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Kr. 72. 27. Jahrgang. 4. Wl»«e ilks.Fomiilts" Kerlim NcksblR Soantag, 27. Marz 1910. Partei-?ZngelegenKeiten. Zur Lokalliste. Auf Wunsch der Parteigenossen Spandaus teilen wir nochmals mit, daß das Lokal»Steinebachs Volks- garten" in Hakenfclde bei Spandau den Inhaber gewechselt und uns jetzt nickt mehr zur Verfügung steht. In Wilhelmsruh an der Oberhavel ist das Lolal von Kieker für den persönlichen Verkehr frei. Das Lokal U h l e n h o r ft bei Köpenick ist frei, dagegen ist Restaurant.Ravenstein" am Müggelsee gesperrt, des- gleichen das Lokal. AlbrechtShof" in Steglitz . Die Lokalkommisflon. Vierter Wahlkreis. Dienstag, den 29. März(dritter Feiertag) abends 7'/» Uhr, findet in Kellers Fsstsälen eine öffentliche Ver- lammlung'statt, in der Genosse A. H o f f m a n n über.Moderne Ehen' referieren wird. Nach der Versammlung: Gemütliches Bei- sammensein mit Tanz. Matineen im sechsten Wahlkreis finden am zweiten Feiertage statt bei Ballschmieder in der Vadstratze, in den Germania -Sälen in der Chansseeftraße und im Stadt-Theater Moabit , Alt-Moabit 47/49. Anfang lS Uhr. In den Pharus-Sälcn, Müllerstraße, findet am zweiten Feiertag, abends 6 Uhr, ein Bunter Abend statt. Billetts zu der Vorstellung in den Pharus-SiUen am 28. März sind nur noch zu haben bei Rietz, Fehmarnstr. 8, Glawe. Lieben- walder Str. 4, und Melzer, Wiesenstr. 29. Billetts zu der Matinee noch erhältlich bei Gaßmann, Badstraße, Ecke Grünthaler Straße.' Der Vorstand Schöneberg . Einen Walkotte-Abend veranstaltet heute. am l. Osterfeiertag, der Wahwerein in den Räumen der.Neuen Rathaussäle", Meiningerstr. 8. Der Beginn ist auf 6 Uhr angesetzt. Die Mitglieder werden ersucht, sich zahlreich zu beteiligen. Der Vorstand. WilmerSdorf-Halensee. Die am 29. März fällige Mitglieder Versammlung findet der Feiertage wegen erst Dienstag, den 6. April, statt. Der Vorstand. Steglitz . Die Versammlung fällt kommenden Dienstag aus, Dieselbe findet über acht Tage, den 5. April, statt. Groß-Lichterseldr. Am DienStag. den 29. März, findet bei Wahrendorf die Mitgliederversammlung deS Wahlvereins statt. Tagesordnung: Die bürgerlichen Parteien und ihre Wähler. Referent: Genosse Kali Ski. Berichte von der Kreisgeneral- Versammlung sowie von der Generalversammlung Groß-BerlmS. Lankwitz . Am Mittwoch, den SV. März, abends 81/} Uhr, findet bei Ebel, Mühlenstr. S, die Mitgliederversammlung deS Wahlvereins statt. Tagesordnung: Bericht von der KretSgeneralverfammlung und Groß-Bertin. Bericht von der Gemeindevertrrterwahl. Vereins- angelegenheiten. Der Vorstand. Schmargendorf . Am Dienstag, 29. März, abends S'/z Uhr. findet im Wirtshaus Schmargendorf (Bartels), Warnmünder Straße , eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Wahlvereins statt. Tagesordnung: 1. Aufnahme neuer Mitglieder. 2. Wahlangelegen- heilen. 3. Dtskufston. 4. Maifeier. S. Verschiedenes. Gäste will- kommen. Britz -Bucko«. DienStag abend 7 Uhr findet von den bekannten Stellen aus eine Flugblattverbreitung statt Der Vorstand. Nieder-Schönhausen-Nordend. Montag, den 28. März, 8lL Uhr früh, Flugblattverbreitung von den bekannten Stellen au». DienStag, den 29. März, abends 8 Uhr. Mitgliederversammlung bei Weiland. Ändenstr. 