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Sfc Sitzung mit einer Ansprach?, in SeL er ausführte, et fei ein überzeugter konstitutioneller Monarchist und sei der Ansicht, Nutz- land könne nur bei einer konstitutionellen monarchi - schen Staatsordnung, mit einer mit weitgehenden legislatorischen Rechten ausgestatteten Voltsvertretung und einer starken, nur dem Monarchen, nicht aber den politischen Parteien verantwortlichen Regierung gedeihen. Ohne die kon- stitutionelle Monarchie und unter der Herrschaft des Parlamenta - rismus könne er sich eine friedliche EntWickelung des heutigen Ruhlands mit seinen Besonderheiten, die, ein Erbteil der russischen Geschichte, in dem russischen Wesen lvurzclten, nicht denken. Die Zahl der der Erledigung harrenden Fragen, unter denen die der Landesverteidigung und die der Elementarschulen obenan ständen, sei sehr groh; aber, wie ihm scheine, könnten bei allen diesen die politischen Gesichtspunkte in den Hintergrund mten, und auch die schärfste politische Meinungsverschiedenheit dürfe eine einmütige Arbeit nicht verhindern. Die dem Präsidenten gegebene Gewalt werde er mit der Geschäftsordnung benutzen zum Schutze der Würde der Duma, sowie zur Einbürgerung parla- mentarischer Sitte und Wahrung der Ordnung, ohne die eine ernste gesetzgeberische Arbeit undenkbar sei. Die Worte des Präsidenten wurden vom Zentrum, den Nationalisten und einem Teil der Oppo- sition mit lebhaftem Beifall bcgrüht. politilcbe ClcbcrHcbt. Berlin , den 29. März 1910, Belohnung für die Polizeiattacken. Die Herren Reaktionäre planen eineEhrengabe" an die Berliner Schutzmannschaft als Belohnung für die von dieser bei ihren Attacken auf friedliche Wahlrechtsdemonstranten be- Wiesens preußischeSchneidigkeit" vielleicht auch, um die Berliner Polizei unter Führung ihreö genialen Präsidenten zu weiterer Steigerung ihrer Bravour im Dienste des Junker- regimeuts anzuspornen. DasBerk. Tagebl." veröffentlicht folgendes mit der Schreibmaschine vervielfältigtes v e r- trauliches" Rundschreiben des als Reaktionär bekannten Landesdirektors der Provinz Brandenburg : Verlraulich. Berlin . 26. März 1910. Die Berliner Schutzmannschaft steht zurzeit in außerordentlich schweren Diensten. Treue Pflichterfüllung seitens der Beamten wird von einem Teil der Bevölkerung leider mit uner- hörten Beschimpfungen vergolten. Selbst die Kinder von Schutz- leuten als solche sind den Gehässigkeiten und den Angriffen ihrer Mitschüler auSgeletzt. Demgegenüber ist von vielen Seiten angeregt worden, vor- urteilslose und gerecht denkende Bürger möchten sich zu einer Ehrengabe für die Schutzmannschaft als Sym» pathiekundgebung für diese pflichttreuen Beamten zusammenfinden. Sollten Euer Hochwohlgeboren geneigt sein, sich einem hierfür zu bildenden privaten Komitee anzuschließen, so bitte ich geneigte umgehende Mitteilung an meine Adresse. Berlin W. 66, Leipziger Straße 3. Mit Politik, insbesondere mit der Wahlrechtsfrage, hat diese Anregung selbstverständlich nicht das mindeste zu tun. Etwaige Spenden für diese Ehrengabe bitte ich Herrn Bankdirektor Leopold Steinthal, Berlin W., Französische Straße 29, übermitteln zu wollen, unter der BezeichnungFür die Ehrengabe an die Berliner Schutzmannschaft". Freiherr v. Mantenffel, königlicher Wirklicher Geheimer Rat und Landesdirektor der Provinz Brandenburg . Es ist nichts als ein Täuschungsversuch, wenn be­hauptet wird, das Schriftstück hätte mit der Politik und der Wahlrechtsfrage nichts zu tun. Der �weck derEhrengabe" kann nur sein, der Schutzmannschaft die Ansicht beizubringen, daß ihre Attacken und ihre Brutalitäten die Billigung und Sympathie der sogenannten maßgebenden Kreise finden und diese bereit sind, alle