Die christlichen Brudervereins der anderen Berufe Befltze», wie Etneralsekretär Stegerwald berichtet, einen Fonds in der Höhe von S Miilionen und sie sind bereit, ihren kämpfenden Kameraden unter die Arme zu greifen. Die Unternehmer hassen die christlichen Verbände mehr als die freien, weil sie glauben, wenn die christlichen beseitigt wäre», die freien um so leichter mit Staatsmitteln erdrosselt werden können. Kollegen I Wir gehen schweren Stunden entgegen. Haltet Disziplin, auch wenn ihr die Matznahmen de§ Vorstandes nicht immer versteht. Im Kriege kann der Feldherr nicht feine Pläne offen auf den Markt legen. Kollegen, seid auf der Hut, datz der große Moment ein großes Geschlecht findet.(Stürmischer Beifall.) H119 acr frauenbcwegung* Polizeipraxis. Da® allgemeine Wahlrecht bat dem alten Oesterreich einen modernen Anstrich gegeben. Trotzdem,„entprentzt' hat es sich doch noch nicht! Unsere hervorragendste Kulrnrblüte, die Jagowsche PolizcipraxiS, wird dort mit Eifer kultiviert. Besonders die sozialdemokratischen FrauenklubS sind der Polizei in verschiedenen Bezirkshauptmannschasten ein Dorn im Auge, Versammlungen werden Verbote» oder sonstwie verhindert— nach berühmtem Muster. Die Preutzen-PolizeipraxiS erfreut sich demnach nicht nur bei den Man- teuffetn und Trarbachs, sondern aucv bei österreichischen Behörden entsprechender Sympathie. Auch ein Trost! Frauen im Arbeitsbeirat. Vor einigen Jahren wurde vom Parlament und dem Handels- Ministerium in Oesterreich eine Institution geschaffen, die alle sozialpolitischen Gesetze, welche dem Abgeordnetenhaus vorgelegt Werden sollen, einer Vorberatung unterzieht. Auch neue Gesetze tonnen in Anregung gebracht werden. Die Regierung ernennt die Mitglieder aus Vertretern der Arbeiterschaft, der Arbeitgeber, der Regierung und der Wissenschaft. Dieser wichtige Ausschuß hat selbstverständlich auch alle sozialpolitischen Fragen zu beraten, welche die Arbeiterinnen berühren. So die Arbeitszeit, die Kinderarbeit, den Wöchnerinnenschutz und alle anderen Probleme des Arbeite- rinnenschutzes. Trotzdem gehört dieser Institution keine einzige Frau an. Die wichtigsten Fragen der Frauenbewegung werden verhandelt, ohne datz es den Arbeiterinnen möglich wäre, auch nur durch eine einzige Delegierte dazu Stellung zu nehmen. Unser« Genossinnen propagieren nun energisch die Forderung an die Re- �ierung, auch Frauen in den Arbeiterbeirat zu berufen. Es sind za auch unter den organisierten Arbeiterinnen genügend Frauen vorhanden, die ein derartiges Amt ausüben können, und es wird nur an der Einsicht der Leiter des Handelsministeriums liegen, ob diese Delegation noch lange auf sich warten lassen wird. Die Wirkungen des Frauenstimmrechtes in Neuseeland . Die PoeplS Federation(Volkswahlrechtsvereinigung), die für das allgemeine und gleiche Wahlrecht eintritt, hat kürzlich ein Flugblatt herausgegeben, in welchem sie ausführlich über den Stand und die Wirkungen des Frauenwahlrechtes in Neuseeland spricht. dem ersten Staate, welcher das Frauenwahlrecht eingefiihrt hat. Sie beruft sich dabei auf Lady Stout, eine geborene Neuseeländerin, welche sert 30 Jahren im öffentlichen Leben des Landes steht. Ihr Zeugnis widerlegt die Behauptung, die Frauen benützten das Stimmrecht nicht. Bei der ersten