Zu den Beweisanträgen der Oerreidigung über Bluttaten der Polizei be- merkte Herr Schubert, all daö könne ruhig als wahr unter- stellt werden, die Polizei fei zu ihremenergischen" Vor- gehen berechtigt gewesen I Wenn trotzdem daS Urteil nicht schärfer ausfiel, so ist zu er- meffen. wie elend eS mit dem Gebäude der Anklage bestellt ist. Der Staatsanwalt. Dr. Schulze heißt er. beantragte gegen jeden der Angeklagten mehrere Monate Gefängnis. Verurteilt wurden vier von ihnen zu je fünf Wochen Gefängnis, drei zu je vier Wochen, einer zu drei, einer zu zwei Wochen Gefängnis und einer zu einer Geldstrafe von 30 M. In zwei Fällen mußte Freisprechung erfolgen. Einer der am härtesten Verurteilten ist seit acht Jahren Mitglied eines Jünglings- verein? und war wie andere durch die AbsperrungSmaßregeln der Polizei in» Gedränge geraten. Am Mittwoch wird gegen eine noch größere Zahl von Angeklagten verhandelt. Der Ruf nach dem Wahlrecht grober Unfug! In Breslau standen am Sonnabend wieder mehrere Teil« nehmer an Straßendemonstrationen vor dem Schöffengericht, die durch Schwenken des Hutes und Hochrufe groben Unfug verübt haben sollten. Di« Angeklagten wurden, entgegen der Auf- fasiung deS höchsten preußischen Gericht», das in Hochrufen groben Unfug nicht zu erblicken vermag, verurteilt und zwar wurden Geldstrafen von 1b M. und in einem Falle eine Woche Haft festgesetzt. DaS Gericht stützte sich hierbei auf ein Reichs- gerichtSurteil aus dem Jahre 1802, also a»S der Zeit unmittelbar nach dem Sozialistengesetz(I), wonach die bloße Teilnahme an sozialdemokratischen Kundgebungen als grober Unfug zu betrachten ist. da durch Kundgebungen sozialdemokratischer Natur die übrige Bevölkerung sich belästigt und beunruhigt fühlen kann! Die Justiz im Brauuschweiger Wahlrechtskampf. Das Landgericht zu Braunschweig verurteilte am Sonn­abend den Genossen Wesemeier vomVolkSjreund" wegen Beleidigung des StaatSministerS Dr. v. Otto zu acht Monaten Gefängnis. Die Beleidigung wurde in mehreren Artikeln gefunden, die nach der brutalen Polizeifäbelei wider die Wahlrechts- demonstranten am SV. Jamiar imvottsfreund" erschienen sind. Die Begründung des Urteils läßt unzweideutig den Geist erkennen, aus dem es erfloß. Der Vorsitzende erklärte, daß der inkriminierte Artikel bestimmt war, den Minister dem allgemeinen Hasse der unteren VolkSklaffe auszuliefern und den Minister ein« zuschüchtern. Wer stehe dafür, daß sich nicht einer aus dem Leser- kreise deS.Volksfreund' finde, der durch den Artikel ver» anlaßt werde, ein Attentat gegen de» Minister zu begehen! (Allgemeines Gelächter im Znhörerraum.) Der Minister arbeite von früh bis spät für daSWohl des ganzen Volkes", er als Staats- manu müsse gegen Beleidigungen besonders geschützt werden. Der Staatsanwalt hatte sechs Monate Gefängnis deantragt. Gegen das Urteil wird Revision eingelegt werden. Die ungeqeucrliche harte Strafe wird die Braunschweiger Proletarier sicherlich nicht zum Einstellen des WahlrechtSkampfeS be­wegen. Im Gegenteil.... Die Strafteudernonstratitm alsAuflauf". Am 20. Februar hatte Itzehoe eine grandiose Wahlrechts- demonstration, die ohne Störung verlaufen wäre, wenn nicht die Polizei sich die Berliner Polizeistrategie zum Muster genommen hätte. Als die Strahendemonstranten eine Brücke passierten, hatte es die Polizei durch Absperrungen zuwege gebracht, daß die Massen sich weder vorwärts noch rückwärts zu bewegen vermochten. Genosse Kellermann forderte die Polizei auf, den Weg freizugebtn. dann würde alles ordnungsgemäß vor sich gehen. Anstatt diesen der Si tuation angemessenen Rat zu befolgen, griff man Genossen K. heraus und führte ihn ins Polizeiverließ. Was man kaum für möglich hielt, geschah: K. wurde wurde wegen Auflaufs an» geklagt, obwohl er sich doch bemüht hatte, die Massen in Fluß zu bringen. Ankläger wie Schöffengericht, vor dem Genosse Kellcrmann am Donnerstag stand, nahmen, obgleich der Verteidiger Dr. Herz- Altona daS Widersinnige der Anklage nachwies, an, daß sie