Zeitung*, veröffentlicht eine Ministerialverordnung detreffenddie Aushebung der Ein- und Durchfuhrverbote für bestimmteWaarcn aus Teuschland, Frankreich, Belgien, den Nieder-landen und Rumänien sowie die Beschränkung dieser Ver-böte gegenüber Rußland.—Tie Neuwahlen in Frankreich sollen nach Zeitungs-Meldungen aus Paris am 20. August stattfinden.—Von der Homerule-Berathung. Bei der fort-gesetzten Berathung des dritten Paragraphen der Homerule-Bill stellte Tomlinson ein Amendement, durch welches dieRechte von Personen, die in Irland nicht domizilirt sind,der irischen Legislatur entzogen werden sollten. DaS Amen-dement wurde nach längerer Debatte mit LSI gegen 214Stimmen verworfen.Nach mehrstündiger Debatte wurde mit 291 gegen 25SStimmen das von Gerald Balfour eingebrachte Amende-ment abgelehnt, nach welchem die Ernennung von Richternund Bchördern von den Befugnissen der irischen Legislaturausgeschlossen werden sollte. Die Regierung hatte dasAmendement bekämpft.—Die Ausfichten des allgemeinen Wahlrechts inNorwegen. Aus Christiania wird telegraphirt:„Der Bericht des Konstitutions-Ausschusses enthält zurStimmrechtsfrage folgende Hauplvorschläge: Die Liberalendes Äusschnsses stiinmen pri;ipiell für allgemeines Stimm-recht, eventuell für sämmlliche Vermittelungsvorschläge. DreiMitglieder sind für sofortige Gewährung des allgemeinenStimmrechts an Frauen, Engelhardt und Michelsen sind dafür.daß den Frauen das Stimmrecht nach den jetzt für Männergellenden Bestimmungen gewährt wird. Die Mitglieder derRechten und Fretheim stimmen gegen jede Erweiterung desStimmrechts."—Präfident Cleveland hatte nach einer Meldung ausWashington gestern einem Berichterstatter gegenüber geäußert,er werde den Kongreß zu einer außerordentlichen Sitzungnicht vor dem 1. September, aber auch nicht nach dem15. Septeniber einberufen. Die Hauptaufgabe des Kongresseswerde es sein, eine geordnete Finanzlage zu schassen. Un-nöthiger Beunruhigung brauche man sich nicht hmzugebcn,da man in die großen Hilfsquellen des Landes unbegrenztesVertrauen setzen dürfe.—VsrketnsÄrirlrkett.Seinen 7S. Geburtötag feierte am 31. Mai der Dort-wunder Reichstags- Kandidat unserer Partei, Genosse T ö l ck e.Die Dortmunder Arbeiter ließen den Tag nicht vorübergehen,ohne dem verdienten Vorkämpfer ihre Sympathien zu bezeugen.Eine noch größere Freude werden sie unserem greisen Genossendadurch bereiten, daß sie alle Kraft daran setzen, damit er ausder Reichstagswahl am 15. Juni als Sieger hervorgeht.Von der Agitation. Am Sonntag verbreiteten etwaSl) Parteigenossen aus Heidelberg und den umliegenden Orten imganzen Wahlkreise Heidelberg-Eberbach-Mosbach25 000 Wohlflugblätter. Die Organisation dieser Arbeit war,wie die Mannheimer„Volksstimme" mittheilt, so eingerichtet,daß wobl kaum ein Ort des Kreises vergessen wurde. Wennman bedenkt, daß der Wahlkreis volle 105 Ortschaften umsaßtund einen Größen-Durchmesser von ca. 12 Stunden hat. so kannman sich eine Vorstellung von der Riesenleistung unserer Genossenmachen. Ihre Ausnahme war in fast allen Orten«ine sympathische.In vielen Orten meldeten sich Genossen zur Unterstützung undauch mehrere Lokale für Versammlungen wurden gewonnen.Bei den Stadtverordnetenwahlen in Freiburg i. B..wo wir bei der vorletzten Wahl 170 und die Gegner(Ultra-montane und Liberale) zusamnien 1600 Stimmen bekomnienhatten, errangen wir diesmal eine Stimmenzahl von 600, wäh-rend die Gegner nur 1100 bekamen. Ein Erfolg, der erhoffenläßt, daß bei der nächsten Wahl die Sozialdemokratie ins Rath-Haus einzieht.»