Wahl stimmten 85,18 Proz. der Frauen. Von da ab stieg die Wahlbeteiligung beider Geschlechter; ein Beweis dafür, datz das Frauenwahlrecht eine allgemein an- feuernde Wirkung ausübt. Das interessanteste Ergebnis ist die gute Wirkung, die daS sich entwickelnde VerantwortlichkeitSgefühl der Frauen für die all- gemeine Wohlfahrt hatte. ES bildeten sich Vereine zur Förderung der Gesundheit der Frauen und Kinder, zum Schutze der Säug- linge, zur Erziehung der Frauen für eine gute Ausübung des Mutterberufes. Mit Stolz kann Lady Stout ausrufen: Wir können die höchste Eheschliehungsrate irgend eines europäischen oder englisch sprechenden Landes, mit Ausnahme Ungarns , aufweisen; eine Geburtcnrate, die nur von Italien , den Niederlanden und zwei australischen Staaten übertroffen wird. Die niedrigste Zahl unehelicher Geburten, England, die Niederlande und Irland aus- genommen, ist bei uns zu finden, und die n i e d r i g st e K i n d e r- sterblichkeit der Welt! Diese Feststellungen sind die beste Empfehlung der politischen Gleichberechtigung der Frau. Soziales. Russische Saisonarbeiter. Der Andrang der russischen Saisonarbeiter ist, wie aus Pieschen gemeldet wird, in diesem Jahre ein ungeheuer starker. Die dortige Zentrale, durch welche die Arbeiter nach den verschiedenen Teilen Deutschland » verschickt werden, wird an manchen Tagen von 2000 Russen passiert. An der Grenze lagert zurzeit ein Arbeiterheer von 0000 Mann, das infolge deS großen Andranges nicht abgefertigt werden kann. Während im Vorjahre von Pieschen auS 13000 Mann nach dem Westen befördert wurden, sind eS in diesem Jahre bereits 20000 Arbeiter. Die ausländischen Arbeiter sind durch einen Haufen Agenten über die Grenzen gelockt. Die Agenten haben zu- meist andere Gegenden wie früher aussuchen müssen, weil ein Ausländer, der die Rechtlosigkeit ausländischer Arbeiter in Preußen kennen gelernt hat, ablehnt, nach Preußen zurück- zukehren._ Reue Fürsorgegreuel. DaS katholisch« FürsorgeerziehungSheim Sankt gosephS-Stift in Klein-Zinimern bei Darmstadt mißbraucht, wie die neueste Stummer deS FabrikarbeiterorganS feststellt, die dort erzogenen jungen Menschen in scheußlicher Weise. Die der»Für- sorge" deS Stifts Anvertrauten werden ständig zum Einpacken von giftigen Farbstoffen benutzt. Nach dem Rezept der spanischen katholischen Erziehungsanstalten ist das Institut zu einer Art Fabrik oder Fabriifiliale umgewandelt. DaS ganze Jahr hindurch werden Büchse» und Dosen für daS C h e m i k a l i e n w e r k G r i e» h e i m am Main fabriziert, dazwischen für den MilitSrfiSkuS einige taufend Dosen. Der hessische Staat leistet für jeden Zögling, der in dieser Fürsorgefabrik drei Jahre gelernt hat. an das Institut SM M. Seit Jahresfrist ist man dazu übergegangen, die Dosen gleich im Stift des heiligen Joseph mit der giftigen Fuchsin- färbe zu füllenl! Das Werk sendet Farbe und Anzüge für die Zöglinge. So werden wöchentlich IM bis 120 Zentner Fuchsin »erwogen, gefüllt und verpackt. In dem Institut sind IM Zöglinge. zum Teil noch unter 14, Jahren untergebracht. davon gelten>30 Zöglinge als Lehrlinge anderer Gewerbe- abteilungen der Fürforgefabrik. Der Arzt stellte schon auf Grund der giftigen Arbeit erfolgte Erkrankungssälle fest, er mußte sogar für einen Zögling das