gerechtfertigt sei. DaS Urteil lautete auf eine Geld» strafe von 150 Mark. Gegen das unhaltbare Urteil ist Berufung eingelegt worden. Sie IZzuerubewegiiDg in Griechenland . In Thessalien , dem fruchtbarsten Teile Griechenlands find, wie wir schon telegraphisch gemeldet haben, Bauernunruhen ausgebrochen. Bereits find blutige Zusammenstöße zwischen Bauern und Militär, Ueberfälle der Bauern auf Eisenbahnzüge vorgekommen. DiesenUnruhen" ging eine ziemlich friedliche Bewegung voran. Die Bauern suchten durch Versammlungen. Resolutionen und Petitionen an den König und das Parlament ihre Wünsche durch- zusetzen. Freilich konnte der Inhalt der Petitionen manchen europäischen großkapitalistischen Zeitungen zugroßem Bedenken" Veranlassung geben. Die Bauern verlangen nämlich die Expropriation eines Teiles des privaten Grundbesitzes in Thessalien und feine Verteilung an die bäuerliche Bevölkerung. Wierevolutionär" oder gar sozialistisch" diese Forderungen manchem auch erscheinen möchten, in Griechenland sind sie durchaus gesetzmäßig. Seit den achtziger Jahren sind oft Gesetzentwürfe über Expropriation einzelner Privat« güter in Thessalien vom Parlamente angenommen worden. Die Expropriationsbeschlüsse des Parlaments beziehen sich bereits auf ungefähr 300 Latifundien in Thessalien . Zur Verwiiklickung dieser Beschlüsse kam eS jedoch bisher nicht, da sich die Regierung immer auk die leere und von Schulden belastete Staatskasse berufen konnte. Den Besitzern der Latifundien muß jaeine entsprechende Ent- schädigung" gegeben werden. Die Bauern verlangten somit nur die Ausführung bereits angenommener Gesetze. Diesmal wurden sie aber vom König und einflußreichen Parteiführern schroff zurück- gewiesen unter Hinweis nicht etwa auf Mangel an Geld, sondern auf die Unantastbarkeit deS privaten Eigentums". Alle ExpropriationS- befchlüsse des Parlaments und die früheren Ausreden der Regierung stellen sich dadurch als Heuchelei, als ein Mittel des Stimmenfanges heraus. Das Parlament in Griechenland besteht feit 1864 aus einer Kammer, die sich auf Grund des allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlrechts zusammensetzt. DaS passive Wahlrecht steht jedem Bürger zu. der daS 21. Lebensjahr erreicht hat; der Kandidat hingegen muß mindestens 30 Jahre alt sei» und irgendein Eigentum besitzen. Zu den Eigentümlichkeiten dieses pseudo-demokratischen Wahlsystems gehört noch, daß jeder Kandidat von zwölf Wählern empfohlen werden muß und verpflichtet ist, 200 Frank an die Staatskasse zu zahlen zur Deckung der Wahlunkosten Selbstverständlich können Arbeiter und Bauern 200 Frank nicht zahlen und sind genötigt, ihre Stimmen für die Kandidaten aus den reicheren Schichten abzugeben. Die Bauernstimmen aber sind ja nötig, deshalb stellen auch bald die Regierungskandidaten, bald ver- schiedene Parteien bei den Parlamentswahlen entweder dieExpro- priation' oder eine radikale Steuerreform in Aussicht. Wie gesagt, find auch mehrfach Expropriationsbeschlüsse von der Kammer gefaßt worden in der Absicht natürlich, diese Beschlüsse nie zu ver- wirklichen. DaS Spiel dauerte aber viel zu lange. Die wirtschaftliche Lage der Bauern ist so unerträglich geworden, daß man schließlich genötigt war, die ExpropriattonSangelegenheit auf irgendeine Weise zu erledigen. Die herrschenden Kreise haben aber alle ihre frühere» Beschlüsse und Versprechungen durch den Hinweis auf die Unantastbarkeit des Privateigentums so gut wie zurückgenommen! Abgesehen von der Entrüstung, die dies unter den Bauern hervor- rufen mußte, ist ihre wirtschaftliche Lage auch wirtlich un- erträglich. In Griechenland existiert nur der private Grundbesitz. Gemeinde- eigentum auf Grund und Boden ist gänzlich verschwunden, ebenso fast alle vlmcnden. Während aber in allen unftuchtbaren Teilen deS Landes der bäuerliche Kleinbefitz vorherrscht, besteht daS sehr fruchtbare Thessalien ausschließlich auS großen Latifundien, deren Eigentümer eS vorziehen, einen großen Teil ihres Besitzes(bis 40 