••Neber die Wirksamkeit der RegenSburger Sozialdemokraten muß das ultramontane„Regensburger Morgenblatt"mit Schmerz berichten:„Leider finden sie überall Unzufriedene,die sich ihnen anschließen und der 15, Juni wird in der„schwarzen Provinz" unserer Oberpsalz eine Sprache sprechen,welche Viele in Erstaunen setzen wird."*führt. Außer seinem täglichen Gang nach dem PensionatChampuis, einem der vornehmsten der Stadt, in dem er dendeutschen Sprach- und Literatur- Unterricht ertheilt, undseinen Streisercien durch das Thal und längs den Uferndes Sees, sitzt er beständig an seinem Schreibtisch. SeineWirthsleute haben eine stille Verehrung für den ernstenjungen Mann mit den schönen traurigen Zügen, in deneneine schicksalsschwere Vergangenheit geschrieben steht, unddie doch wieder so gütig zu lächeln, so viel menschliche Theil-nähme auszudrücken vermögen.Es ist unser Freund Kurt Oettinger, der hier einstilles Asyl nach dem Sturm, der seine Jugend verwüstet.gefunden hat. Nach zweijähriger Hast ans dem Gc-fängniß entlassen, hatte er vergeblich gesucht, sich im Vater-lande zu halten.An die Griindung einer Existenz oder auch nur an einebescheidene Unterkunst war nicht zu denken. Eine Stelle alsHauslehrer mußte.er aufgeben, weil die Regierung fand,daß„seine Vergangenheit keine Garantie für seine Moralitätböte". So hatte er den Wanderstab ergriffen und demVaterlande den Rücken gekehrt, um in freierer Lust für dieVerwirklichung seiner Ideen zu arbeiten.Eben kehrte er aus der Pension Champuis zurück, inwelcher Wohnung zu nehmen er trotz der inständigsten Bittendes Jnstitutsvorstehers entschieden abgelehnt hatte. Er wolltesich nicht in das Joch eines Jnstitutslehrers spannen. Erwollte seine Zeit unbehindert den großen Arbeiten widmen,die er sich vorgesetzt. Das Unterrichten war ihm nur Mittel,nicht Lebenszweck.Die Luft in der Stube war trotz der milden Witterungdumpf und kalt. Er versuchte, sich ein Feuer im Kamin an-zuzünden, kam aber damit nicht gut zu stände. Das Holzmochte nicht ganz trocken sein. Es knallte und schwelte, undder Rauch schlug in die Stube. Als echter Philosoph zurResignation geneigt, in kleinen wie in großen Dingen, gaber den Versuch, es sich behaglicher zu machen, auf, öffneteThür und Fenster, um den Qualm sich verziehen*u lassen.und setzte sich, um einen Brief zu lesen, den er bei seinerRückkehr vorgefunden hatte. Derselbe war von fernem Ver-leger, der ihm über sein erstes größeres sozialwiffenschast-liches Werk Komplimente machte.(Forts, folgt.)Zu den bayerischen LandtagSwahle« schreibt die„Münchener Post": Wie wir erfahren, wird mit AusnahmeMünchens die Wahlkreiseintheilung dieselbe bleiben wie beider letzten Wahl. In München mußte angeblich eine kleineVerschiebung stattfinden, damit die 5 liberalen Sitze vonMünchen I. die so wie so schon bedenklich wackeln, besser ge-schützt sein sollen. München II ist bekanntlich schon als sozial-demokratisch festgelegt, darum wurden die der Stadt einverleibtenArbeiterquartiere, Schwabing, Neuhausen und Bogenhausen demWahlkreis München II zugetheilt. Der Wahlkreis München Isoll dadurch entlastet werden bezw. der rechtlich zustehendensozialdemokratischen Wählerschaft entledigt und die liberaleSache gesichert werden. In allbekannt schlauer Weise blieb dieZahl der zu wählenden Abgeordneten so bestehen wie früher.München I wählt 5. München II mit seiner Masse Stimmen1 Abgeordneten. Als Resultat erwartet man in Regierungs-kreisen 5 liberale und 1 sozialdemokratischen Abgeordneten.München III kann dann 3 Ultramontane wählen. Od die Rech-nung stimmen wird?