Beschäfligungsverbot aussprechen. Es half diesem nur nichts, er mutzte auch weiterhin die für ihn verderbliche Arbeit ver- richten. Da» Institut ist rein katholisch, die Srztehungsbrüder werden extra aus Frankreich verschrieben. Hoffentlich macht nun. wo die Ding« endlich einmal an die Oeffentlichkeit kommen, die hessische Gewerbeinspektion der unglaublichen GeschäflSroheit dieser frommen Brüder ein schnelle» Ende. ES ist die Ausbeutung der Fürsorgezöglinge ein zum Himmel schreiendes Unrecht, daS besonders ab- stoßend und empörend wirkt, wenn e» unter fronunem Deckmantel de» Ruf.Lasset die Kindleia zu mir kommen' in widerlichst« Weise verhöhnt. Städtisch« ArkeitSkosenverfichcrung. In der Bürgerausschutzsitzung der Stadt Freiburg (Baden ) ge- langte nach dreteinhalbstündiger, zum Teil recht lebhafter und scharfer Debatte die Einführung der städtischen Arbeitslosenunler- stützung durch Stichentscheid des Oberbürgermeisters zur Annahme. Der Oberbürgermeister entschied sich für die Vorlage. Freiburg ist die erste badische Stadt, welche die Arbeitslosenunterstützung einführt._ Gefangene als Lohndrücker. In einer gut besuchten Versammlung, die der Genosse Fritz nbeil am 2. d. M. in Flatow in Wesjpreutzen abhielt, brachte ei» ischlermeister Schlichtbolz eine Angelegenheit zur Sprache, die von der Ausnutzung der Not der Arbeiter in jener Gegend beredtes Zeugnis ablegt. Im Februar dieses Jahres wandten sich elf arbeitslose Arbeiter in ihrer Not mit folgendem Gesuch an den dortigen Magistrat: Flatow. den l6. Februar 1910. Da die Arbeitslosigkeit auch in diesem Winter einen großen Umfang angenommen bat und infolge dessen eine gröbere Anzahl der Einwohner der Stadt ohne Beschäftigung sind, bitten die Unterzeichneten, sie doch bei den Arbeiten an der atten Jastrower Strotze«inzustellen. Darauf erhielten die Arbeiter vom Stadtrat Bütow unter dem 13. Februar folgende Antwort: Die Arbeiten an der alten Jastrower Strotze sind des eingetretenen Frostwett-rs vorläufig beendet, sollten dieselben im Frühjahr wieder aufgenommen werden, so bin ich sehr dafür, datz die unterzeichneten Arbeiter zu diesen Arbeiten herangezogen werden, wenn dieselben für das Tagelohn, welches die G e- fangen«» erhalten, arbeilen wollen. Flatow d. 18/11 1910 Bütow. Hier wird also gegen gewerbliche Arbeiter in die Praxis um- gesetzt, was der freikonservative Abgeordnete Gainp— jetzt von Gamp— vor einigen Jabren im Landtag gegen ländliche Arbeiter verlangte: den Arbeitern als Lohn nur daS zu zahlen, was für die Ueberlassung der Arbeitskraft an Gefangenen zu entrichten ist: die Gefangenen als Lohndrücker. Diese empörende Verhöhnung freier Arbeiter durch Gleichstellung mit Gefangenen löste in der Per- sammlung eine lebhafte Entrüstung aus. Der Appell, durch Zu- sammenschlutz in gewerkschaftlichen und politischen Organisationen dem frechen Uebermut der Unterdrücker ein Ende zu bereiten, fiel auch in dem zurückgebliebenen westpreutzischen Städtchen auf frucht- baren Boden. Gerichts- Leitung. Rezitation von Gedichten— politische Reden. Gelegentlich der Hundertjahrfeier des polnischen Dichters Slovacki veranstaltete der Verein junger Kaufleute in S a m t e r eine Feier mit Deklamationen und Gesangsvorträgen. Dazu waren auch die Mitglieder von vier anderen