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Entgegenkommen ist augenscheinlich nicht nur in Dezug auf die Rhcinstraße, sondern auch in bezug auf die badische» Schienen» Wege erzielt worden. Seit langen Jahren hat Preußen ganz besonders veran­laßt durch das badische Kilometerhefi, das erst, und zwar zum Leid« weisen des badischen Volkes, durch die Pcrsonentarifreform be» seitigt worden ist Baden dadurch gestraft, dag es die großen Verkehrszüge nach dem Süden über das Elsaß   leitete und in den wenigen Zügen dieser Art, die über Baden verkehren. Durchgangs- wagen nachbester" Möglichkeit vermied. Das soll jetzt plötzlich anders werden. Vom 1. Mai ab wird ein neuer Zug ab Berlin  über Baden direkt nach Basel   geführt, der auch noch Wagen direkt nach Baden-Baden   erhält. Damit wird allerdings ein langgehegter Wunsch Badens erfüllt. Man ist aber in Baden nicht im Zweifel darüber, daß die Erfüllung dieses Wunsches auf Kosten der freien Rheinstraße erfolgt. Und man erinnert sich, daß auch Württem« bcrg ähnlichesEntgegenkommen" Preußens gefunden hat, als es die vierte Klasse auf seinen Bahnen«inführte. In Baden wäre die Regierung zur Einführung der vierten Klasse auch schon längst geneigt, wenn nicht die Bevölkerung ihren Widerwillen mehr als einmal hinreichend deutlich bekundet hätte. Bei der jetzigen Zu- fammensetzung der Zweiten Kammer darf Badens Regierung schon gar nicht mit dieser preußischen Einrichtung kommen Aber umso- weniger hat Preußen Neigung, gute Schnellzüge durch Baden zu führen, um das zahlungsfähige Reisepublikum möglichst vor der Berührung mit Menschen zu schützen, denen man den harten Kampf um die Existenz an Gesicht und Kleidung anmerkt. DaS kommt auch wieder bei dem neuen oben erwähnten Zug zum Aus« druck. Denn der Zug erhält keine dritte Klasse; er wird der einzige durch Baden verkehrende Zug(abgesehen von den LuxuSzügen) sein, der keine dritte Klasse führt. Der Zug ist also nur für ganz wenige Menschen in Baden von Vorteil und illustriert somit ganz besonders glücklich die Situation, in der sich Baden dank derweitsichtigen" Politik seiner Regierung gegenüber Preußen befindet. Das badische Volk drückt sich freilich etwas weniger vorsichtig aus, cS spricht einfach von dem Umfall seiner Regierung in der Frage der Stromfreiheit. Wieder ein mildes militärisches Urteil gegen einen vorgesetzten. DaS Kriegsgericht Wiirzburg hatte am 24. Februar den Ober­leutnant Rohe vom 6. Infanterieregiment in Bamberg   zu der lächerlich geringen Strafe von zwei Togen Stubenarrest wegen Vorschrift?- widriger Behandlung eines Untergebenen verurteilt. Er hatte als stell- vertretender Kvmpagniechef bei einer Gefschtsülmng gegen den markierten Feind den jüdischen Soldaten Frank, der nicht genug in Deckung lag, beschimpft mit Ausdrücken wieKerl, Du kannst so nicht schießen, Kerl, ich reite Dich zusammen, wie Du gewachsen bist" usw. Gleichzeitig sprengte er mit seinem Gaul zweimal über den am Boden liegenden Soldaten hinweg, wodurch diesem durch einen Huf- tritt das Fleisch vom Schenkel weggetreten wurde und der Mann längere Zeit im Lazarett liegen mußte. Gegen da» milde Urteil legte der Gerichtsherr Berufung em. weil das Gericht dem Leulnant Glauben