Engel: Das Tann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.— Rechtsanwalt Dr. Rosenfeld: Da Sie die Lorfälle vor Einschreitender Polizei genau beobachtet haben, so können Sie ja am bestenbeurteilen, ob tatsächlich ein Grund zum Einschreiten der Polizeivorlag?— Zeuge Engel: Meiner Meinung nach hat die Polizeinicht de» geringsten Grund zum Einschreiten gehabt.Noch zwei Untergebene Jagows.Uebcr die Borgänge in Treptow und die Frage, ob es sich dortum friedliche Spaziergänge oder um Demonstrationszüge handelte,sollten noch der vom Staatsanwalt vorgeladene PolizeihauptmannBernhardt und zwei Gendarmen vernommen werden.—Rechtsanwalt Dr. Rosenfeld protestiert gegen diese Berneh»tnung und beantragt event. Vertagung, da drin Angeklagten dasBrwciSthema nicht mitgeteilt und die Ladung dieser Zeugen erstvor einem Tage, die des PolizcihauptmannS Bernhardt gar erst inder lehten Nacht bekannt geworden ist, sodaß der Angerlagte nichtin der Lage acivescn sei, sich zu informteren. Das Gericht de-schloß, den Polizeihauptmann Bernhardt nicht zu vernehmen, da-gegen die Oberwachtmeister Heinemann und K e m m N i tz alsZeugen zu hören. Beide bekunden die verschiedensten Vorgängeaus dem Treptower Park, die ihnen die Ucberzeugung beigebrachthaben, daß es sich nicht um Gruppen harmloser Spaziergängerhandelte, sondern um Masscnansammlungen, die einer allgemeinerlassenen Ordre zu folgen schienen.Zcuye Heine mann meinte: Wenn es friedliche Leute ge-Wesen wären, so hätten sie nicht getan, was sie taten; denn meisten-teils wurden wir aiigeulkt. Auf die Frage des Vorsitzenden, obdie Räumung der Straße gelungen sei, antwortete er: Nach demSchlesischen Busch zu wurde die Straße bald geräumt. Dabeiwurden von den Leuten Zäune durchbrochen, und sie flüchteten indie Haustüren. Ich behandelte meine Abteilung als geschlosseneAbteilung, da mutzte doch alles frei werden. Es wurde dannnotwendig, auch die Elsenstratze zu räumen. Dort war mehr Jan-Hagel darunter. Als ich vorging und dann wieder zurückging,wurde mit Steinen geworfen. Nach meiner Beobachtung glaubeich, daß auch zwei Schüsse fielen, ich hörte sie ganz schwach. Ichhabe Attacke reiten lassen müssen, weil wir angegriffeir wurden.Sie flohen über Zäune und besonders in zwei größere Gastwirt-ischaften hinein.Zeuge K c m m n i tz schilderte die Gefahren, von denen«r sich bedroht geglaubt hatte. Weil doch„durch dies Blattbis Volksniasse eine so verhaßte begeisterte Stimmung anaenom-rnen hatte", sei er auf alles vorbereitet gewesen. Schon im Baum-schulenweg habe er morgens in einer Höhe von 1l)—l2 Metern ein„furchtbares Plakat" bemerkt:„Hoch das allgemeine Wahlrecht!"Zeuge will wahrgenommen haben, daß vormittags um 11 odera/it2 Uhr Leiter der sozialdemokratischen Partei auf Rädern undtn Automobilen hin und herfuhren, um sich zu informieren undandere Maßnahmen zu treffen. Er habe sogar gehört, wie Vor-übergehende bestimmte Namen nannten. Als der Verteidiger dieNamen zu wissen wünschte, antwortete Zeuge, er könne sich nichtmehr darauf besinnen, aber Hauptsache sei ja, daß es Partcileiterwaren, man kenne sie ja auch persönlich. Auf erneute Nötigungwich er auö. er möchte die„Herren nicht in Verlegenheit bringen.Luch das erzählte er. daß Zettel verteilt worden und Aeußeruugcngefallen seien, cS passiere etwas, man Iverde die Polize» nieder-schlagcir. Hinterher