Latz Ben MikglleBert» mit nteBrigen Göfincn biel mehr damit gedient ist, durch Stärkung der Verbandskasse die Organisation kämpf. fähiger zu machen, als sie in der Ansicht zu bestarken, daß für sie die Erhöhung des Beitrages um 10 Pf. pro Woche unerschwing- lich sei. Ueber die Einführung von Klassenbeiträgen erfolgt nament- liche Abstimmung. Sie wurde mit 12ö Stimmen gegen 14 Stimmen abgelehnt. Angenommen dagegen wurde gleichfalls in namentlicher Abstimmung eine Erhöhung des Berbandsbeitrages von 50 auf 60 Pfennig mit 118 gegen 21 Stimmen. Es wird dann in die Beratung der vorliegenden 51 Anträge eingetreten, die größtenteils dem bevorstehenden Verbandstag in München unterbreitet werden sollen und vorwiegend die Aende- rung statutarischer Bestimmungen von untergeordneter Bedeutung bezioecken. Tann wird noch ein Antrag angenommen, durch geeignete Maßnahmen genau festzustellen, welche Orte und Betriebe regel- mäßig oder zeitweise Bautischlerarbeiten für Gro�-Berlin an» fertigen. Nach einem kurzen Schlußtvort durch den Vorsitzenden Moaß wird die Konferenz mit einem Hoch auf den Deutschen Holzarbeiter- verband geschlossen. Tins Induftne und Handel Die Zollschraube. Nachdem aus die Revision des amerikanischen Zolltarifs die französische Regierung mit einer gleichen Maßnahme folgte, ist der Stein in« Rollen gekommen. Eine ganze Reihe von Ländern be» schäftigt sich augenblicklich mit der Revision ihrer Zolltarife, das heißt, mit einer Heraufsetzung ihrer Zollsätze. Die Maßnahme des einen Landes wird immer eine Gegenmaßregel von feiten eines anderen nach sich ziehen. In Belgien plant die Regierung nun, zur Vergeltung der französischen Zollerhöhungen, die aus Frankreich ein- geführten Waren etwas höher zu belasten. Sie kann eS aber nicht Verbindern, daß gleichzeitig auch die Einfuhr aus Deutschland be- troffen wird, wenn sie dies überhaupt verhindern wollte. Ferner beschäftigen sich noch Holland und Schweden mit Maßnahmen zur Erhöhung ihrer Zoll'ätze—„zum Schutze der heimischen Pro- duktion'. Nicht in alle» Ländern finden diese Bestrebungen jedoch eine» freudigen Widerhall. So sträuben sich in Holland die In- dustriellen, die geschützt werden sollen, gegen den erhöhten Schutz. Sie befürchten davon eine größere Nachfrage nach Arbeitern. Dann würde es mit den niedrigen Löhnen vorbei sein, die jetzt gezahlt werden. Preissteigerung in Aussicht. ES gibt kaum noch irgend einen Konsumartikel, der nicht von der Preistreiberei erfaßt worden wäre. Teils durch Verbrauchs- steigerung, die vielfach eine Folge technischer Entwickelung ist, teils durch Organisation der Produzenten und Händler gefördert, schnellen die Preise mancher Artikel scharf in die Höhe. Zurzeit steht wieder mal der Häute- und Ledermarkt im Zeichen der Hausse. Mit der Ausdehnung des Reiseverkehrs, der eine bedeutende Lederkoffer- und Toschenindustrie groß zog, serner die EntWickelung im Automobilbau und die wachsende Benutzung des Autos als Verkehrsmittel hatten eine starke Steigerung der Nachfrage am Ledermarkte im Gefolge. DaS trieb die Preise hinauf. Natürlich beeinflußte das die Ver- konfSpreise aller Erzeugnisse aus Leder, wie z. B. auch die Hand- und Fußbekleidungen aus diesem Material. Nach einer kurzen Periode etwas abschwächender Tendenz, der eine kräftige Hausse voraufgegangen war, macht sich auf den, Nohmaterialienmarkte nun- mehr eine erneute Preissteigerung bemerkbar. Bei den letzten Häute- Versteigerungen in Paris , Hamburg , London mußten wieder Auf- schlüge bezahlt werden. Die Lederhändler, die in der letzten Zeit bereits einige Male Preiserhöhungen eintreten ließen, planen natür- lick auch wieder durch PreiSaufichläge nicht nur die Mehrkosten zu decken, sondern, wie das so üblich ist, die Verteuerung des Roh- Materials als Mittel zu gebrauchen, ihren Gewinn zu steigern. Die Swuhsabrike» folgen selbstverständlich nach, schlagen noch wieder etwas mehr auf als die Händler. So muß schließlich immer der Konsument der Massenartikel am meisten leiden. Erhöhung de? KokspreifcS. In der Kohlenindustrie rechnet man schon wieder mit— Preisaufschlägen. Angeblich soll der Preis für Kols demnächst um 2 M. pro Tonne hinaufgesetzt werde». Ent- ziehung der Ausfuhrprämie und