polnischen Vereinen des OrteS geladen. Der Bürgermeister erachtete diese Feier nachträglich als öffentliche anmelde- Pflichtige Versammlung, worauf auf Antrag des- selben— er ist gleichzeitig Amtsanwalt— das Amtsgericht den Handlungsgehilfen Cisielzhk mit einem Strafmandat von 30 Mark, die Pröpste Balkraski und Objezierze und den Geschäftsführer Nowak mit je 20 M a r k b e d a ch te, da sie als Leiter der„Versammlung" in Frage kamen. Auf ihren Einspruch sprach sie jedoch das Schöffengericht in S a m t e r frei. Auf B e r u f u n g der Staatsanwaltschaft hatte sich jetzt die Strafkammer in Posen mit der Sache zu befassen. Der Verteidiger der Angeklagten betonte, daß einmal die Veranstalter alle Mitglieder der in Frage kommenden Vereine deS kleinen Ortes genau kennen und daß zum anderen das Vortragen von Gedichten nicht als Reden angesehen werden könne. Staatsanwalt und Kammer waren anderer Meinung. Letztere entschied, daß„das Vor- tragen von Gedichten als Reden anzusehen sei", worauf über die Angeklagten das niedrigste Strafmaß verhängt wurde. nämlich auf den erstgenannten 10 Mark, aus die übrigen drei je 3 Mark Geldstrafe. Wäre das Urteil zutreffend, so eröffnen sich wieder un- geahnte Perspektiven zur völligen Vernichtung des Vereins- rechts durch Auslegungen, die dem Sprachgefühl ins Gesicht schlagen._ Das Angeld för einen nur schriftlichen Grundstückskauf ist zurück- zuzahlen. Der Erblasser der Kläger hatte von dem Beklagten ein Grund. stück nebst Inventar für 121000 M. gekauft und 10 000 M. an- gezahlt. Nach dem Tode des Käufers fochten die Kläger den Kauf an und verlangten Rückgabe der 10 000 M. Sie führten an, datz der Vertrag infolge des Mangel» der notariellen oder gericht. lichen Form, die für Grundstücksverkäufe vorgeschrieben ist, nichtig sei, und verlangten Rückzahlung der 10 000 M. DaS Landgericht und Oberlandesgericht Kiel erkannten gemäh dem Antrage der Kläger . DaS Urteil des OberlandeSgcrichtS Kiel ist jetzt vom Reichsgericht bestätigt worden. Und zwar führt die» in seinen Entscheidungsgründen auS:»Der Beklagte hatte aber weiter gegenüber der Nichtigkeit des Vertrages geltend gemacht, die Kläger hätten in fraudulöier Weise den formgültigen Abschluß deS Vertrages verhindert, uns er hat sich in dieser Hinsicht auf ß 815 des Mrgerlichen Gesetzbuchs bezogen. Das Oberlandes- gericht erachtet indessen diese Bestimmung im vorliegenden Falle nicht für anwendbar, und dem ist beizupflichten. ES ist davon auszugeben, baß derjenige, der einen formwidrigen und daher nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nichtigen Bertrag abschließt, sich die Geltendmachung dieser Richtigkeit seitens des Brrtragsgegner« gefallen lassen muß. Das entspricht der rechtlichen Sachlage, in welche er sich mit Wissen und Willen hineinbegeben hat. Der Vertragsgegner, der sich auf die Nichtigkeit beruft, macht lediglich von seinem Rechte Gebrauch; wenn er das tut, verstößt er nicht gegen Treu und Glauben; ob er die Rechtslage durch Abschluß des formgerechten Vertrages ändern will, ist lediglich Sache seiner Erwägung und Entscheidung. Danach kann gegenüber der formellen Nichtigkeit eines Akte» mit Erfolg nicht geltend ge- macht werden, es verstoße gegen Treu und Glauben, eine Nichtig. kcit geltend zu machen, welche durch Mitwirkung bei der Aufnahme eines formell gültigen Aktes gegeben werden könnte.