wurde festeestellt, bah er diese gruseligen Ge»schichten nur vom Hörensagen durch seine Frau wußte. Der An-geklagte wünschte zu wissen, welches Blatt denn die Menge„ver-i�ctzt" haben solle, wie der Zeuge sich ausgedrückt hatte. Zeuge:Hauptsächlich der„Vorwärts". Angekl.: Liest er ihn selber?Zeuge: Jawohl, ich muß ihn ja lesen. Uebcrhaupt über solcheNeuigkeiten bin ich sehr informiert. Ich halte stets auf Fühlung.Der Angeklagte forschte erneut nach den Namen der Partei-»citer, die Zeuge habe nennen hören. Vorsitzender: Daö isterledigt. Er hat gesagt, er weiß sie nicht. Angeklagter: Ichbin aber nicht zufrieden hiermit. Er hat gesagt, er wolle keinenin Verlegenheit brttracn. Zeuge. Ich kann es nicht mehr sagen.Angeklagter: Warum sagen Sie denn dann, daß Sie keinenin Verlegenheit bringen wollen? Zeuge: Wenn Siez durchauswissen wollen: Im Haus habe ich es erfahren, von meiner Frau!Nach der Vernehmung dieses Musters eines Zeugen, dessenBekundung ergibt, daß er zu einer objektiven Auffassung unfähigist, wurde die Beweisaufnahme geschlossen.Beweisanträge.Rechtsanwalt Dr. Rosenfeld beantragt hierauf die Vev>«ehmung der RcichStagSabgcordneten Stadihagen, Got-Hein. deL Chefredakteurs der„Breslauer Zeitung" Oehlkc,des Prof. Otto H a r n a ck und des Vorsitzenden des Ver»eins Treptower Gastwirte. Diese würden alS Zeugen übereinstimmend bekunden, daß sich die Manifestanten im Gegensatz zuder Polizei durchaus ruhig, gesittet und anständig benommenhaben, daß ihr Verhalten nicht geeignet war, den Verkehr zu stören.Da. wo Störungen eintraten, diese durch die unerklärlichen Maß»nahmen der Polizei verursacht worden seien. Der Reichstagsab-geordnete Stadthagen solle ferner bekunden, daß der mehrfacherwähnte Mann, der aus einem Automobil ein rotes Buch ge-schwenkt und die Leute zu Hochrufen aufgemuntert haben soll, nichtKleines feuilleron.Da» Ende der GchiiapSjunkrr. Klingt es nicht wie«ine Ironieher Geschichte. daß die Macht deS schnapsbrcnnenden Junkertumsdurch ein unscheinbares neues chemisches Versahren erschüttert zuwerden verspricht? Und doch scheint cS Wirllichkcit werden zuwollen. Das Fundament eines großen Teiles unserer angestammtenJunlerklasse beruht auf dem Alkohol. und da daS Junkertum nachden Errlärungen unserer Staatsmänner das Fundament deöpreußischen Staates ist, so sollte die Schnapsflasche ins Staats-Wappen aufgenommen werden. Denn der Schnaps gewährleistetseinen adeligen Produzenten nickt bloß die ökonomische Existenz,sondern ist leider auch immer noch ein lvichtigeö BeherrschungSmUlelüber die unter der Fuchtel Dahinvegetierenden.Der Schnaps ist ein besonderer Saft, nicht nur in seinen tndivi-buellen und sozialen Wirkungen. Auch seiner Produktion nach. Bis-her war er agrarisch. AuS dem Segen der Felder und Becker, derNahningSzwecken dienen sollte, wurde das BetäubungS- und Be-herrschungSmittel gewonnen. Kartoffeln und Korn waren daS Roh-produkr, ans dem dieser.Geist" erstand, und die schützende Handder agrarischen Regierung sorgte durch Zölle und Liebesgaben dafür.daß ihre Lieblinge ihr gutes Auskommen bei der in jedem SinneVolksvergiftenden Tätigkeit fanden.Die Wissenschaft, die vor nichts Respekt hat und darauf aus ist.