geschenkt hatte, daß das Ueberreiten nicht absichtlich geschehen, sondern auf da? nervöse Temperament des Pferdes zurückzuführen sei. serner, weil die AuS- drückeKerl" usw. nicht alS Beleidigungen betrachtet wurden. Jnter- essant war. wie der Leutnant sich in der BerufungSverhandüing vor dem Oberkriegsgericht verteidigte. Ausdrücke wieKerl" seien nicht be» leidigcnd, man höre sie oft auf dem Exerzierplatz, der Kasernenhof sei kein Ballsaal. im Felde der Leutnant bat nämlich am Boxer- und am Hererofeldzug teilgenommen habe er die Erfahrung ge- macht, daß man nur durch Strenge eine brauchbare Trupp« erziehen könne usw. Auch das OberkriegSgericht glaubte ihm und verwarf die Berufung des Gerichtsherrn. Prügelnde Unteroffiziere. Bor dem Kriegsgericht der 13. Division hatte sich am Freitag der Sergeant Martens von der S. Batterie des 45. Artillerie­regiments in Bahrenfeld   bei Altona   wegen Mißhandlung eines Untergebenen in drei Fällen zu verantworten. Als die Batterie zur Borstellung ausrücken sollte, ging beim Aufsitzen daS Pferd des Kanoniers Sch. seitwäxjS, wodurch eine kleine Verzögerung eintrat. Hierüber erbost, versetzte der Sergeant dem Sch. einen heftigen Schlag mit der Säbelscheide über die Beine und einen schmerz- haften Stoß mit dem Säbettorb vor die Brust. TagS daraus schlug per Angeklagte dem Sch. ins Gesicht, weil er seine Schuppenkette» nicht in Ordnung gehabt haben soll. Alle drei Roheiten ahndete daS Gericht mit 14 Tagen Mittelarrest. AIS   strafmildernd komme die seitherige gute Führung und die mitBorftellungen verbundene Aufregung" des M. in Betracht. Als zweite Nummer eines prügelnden Vorgesetzten erschien der Unterosfizier Hansen von der 3. Kompagnie des 31. Infanterie- Regiments(Altona  ) vor Gerich», weil er eniem Untergebenen wegen einer nicht zu seiner Zufriedenheit ausgefallenen Uebung ins Gesicht geschlagen hat. Auch er fand milde Richter. Urteil: Acht Tage Mittelarrest.______ Ungarn. Gewalttätigkeiten im Parlament. Budapest  . 21. März. Als in der heutigen Sitzung des Ab» geordnetenhauses Ministerpräsident Graf Khuen. Hedervary vor Verlesung des königlichen Handschreibens be- treffend die Auflösung des Parlaments zu reden be. gann, um mit den Rednern der Opposition, Graf Batthyanvi und Franz Kossuth, welche die Auflösung des Abgeordnetenhauses als ungesetzlich hinstellten, zu polemisieren, wurde er unablässig durch lärmende Zwischenrufe der Unabhängigkeitsparte, unterbrochen. Nach zehn Minuten mußte die Sitzung' wegen der immer stürmischer werdenden Zwischenrufe unterbrochen werden. Als nach Wiederaufnahme der Sitzung der Ministerpräsident sich mit erhobener Stimme auf die Redefreiheit berief und sich darauf zu den Steno» graphen wendete, um seine im Tumult unverständliche Rede zu beendigen, wurde von dem Abgeordneten Zacharias ein Buch gegen ihn geschleudert, dessen Deckel ihn an der Stirn und im Gesicht verletzte. Einige Oppositionelle stürmten gegen den Ministerpräsidenten, andere schleuderten Bücher und Tinten» zeuge. Auch der Ackerbauminister Seren yi wurde durch ein Tintenfaß ziemlich erheblich verletzt. Der Präsident forderte die schuldigen Abgeordneten auf, sich zu melden, worauf die Abgeordneten Eitner und Zacharias erklärten, daß sie Bücher geschleudert hätten. Die Sitzung endete in großer Aufregung. Die Minister hielten eine Beratung ab. in der beschlossen wurde, der morgigen letzten Sitzung nicht beizuwohnen, da ohnehin ihre Wunden erst in frühestens acht Tagen geheilt sein können. Erzherzog Josef   wird das Auflösungsreskript vor dem Abgeordnetenhause verlesen. Cnglsncl. Parlamentarische Nachwahl. London  , 17. März.