Proz.) für Oliven- und Weinkultur(die Ausfuhrprodukte liefer») zu verwenden. Für jden Getreidebau bleiben hier höchstens noch 8035 Proz. der sämtlichen Fläche übrig, da ein Teil der Fläche (Flüsse, Wege usw.) nicht bebaut werden kann. In den Gegenden deS bäuerlichen Grundbesitzes wird(der Bodenbeschaffenheit wegen) mehr Oliven- und Weinkultur als Kornbau betrieben. Die Folge ist, daß in ganz Griechenland stetig eine ungeheuere Brotnot herrscht; daS vom Auslände eingeführte Getreide ist mit einem hohen Zoll belegt. Die VolkSnahnmg besteht hauptsächlich auS Oliven, zu denen in einigen Gegenden noch ein wenig Maismehl und noch weniger Brot hinzu- kommt. Die meisten Gebrauchsartikel sind mit hohen indirekten Steuern belegt, außerdem müssen die Bauern noch das sogenannte Zehntel" ihrer Ernte. daS schon längst auf 15 Proz. erhöht ist, dem Staate abgeben. DaS Elend der bäuerlichen.Grundbesitzer" ist unbeschreiblich. Sehr viele verlassen ihrimmobile» Eigentum", ziehen in die Städte, wo sie meistens keine Arbeit finden, dienen als Matrosen aus den Handelsschiffen unter außerordentlich schlechten Arbeits« und Lohnhedingungen, wandern aus nach Konstantinopel . nach Slußland, ja nach Indien , wie Elisse ReclnS noch in den 80 er Jahren feststellen konnte. So dieGrundbesitzer" in den unfrucht­baren Gegenden. In dem fruchtbaren Theffalien aber haben die Bauern über- Haupt keinen Grundbesitz. Rur die elendm Hütten bilden ihr Eigenim". Sie arbeiten auf den Gütern der Großgnmdbefftzer und als Belohnung bekommt jeder einen Teil des Er- trageS der von ihm bearbeiteten Fläche. Früher war eS die Hälfte deS Ertrages. jetzt ist es oft viel weniger. Aber auch davon müssen die BauerndaS Zehntel", tatsächlich 1b Proz. dem Staate abgeben. Eine Steuer also für fremdes Grundeigentum! Kein Wunder, daß die Bauern von Thessalien kein großes Interesse für dienationale" Frage der regierenden und reichen Klassen für die Kretafrage haben, und jetzt, wo man von neuen Ausgaben für die Vermehrung der Armee spricht, auch die Verwirklichung eines Teiles der bereits angenommenen Gesetze verlangen, die zur Besserung ihrer Lage dienen sollen. Freilich stellen sie ihre Forderungen i» etwa«scharfer" Form. Allein nachdem alle friedlichen Mittel erfolglos blieben, gibt«S ja für Bauern leine anderen Wege mehr. Daß sie auf diesem Wege be» deutende Resultate erzielen werden, ist sehr zweifelhaft, aber auch gänzlich unterdrücken wird sich diese Bewegung nicht lassen, trotz des EiferS dernationalistischen" Militärliga. Wahrscheinlich werden dieUnruhen" bis zur Eröffnung der Nationalversammlung fort­dauern, die sich in erster Linie nicht mit der Kreta -, sondem mit der Agrarfrage wird beschäftigen müssen. .» London , 21. März. Die.TimeS' berichten auS Athen : Die Ordnung in Larissa konnte in der letzten Nacht wieder hergestellt werden, für heute jedoch werden ernste Kundgebungen erwartet; man befürchtet Unruhen. DaS Hauptzentrum der Revolte ist K ar d i tz a. wo eine große Menge bewaffneter Landarbeiter versammelt sind, die eine drohende Haltung einnehmen. In verschiedenen Städten Tcssaliens werden für heute gleichfalls Unruhen der bewaffneten Landbevölkerung' erwartet. Die Regierung erteilte den Behörden strenge Weisungen, die Ruhe überall und um jeden Preis auf« recht zu erhalten. *.' Athen , 21. März. Von Freitag an hat sich in Thessalien die Lage wesentlich verschlimmert. Ueberall, wo eS Großgrundbesitz gibt, sind die Bauern eingedrungen und haben hon den Grund- stücken Besitz ergriffen und die Eigentümer oder Ver­walter verjagt. Verschont blieben nur die in Händen von Mohammedanern befindlichen Güter. Zwei Tage lang schwankte die Regieruno und war im Zweifel, welche Maßnahmen zu ergreifen seien. Nach Verständigung mit den Führern der Parteien gab die Regierung den Befehl, die Bauern mit Gewalt aus den Gütern zu verjagen, in deren Besitz sie sich gesetzt hatten. Da die Bauer» aberWider stand leisteten, gab es überall bewaffnete Zusammenstöße, wobei zwanzig