überall zu revolutionieren, hat längst begonnen, die alten agrariichciiProdullionSmeihoden umzustürzen. Die wichtigsten Farbstoffestellt sie heute synthetisch her. Warum sollte die Chemie vor demjunkerlichen Alkohol Halt machen? Lange wußte man schon, daßdie Zellulose, der Holzstoff, dieselbe Zusammensetzung hat wie dieStärke deS Korns und der Kartoffeln, daß man auch aus ihr Zuckerund damit durch Gärung Alkohol gewinnen kann. GelungeneLaboratorimnSversuche, aus Renntiermoos, Torf oder Holz durchBehandlung mit Säuren Zucker zu machen, liegen denn auch be«ttits vor.Allein alle diese versuche waren technisch und ökonomisch deralten agrarischen Produktionsart nicht gewochsen. Jetzt ist indes einVerfahren gefunden, daS aus Zellulose Alkohol mit erheblich ge-ringeren Kosten herstellt, als sie bei den bisherige» Methoden üblichwaren. Aus Schweden und Kanada werden gleichzeitig solche er-folgreichen neue» ProdullionSmethoden gemeldet. Freilich wird esnoch harter Käinpfe bedürfen, bis die industrielle Spiritlisgewinnungfick gegen die agrarische durchsetzen wird, abep technische Fortschrittelassen sich aus die Dauer selbst von einer Juiifcrregienmg nicht auf»halten. Der billige Spiritus der Zukunft wird freilich andere Auf«gaben erhalten als der Junkerschnaps, deu er verdrängen wird' erwird nicht der Gehirnumnebelung dienen, sonder» eine wohltätigeLicht- und Kraftquelle sein.ziir sozialdemokratischen Partei gehörte, und von einem Sozial-demokratcn aufgefordert worden sei, sein Treiben zu unterlassen.— Der Staatsanwalt beantragt die Ablehnung dieser Be-wcisanträge, weil es sich einerseits hier nicht um die Frage, obLandfriedenSbruch vorliegt, handelt, sondern einfach darum, obAufzüge veranstmltet worden sind und der Angeklagte dazu auf-gefordert hat, anderseits aber als wahr unterstellt werden kann.daß diese Zeugen von ihrem Standpunkt aus zu der Ueberzeugunggekommen sind, daß sich die Manifestanten musterhaft benommenhaben.— Das Gericht lehnt die BeweiSanträge ab, indem esdie in das Zeugnis dieser Zeugen gestellten Tatsachen als wahrunterstellt.Plaidoyers.Zur Schuldfrage führte Erster Staatsanwalt Steinbrechtaus: Bei der Frage, ob sich der Angeklagte strafbar gemacht hat.kommt es aus die Bestimmungen des ReichSvereinsgesctzes an. E ölommtnichtinFrage. obdieAnordnungdesPoli-zeipräsidenten, daß et inner ha 16 Berlins keineGenehmigung erteile, zu Recht ergangen ist odernicht. ES ist auch für diese Verhandlung ganz unerhebliche obdas Oberverwaltungsgcricht das Verhalten des Polizeipräsidentenbilligen wird. Gleichgültig ist eS ferner für diese Verhandlung, obdie»ichutzmannschast und die Gendarmen ordnungsmäßig sich benommen haben oder nicht, unerheblich ist eS. wie sich die einzelnenLeute, die zu den Manifestanten gehörten, sich benommen haben.Das ReichSvereinSgesetz sagt ebensowenig wie das frühere. waSunter Aufzügen und Versanimlungen zu verstehen ist. Und das mitRecht. Das ist im einzelnen Falle eine Tatsrage, die im einzelnenzu prüfen ist und nicht generell beantwortet werden kann. Der„Vorwärts" hat ein Urteil des Kammergerichts zitiert, wonach D e-monstrationen an sich nicht strafbar seien. DasKammergericht hat aber nur in einem Einzelfalle sich geäußert, ineinem anderen ganz ähnlichen Falle hat das Kammcrgericht gesagt:Ein Aufzug ist eine vereinigte Menschenmenge, die sich über dieöffentlichen Straßen in einer Weise bewegt, die die Aufmerksamkeitdes Publikums zu erregen und den Verkehr