(Eig. 93er.) In Mid-Glamorgan (Wales) findet nächstens eine parlamentarische Nachwahl statt, die auf das Verhältnis zwischen der liberalen und der Arbeiter- Partei einiges Licht wirft. Die Vakanz wurde veranlaßt durch die Ernennung des liberalen Parlamentsmitgliedes Sir Sa- muel Evans zum Präsidenten des Ehescheidungsgerichts. Bei den letzten Wahlen im Januar wurde EvanS mit einer Mehr- heit von über 9000 Stimmen gewählt, wobei er nur einen konservativen Gegenkandidaten hatte. Als nun die Nachwahl nöttg wurde, stellten die Berg- leute und die Arbeiterpartei den Sozialisten Hartfhorn auf. Die Konservativen traten ebenfalls in den Wahlkampf ein. nur bei den Liberalen gab sich einiges Zaudern kund. Bekannte sozialliberale Politiker, denen die Kandidatur an- gettagen wurde, lehnten ab. Schließlich haben die Liberalen des Wahlkreises aus ihrer Mitte einen Kandidaten aufgestellt, der indes vom Parteivorstand nicht bestätigt wurde. Hierauf wurde von den Liberalen Mtd-Glamorgans folgendes Tele- gramm an den Parteivorstand nach London   abgeschickt: Wenn unser Eintritt in den Wahlkampf nicht bestättgt wird so wird der lokalen Organisation der Liberalen folgende Resolution vorgelegt und ohne Zweifel von ihr angenommen werden: Die Versanmilung der Liberalen von Mid-Glamorgan drückt ihre Eni- rüstnng über die Handlungsweise des Parteivorstandes auS, der es zuläßt, daß das Mandat den Sozialisten ausgeliefert wird. Wir betrachten das Arrangement als einen grausamen Verrat und eine bitter« Demütigung des Liberalismus. Der Kandidat der Bergleute ist durch und durch Sozialist." Im Namen des liberalen ParteivorstandeS antwortete der Master von Etibank: Ich habe mit der Arbeiterpartei kein Arrangement betreffend Mid- Glamorgan getroffen. Dem Vernehmen nach hat der Vor- stand der Bergleute von SüdwaleS   den Wahlkreis Mid-Glamorgan für sich beansprucht, allein die Bergleute enthielten sich des Kampfes, so lange der alte liberale Vertreter des Wahlkreises das politische Programm des Verbandes unterstützte. Nachdem nun Sir S. EvanS zurückgetreten ist, führten die Berg- leute ihre Resolution aus und stellten ihren eigenen Kan- didaten auf, und sie sind bereit, den Kampf rücksichtslos zu führen. Unter diesen Umständen hält eS der Vorstand für nicht ratsam, den Bergleuten entgegenzutreten. Die lokale Organisation unserer Partei kann selbstredend nach ihrem Gutdünken handeln, aber da ich befragt wurde, habe ich meine Meinung ausgesprochen und dabei bleibe ich auch." Diese Vorgänge zeigen gleichzeitig, daß die liberale und die Arbetterpartei ohne zedes formale Uebcreinkommen handeln, aber doch aufeinander Rücksicht nehmen, um den Konservativen nicht in die Hände zu spielen. Italien  . Ministerkrise. Rom  , 21. März. Wie die Agcnzia Stefani meldet, hat Mini st erpräsident Sonnino im Hinblick auf die parla- mentarische Lage seine Entlassung gegeben. Der König behielt sich die Entscheidung vor. Die Minister bleiben mit der Führung der laufenden Geschäfte betraut. Rom  , 21. März.