polizeilichen Nebergriffe zu decken. Dieser Wirkung seines Vorgehens auf die Schutzmannschaft dürste der Unterzeichner des Aufrufs sich auch recht wohl be- wüßt sein. Wenn er trotzdem nicht offen eingesteht, daß es sich um eine Aufmunterung zu weiterertreuer Pflicht- erfüll"» g". d. h. schneidigen Attacken handelt, und lieber in süßlicherWeise au das menschliche Mitgefühl appelliert, so hat das wohl nur den Zweck, recht vielegerecht denkende Bürger" zum Geben zu veranlassen und auf diese Weise eine größere Summe für die Berliner Polizei zusammenzubringen. erster äeuticher üiusturtsg" (am 24. und 26. März zu Berlin ). DaS klingt so verheißungsvoll und brachte als Veranstaltung, im ganzen genommen, doch eine solch große, große Enttäuschung. Erster deutscher Kulturtagl", und man denkt an unabsehbare Scharen, die Herzuströmen, an flammende, hellauflodernde Begei- stcrung, eine Riesendemonstration!ES kreißten die Berge, und geboren wurde ein klein-winziges Mäuslein." Ein blamables Fiasko der Bourgeoisie und ihrer angeblichen Jnteresien für Kul- lur! Wenig mehr als ein halbes Tausend Menschen, die eS sich im weiten Saale der Philharmonie auf den Plätzen a S bis 1 MI. recht bequem machen konnten. DaS was alles. O. du armselige deutsche Bourgeoisie!.......... Und nun die Herren Veranstalter! Glauben ste tmrklich, daß durch derartigeKulturtage" sie haben doch die Absicht, sie fort- zusetzen?! etwas bezweckt würde? Glauben sie wirklich, daß die Parole:Auf zum Kampfe für die Kultur gegen Junker und Pfaffen!" den satten Spießbürger noch einmal aufrütteln würde? Und haben sie niemals etwas von dem Ringen der Arbeiterklasse gegen die Mächte der Reaktion gehört, von diesem Kulturkampf ,m wahrsten Sinne des Wortes? Aber warum schwiegen sie davon? Fürchteten sie denLudergeruch der Revolution"? Nichtsdestoweniger sind die Ausführungen der einzelnen Red- uer, wenn ste auch nicht auf einen Ton harmonisch abgestimmt waren und die Ansichten stellenweise bedenklich divergierten, immerhin so bemerkenSivert, daß wir nicht umhin können, sie auszugsweise hier wiederzugeben. Der bekannte Pädagoge Prof. G u r l i t t eröffnete am Donnerstag die Tagung, die nach seinen Worten dazu dienen sollte, moderne Kulturprobleme öffentlich (Spaßl bei 1 bis 6 Mk. Eintritt!) zu behandeln. Also eme Art Kulturparlament, für das ja in Preußen, dem Land derHeiligen und Junker", keine Stätte sei, und dessen Devise lauten müßte: Auf zum Kampf gegen jegliche Reaktion!" Als erster'Redner sprach hierauf der«taatSrechtslehrer Prof. Echücking- Marburg überKultur und Jnternatio. nalismus". Der preußische Ministerpräsident von Bethmann Hollweg glaubte gelegentlich seiner Wahlrechtsrede von einer all- gemeinen Knlturstagnation sprechen zu dürfen. Nichts ist im Hin. Dlick auf den Internationalismus verkehrter. Zwar ist der Jnter- Nationalismus bei der Regierung nicht gut angeschrieben. Wer für die Weltfriedensbewegung eintritt, der ist von vornherein als schlechter Patriot gebrandmarkt; und hinter der Regierung steht die große Masse des deutschen Bürgertums, die in ihrer Kurz- sichtigleit alles für Intrigen gegen den Staat ansieht, was auf Nüstungseinschränkungen hinausläuft. Dabei muß der tagtägliche Fortschritt in der Waffentechni! jeden Einsichtigen dazu dringen, > Trotz des offenkundigen Zwecks der ganzen Mache er- scheint in Anbetracht der noblen Gesinnung jener Kreise, auf deren Geldbeutel Herr v. Mantenffel spekuliert, nicht aus- geschlossen, daß sich manche Geber einfinden teils aus Haß gegen die Sozialdemokratie, teils weil sie sich gern nach oben beliebt machen und nach dem Hoflieferantentitel oder einen Orden vierter Güte girre». Im Grunde genommen haben wir durchaus nichts gegen das Rundschreiben des Freiherrn v. Mantenffel einzutvenden, denn besser als durch diese Mache eines seiner höchsten Beamten kann der Charakter des preußischen Kulturstaates kaum bloß- gestellt werden. Wir vermissen nur eins. Nämlich daß nicht auch zugleich für eineEhrengabe" an den Herrn Polizei- Präsidenten v. Jagow und den Polizeihauptmann Stephan gesammelt wird!