* VTodtenliste der Partei� In Fechenheim. KreisHanau, erschoß sich an der Friedhofsmauer der seit Jahrenkranke Maurer Johannes Craß, um seinen unheilbarenLeiden ein Ziel zu setzen. Er war Mitglied des Gewerbegerichts.Wir verlieren in' ihm einen unerschrockenen, pflichteifrigen Partei-genossen. Ehre seinem Andenken!»»Polizeiliches, Gerichtliches«.— Mit Freisprechung endete in Stettin das hochnoth-peinliche Gerichtsverfahren, das gegen 11 Genossen wegen Ver-breitung von Druckschriften eingeleitet worden war. Im vorigenJahre hatten Genoffen aus dem Randow-Greifenhagener Wahlkreise eine Agitationstour in die Umgegend unternommen; siehatten die mitgenommenen Schriften vorsichtigerweise nichtöffentlich, sondern nur in den Wohnungen vertheilt. Trotzdemsollte jeder dafür 50 M. und noch einige Mark Kosten berappen.Das Schöffengericht erkannte natürlich auf Freisprechung undlegte auch die Kosten der Vcrlhcidigung der Staatskasse zur Last.Die Keichstagsmahlen.An die Parteigenossen! Auf der ganzen Linie ist derWahlkampf entbrannt und jeder Parteigenosse fragt sich wohl:Wie kann ich als einzelne Person der Partei nützlich sein undnamentlich die Genoffen auf dem Lande unterstützen? Wirmöchten durch diese Zeilen einen Fingerzeig geben, wie niandurch ein kleines Opfer manchmal viel mit zum Siege beitragenkann. Wir meinen nämlich, es müßte sich ieder Genosse ernstlichfragen, ob er vielleicht in irgend einem Wahlkreis und namentlichin ländlichen Gebieten Freunde, Verwandte oder Bekannte hat. Manschreibe umgehend ein paarZeilen an diese, worin man sieaufdenErnstund die Wichtigkeit der bevorstehenden Reichslagswahl aufmerksammacht und womöglich den Kandidaten des betreffenden Wahl-kreises nennt. Wir wissen aus Erfahrung, daß, wo vordem unsdie Herzen und Thüren verschloffen waren, nach einem solchenBrief die Landarbeiter etwas aufgerüttelt wurden und uns inden meisten Fällen Herzen und Thüren geöffnet sind, was dieweitere Agitation wesentlich erleichtert. Ihr, Genossen, sagtwohl, zu diesem Zwecke tragen wir ja Flugblätter hinaus undhalten Versammlungen ab. Aber von den Flugblättern werdennur die wenigsten aufmerksam gelesen und die Versammlungenwerden nur von einem kleinen Prozentsatz der Landarbeiter besucht,denn die Leute haben zu wenig Zeit. Man muß nicht glauben,daß der Landarbeiter unser Gegner ist. Nein, er glaubtnur, daß der Stimmzettel doch nichts nützt; er sagt, dieGroßen und Reichen machen doch, was sie wollen. Deshalb,Parteigenossen, muß es Eure Aufgabe sein, Euren Freunden.Verwandten und Bekannten brieflich begreiflich zu machen, daßin dem Stimmzettel eine Macht liegt; wenn Flugblätter nichtgelesen, Versammlungen nicht besucht werden, Briefe iverden aberauf jeden Fall gelesen, und wir haben Beispiele, wo solche Briefeschon fast Wunder bewirkt haben. So gering dieses Kampfmittelauch scheinen mag, in diesem Wahlkampf müssen alle ehrlichenMittel versucht werden, um die Gleichgiltigen aus ihrer Lethargieaufzurütteln. Wir schließen mit dem Rufe: Auf, ans Briefe-schreiben! Laßt die Reichspost unsere Flugblattverbreiterin sein.Nachtrag zur Liste der sozialdemokratischen Kandi-daturen. Durch Vertrauensmänner- Beschluß ist im18. hannöverschen Wahlkreise(Stade-Blumenthal) an Stelledes inzwischen zurückgetretenen früheren Kandidaten der Partei-genösse Alwin K e r r l aus Bremen als Kandidat für denReichstag aufgestellt worden. In L ü b e n- B u n z l a u(4. Lieg-nitzer) kandidirl an Stelle Geiser's-Brcslau Stolpe- Grünberg.In Landeshut- Jauer kandidirt Keller- Görlitz.In Breslau fand am 4. Juni eine imposante Massen-Versammlung statt,»n der der Kandidat für Breslau-West, Ge-nosse Schoenlank reserirte.