zu beeinträchtigen ge-eignet ist. Nach längeren juristischen Ausführungen über den Be-griff„Versammlung" und„Veranstaltung" kommt der Staats-anwalt unter Vorführung des Inhalts der einzelnen Artikel zu demSckstuß, daß der Angeklagte�die Absicht gehabt habe, Aufzüge zu ver-anstalten, daß solche Aufzüge vorlagen und auch Versammlungensich gebildet haben. In der Oessentlichkcit ist nun allerlei geltendgemacht worden, um die Ansicht des Polizeipräsidentenlächerlich zu machen. Man hat gesagt, daß schließlich auchLeute, die zur Kirche gehen, einen„Aufzug" darstellen würben. Voll-ständig fehlgegriffen! Die Leute, die zur Kirche gehen, wollen nichtauffallen und den Verkehr nicht stören! Man hat ferner auf Leuteverwiesen, die ihre Pferde an den Sonntagen bewegen. Diesemachen aber keinen Aufzug, denn sie wollen eben ihre Pferde be-wegen und tun eö nicht, um Aufsehen zu erregen. Auch bei Man-dervereinen, auf die man hinweist, trifft das gleiche zu; diese Man»dcrvercine wollen nicht gesehen werden, sondern sie wollen sehen!Selbstverständlich kann jeder derartige erlaubte Zug durch irgend»einen Zwischenfall zu einem Aufzug werden. Wenn die Mitgliedereines Gesangvereins, die sich auf einem gemeinsamen Spaziergangbefinden, plötzlich eine Fahne entfalten und singend durch dieStraßen ziehen, so haben sie sich plötzlich in einen Auszug vcrwan-delt. Solche Aufzüge sind wandernde Versammlungen, die jedenAugenblick sich auslosen und dann wieder zusammenziehen unddamit wieder zu Versammlungen werden. Die» trifft auch hierin diesem Falle zu. Man hat die Parole von dem„Recht auf dieStrasse" ausgegeben. Gewiß hat das arbeitende Volk das Recht aufdie Straße und niemand wird ihm einen Erfolg durch Benutzungder Straße mißgönnen, aber die Leute haben nicht das a l l e i n i a eRecht auf die Straße. Der Staatsanwalt beantragt schließlichSechs Wochen Haftgegen den Angeklagten, indem er ausführt, eS handele sich um einfür den Staat ungeheuer gefährliches Unternehmen, um eine or»ganisierte Verhöhnung des ReichsvereinSgesetzes und der Anordnun.gen des Polizeipräsidenten.Rechtsanwalt Dr. Rosenfeld tritt dem Staatsanwalt in län-geren juristischen und tatsächlichen Ausführungen entgegen. Erführte unter anderem aus: Als nach dem ö. März sich in den wei.testen Kreisen allgemeines Gelächter darüber geltend machte, daßder Polizeipräsident Demonstranten in Treptow suchte und dieWahlrechtsspaziergänger sich inzwischen im Tiergarten ergingen, dahabe man wohl kaum gedacht, daß diese Sache, die den Humor an»fachen mußte, noch die Staatsanwaltschaft beschäftigen würde. DieStaatsanwaltschaft sei auch offenbar in Verlegenheit gewesen, wiesie die Sock?e frisieren könne. Zuerst sollte sich der Angeklagtestrafbar gemacht haben durch Aufforderung zum Ungehorsam gegenAnordnungen des Polizeipräsidenten. Der Staatsanwalthabe aber bald eingesehen, bah man damit nicht weiter kommenkönne und habe dann zum Vercinsgesetz gegriffen, in der Hoffnung.damit dem Angeklagten beikommcn zu können. Aber auch dieseAnklage sei unhaltbar, weil von all den tatsächlichen Behauptungen,die gegen den Angeklagten vorgebracht wurden, weder durch dieBeweisaufnahme, noch durch die Artikel, um die es sich handelt,Die Leute am Aetna. Wie früher bei ähnlichen Gelegenheitenhaben au» bei der jetzigen Eruption des Aetna viele Zeiiungen inihren