43(vorm. Steffens Lindengarten). Tagest ordnung: Stichwahtangelegenheiten. Nachdem: Gemütliches Bei- sammensein mit Tanz. _ Die Bezirksleitung. Berliner jyacbricbten* Ostermorgeu. Graues, schwerfälliges Gewölk am Himmel. Nur ab und zu ein flüchtiger Sonnenblick. Ich bin aus der Stadt geflohen, die Landstraße entlang in die Umgebung weiter Felder, soweit, daß die vom Winde herrübergewehten Glocken- töne mich nicht mehr erreichen. Ostermorgen und Glocken- musik? Warum laufe ich davon? Nüchterne Ueberlegungen halten mich ab. dieser Stimmung mich hinzugeben. Die Klänge sind mir fatal, diese erzfcmatischen Elferer für eine Sache, die immer ihr kleinliches Gezänk an die große Glocke gebracht hat, die mit weicher Stimme lockt und doch hart und unduldsam ist. die da dienen zu wollen vorgibt und doch allein herrschen will, die Demut heuchelt und doch den höchsten Platz einnimmt, die lauteste Stimme hat in der Stadt, im ganzen Lande. Wieviele von uns haben und wie lange, kostbare Zeit! im Banne dieser Eiferer gestanden! Was für un- säglich öde Stunden waren das für mich, diese Morgen- stunden, in denen der Lehrer uns mit den evangelischen Hauptstücken und nicht weniger evangelischen Zubchör teiln mißhandelte! Dreimal wöchantlich. Sommer und Winter, die übrigen religiösen Belehrungen ungerechnet. Und nach ihm der Mann im Tolar. Damit ja dw Oster- Parade der neu eingekleideten Konfirmanden in der Kirchs tadellos klappte. Wir alle hatten denn auck unser Glaubens- bekenntnis wie am Schnürchen. Und auf die Frage unseres Seelsorgers", ob wir unsermHerrn und Heiland" lebens- lang treu bleiben wollten, antworteten wir vorschriftsmäßig mit den«lautet, und vernehmlichen" Ja. Was nicht aus- schloß, daß die nachfolgende Familienfeier mit ihren mate- riellen Genüssen dem soeben abgeschworenenTeufel und seinen Werken" wieder sein volles Recht gab. Und derTeufel Alkohol" behielt meistens das letzte Wort. Glücklicherweise hat wohl bei den meisten von uns das Leben korrigiert, was Unduldsamkeit und Ueberhebung auf der einen und Gedankenlosigkeit auf der anderen Seite ge- fehlt hatten. Wohl lvar es ein harter Tcelenkampf gewesen. der uns über die Kirchendogmen hinausführte, aber nur um so entschiedener ist die Trennung, um so freudiger die Hin- gäbe an das innere Gesetz unserer Persönlichkeit, uni so tiefer das Gefühl der eigenen Verantwortlichkeit geworden. Wie bald räumt das Leben des Lohnarbeiters mit allem Kirchenwust auf! Die Fabrikräume und Werkstätten, von Staub und Schweißgeruch erfüllr, meidet der fromme Weih- rauch, in die Schächte und Stollen der Bergwerke hat noch kein Schutzengel den Fuß gesetzt und alle Dogmen der Kirche, der Herrgott und sein Heer kapitulieren auf dem feindlichen Boden des Proletariats. Dafür hat dieses nun die ganze Last seines Daseins allein zu tragen. Das macht, daß es sie nun in ihrer er- drückenden Schwere erst ganz empfindet. Und daß es gleicher- maßen danach trachtet, den Druck zu lindern, wie die ganze Bürde von sich zu werfen. We Liebe, die einst die Kirche für sich und ihre himmlischen und irdischen Potentaten forderte, teilt das arbeitende Volk jetzt allein unter sich auf: einmütig geschlossen steht es einer Welt von Feinden gegen- über. Es wird heller, freundlicher. Ab und an ein Stückchen �Himmelsblau hinter jagenden Wolken. Ein Spaziergänger kommt mir entgegen. Freilich ein unfreiwilliger, den das Bündel auf dem Rücken, die abgetragene Kleidung, der Hand- feste Weidenstock gleich als einen der ungezählten Arbeits- losen ausweisen. Die Baumwollindustrie hat über den Be- darf hinaus produziert: deswegen geht er in Lumpen: ebenso reichlich sind die Textilprodukte: darum hat sein Hemd so viele Löcher. Lager und Läden starren von Erzeugnissen der Lederbranche: man sieht es an dem niedergetretenen Schuh- zeug an seinen Füßen. Und weil Fabriken und Bergwerke und Betriebe in Zeiten fiebernder Tätigkeit alle Arbeits- tröste bis aus die letzte