Bauern getötet und etwa 100 Bauern verwundet wurden. Ueber die Verluste der Truppen. die vermutlich auch nicht unbedeutend sind, verlautet von amt, licher Seite nichts. Die Presse mißbilligt aufs schärffte daS Vorgehen der Re- gierung. tadelt mit den herbsten Ausdrücken daS Blutvergießen und wendet sich schroff gegen die Personenparteien, die die Lösung der Agrarfrage zu hintertreiben suchen. Die Presse erklärt zu- gleich, daß es zu einer bewaffneten Revolution kommen wird, wenn die Negierung keine Gesetzvorlage zur endgültigen Siegelung der Agrarfrage einbringt. Die Bevölkerung in ganz Griechenland ist außevbrdentlich aufgeregt. Ueberall werden schwarzeFahnen herausgehängt. In Athen und den Provinzen werden große Volkskund» gedungen vorbereitet, in denen die Absetzung der Re» gierung verlangt werden soll. polltifcbe Ucbcrltcbt. Berlin , den 21. Mörz 1910. Aus dem Reichstagswahlkreife Olehko-Lyck-JohanniS- bürg. Laut Vereinbarung haben die jetztFortschrittliche BolkSpartei" firmierenden Freisinnigen, die 1007 in diesem Wahlkreis 833 Stimmen aufbrachten, das Feld den Nationallibcralen abgetreten. Für diese kandidiert jetzt ein Rittergutsbesitzer, der, um die Bauern für sich zu gewinnen, sich nur- schlecktioeg Gutsbesitzer und Landwirt nennt. Schon jetzt die Wahl findet erst am 14. April statt find die nattonalliberalen und konservativen Junker in diesem rem ländlichen masurischen Wahlkreis hart aneinander geraten. Für den konservativen Kandidaten, den Landrat Brämer arbeitet, wie gewöhnlich, der ganze behördliche Apparat mit Hoch- druck. Fast sämtliche Gemeindevorsteher verweigern bei» spielsweise den Nationalliberalen das Ab» schreiben der Wählerlisten. Ferner wurden am 14. März den Nationalliberalen von drei verschiedenen Gastwirten die Hergabe ihrer Lokale zu Versanimlungen abgesagt mit der Begründung, der Herr Amtsvorsteher hätte erklärt, er würde sie bestrafen, falls sie ihren Saal für die Nationalliberalen hergeben sollten. Mit welch hochtönenden Phrasen die Nationalliberalen die masurischen Bauern zu ködern versuchen, beweist folgender Schluß eines Artikels derMasurischen Zeitung": »Da« arme Maiuren liegt elend danieder, eS ist verarmt und vernachlässigt, niemals haben die Konservativen sich um die Witt- schaftliche Hebung MasurenS bemüht. Das soll anders werden, wenn die Nationalliberalen erst diesen Wahlkreis erobett haben, neues Leben wird hier einziehen, aus der armen verlassenen Oede soll eine blühende Landschaft werden, au« der vielfach ver« kommenen Bevölkerung sollen wohlhabende Bewohner werden. Drnm Ihr Bürger, Bauern und Beamte, wer eS gut meint mit Masuren, der wähle den Besitzer Fritz Kqchan." Nach Schlvabacher Stil. Für die sozialdemokratische Partei kandidiert Patteisekretär Hermann Linde aus Königsberg . Die Genossen haben diesen Sonntag das erste Flugblatt verbreitet. Sie stehen vor einer sehr mühevollen, mit persönlichen Opfern verbundenen Arbeit. Der Wahlkreis hat 27 552 Wahlberechtigte; aber unter einer Gesamt» einwohnerzahl von 144 023 Köpfen sind nur fünf Städte mit zusammen 26 700 Einwohnern._ Bethmann Hollweg als Milchagrarier. In einer freisinnigen Versammlung in Charlokten- bürg teilte der Stadtverordnete Justizrat Flatau mit, daß der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg noch heute mit einer großen Anzahl von Anteilscheinen an der verkrach- ten Milchzentrale beteiligt und in der Liste der Genossen unter Nr. 287 eingetragen sei. Preußen und Baden. AuS Baden wird uns geschrieben: Im Bundesrat hat Baden bekanntlich gegen die Einführung von SchiffahrtSabgaben auf den deutschen Strömen gestimmt. Es hat sich dann aber von Preußen bestimmen lassen in der Mei­nung, daß die Schifsahrtsabgabett nunmehr unvermeidlich geworden sind sich in Verhandlungen über Einzelheiten einzulassen. Preußen ist auch, wie der badtzsche Minister deS Innern, Freiherr von Bodman», kürzlich in der zweiten Badischen Kammer erklättc. Baden in staatsrechtlicher Hinficht entgegengekommen. Diejes