(Vergl. Eni- scheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, Band 52, Seite 5.) Dadurch wird nicht ausgeschlossen, daß, wenn die Voraussetzungen des§ 826 gegeben sind, eine andere Beurteilung eintreten kann. Das Oberlandesgericht hat das aber im vorliegenden Falle be- denkenfrei verneint; eS liegt weiter nichts vor, als daß die Kläger unter Geltendmachung der Nichtigkeit sich von dem Vertrage, der nicht von ihnen, sondern tpn ihrem Erblasser abgeschlossen war. losgesagt haben. Inwieweit hierin ein Verstoß gegen§ 826 liegen könnte, ist nicht abzusehen. Der Beklagte kann sich daher auf§ Llö deS Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Erfolg nicht berufen." Ein kleiner„Kieler Wcrftprozeß", der aber nur auf dem Gebiete der Beleidigung liegt und in seinen Anfangsstadien bis zum Jahre 1902 zurückreicht, stand vor der S. Strafkammer des Landgericht« l Termin zur Hauptverhandkung an. Wegen Beleidigung des kaiserlichen Admiralitätsrats uns Unlversitätsprofessors Dr. Stoehr in Kiel hatte sich der Chemiker und Verleger Dr. Werner Esch in Hamburg zu verantworten. Er wurde beschuldigt, im Jahre 1906 und 1907 durch mehrere selb. ständige Handlungen den Prof. Dr. Stoehr im Sinne der S§ 188 und 186 beleidigt zu haben. Der Angeklagte war seinerzeit Assistent in dem Torpedobovt-Laboratorium unter Prof. Stoehr gewesen. und zwar zusammen mit einem Dr. Usener, der seine Stellung kündigte und in einem Bericht an die vorgesetzte Behörde behauptete, eS würde erzählt, daß Prof. Stoehr zugunsten einer von ihm auf- gestellten Theorie willkürlich Zahlen in Berechnungstabellen ein- gesetzt habe. Gegen Pros. Stoehr wurde daraufhin cm Jahre 1902 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das Reichsmarineamt stellte aber das Verfahren ein, weil es die Behauptung der Analysen- sälschung als widerlegt erachtete. In diesem Disziplinarverfahren ist auch Dr. Esch vernommen worden und hat eine dem Admirali - tätsrat Prof. Stoehr ungünstige Aussage gemacht. J.n Jahre 1907 wurde gegen den Angeklagten alsdann ein ehrengerichtliches Ver- fahren in seiner Eigenschaft als Leutnant der Reserve der Marine- infanterie eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens ist derselbe, wie bei der jetzigen Anklagesache. Das Verfahren ist bis nach Erledigung dieser Anklage sistiert worden. Durch letztere wird Dr. Esch be- schuldigt, gegenüber dem Großindustriellen Dr. Majert und dessen Sohn, sowie gegenüber dem früheren Direktor Dr. Senger in Rauxel behauptet zu haben, Admiralitätsrat Dr. Stoehr habe Ana- lysen gefälscht und sich nicht gescheut, dieses Vorgehen ihm, dem Dr. Esch in die Schuhe zu schieben. Es hat in dieser Strafsache — wie unseren Lesern erinnerlich— schon einmal Termin an- gestanden, der damit endete, daß der Angeklagte in dem Falle des Dr. Majert jr. freigesprochen und die Verhandlung der übrigen Fälle vertagt wurde. In der erneuten Verhandlung bestritt der Angeklagte, Aeutze- rungen in der beleidigenden Form, wie sie ihm zur Last gelegt werden, über den Admiralitätsrat Prof. Stoehr gemacht zu haben und behauptete, datz er in gelegentlichen Gesprächen lediglich über Tatsachen referiert habe. Im übrigen