— Die zwei Hauplführer desBreslauer Freisinns, die bereits in der Tutzauer'schen Bersamm-lung gesprochen hatten und ausdrücklich zu der Versammlung am4. Juni eingeladen worden waren, wurden in der Debatte vonSchoenlank so gründlich abgeführt, daß sie für diese Wahl«bewegung wenigstens ihre nutzlosen Redeübungen in unserenVersammlungen unterlassen werden. Außer einer allgemeinenResolution wurde, wie die„Volksmacht" mittheilt, folgendevon Frauen eingebrachte Resolution angenommen:„Die anwesenden Frauen und Mädchen erklären sich mitdem Referenten einverstanden und geloben, nicht eher zu ruhen,bis auch die Frauen politische Rechte, wie das allgemeine Wahl-recht, erreicht haben. Sie versprechen mit Muth und Opferfreudigkeit die Männer beim Wahlkampf zu unterstützen und Un-ausgeklärte anzufeuern, nur einem Sozialdemokraten am 15. Juniihre Stimme zu geben."Am 5. Juni sprach Schoenlank im„Feldschlößchen" in dembis auf den letzten Winkel gefüllten Saale, hunderte mußtenumkehren. Die Stimmung in Breslau-Ost und Breslau-West istvortrefflich.Die AgitationStonr, die Genosse Bebel nach Mittel-und Süddeutschland unternahm, wurde Montag Abendbeendet und kehrte derselbe gestern nach hier zurück. Morgengeht Bebel nach dem Norden und zwar nach Bremen. Hamburg(zwei Versammlungen), Lübeck. Kiel, Elmshorn und Neuniünster.Sämmlliche Versammlungen, in denen bisher Bebel sprach,waren überfüllt und mußten vielfach Hunderte undselbst Tausende wegen Mangels an Platz wieder um-kehren. Versammlungen fanden nacheinander statt in Leipzig,Eßlingen, Cannstadt. Stuttgart, Pforzheim, Karlsruhe. Mann-heim. Mülhausen i. Elf. und in Kassel. In den meisten dererwähnten Orte standen der Partei die größten dervorhandenen Lokale zur Verfügung, nur in Mül-hausen im Elsaß und in Kassel mußte man sich mit kleinenLokalen begnügen. In Stuttgart trat ein nationalliberaler Rechts-anwalt, in Mülhausen i. Elf. ein Ultraniontaner als Gegnerauf was unseren Genossen ein besonderes Vergnügen bereitete.An der entsprechenden Abfertigung fehlte es natürlich nicht.Einen«igenthüuilichen Verlauf nahm die Agitation in Straß-bürg In Elsaß-Lothringen besitzt die Polizei, aus grund alterfranzösischer Gesetzesbestimmungen, die man sorgfältigkonservirt und die man mit einer Rücksichtslosigkeitund Auslegungsfähigkeit handhabt, wie ähnliches unterder französischen Herrschaft unerhört war, einen nahezuunumschränkten Einfluß. Infolge dessen war in ganz Straßdurgund der nächsten Umgebung kein Lokal für eine Versammlung zuhaben. Aber die Slraßburger Genossen revanchirten sich. Alsam Freitag Mittag Bebel in Straßburg' eintraf, waren Tau-sende unserer Genossen und Anhänger auf und vor dem Bahn«hos versammelt, die Bebel mit demonstrativen Hochrufen enrpfiiigenund ihn in die Stadt begleiteten. Aber es sollte noch besserkommen. Die Genossen hatten in einem Vororte von Straßburgeine Scheune gemiethet, in der Sonntag Nachmittag eine Ver-sammlung stattfinden sollte. Die Polizei verbot diese Versammlungaus„baupolizeilichen" Gründen. Das Verbot wurde Freilag Abendim Versammlungslokal unserer Genoffen, in dem auch Bebel an-wesend war, bekannt und nun kam man überein, zur selben Stunde,in der die'Versammlung hatte stattfinden sollen, einen Ausflugzu veranstalten und zwar nach demselben Lokal, in der die Ver-sammlung sein sollte, und das mit einem großen Wirthsgartenverbunden