verschluckt hatten, ohne genug zu bekommen, deshalb muß dieser jetzt beschäftigungslos und brotlos von Ort zu Ort wandern. Göttliche Weltordnung des Kapitalismus! Wie leicht machen es sich die Herren, die aus den Kanzeln stehen und alles Leiden wie alle Rätsel des Lebens dem- jenigen aufpacken, den sie alsAuferstandenen" an diesem Tage sich nahe glauben. Wie unendlich schwer aber muß es dem Leidenden selbst werden, in dieser Welt der Widersprüche den Lebensinut zu behalten, zur Klarheit über sich und sein Los zu kommen! Mein Landstraßenpilger hat sich einen Zweig mit frischen Kätzchen an den Hut gesteckt und zieht pfeifend seines Weges! Osterfreude und Osterhoffnung! Die Sonne, die nun die Wolken besiegt hat und voll herniederstrahlt, die im Frühlingspunkt ihrer Aufwärts- Wanderung steht, deren Ende Frucht und Segen und Ernte bedeutet: diese Ostersonne scheint in alle sehnenden Herzen. Ausatmen. Wachstum. Zukunftsfreude erfüllt sie. Kein Priester, kein Zeremoniell vermittelt oder stört diese Feier- stimmung, die aus der sich ergänzenden Nahm unmittelbar und voll in die Herzen derer überströmt, die sie suchen. Sie erfüllt auch mich, während ich langsam der Stadt zuschreite. Dabei lösen alle Gegenstände, die ich zurückkehrend wieder betrachte, die Erinnerungsbilder meiner Gedanken auf dem Heimwege aus. Und ich fühle: mit allem, was diesen Morgen um mich gewesen, meiner Entwickelung, meinem Schicksal, meinen Briidern und Mitkämpfern habe ich die würdigste Feier des Frühlingsfestes begangen. Ostereier und Murmeln. Die Tage um Ostern bringen den Berlinern nicht nur die Ostereier, sondern auch das Murmelspiel. bei dem man die Berliner Jugend jetzt wieder emsig auf der Straße beschäftigt sieht. DaS ist kein Zufall, denn Murmeln und Ostereier hängen unmittelbar zusammen. Um das festzustellen, braucht man nur auf wendische Volksbräuche zurückzugehen, denn die Gegend um Berlm war ja vormals wendisch. In den Oster - tagen spielten die Eier bei den Wenden eine große Rolle. Neben der Ostersemmel, wendisch jastrowne calta, dem Pfefferkuchen, paprenc, holten sich die Kinder an diesen Tagen von ihren Paten auch die buntbemalten Ostereier, pisane jajka, und die Mädchen in der Nieder-Wendei, die Ostern langen, mußten den Jungen je zwei Ostereier geben, damit sie vie Bank der Sängerinnen das Jahr über instand hielten. An den Osterfeiertagen aber wurde von den Kindern und auch von Erwachsenengewalkt". Dazu wurde eine Bahn gemacht, die schräg in die Erde führte, oben schmal war und sich nach unten verbreiterte, dieWalk". Der erste Spieler rollte ein Ei die Walk hinunter; traf der zweite das erste, so war dieses geschlagen und abseits in eine Vertiefung gelegt.' Das ge- schlagene Ei zahlte einige Pfennige an den Treffer und das Spiel ging weiter. Das Murmelspiel unserer Berliner Jugend ist nun nichts anderes als daswalkowac" der Wenden, nur daß an die Stelle der leicht zerbrechlichen Ostereier die haltbaren Tonkügelchen getreten sind. Dre Spielregeln sind, wie man sieht, fast die gleichen und das Murmelspiel taucht auch regelmäßig in den ersten Früh- linastagen, kurz vor Ostern, auf. In Wirklichkeit sind ja auch alle diese Spiele mit Eiern und auch mit Bällen an einzelnen Orten wird das Walk mit Bällen gespielt nichts anderes als Lenzspiele, die an die Erneuerung der Natur im Frühling, an daS Erscheinen der neubelebcnden LenzeSsonne erinnern und bei denen der Ball. die Murmelkugel und das Ei den Sonnenball darstellen. Das Jugendheim in der Brunnenstraße 115 ist an den beiden Feiertagen von 410 Uhr geöffnet. Schutz den Schutzleuten? Die Schutzleute