trat der Angeklagte für die von ihm behauptete Analysenfälschung den Beweis der Wahrheit an, indem er ausführte, daß der als Nebenkläger zugelassene Prof. Stoehr in einem Bericht an die Torpedodivision die Zahl 0,016 willkürlich für Silicium eingesetzt hätte, während die richtige Zahl 0,018 hätte lauten müssen. ES kam in mehrstündiger Verhandlung unter Vorsitz deS Landgerichtsdirektors Goebel zu eingehenden, teils wisscnsch-fftlichen, teils tatsächlichen Auseinandersetzungen, in denen die Ausführungen des Angeklagten vom Nebenkläger und seinem Rechtsbeistand Dr. Becherer lebhaft bekämpft wurden. Da der Verteidiger deS Angeklagten schließlich noch eine Reihe von Beweis- antragen zur Aufklärung des Sachverhalts stellte, denen der Ge- richtshof entsprechen zu müssen glaubte, so mußte die Sache vertagt werden. Ein umfangreicher KautivnSschwinbelprozeß begann gestern unter Vorsitz des LandgerichtSdirektorS Geier vor der 4. Strafkammer des Landgerichts I. Angeklagt wegen Betruges sind: der Kaufmann Paul Rubel, der Kaufmann Max Hermann, der Kaufmann Willi Thal, der Architekt Otto Hermann, der Agent Fritz Seifert und der Schlossermeister Hermann Liehr. Die Ver- tcidigung der Angeklagten führen die Rechtsanwälte Muözkat und Broh. Gegen den Angeklagten Rubel mußt« das Verfahren abgetrennt werden, da er es vorzog, den„wilden Mann" zu spielen, so daß er zurzeit in der Irrenanstalt Dalldorf auf seinen Geistes- zustand untersucht werden mutz. Ter Angeklagte Rubel , der als Haupttäter in Frage kommt, betrieb in der Stralauer Straße 13 14 ein Jnkassobureau. Außerdem unterhielt er in der Magazinstraße in Nixdorf eine Filiale. Ihm zur Seite stand der schon mehrfach wegen Diebstahls, Betruges und Unterschlagung vorbestrafte An- geklagte Biax Hermann. Obwohl sie beide über keinerlei Bar» mittel verfügten und schon den Offenbarungseid geleistet hatten, gründeten sie die Baugenossenschaft„Adler" in Form einer G. m. b. H. Die Firma wurde jedoch nie eingetragen, die beiden»Ge- sellschafter leisteten nie eine Einlage, von einem Geschäftsbetrieb war nie die Rede. Wie die Anklag« behauptet, soll diese Gesell- schaft lediglich zu dem Zwecke gegründet worden sein, um unrrfah. renen Leuten das Geld in Form von Kantionen abzunehmen. Um den Betrieb zu vergrößern, wurde in der Magazinstr. 16a eine ähnliche Firma gegründet, die sich stolz„Max Hermann, Hoch- und Tiefbaugesellschaft", nannte. Durch Inserate in Berliner und aus- wärtigen bürgerlichen Zeitungen wurden nun Materialienver- Walter, Kassierer, Buchhalter usw. gesucht, die sämtlich Kaution stellen mußten. Wenn die sich Meldenden Wertpapiere oder Spar- kassenbücher anboten, wurde ihnen von den Angeklagten bedeutet, daß die„AuffichtSräte" der Gesellschaft Barkautionen forderten. Auf diese Weise wurden u. a. ein Kaufmann Bendix um 3000 M., ein Kaufmann Wendler um 2000 M., mehrere Leute um 1500 und 1200 M. usw. geschädigt. Nebenher verschafften sich die An- geklagten außerdem noch die gesamten Kontormöbel, eine Smith- Premierschreibmaschine, Goldsachen und andere Waren auf Kredit, ohne jedoch an das Bezahlen zu denken. Die recht erheblichen Einkünft« aus diesem Geschäftsbetrieb wurden durch Zechgelage und kostspielige Automobilfahrten in die Seebäder an den Mann gebracht.