_ Preußisches Jnnkerregiment. Herr Professor Gustav v. Schmoller hat der WienerN. Fr. Presse" einen langen Artikel über:Das preußische Jun- k e r t u in" geschrieben. Wie es seiner politisch-amphibischen Natur entspricht, verneint er, daß es ein eigentliches Junkerregi- ment in Preußen gibt. Schon deshalb könne man nicht, wie er meint, davon sprechen, weil die Grundaristokratie Ostelbiens in dem industriellen Westen Ostelbiens ihr politisches Gegengewicht fände, und weil ferner die preußischen Junker, die als stockkonser- vativ ins Amt kämen, durch die Logik der Tatsachen nach zwei Jahren zu Liberalen gemacht würden. Zudem könnten doch Män- ner wie Bethmann, Tirpitz, Delbrück , Dernburg , Sydow, Wer- muth nicht als Junker bezeichnet werden. Immerhin muß auch Professor v. Schmoller zugeben, daß die Klage über die Macht der Junker in Preußennicht ganz unbegründet" ist. Interessanter als diese Meinungen ist eine kleine Erinnerung, die der Berliner Nationalökonom aus der Caprivischen und Hohen- lohcschen Aera erzählt, da sie recht treffend daS Verhältnis der agrarkonservativen Verwaltungsbureaukratie zum preußischen Staatsministerium schildert. Herr v. Schmoller erzählt: Als der 1390 mit Caprivi eintretende liberale Minister des Innern, Herrfurth, nach zwei Jahren abtrat, sagte er zu Miguel, aus dessen Munde ich es weiß, erhäbedie feudale Cliquenwirtschaft trotz aller Mühe nicht be- seitigen können. Hohenlohe hat als Ministerpräsident gegenüber den renitenten feudalen Landräten und Regierungs- Präsidenten einmal den Plan erwogen, einige Dutzend Landräte und Präsidenten auf einmal abzu. setzen und seinen Sohn zu diesem Zwecke zum Minister des Innern zu machen. Er meinte, er könnte als großer süddeutscher Standesherr den Haß des östlichen Adels wohl ertragen; nach ihm werde nie mehr ein preußischer Ministerpräsident dazu de n M u t h a b e n. Er konnte den Plan nicht durchsetzen, diese«. verwandelte sich in die Außerdienststellung einiger Beamten, die als Abgeordnete gegen den Kanal gestimmt hatten und dafür nach einigen Jahren eine um so glänzendere Karriere machten. Daß Hohenlohe diesen Plan nicht durchführen konnte, ist wohl doch ein Glück. Selbst Schwerin hat 18S3 bis 1859 als Minister des Innern sich einer ähnlichen Massenabsetzung, welche die Liberalen forderten, widersetzt. Wir sehen in Frankreich die schlimmen Folgen des UmstandeS, daß jeder Ministerwechsel einer so großen Zahl Präfekten die Stellung kostet. Eine lang. same in der Stille sich vollziehende Veränderung, wie sie Man- teuffel im Osfizierkorps vornahm, ist vorzuziehen. Unter Um- ständen freilich ist auch solche Gewaltkur nicht zu vermeiden." Besser als durch diese Reminiszenz kann die Herrschaft der Junker im Preußischen Polizeistaat kaum nachgewiesen werden. Zur Einschränkung der Prügelpädagogik soll der Kultusminister Preußens so lesen wir in bürger- lichen Blättern vom Ostersonntag der Lehrerschaft die folgenden zehn Merksätze gewidmet haben: 1. DaS Recht der körperlichen Züchtigung soll dem Lehrer nicht genommen werden. 2. Ehrensache des Lehrers mutz es sein, die Anwendung der Körperstrafe in seiner Sckmle auf ein Mindest- maß zu beschränken. 3. Mißbrauch des Züchtigungsrechts verrät mangelhafte pädagogische Durchbildung. 3. Die Körperstrafe ist kein geeignetes Mittel zur Beförderung des Lernens. 