(Prrvatdepesche desVorwärts".) Sonnino demissionierte, ohne daS Votum der Kammer abzuwarten, wegen der gestrigen ungünstigen Aufnahme der Rede des Marineministers Bettolo, worin dieser den strittigen Gesetzentwurf über die Marinekonvention verteidigte. Diese Flucht kompliziert die Krise, weil die Frage vorwiegend technisch ist und weil der Hinweis der Kammer für die Nachfolge fehlt. Die Macht, das Ministerium zu stürzen, besaßen nur die Giolittianer, denen daher die Nachfolge zufallen sollte. « Heber die strittigen Marinekonventionen und die Lage sagt ein vom 19. März datierter Artikel unseres römischen Korrespondenten: Tie Frage der Marinekonventionen, die so schwierig und verwickelt war, daß Giolitti durch sie seiner Herrschaft müde wurde, bedroht heute daS Kabinett Sonnino, das eben durch diese Frage ans Ruder gekommen ist. Das von Bettolo umgestältete Projekt legt dem Staat für 15 Jahre ein jährliches Opfer von 39 Mil- lionen auf, ohne die Gewähr zu bieten, daß diese Summen wirklich die VerkehrSverhäliniffe zur See verbessern und nicht vielmehr ein großartiges Geschäft für eine Kapitalistengruppe darstellen werden. Von diesen 39 Millionen sind 13� für die subventionierten Linien bestimmt, SVb für Prämien für den Passagier- und Frachtverkehr der nicht subventionierten Linien. 4,7 Millionen für die Werften als Konstruktionsprämien und 13h Millionen für Rückvergütung des Einfuhrzolles ans dem Baumaterial. Die sozialdemokratische Fraktion hat zu dem Entwurf die folgende Tagesordnung angenommen:In Erwägung, daß der Gesetzentwurf über die Schiffahrtsdienste das Ergebnis der Ab- hängigkeit ist, in der sich der Staat einer Koalition de» industriellen und BanAapitals gegenüber befindet, und daß er den Wirtschaft- lichen und politischen Interessen der Nation zuwiderläuft, beschließt die äußerste Linke, gegen den Entwurf zu stimmen und fordert alle Fraktionsmitglieder auf, sofort nach Rom   zu kommen, um an dem Votum teilzunehmen. Biffolati. de Felice." Von Sozialisten stimmte nur Genosse Morgari gegen diese Tagesordnung. Die Radikalen haben ihren Fraktionsmitgliedern völlige Freiheit in ihrer Haltung gelassen. Auf alle Fälle hängt die Existenz des Kabinetts von den Giolittianern ab. Auch diese haben beschlossen, nicht als Fraktion vorzugehen, sondern ihren Mitgliedern freie Hand zu lassen. Die feindliche Haltung, die sie in letzter Zeit an den Tag gelegt haben, verspricht nicht viel Gutes. Andererseits weiß man aber, daß die Giolittianer bisher Sonnino eine Gnadenfrist gewährten, gerade damit er st« von den lästigen Konventionen befreit. Ein Wahlkampf i» Turin  . Im IV. Turiner   Wahlkreis ist eine Ersatzwahl nötig geworden, da Genosse Nofri, der gleichzeitig in Turin   und in Siena   ge- wählt worden war. da» Mandat von Siena   angenommen hat. Der Turiner   Wahlkreis gilt als sicher. Als Parteikandidaten hatte man die Genossen Rigola, Campanozzi. Salvemini und andere in AnSsicht gestellt. Die WahlkreiSversnmmlung hat sich aber für den Genossen TodeSchini, früheren Abgeordneten von Verona  , entschieden, da dieser wegen eine» EhrenbeleidigungS- Prozesse» eine Gefängnisstrafe von 14 Monaten abzubüßen hätte, wovon ihn die Lbgeordnetenimmunität befreit. foilUancl. Russssssj-österreichische Annäherung. Petersburg, 29. März.