war. Der Ausflug wurde in der Presse bekannt ge-macht mit der Anzeige, daß Bebel anwesend sein werde. Dieseshatte die entsprechende Wirkung. Sonntag Nachmittag fand einekleine Völkerwanderung nach dem sogenannten Hämmerle's Gartenstatt. Die Massen, die auf mindestens 20 000 Köpfe, Männerund Frauen, geschätzt iverden mußten, fanden nur zum kleinstenTheile im Lokale Platz, dafür ivurde aber um so lebhafterdemonstrirt, wo immer Bebel sich blicken ließ. Polizei undMilitär war in Menge aufgeboten, um Ordnung zu halten, esgab aber keine Gelegenheit zum einschreiten. Auch soll anerkanntwerden, daß die Polizei sich taktvoll verhielt und den sehr lautenDemonstrationen, die sich später auf der Straße»ach der Stadtund im Bahnhof von Neuhof, als Bebel nach Offcnburg ab-reiste, immer wiederholten, kein Hinderniß in den Weg legte.Dagegen wird die Polizeiverwaltung von Straßburg und weiterhinauf die Regierung am 15. Juni die Entdeckung machen, daßsie mit ihren Verboten und Maßregelungen einen schwerenpolitischen Fehler beging. Die Erregung in der Bevölkerung ist eine sehr große und die Opposition gegen denpolizeilichen Druck und das harte Regiment ist eineallgemeine. Auch verdient hervorgehoben zu werden, daß dersozialdemokratische Geist unter der Studentenschaft Straßburgseinen guten Boden gefunden hat und Studenten in größererZahl bei den Demonstrationen betheiligt waren. An einemAbend kam es sogar in einer Restauration Straßburgs zwischeneiner Anzahl Studenten, die Bebel hochleben ließen, und den an-wesenden Feldwebeln und Zahlmeistern zu einem Konflikt, dermit Thätlichkeiten endete.Die Reichslande werden bei den diesmaligen Wahlen über-raschende Resultate liefern. Unsere Genossen sind mit einerEnergie und Rührigkeit, welche die höchste Anerkennung ver-dient, überall an der Arbeit; ihr Eingreifen hat in den Reichs-landen ein politisches Leben erzenst, das bisher ganz unbekanntwar und das auch die Gegner zwingt, in den Kamps einzutreten.Der Hauptkampf ist zwischen Sozialdemokratie und Ultramonta-nismus entbrannt, das Protestlerthum tritt mehr und mehr inPassivität. Der Ultramontanismus sucht unsere Partei hauvt-sächlich auf religiösem Gebiete zu bekämpfen, muß aber dabei dieunliebsame Entdeckung machen, daß die dadurch hervorgerufenenDiskussionen nur der Religion schaden, die öffent-liche Diskussionen über ihre Dogmen und Glaubenssätzenicht vertragen kann. Im Reichsland stehen daher die Sachenso, daß mit jedem von der Sozialdemokratie gewonnenenAnhänger der Katholizisnms nicht nur eins seinerSchafe verliert, sondern auch einen neuen Gegner gewinnt. DieSozialdemokratie ist auch m den Reichslanden der Sauerteig,der die alten Parteien zersetzt, aber es auch bewerkstelligen wird,daß Pfaffenthum und Bourgeoisie mehr und mehr der Regierung indie Arme getrieben werden, womit einmal wieder die Theorie„von der einen reaktionären Masse" eine neue Bestätigung erhält.In den Reichslanden wie im übrigen Süddeutschland machenferner unsere Genossen die auch anderwärts vielfach bestätigteErfahrung, daß das Landvolk der sozialdemokratischen Agitationauffallend günstig gestimmt ist. Die Slimmenzahl der Parteiaus dem Lande dürfte sich erheblich vermehren, alles in allem be«trachtet kann die Partei dem 15. Juni gutes Muthes entgegensehen.Nicht programmmäßig verliefen auch die Versammlungen in Kassel.Hier sollten letzten Montag Abend 2 Versammlungen stattfinden,eine um S Uhr, hauptsächlich für die Parteigenossen, eine andereum S Uhr als allgemeine Versammlung. Während Bebel in