5. Sie soll nie angewandt werden, ohne daß zuvor der etwaige Einfluß häuslicher oder physiologischer Verhältnisse auf das Ver- halten des Schülers gewürdigt worden ist. 6. Die Körper- strafe darf in ihrer Anwendung weder die Gesundheit des Schülers schädigen, noch seine Ehre antasten, noch die Schamhoftigkeit ver- letzen. 7. Ueberschreitung des Züchtigungsrechies sührr nickt selten vor die Schranken des Gerichts, auch wenn sie nur im Eifer, in Erregung oder in der Entrüstung geschehen ist. 8. Der Lehrer soll darum zum Schutze nicht nur der Schüler, sondern auch seiner eigenen pädagogischen Würde alles beacklen, was das Handeln im Affekt erschwert. 9. Insbesondere empfiehlt eS sich immer, in an« nicht mehr romantisches Heldentum, sondern nur noch Massenmord im Kriege zu erblicken. Es ist die Technik, die uns Tauscnd- meilenstiefel und Riesenarme und Feenhände verliehen hat, die uns im Eilmarsch dem Internationalismus zuführt. DieNational"- ökonomie ist längst zurWelt "wirtschaftslehre geworden; ein Staat lebt vom anderen, und mit dem Welthandel gedeiht der geistige Internationalismus. Parteien und Berufe sind enttveder schon international organisiert oder sie sind auf dem besten Wege dazu. Wie die gesellschaftliche EntWickelung von der Familie aus- ging und über Sippe und Stamm zur Nation führte, so wird sie hierbei nicht stehen bleiben: ihr Endziel ist der Weltstaat. Das Völkerrecht von früher bezog sich auf die Kriege allein, heute müssen wirtschaftliche Forderungen bereits international geregelt werden. Wenn auch die deutsche Diplomatie dafür noch kein Per- ständnis besitzt, so wird sie durch die Verhältnisse schon gezwungen werden, einzusehen, daß man um einer Casablanca-Affäre willen nicht die ganze Welt in den Harnisch bringen darf. Alsdann wird auch dem unsinnigen Wettrüsten dos Ende nahen. Deutschland opfert jährlich für Militärzwecke 1?1 Millarden Mark. Könnte man diese..Volkserziehung" nicht auch billiger haben, wenn man sich auf Abrüstungsvorschläge einließe, und ist es nicht auch eine nationale Ehre, wenn alle Staatsangehörigen sich satt essen können? Für unsere ganze soziale Fürsorge wird in einem ganzen Jahre nur so viel wie für einen einzigen Riesenpanzer aus- gegeben. Für den erkrankten monistischen Theologen Dr. Lipsius- Bremen sprang Prof. Pentzig ein, der unter dem Thema: Kirche und Religiosität" eine von starken Ausfällen strotzende Philippika gegen das Kirchentum hielt: Auch die Kirche, insbesondere die katholische, ist international; aber dieser Jnter- Nationalismus hat uns noch keine Segnungen gebracht. Wohin er kommt, sät er Glaubenshaß, und der ist stärker als Nationalitäten. haß, und dadurch zerstört die Kirche die innere Harmonie des ein- zelnen Menschen. Daher ist der Kampf gegen sie eine Kulturtat. Unsere Politiker nennen sich stolz Realpolitiker, d. h. sie werten auch Ideales nur real, und sehen also in der Kirche einzig und allein den realen Machtfaktor. Wären sie ein wenig Kulturpolitiker für ideale Güter, sie hätten sich schon längst gegen das Kirchen- tum, d. h. gegen die Entartung der Religiosität, gewandt, die da« mals entstand, als man statt des Kämmerleins im Innern prun» kende Tempel zur Anrufung der Gottheit brauchte. Wer einen Mittler für sein Seelenheil nötig hat, der ist nicht religiös, und ein solcher Mensch verfällt natürlich einer Kirche als einer Seelen» Versicherungsanstalt. Dem Monopol auf denalleinigen Weg zur Seligkeit" und dem Monopol auf dieewigen Wahrheiten", die eine Entwickelung verhindern sollen, gilt unser Kampf. An dritter Stelle sprach sodann Prof. Gurlrtt über: Die Trennung von Kirche und Schul e". Der Keim zu dem großen Uebel des KonfessionalismuS in Deutschland wird bereits in der Schule gelegt, wo man die Kinder wie Lämmer und I gemessener Entfernung bom Schüler zu Kleiben. 