Schilderungen der Gefahren, von denen die Bctnadörfer be»droht sein sollen, stark übertrieben. Hat man doch sogar behauptet,daß die Lava mit einer Geschwindigkeit von 17 Kilometer in derStunde vordringe. Der sozialistische Abgeordnete De Felice machtsich im„Corriere di Catania" über die Wahrheitsfälscher lustiguild erzählt bei dieser Gelegenheit von einigen Eruptionen deöAetna, die besonder» gefährlich zu sein schienen. Am IS. Mai 1886bildete sich der große Eruptionskegel in 1d00 Meter Höh«, und die Lavafloß mit unheimlicher Schnelligkeit bi» zu den ersten Häusern derblühenden Ortschaft Mcolosi; trotz ihrer Geschwindigkeit legte sieaber in dreizehn Tagen nicht mehr als 7 Kilometer zurück. Damalsbefand sich Nicolosi wirklich in großer Gefahr. Da man fürcbtete,daß den Bewohnern de» Ortes Schaden geschehen könne,iollte auf Befehl der Obrigkeit der Ort geräumt werden.Die Einwohner, Männer und Weiber, wollten jedoch die Häuser.in denen, sie geboren waren, unter keinen Umständen verlassen.Die Vertreter der städtischen und der staatlichen Bebörden mochtennoch so energisch austreten, die Leute von Nicolosi bliebenhalsstarrig und wiesen den Gedanken an einen Auszug voll Ent-rüstung zurück. Da erschien in der bedrohten Orischaft der KardinalDuSmct, Erzbischof von Catania und nahm im Einverständnis mitmehreren gebildeteren Ortsbewohnern zu einer List seine Zuflucht.„Ihr wollt also nicht von hinnen gehen?" sagte er zu derweinenden Volksmenge.„Nun gut. dann begleitet wenigstens dieHeiligenbilder, die wir doch in Sicherheit bringen müssen. auS derStadt."Und er ordnete eine große Prozession an. andcrfastdieganzeBevölkerungteilnahm..Ich selbst", so erzählt De Felice.„half eine» Baldachin«ragen. Die List gelang vollständig. AI» die Bevölkerung sich ausder Stadt entfernt hatte, rückten Soldaten ein, die schon rn einigerEntsernung gewartet hatten und sperrten den Ort derartig ab, daßkein Mensch mehr hineingelangen konnte. Die Lava machte aber.wie gesagt, vor den Toren von Nicolosi Halt, und die Eruptionging vorüber, ohne daß, abgesehen von den verwüsteten Leckern,besonders große Schäden zu verzeichnen gewesen wären."'Humor und Satire.'Eine» braven Bürgers Lenzidhll.Ich ging im Parke gen Treptow hin:Rasch heimzukehren, das war mein Sinn.Schnee fiel und Hagel; feucht war'S und wie lIch mußte niesen: Hatschi I Hatschi!Bleich kam ein Schutzmann mir nachgerannt:»Sie sind verhaftet. Sie Demonstrant!"«erwundert fragt' ich:.Wieso? Kam»!*—Da hieb der Blaue schon tapfer zu.etwas erwiesen sei. Man könne die angeblichen„Veranstalter* de«„Aufzüge", die es jedenfalls nicht gebe, nicht finden und wolle sichnun als Ersatz an den„Vorwärts" halten. Der Staatsanwaltoperiere mit Mutmaßungen, die durch die Totsachen in leiner Weisebekräftigt worden seien., Der Verteidiger widerlegt dann die ju-ristischen und tatsächlichen Ausführungen des Ersten Staatsanwaltsim einzelnen. Die Anklage müsse schön an dem Begriff der„Auf-forderung", die hier in keiner Weise nachzuweisen sei, vollständigscheitern. ES liege überhaupt kein„Aufzug" und noch wenigereine„Versammlung" vor. Der„Vorwärts" habe gerade den U n»t e r s ch i e d zwischen einem„Auszug"und ei n c m S p a z i e r-gang hervorgehoben und cS müsse doch bei uns noch möglich sein,daß Massen spazieren gehen, ohne sich dadurch strafbar zu machen.Der