sind es. die des Schutzes bedürfen? Sie sind's, denen man Schutz gewähren muß gegenüber der Be» Völker ung, Schutz gegenüber den Ausbrüchen ihrer Entrüstung! In Preußen ist das ja alter Grundsatz, aber rück. sickstsloser noch als sonst haben in den Polizeiprozessen der letzten Woche Vertreter der Staatsanwaltschaft und Borsitzende von Gerichtshöfen ihn angewendet. Was hatten die Polizisten zu erdulden gehabt, denen da die Ge- nugtuung bereitet wurde, harte Strafen über die von ihnen zur Strecke giibrachten Opfer verhängt zu sehen? Die meisten der An- geklagten lourden beschuldigt, die gegen die Menge vorrückenden Polizisten durch den RufBluthund«!" beschimpft zu haben; einer sollte in seinem Verdruß über die Absperrungen die Polizei dem auf der Straße umherslehenden Publikum als ebenso wenig be- achtenswert, wie einHaufen Dreck" sei, bezeichnet haben; und einem wurde zur Last gelegt, nach gelungener Passierung der Ab- sperrungLlinie den Schutzleuten eine.lange Nase" gedreht zu haben. Für die.Bluthund"-Rufe gab es Gefängnisstrafen von 1 Woche ns zu 2 Monaten; auch der.Haufen Dreck" wurde mit einer Ge- ängniLstrafe von mehreren Wochen gesühnt; und selbst dielange Rase" wurde dem Täter so übel genommen, daß das Gericht ihm 30 M. Geldstrafe zudiktierte. Schutz den Schutzleuten? Nicht um Schutz von Ge- sundhcit und Leben der Polizisten gegen eine Volksmenge, von der sie etwa bedrängt worden wären, handelte es sich in diesen Pro­cessen. Nur die Autorität der Polizei sollte durch die harten Irteile, die da ausgesprochen wurden, wieder aufgerichtet werden. Ihre Autorität, die von ihr selber umgestürzt worden war durch sinnlose Anordnungen deS Polizeipräsidenten und durch gewalttätiges Vorgehen ausführender Polizisten I Werden aber diese ReparicrungSversuche der Gerichte gelingen? Können sie gelingen, so lange die bei Polizeiattacken vorgekommenen AuSschrei- tungen von Polizisten gegen die Bevölkerung un gesühnt bleiben? Solcher Ausschreitungen haben Polizisten ich schuldig gemacht nicht nur am 9. März, über dessen Ereignisse abzuurteilen eine fixe Justiz schon jetzt begonnen hat. Auch bei früheren Polizeiatiacken, an denen die letzten Jahre, die Jahre des Wahlrcchtstampfes, so reich waren, ist von Polizisten auf Wehrlose und Fliehende eingehauen worden. Aber noch soll man uns den Polizisten zeigen, der deshalb auf die Anklagebank gekommen wäre! Auch am! 8. März d. I. hat es in den Abendstunden wieder Polizeiatiacken gegeben. Soweit sie sofort zu unserer Kenntnis ge- kommen waren, wurden sie von uns am nächsten Tage geschildert. «Eine davon, die ganz besondere Beachtung verdient, ist uns erst nachträglich und verspätet bekannt geworden. Auf dem Lands bergcr Platz und in den benachbarten Straßen ging es cn jenem Abend sehr stürmisch zu. weil wieder mal die Pvtfstt ihre von ihr 'elber ins Wanken gebrachte Autorität mit der Faust und dem Säbel wiederherstellen zu wollen schien. Sie rückte nicht nur gegen Straßenpafsantm vpr, dgreu Ansammlung durch sie scMr erst vcrr anlaßt worden war. sondern auch gegen Bewohner des Stadtteils, die vor den Haustüren standen. Abends um>l0 Uhr wurden Mieter des Hauses Frieden st raße 93 durch Polizisten, deren Zahl auf ein halbes Dutzend oder mehr geschätzt wird, von der Haustür weggejagt und durch den Hausflur über den Hof verfolgt. Entsetzt stoben sie auseinander, schreiende Frauen rannten die Treppe des Hinterhauses hinauf und suchten sich in die Wohnungen hineinzureiten. Zwei Polizisten stürmten hinterher mit dem Ruf:..Die Hunde werden wir schon kriegen!" und rannten lärmend hinaufbis zum ober