10. Die. wirk« samsten Mittel, die Anlässe zur Anwendung der Strafen zu ver- mindern, sind gewissenhafte Lorbereitung, anregender Unterricht, strenge Selbstzucht." Wer wird im Machtbereich des preußischen Junkers,&cS~ preußischen Unteroffiziers, der preußischen Gesindeordnung und ähnlicher Preußereien einem Kultusminister auch nur dieses Wenige und Winzige von Einschränkung des Prügeins zutrauen wollen? Wir hatten die Mitteilung, daßvom Kultusministerium" ein Erlaß mit diesen Merksätzen ergangen sei, schon am Donnerstag voriger Woche in derPädagogi- scheu Zeitung" gelesen, von wo sie wohl ihren Weg in die Tagespresse gefunden hat. In derPädagogischen Ztg." stand aber die Nachricht nicht unter Preußen, sondern unter Bayern . Für Bayern klingt sie allerdings weniger un- glaubwürdig. Ter Kieler Freisinn im Wahlrechtskampfe. Kick, 29. März.(Privatdepesche desVorwärts".) Bekanntlich hat der Oberbürgermeister für die gemeinsame Sitzung beider städtischer Kollegien und der Stadtverordnetenvorsteher für die Stadtverordnetenversammlung es abgelehnt, einen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, beim Abgeordnetenhause und der Staats- regierung um die Einführung des Reichstagswahlrechts in Preußen zu petitionieren. Die sozialdemokratischen Stadtverord» n e t e n hatten deshalb zu der heutigen Stadtverordnetenversammlung zwei Anträge gestellt. Der erste verlangt, daß nur das Stadtverordnetenkollegium über Bedenken der Zuständigkeit zu entscheiden habe. Der zweite fordert, daß der sozialdemokratische WahlrechtSantrag auf die Tagesordnung der heutigen Stadtverordneten- Versammlung gestellt werde. Der erste Antrag wurde dem Seniorenauschuß zur Prüfung und Be� richter stattung überwiesen, der zweite wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und d e S freisinnigen Landtagsabgeordneten Hoff ab- gelehnt. In der darauf folgenden Sitzung des Magistrats und des Stadiverordnetenkollegiums brachte im Anschluß an eine Mitteilung des Vorsitzenden Bürgermeisters Lindemann über die Polizeikostcn Genosse Adler die unerhörten ll ebergriffe der Polizei bei der Wahlrechts- demonstration am 14. März zur Sprache und meinte, es fei an der Zeit, an die Stadtverordneten- kollegien den Antrag zu stellen, die Stadt Kiel von de? gänzlich für ihren Beruf unfähigen Polizei zu befreien. Hier wurde Genosse Adler von dem Bürger- meist er Linde mann unterbrochen, der erklärte, der Magistrat sei anderer Ansicht darüber als der Redner und seine Freunde. Auch könne er im Namen eines großen Teiles der Bevölkerung nur seine Genugtuung über da» zielbewußte Vorgehen der Polizei bei der Wahlrechts- demonstration zum Ausdruck bringen. Stürmisches Hört! h ö r t I und st ü r m i s ch e P r o t e st e der Sozialdemokraten folgten dieser Aeußerung. Als Genosse Adler auf diese Provokation ant- Worten wollte, schnitt ihm derselbe Bürgermeister Lindemann, der ihn also herausgefordert hatte, kurz das Wort ab. Kein bürgerlicher Vertreter protestierte gegen diese Vergewaltigung. So führt das freisinnige Kieler Bürgertum den Wahlrechtskampf!