(Nieldung der Petersburger Tele» graphenagcntur.) Die in letzter Zeit zwischen dem Peters- b u r g e r und dem Wiener   Kabinett gepflogen«, VerHand- lungen haben ein befriedigendes Resultat ergeben. Nachdem bei diesem Meinungsaustausch klargestellt worden ist, daß in den Balkanangelegenheiten zwischen Rußland   und Oesterreich-Ungarn   volle Uebereinstimmung in den politischen Grundsätzen besteht, sind zwischen den beiden Regierungen wieder normale diplomatische Beziehungen hergestellt worden. Der Meldung sind sieben Dokumente angefügt, die den Verlauf der Verhandlungen darlegen. Ein Abkommen ist nicht getroffen, die beiden Möchte haben sich nicht auf bestimmte Punkte der- pflichtet. Die Bedeutung des Vorganges liegt darin, daß bis auf werteres das gespannte Verhältnis zwischen Rußland   und Oesterreich   entspannt worden ist. Tlntenka. Die Sprecherkrise im Nepräsenkanienssaus«. Waflsington, 19. März. In der heutigen Sitzung deS R e- präsentantcnhauses herrschte große Erregung, da für heute die Entscheidung über den gestern von den Demokraten und einer großen Anzahl dem Sprecher feindlich gesinnter Republi- kaner gestellten Antrag auf Ernennung einer Kommissionzur Abänderung der Geschäftsordnung, der der Sprecher nicht angehören dürfe, zu erwarten stand. Zunächst verlas der Sprecher Eannon einen Ankrag, in dem die eben genannte Resolution als geschäftsordnungswidrig bezeichnet wurde. Hierauf appellierte der Einbringer dieser Resolution an das Haus und ein Anhänger des Sprechers stellte demgegenüber den Antrag, über die Resolution zur Tages« ordnung überzugehen. Er wurde j edoch n i e de r» gestimmt, da sich 35 Republikaner den Demokraten anschlössen. Der Appell an das HauS fand sodann eine Unter- ftützüng von 182 Stimmen, denen nur 169 republikanische Stimmen gegenüberstanden. Die Bedeutung dieser Abstimmung liegt darin, daß Cannon und seine seit sieben Jahren unwidersprochen geübte Geschäftsführung zum ersten Male eine Nieder­lage erlitten hat. Ebenso sind die Republikaner   durch das Zusammengehen einer großen Anzahl ihrer Anhänger mit den Demokraten in eine kritische Lage gekommen. Das Haus nahm schließlich mit 193 gegen 153 Stimmen den Antrag auf Einsetzung einer Kommission zur Aenderung der Geschäftsordnung unter Ausschluß des Sprechers an, Darauf teilte der Sprecher mit, daßerseinAmtnieder- legen wolle. Als hierauf ein Demokrat den Antrag stellte, das Sprecheramt für vakant zu erklären und den Sprecher abzusetzen, kam eS zu stürmische« Auf­tritten. Der Antrag wurde abgelehnt. Soziales. DaS Gewerbegericht als Bergleichöküchc. linker den Kammern des hiesigen GewerbegerichiS, die einer Entscheidung auszuweichen und die Parteien zu einem, in der Regel den Arbeiter schwer schädigenden, Vergleich zu veranlassen suchen, zeichnet sich die Kammer 1 unter Vorsitz des Magistratsrats Dr. Leo aus. Nachstehend sei au» der gestrigen Sitzung ein Fall geschildert, der für die Art derRechtsprechung" in dieser