derersten sprach und diese sich über 8 Uhr ausdehnte, begann einst-weilen Genosse P f a n n k u ch in der zweiten zu sprechen. Erkam aber nicht weit. Die Volizei erklärte, sobald sie aus derersten Versammlung eingetroffen war, daß das zum Erdrückengefüllte Lokal mehr Menschen enthalte als die baupolizeilichenBestimmungen zuließen und verlangte die Reduzirung der Theil-nehmerzahl. Dies stellte sich als unmöglich heraus. Auf dietrage des Vorsitzenden: ob die Anwesenden lieber auf die ganzeersammlung verzichten als sich dem Verlangen der Polizeifügen wollten, antworteten diese mit einem donnernden:Ja. Damit war das Schicksal der Versammlung be-siegelt. Der Kommissar erhob sich und erklärte dieselbefür aufgelöst, worauf dieselbe nunmehr mit frenetischenHochs auf die Partei, auf Bebel und Pfannkuch antwortete undalsdann unter den Klängen der Marseillaise den Saal räumte.Im Garten, in dem noch Hunderte vergeblich auf Einlaß ge-wartet, setzten sich die Demonstrationen noch eine Zeit lang fort.Alle waren darüber einig, daß die Auflösung besser als dieschönste Rede gewirkt und so ging man schließlich hochbesriedigtauseinander. Die Kasseler Genossen hoffen am 15. Juni denWahlkreis für die Partei zu erobern.Di«„Frankfurter Zeitung" berichtet von einer Versammlungin Baden- Baden, in der Bebel gesprochen habe und welchedurch die Nationalliberalen gesprengt worden sein soll. Andieser Nachricht ist kein wahres Wort, Bebelwar nicht in Baden-Baden, hatte auch nicht die Absichtdorthin zu gehen.In Speyer und Wiirzbnrg sprach Liebknecht am 3.und 4. d. M. in wahren Massenversammlungen unter lebhaftestemBeifall. Die Aussichten der Kandidaten für Speyer- Ludwigs-Hafen und den Würzburger Kreis, E h r h a r t und Fülle,sind die denkbar günstigsten.In Negenborn(Braunschweig) wurde die von sozial-demokratischer Seite einberufene Wählerversammlung zweimalvon der Kreisdirektion verboten. Die zum dritten Male ein-berufene Versammlung konnte endlich abgehalten werden. Aufeinem freien Platze außerhalb des Dorfes hatten sich ca. 500 Per-sonen aus Stadtoldendorf, Negenborn, Vorwohle, Braak undDeensen eingefunden, die den Ausführungendes Genossen Steg-mann aus Braunschweig über die bevorstehende Reichstags-wähl wiederholt ihre Zustimmung bekundeten. Ein starkes Ge-witter machte der Versammlung ein etwas vorzeitiges Ende.Unter Donner und Blitz stimmte die Versammlung der Aus-forderung des Referenten am Schlüsse seiner Rede zu, am15. Juni nur dem sozialdemokratischen Kandidaten ihre Stimmezu geben.Ans den Reichslanden. Die erste Wahlversammlung, dieder sozialdemokratische Kandidat für Mülhausen, GenosseBueb, dort abhielt, wurde von dem überwachenden Beamten auf-gelöst. Die„Straßburger Bürgerzeitung", das Organ des frei-sinnigen Bürgerthums, schreibt dazu:„Bueb ist der verbotenste und a u f g e l ö st e st e Mann in ganz Elsaß-Lothringen. Wollte er eine Liste seiner verbotenen Versammlungengeben, das würde eine Leporello-Liste werden mit dem Refrain:„Ader in Mülhausen 1003". Unter diesen Umständen wird esfür Herrn Bueb das beste sein, sich aus Elsaß-Lothringen zu ent-fernen— nach Berlin in die Leipzigerstraße. Dort kann ersprechen, wie ihm der Schnabel gewachsen— ohne Erlaubnißdes hohen Bezirkspräsidiums und ohne das Stirnrunzeln des ge-strengen Polizeikommissars fürchten zu müsse». Wir haben Grundzu der Annahme, daß. falls Herr Bueb Reichslags-Abgeordneterwerden sollte, gewisse Amtsstellen in Elsaß- Lothringen manch'harte Nuß knacken müssen, welche sie seit Jahren Herrn Bueb zuknacken gaben."