juristische Standpunkt des Staatsanwalts sei unhaltbar undschließlich sei dem Angeklagten doch nicht der Dolus nachguroeisen,der zu seiner Strafbarkeit erforderlich sei. Im Gegenteil habeder Angeklagte die volle Ueberzeugung gehabt, daß sich solcherSpaziergang durchaus im Rahmen des Gesetzes halte. Es liegekeinerlei Nachweis dafür vor, daß im Tiergarten„Aufzüge" statt-gefunden haben. Die Aussagen der Zeugen Wolfs und Engel lassendas Gegenteil erkennen, denn diese Zeugen haben übereinstimmendbekundet, daß sich die Menschen ruhig, besonnen und harmlos fort-bewegten, und daß, wenn sich die Menge staute, dies zurückzuführensei auf das ungeschickte und nervöse Vorgehen derPolizei. Wolle man dem Angeklagten irgend etwas von demzur Last legen, was von den Pol'zeibeamten bekundet worden ist,so wäre es nötig gewesen, eine umfangreich« Beweisaufnahme statt»finden zu lassen, um die Vorgänge nicht nur«inseitig zu prüfen.Nu» sei auch noch die Frage der.Führer" der Au'züge leffeberührt worden, ohne daß der SlaatSomvolt irgend einen Führerhabe nennen können. Die Polizei sei wahrscheinlich in der Lagezu sagen, wer die Züge.veranstaltet" bat, den» eS seien jaKriminalbeamte mit in den Zügen gewesen. I«einem Falle habe ein Mann, der längere Zeit neben einemDemonstranten marschierte, sang und wiederholt laut„Hoch!" rief,sich plötzlich als Kriminalbeamter vorgestellt und den Mann fest-genommen. Nehme man aber auch an, daß Auszüge stattgefundenhabe» und der Angeklagte dazu aufgefordert hat, so fehlt es dochan jedem Nachweis, daß ein ursächlicher Zusammenhangzwischen der Aufforderung deö Angeklagten und der Tatsache derAufzüge vorhanden ist. Man möge schließlich bedenken, welchenEindruck die Sache in der großen weile» Welt gemacht hat.Ueberau habe inan sich auf die Seite der Demonstranten gestellt.Das.Tageblatt" habe seinerzeit das Verhalten der Demonstrantenals ruhig und würdevoll bezeichnet und die„Voisifchc Zlg." habe an einWort deL Generals b. Albcdyll aus der Zeit des Bergarbeiter-auSstandes erinnert, welches dahin ging:»Im Ausstandsgebiet istalleS ruhig, mit Ausnahme der Zivilbehörden". Die„V o s s i s ch eZeitung' hat dieses Wort dahin variiert:.Im Tiergarten waralle» ruhig, mit Ausnahme der Polizei!" Andererseits brauche mannur die Kritiken über das Verhalte» der Polizei in der ausländischenPresse lesen, die, wie beispielsweise däs.Journal des DöbatS" undder.TempS", den grandiosen Charakter der friedlichen Manifestationenim Tiergarten anerkannt haben. Wenn der Angeklagte nicht frei»gesprochen werden würde, würde sich das Gericht in den striktestenWiderspruch mit der Rechtsprechung deS Kammergerichts setzen.Der Staatsanwalt versuchte die Aussührungc» de« Ver-teidigers zu bekämpfen. Bei der Veranstaltung deS Wahlrechts-spazierganges sei Barth der.Oberregisieur' gewesen, doch habeer— daö sei aus der Haltung des.Vorwärts" hervorgegangen—wohl selber noch am Vorabend das Ziel d eSSpazierganges nicht gekannt. Der Verteidiger»agelte in seiner Antwort den Widersgruch fest, daß der Staats-anwalt den Angeklagten als vermeintlichen„Veranstalter" hinstelltund gleichzeitig behauptet, dieser„Veranstalter" habe wohl selber nichtgewußt, wohin der Spaziergang gehen werde.Genosse Barth zerpflückte in seinem ihm als Angeklagten zu»stehenden Schlußwort nachmals die Argumente der Anklage unddes Staatsanwalts. Er gelangte zu dem Schluß, daß das Gerichtzwenn es gerecht mteile. ihn werde freisprechen müssen.Die Berküudung des Urteils.Durch da» Urteil wird der Angeklagte wegen Bergehen» gegenda» BereinSgefetz und zugleich gegen die ZK 110 und III St.