Kammer tvpisch ist. Der Schürzenschneider K. hatte sich. auf eines der vielen Inserate des Schurzenfabrikanten Emil Färber um Arbeit be- warben. Er erhielt ein Dutzend Schürzen als Probearbeit über. tragen. Sie wurden ihm bei der Lieferung als ordnungsgemäß gearbeitet abgenommen. Neue Arbeiten wurden dem Kläger aber nicht. übertragen. Seine fortgesetzten Bemühungen, Arbeiten zu erhalten, hatten nur den Erfolg, tmß er immer und immxr wieder auf spätere Tage vertröstet wurde. Inzwischen inserierte der Be- klagte aber fleißig weiter nach Arbeitskrästen. Hieraus schloß der Kläger  , daß der ihm gegenüber vorgeschützte Arbeitsmanzel in Wirklichkeit nicht vorhanden sei. Er machte deshalb seinen Anspruch auf Entschädigung für die vierzebntäaige Kündigungsfrist mit 99 Mark beim Gewerbegericht gelteno. Der Vertreter deS Beklagten  wendete ein: 1. Es liege ein Engagement nicht vor; er habe aller« dings die Absicht, dem Kläger   in der Saison Arbeiten zu über- tragen. Es sei ihm auch gesagt worden, wenn Arbeit da sei, be- komme er Nachricht. 2. Das Verhältnis mit dem Kläger fei kein Arbeits-, sondern ein Werkvertrag. Der Borsitzende Dr. Leo versucht darauf, die Parteien zt, einigen. Er beginnt dabei mit der Bemängelung der Höhe der Klageforderung. 80 M.' die Woche verdiene ein Arbeiter mit der Anfertigung von Schürzen nicht, 29 M. halte er für angemessen. Die Klageforderung würde sich danach auf 49 M. belaufen. Er empfehle den Parteien, sich auf 20 M. zu vergleichen. Der Kläger   wendet sich gegen die Bemängelung der Klageforderung. Er arbeite ja im eigenen Heim; er schneide und richte zu, und /seine Frau näht die Schürzen. Dadurch werde ihm ermöglicht. 39 M. die Woche zu verdienen. Soviel sei auch für den Lebensunterhalt der Familie erforderlich. Schließlich lvar der Kläger bereit, auf den Vergleich einzugehen. Doch nicht der Vertreter des Beklagten. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Nach Wiedereintritt in die Verhandlung hielt der Borfitzende seinen Vorschlag aufrecht. Die sachverständigen Beisitzer hätten ebenfalls 29 M. Wochenverdienst fiir einen Schürzenschneider für angemessen gehalten. Die Frage, ob Werk- oder Ärbeilsvertrag vorliege, sei noch nicht geprüft wor- den. Der Vergleichsvorschlag sei den Parteien zu empfehlen. Der Vertreter des Beklagten hielt an sseiner irrigen Ansicht, daß ein Werkvertrag vorliege, fest lind lehnte«inen Vergleich abermals ab. Und daS, wiewohl der Vorsitzende ihn mit einer Flut von Lieb- kosungen überschüttete, deren einige nachstehend wiedergegeben seien:Sie schütteln Ihr weises Köpfchen, alS ob Sie die Weis» heit mit Löffeln gefressen hätten!" undStarren Sie nicht wie so ein hypnotisierter Igel vor sich hin!" Nachdem da? Gericht die aus feiner Mitte aufgeworfene Frage, ob nur ein Probeengagement vorgelegen, verneint hatte, weil dem Kläger der Arbeitslohn für die Probearbeit nicht am Ltefertvge. sondern an dem vom Geschäft für alle Arbeiter festgesetzten Rechentage gezahlt worden ist, zog cS sich abermals zur Beratung zurück. Der Vorsitzende sucht nach der Beratung wieder seinen Vergleichsvorschlag durchzudrücken. Nach langen abermaligen Ermahnungen und Vorhaltungen war der Ver» tretcr des Beklagten gefügig