— Die Angeklagten bestreiten zum Teil, sich strafbar ge» macht zu haben. Da zu der Verhandlung weit über 40 Zeugen geladen sind, so sind zwei Sitzungstage in Aussicht genommen. Wir werden das Urteil mitteilen. � Wie man wohlbestallter Hausbesitzer«erden kann» ohne einen Pfennig Geld zu besitzen, zeigte eine Verhandlung, mit welcher sich gestern unter Vorsitz des LandgerichtSdirektorS Dr. Liepmann die 2. Strafkammer des Land- gerichts II zu beschäftigen hatte. Angeklagt wegen Betruges bezw. Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung waren der Portier Wilhelm Filter, dessen Ehefrau Adelheid F. und die Iran Ottilie RadczewSki. Der schon wegen ähnlicher Betrügereien vor- bestrafte Angeklagte Filter hat eine aus Stube und Küche bestehende Wohnung in der Prinzenallee inne. Trotzdem nicht einmal die darin befindlichen Möbel ihm, sondern seinem Schwiegervater ge» hörten, bekam er eS fertig, in kurzer Zeit wohlbestallter Besitzer eines Hauses in der Nollendorfstraße zu sein. Der Angeklagte wandte sich an den Verkäufer des betreffenden Grundstücks und gab u. a. an, daß er Besitzer einer Hypothek von 34 000 M. auf ein Grundstück in Wien sei. Der Kauf wurde schließlich perfekt, wöbet der Angeklagte außer jener Hypothek für 2630 M. Wechsel als Anzahlung hergab. Zum großen Leidwesen deS Verkäufers stellte eS sich bald heraus, daß eS sich um eine Schwindelhypothek handelte. da das betreffende Grundstück überhaupt nicht bebaut war. Die Wechsel waren sogenannte Kellerwechsel, über die der Angeklagte nicht einmal verfugen durfte und die außerdem nicht eingelöst wurden. Bei diesem betrügerischen Vorgehen wurde Filter durch mehrere falsche eidesstattliche Versicherungen unterstützt, die von seiner Ehefrau und der Mitangeklagten RadczeweSki herrührten.— DaS Gericht kam nach längerer Verhandlung nur zu einer Ver» urteilung der Eheleute Filter, während die Mitangeklagte R. frei- gesprochen wurde. Mit Rücksicht auf daS gemeingefährliche Vor- §ehen des Ehemannes F. erkannte das Gericht gegen ihn auf ein lahr und gegen die Ehefrau F. auf 6 Wochen Gefängnis. Ein umfangreicher Prozeß wegen Verbreitung unzüchtiger Abbildungen und Schriften begann vorgestern vor der 1. Strafkammer des Landgerichts I unter Vorsitz des LandgerichtSdirektorS Blankmeister. Angeklagt wegen Vergehens gegen den§ 184 deS Strafgesetzbuchs sind die Buch- Händler Otto und Johannes Gcricke. Die beiden Angeklagten be» treiben in der Friedrichstraße in der Nähe des Bahnhofs eine Buch» Handlung. Eines Tages erschienen hier mehrere Kriminalbeamte und nahmen eine Haussuchung vor, bei welcher mehrere Hundert Bände einer gewissen erotischen Literatur i la Sacher-Musoch beschlagnahmt wurden. Außer zahlreichen Büchern in deuffcher Sprache befanden sich auch eine große Anzahl solcher französischen Ursprung» lowie eine Unmenge von Aktstudien darunter. Die Folge war die Erhebung der jetzigen Anklage gegen die beiden Inhaber. Zur Anklage stehen u. a. Bücher mit den Titeln»Unter der Rute des WeibeS",„Die Wonnen der Grausamkeit" usw. � Beschlagnahmt wurde seinerzeit auch ein von Dr. Hammer verfaßtes Wert»Die Körperstrafe vom ärztlichen Standpunkt".— Da die sämtlichen inkriminierten Bücher, die nach Hunderten sohlen, zur
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