-G.-B.zu einem Monat Haftverurteilt. Gleichzeitig wird auf Unbrauchbarmachung der in«kriminierten Artikel, Platten und Formen erkannt. Der Gerichts-Hof hotte, wie der Vorsitzende ausführt, nicht zu prüfen, obdas Verbot des Polizeipräsidenten zu Recht bestand. Die Sozial-demokraten hätten die Entscheidung des Polizeipräsidenten im Wegedes Verwaltungsstreitverfahrens angefochten. Anstatt in legaler Weisedie Entscheidung abzuwarten, habe der.Vorwärts" in Auflehnunggegen daS Verbot des Polizeipräsidenten die Absicht verfolgt,.trotzalledem" zum Ziele zu kommen durch einen„Spaziergang".Das Gericht habe zu prüfen gehabt: handele es sich tatsächlich nurum einen Spaziergang oder um einen anders gewählten Ausdruckfür einen öffentlichen Aufzug oder eine öffentliche Versammlung.Nach der Definition de» Obertribunals liegt ein öffentlicher Auszug»....... i. ssss�sss�saUnd als ich höflich ihm das verbot.Zog er die Plempe und schlug mich tot.Da» heißt: dreiviertel; im WachtlokalErwacht' ich leider zu weit'rer Qual.Vernommen ward ich zn Protokoll;Drauf kriegt ich nochmals die Hucke voll.Ich schlich nach Hause und kroch zu Bett;Fuhr nächsten TagcS inö Lazarett.Sechs Wocben lag ich; dann rief die PflichtMich zur Verhandlung vor'» Strafgericht.Von dort spaziert' ich ins Loch hinein;O selig, selig, ein Sozi sein!Nun sitz' ich feste auf dem PopoUnd frag' noch immer:„Nanu! Wieso?*—Im Herbst erst komm' ich, laut Urteil, frei;Der Teufel hole die Nieserei l_ Michel.Notizen.� Andrea» Achenbach, der älteste der deutschen Maler,ist im Alter von 04 Jahren in Düsseldorf gestorben. Wie seinjüngerer Bruder Oswald, der vor einigen Jahren starb, gehörte ereiner Generation von LandschaflSmalcr» an, die ihre entwickelungS»geschichtliche Bedeulung in der neueren Malerei gehabt haben, aberihre Zeit und Aufgaben— besonders in den beiden Achenbachs—um er» ganz Erkleckliches überlebten. Die Achenbachs, die beide bi»ins höchste Alter industriell wiederholten, waS in ihrer JugendKunst, Erlebnis und Fortschritt gewesen war. wirkten schließlichbeinah mythisch. Während Oswalds Domäne die südliche Land-schaft war, holte Andreas seine Anregungen aus der nordischenNaiur. Wie die gut bürgerliche Düsseldorfer Schule, von der siebeide ausgingen, huldigien sie einem realistischen, aber dabei wesent«lich aus interessante Stoffe ausgehenden Entdeckerdrang. Siemalten die starken und ougenfälligen Reize von Landschafte». die beiden damaligen Verkehrsmitteln noch fremd und beinahe exotisch an»muteten. Andreas A. hat in unzähligen Bildern, von denen jedeGalerie und jeder Kommerzienrat eins oder mehrere haben mußte,das wild bewegte Meer mit und ohne Schiffbrüche(zuerst aus derPhantasie und dann aus Grund eigenen SchauenSj, und berühmteund charakteristische Landschaften anö Norwegen, Holland, den Alpendargestellt.(In der Notionalgalerie hängt von ihm ein Küstenbildvon Ostende.) Schließlich war er Mode und Manier geworden undan Stelle seiner pittoresken Malerei war längst eine schlichtere, aberin viel höherein Maße naturwahre und malerische Landschaft»«auffassung getreten.