st en Stockwerk des Hauses. Inzwischen hatten einige der unten gebliebenen Polizisten dort einen Hausbewohner gepackt, der in Pantoffeln vor die Tür gegangen lvar und sich nicht rasch genug hatte entfernen können. Zeugen, die den Kampf gegen diesen Mann mitangesehen haben, versichern, er sei auf dem Hofe(der vom Hausflur her durch eine Gaslampe hell erleuchtet war) ins Gesicht geschlagen worden und auf der Treppe, wo er zu Fall gekommen war, habe man auf ihn eingeschlagen. Niemand hat uns sagen können, was der Mann eigentlich begangen haben soll. Er hat soll. Er hat an der Stirn Verletzungen davongetragen, die durch ihr Aussehen un-d durch dir Regelmäßigkeit ihres Abstandes von ein- ander den Verdacht erwecken könnten, daß er mit einem Schlagring bearbeitet worden sei. SchutzdenSchuhleuten.nichtderBebökkerung? Wie soll die Bevölkerung sich gegen Ausschreitungen der Polizei schützen, gegen wüstes Geschimpfe, mit dem auf das Publikum ein- gedrungen wird, gegen schwere Gefährdung von Gesundheit und Leben, die von Pferdehufen und Schutzmannssäbeln droht? Jeder Versuch zu schützender Abwehr würde die Wirkung haben, daß gegenüber solchemW i d e r st a n d" die Schutzmannssäbel ihre Blutarbeit berichteten und der Zerschlagene hinterher noch zu schwerster Strafe verurteilt würde. Hat doch im Jahre 1993 in jenem Prozeß, der an die Polizeiattacke vom Schiffbauerdamm sich anschloß, ein baumlanger Polizeihauptmann erklärt, daß die Abwehrbewegung� mit erhobenem Arm, die ein 64jähriger Arbeiter gegenüber dem HauptmannLsäbel versucht hätte, als drohende Hal» tung und Widerstand hätte aufgefaßt werden müssen. Bei solchen Zuständen hatte in dem ersten der Prozesse, die jetzt der 6. März gebracht hat, der Vertreter der Staatsanwgltschaft noch den Mut, zu behaupten, die Polizei finde nicht genug Schutz! Nur zu sehr findet sie Schutz bei den Gerichten, die unter Ablehnung aller Versuche, Polizeiaussckaeitungeu durch Zeugenaussagen festzustellen, jeden unbesonnenen Ausdruck be- rechtigter Entrüstung aufs härteste ahnden. Nur zu sehr findet die Polizei den gewünschten Schutz auch bei jener Presse, die ihr immer zu dienen bereit ist, jener Presse z. B. vom Schlage des Lokal-Anzeiger", der acht Tage nach den Polizeitaten vom ö. März die ihm wohlbekannte zornige Erregung weitester Bevölkerungs­kreise durch einen beschwichtigenden Artikel zu dämpfen suchte. Solchen Schutzpatronen der Polizei hat Berlin es zu danken, wenn die Bevölkerung schutzlos aller Polizeiwillkür preisgegeben ist._ AlsBevormundung" faßt der Verlag derDeutschen Warte" und derBerliner Hausfrau" auf. was wir ihm in unserer DonnerStagSnummer, wie aus demselben Anlaß schon zu wieder- holten Malen, ins Stammbuch geschrieben haben. Auch als Abonnentensang", weil wir kurz vor dem Ouartalsersten diesen beiden Blättern die Abonnenten wegkapern möchten. Weder daS eine noch das andere ist uns eingefallen. DieDeutsche Warte" hätte gar nicht nötig gehabt, unsere Notiz im politischen Teil zu beantworten und zur eigenen Reklame darauf hinzuweisen, daß sie ga»z gelegentlich auch mal einen freiheitlich gestimmten Artikel verzapft. Lieber wäre uns ein Eingehen auf den Kern der Sache gewesen, nämlich eine Erklärung, daß dieBerliner Hausfrau" endlich darauf verzichtet, daß an dem berüchtigten Wahrsage- schwinde! durch Aufnahme dutzender derartiger Schwindelinserate m jeder Nummer aktiv zu beteiligen. Hierzu findet die Redaktion nicht ein einziges Wort, so daß den Lesern absichtlich verheimlicht wird, waS wir kritisiert haben. Wir empfehlen nunmehr derBer - liner Hausfrau", für ihre