geworden und akzeptierte auch seiner« {eitS den Vorschlag. So kam der für den Kläger höchst unbillige Zergleich endlich zustande. Im vorstehenden ist keineswegs ein zufällig ausnahmsweifer Fall der BerhandlungSart des MagistratSratS Dr. Leo geschildert. Solche Vorgänge spielen sich vielmehr an fast jedem VerhandlungS- tage ab. Allerdings kann Herrn Dr. Leo insofern der Vorwurf der Verletzung der Parität nicht gemacht werden, als er mit seinen Koseworten gleichmäßig Arbeitgeber wie Arbeiter bedenkt. Ein solche? Verfahren ist eines Gerichts, und insbesondere eines Ge- Werbegerichts, unwürdig. Die Parteien wenden sich an dasselbe, um Recht zu erhalten, nicht um mit ihren Rechten Schacher treiben und sich mit Bemerkungen regalieren zu lassen, die. von einem ernst zu nehmenden Menschen ausgesprochen, Beleidigungen wären. die auszusprechen sich insbesondere ein Richter schämen sollte. Wie mag cS erst in den unter Ausschluß der Beisitzer und der Oeffent» lichkeit vom Magistratsrat Dr. Leo anberaumten Sühneterminen hergehen? Gegen ein solches Verfahren hätte der Magisttat als Aufsichtsbehörde einzuschreiten. Den Parteien bleibt leider kein Mittel, als vielleicht das, den Vorsitzenden, der für die fleißige Wochenarbeit eines Ehepaares 20 M. für angemessen erachtet, so- bald er eine dahingehende Kundgebung macht, als Sachverständigen für das Gegenteil zu benennen, und ihn in den nächsten Termin als befangen abzulehnen._ Gratifikation bei der Kommerz- und Diskontobank., In' Ergänzung des Gewerbegerichtsberichts, den wir am 10. dieses Monats brachten, teilen wir auf Wunsch nachstehend da» dem Kläger erteilte Zeugnis in Abschrift mit. ES lautet:Wir bescheinigen, daß Herr... vom... biS... al» Bureaudiener und zirka 3 Monate als Kassenbote in unserem Institut tätig war. Derselbe hat die ihm obliegenden Arbeiten bei guter Führung zu unserer Zufriedenheit erledigt. Herr... verläßt unser Institut auf seinen eigenen Wunsch. Berlin  , den 18. 2. 1919. Kommerz» uno DiLkontotani" Mit dem Inhalt dieses Zeugnisses ist die Be» kundung des Herrn Aschenbrenner, Kläger   habe zu Tadel Anlaß gegeben und sei deshalb entlassen, unvereinbar. Und doch bxruht daS Urteil lediglich auf dieser falschen Bekundung. Prämien für Kassenbetrüger. Wegen Vergehens gegen das KrankenvcrsichernngSgesetz hatte sich der Architekt Wallrat auS Tempclhof vor der 3. Strafkammer des Landgerichts III Berlin zu verantworten. Die Verhandlung dauerte kaum 15 Minuten. Der Vorsitzende der Kasse, der be- stätigen sollte, daß W. 299 M. den Arbeitern abgenommen, aber der Kasse nicht zugeführt hatte, blieb unvernommen, weil der An. aeklagte gestandig war. Das Urteil lautete auf nur 5V M. Geld­strafe oder 5 Tage Gefängnis. Ein Handwerksmeister, bei dem es sich nur um 1,74 M. han­delte, die er an die Krankenkasse nicht bezahlte, erhielt vor einigen Tagen von demselben Landgericht 8 Tage Gefängnis zudiltiert. 59 M. Geldstrafe für Unterschlagung von 269 M. eine nette Prämie für Unterschlagung. Freilich handelte cS sich nicht um einen Arbeiter oder Handwerksmeister, sondern um einen Archi- tekten, der vermutlich daS Abiturientenexamen bestanden hat und deshalb die Reife als LandtaaSwähler zweiter Abteilung er- halten soll.'