_ Maßnahmen gegen die Vieheinfuhr aus Dänemark . Die Vieheinfuhr aus Dänemark ist den Agrariern längst ein Dorn im Auge und das im vorigen Jahre beschlossene Viehseuchen - gesetz ist wesentlich zu dem Zwecke gemacht worden, alles Vieh- von der Einfuhr ausschließen zu lpnnen, sobald die Agrarier /as wünschen. Einstweilen geht es aber auch so. Von Berlin aus ist vorige Woche eine Kommission nach den Ouarantäneanstalten in Kiel , Flensburg und Apenrade , die für die Einfuhr von Vieh in Frage kommen, entsandt worden, um das aus Dänemarl ein- geführte Vieh der Tuberkulinprobe zu unterziehen. Nach den vor« liegenden Nachrichten ist fast die Hälfte der in den genannten Anstalten befindlichen Rinder für tuberkulös erklärt worden. Die Tiere wurden sofort getötet. Die dänischen Exporteure haben darauf den Export sofort eingestellt und rechnen auf eine Intervention der dänischen Regierung. In Dänemark erblickt man in dem Vorgehen der deutschen Negierung eine politische Maßnahme. Das ist wohl nicht der Fall. Der Bund der Landwirte wird der Regierung einfach den Wunsch ausgesprochen haben, in irgendeiner Form den unseren Junkern so unbequemen Böcke sondert und sie dadurch sicher nicht klüger und duldsamer­macht. Wir fordern mit Goetheein Christentum der Gesinnung und der Tat", eine unbedingte Absage an das Alte Testament, das heute noch aller Naturivissenschaft zum Trotz als Gottes Wort ge- lehrt wird, und Beseitigung des lutherischen Katechismus aus der Schule, der heute überlebt ist, durchaus nicht für die Kinder geeig- net und ein Marterstück für alle Erzieher ist. Wir stehen mit Pestalozzi auf dem Standpunkt, daß Religion Erleben ist. Zeigt den Kleinen diese Welt, und wem;.schon das Jenseits, dann auf. alle Fälle ohne Pastoralen Beigeschmack. Wir fordern mit den Sozialdemokraten, daß Religion Privatsache sei. Und für die Er» ziehung der Kinder darf ein alter, überwundener Glaube nicht die Grundlage bilden. Glaube ohne die Tat nützt der Menschheit nichts; aber Verantwortlichkeitsgefühl der Gesamtheit gegenüber und Treue gegen sich selbst, das müssen wir in unseren Kindern erwecken. Und gegen die Zwangspraxis von oben her gibt es nur ein brutales Mittel: Massenaustritt au» der Kirche. Am Sonnabend sprach als erster Redner Dr. Vielhaber über:Die Zukunft des deutschen Protestantis» in u 8." Vielhaber suchte nachzuweisen daß der MoniSmuS, die Weltanschauung von den Kausalzusammenhängen, nur eine orga- nische Fortentwickelung des deutschen ProreftanttSmus sei. Wir müssen allerdings unterscheiden zwischen einem kirchlichen und einem kulturellen Protestantismus, die sich seit etwa einem Jahr- hundert immer weiter voneinander entfernt haben; besonders seit den Zeiten Schleiermachers ist der Bruch offenbar. Der kirchliche Protestantismus ist teilweise unter dem Einfluß der Dynastie der Stagnation verfallen. An der Spitze des Protestantismus steht Luther . Wir dürfen allerdings nicht immer auf ihn zurückgreifen, da er häufig nicht einen Fortschritt, sondern einen Rückschritt be- deutete. Aber er hinterließ un» vor allem einen großen Gedanken, den der Autonomie der Einzelgemeinde. Und es wird eine Zeit kommen, wo die Kommune all das übernehmen wird, was die Familie nicht leisten kann, z. B. die Erziehung, und der plumpe. Staat wird dann von den Kommunen beherrscht werden. In diesem Sinne wirkten schon Herder, dessen Schriften lange nicht genug gc- lesen werden und sich besonders als Lektüre für die höheren Schulen eignen, und Schleiermacher , die man, wie überhaupt die besten Protestanten, als Vorläufer der monistischen Weltanschau- ung betrachten muß. Eine Katastrophe des Protestantismus steht unmittelbar bevor, aber nur des kirchlichen; und daran schuld ist nicht die moderne Wissenschaft, sondern die Schlafmützigkeit der kirchlichen und swatlichen Behörden. Sehr merkwürdige und energischen Widerspruch herausfor- dernde Anschauungen über das Verhältnis zwischenReligion und Sittlichkeit" entwickelte hierauf der in letzter Zeit viel- genannte Karlsruher Philosophieprofcssor Dr. Artur Drews. Nach ihm besteht das Wesen der Sittlichkeit in der Verwirklichung« objektiver, im Gegensatz zu derjenigen subjektiver Zwecke, und nur ein? solche Handlung hat sittlichen Wert, die suS einer sittliche»