famosen..Kaffeestunden" in der Phil- Harmonie ein paar Dutzend Berliner Wahrsagerinnen zum Gratis- schwindeln zu engagieren, eventuell gegen Zusicherung von Gratis- aufnahmen volksverderblicher Inserate. Sportunfug mit Polizeihunden. Zahlreiche Polizisten. be° sonders solche auS den Vororten, wollen hinter denErfolgen" der mit amtlichen Polizeikötern ausgerüsteten Berliner Kirminalisten nicht zurückstehen. Sie haben sich privatim einen gelehrigen Köter zugelegt und betreiben die Ausbildung von Polizeihunden zunächst als Sport, um später, wenn die Sache vielleicht klappt» mit den den Anforderungen des Dienstes einigermaßen entsprechen- den Viechern bei den Vorgesetzten Geschäfte machen zu können. Jeder nach seinem Geschmack! Der eine sieht eine besondere Ehre darin, auf Greise, Frauen und Kinder mit dem Säbel einzuhauen. ein anderer legt Leimruten nachPiepmätzchen" aus. der dritte produziert sich«in Nebenamt als Hundedresseur. In Groß-Berlin laufe» jetzt so viele Polizisten, Gendarmen. Forstpolizeibeamte. AmtSdiener mit Hunden herum, daß man nicht immer unter» scheiden und auch nicht gut kontrollieren kann, ob diese Beamten zur Benutzung solcher Hunde im amtlichen Verkehr berechtigt sind oder nicht. Vergnügt sich ein Beamter damit, ohne amtlichen Auf» trag einen Hund zum Polizcidicnst zu dressieren, so hat er Zweifel» loS auch nicht das Recht, diesen Köter, der sein Privateigentum ist. im amtlichen Verkehr zu verwenden und auf Menschen zu hetzen oder damit Menschen irgendwie zu gefährden. Gegen derartige Ucbcrgriffe muß mit aller Entschiedenheit protestiert werden. Namentlich in den Vororten wird auch darüber geklagt, daß Poli- zisten die Hundcdressur auf offener Straße betreiben und damit die Straße, die nach dem Worte JagowS nur dem Verkehre dienen soll, unsicher macben. Ucberhaupt hat die Verwendung von Polizei- Hunden sehr stark über die Stränge geschlagen. Es ist gar rncht nötig, daß jede einzelne kleinere Polizeiverwaltung in der Um- gebung Berlins einen Polizeihund besitzt. Vielleicht>vird man nur zu bald einsehen, daß diese Köter, in die man augenblicklich noch so verliebt ist. daß man ihnen am liebsten eine blaue Schabracke mit silbernen Tressen umhängen möchte, von einigen Ausnahmen ab- gesehen, mehr schaden als nützen. Eisenbahnzusammenstos) am Bahnhof Wustermark . Auf dem Verschicbebahnhof Wustermark bei Spandau hat sich gestern in früher Morgenstunde ein schweres Eisenbahnunglück zu. getragen. Infolge falscher Signalg-bung fuhr dort am östlichen Ende des Bahnhofs ein ettva hundert Achsen zählender Güterzug, der aus Rummelsburg kam, auf einen haltenden Güterzug auf, wobei sieben Wagen entgleisten. Bon dem Zugpersonal wurden zwei Personen getötet: der Zugführer Walther und der Schaffner Metzenthin. Vom Lehrter Bahnhof ging nach erfolgter Meldung sofort ein Hilfszug mit Acrzten und Geräten an die Unfallstelle ab. Auch von der Eiscnbahndirektion und der Betriebsinspektion 3 fuhren einige Beamte mit. Der Zusammenstoß erfolgte auf dem Gleis 13 des Verschiebe» bahnhofes Wustermark , im Weichen- und Signalstcllwerk W. O. T. Dieses Stellwerk wird von einem Assistenten und einem Weichen» stcller bedient und hat die Ein- und Ausfahrtssignale zu geben. Durch ein Versehen leitete gestern früh das Stclllverk den von Rummeldburg kommenden Zug auf das Gleis 13. auf dem bereits ein anderer Güterzug hielt. Der Lokomotivführer des einfahrenden Zuges konnte infolge dichten Nebels den haltenden Zug nicht sehen. Erst in letzter Minute, etwa zehn Dagenlängen von der Unfallstelle entfernt, sah xx hie dtthendz GefgZx, Er ggb sofort da? Notsignal