Preiserhöhung auf Rohmaterial, dos sind sicherlich ausgezeichnete Mittel, der Weiterverarbeitung in der Eisenindustrie das Leben— schwer zu machen. Vielleicht er- wartet das Syndikat, seine Ankündigung werde eine sofortige Steigerung der Nachfrage im Gefolge haben, so daß nur eine Stimmungsmache vorliegt. Baumwollstatistik. Die vom„Internationalen Verband der Bonniwollspinner- und Wcbervereinigungeit* veranlaßte und am 1. März abgeschlossene Statistik ergibt, daß bei einer abgeschätzten Totalzahl von 183421004 Spindeln, von denen 110 154 411 Spindeln der Welt berichteten, der Total-Baumwollvorrat in Ballen 4 180 638 betrug. Von den berichtenden Spindeln entfallen allein 48 818 234 auf Großbritannien und 28 000 Millionen auf Nordamerika . Aus Deutschland haben 0 801 450 und aus Oesterreich 4 303 048 Spindeln berichtet. Versand dcS StahlwerkSverbandcS. Nach vorläufigen Ermitte- lungen stellt sich der Versand an Produkten im Monat März auf zirka 588 000 Tonnen gegen 520 800 Tonnen im März 1000. Dem» »ach ergibt sich eine ziemlich erhebliche Versandsteigerung. Industrielle Konzentration. Einen interessanten Ueberblick über die Konzentration im rheinisch-westfälischen Kohlenbergbau gewährt eine Zusammenstellung in der Zeitschrift.Glückauf". Danach hat sich in den letzten 60 Jahren die Zahl der Werke um 44. d. i. fast ein Viertel, vermindert, während die Förderung gleichzeitig aus beinahe da« Fünfzigfache gestiegen ist. sodaß auf da« einzelne Werk in 1000 eine beinahe 65 mal so große Fördermenge und eine etwa 35 mal so große Belegschafi wie in 1850 kommt. Viel weiter als die betriebstechnische, geht noch die wirtschaftliche Zusammenfassung. In vielen Fällen ist eine ganze Reihe dieser betriebstechnischen Einheiten zu einer Gesellschaft vereinigt. Von den 164 im Jahre 1000 betriebenen Steinkohlenbergwerken des OberbergannSbezirkS Dortmund sind fast immer mehrere— bis zu 1?— zu einem Unternehmen vereinigt. So zählt die größte Gesellschaft des Bezirks, die Gelsenkirchener Bergwerks-A.-G., 11 Steinkohleuzechen. die Harxener Bergbau-A.-G, umfaßt sogar 17, die Deutsch -Lnxeniburgische Bergwerks- und Hütten-A,-G. 0, die Gesellschaft Hibernia 7, die A.-G. Phönix 5. Diesen großen Aktien- Gesellschaften treten zur Seite die in den Händtzn einer Familie (Haniel, Slinnes, Krupp ) vereinigten Zechen. Die Statistik des Königlichen ObervergamtS zu Dortmund zählt für 1000 154 in Förderung stehende Werke; das Kohlensyndikat, dessen Förderung sich mit der des Bezirks fast deckt, hatte nach dem Stande vom 1. Januar 1010 einschließlich dir im Oberbergamtsbezirk Bonn gelegenen Zeche Rheinpreußen aber nur 70 Mitglieder. Die Familienzechen sind zum Teil als einzelne Mitglieder gezählt. Bei einer Gcsamtförde- rung der im Syndikat vereinigten Werke von rund 81 Millionen Tonnen entfiel auf jedes Mitglied eine durchschnittliche Produktion von mehr als 1 Million Tonnen. Im Jahre 1000 brachten die sieben größten Unternehmungen mehr als zwei Fünstel der Gesamt- förderung auf. Zudem find noch viele Kohlenbergwerke mit Eisen- Hütten vereinigt. Im Jahre 1000 entfiel auf die mit Eisenwerken verbundenen Zechen seinschließlich der ursprünglichen Gelsenkirchener BergwerkS-A.-G) mehr als ein Drittel der Gesamtförderung des Bezirkes._ Ueder die Verhältnisse in der rheinisch-westfälischen Großindustrie Wird berichtet, daß sich die aus eine gute Frühjahrsbelebung gründenden Hoffnungen nicht verwirklichen. Am Kohlenmarkt warte man vergeblich auf eine kräftige Steigerung der Nachfrage. Der Abiatz halte sich in zu engen Grenzen. Ein bedenkliches Anwachsen der Feierschichten und erhebliche Lohnermäßigunaen sei die Folge. Auch die Lage auf dem Eisen- und Stahlmarkt ist noch immer nicht so günstig, infolgedessen die Beschäftigung der Werke schwankend.» � Ein starker Rückgang im Absatz zeige sich auch sin Braugewerbe. Die Brauereien sind zu erheblicher Einschränkung der Erzeugung genötigt. Einen Ausschwung hat schon im vorigen Jahre das Bau- gewerbe genommen. was zum großen Teil auf die bei der Be- fchaffung billiger Baugelder eingetretene Erleichterung zurückgeführt wird. Die private Bautätigkeit wird sich, aller Voraussicht nach, auch in diesem Jahre fast im ganzen Gewerbebezirk äußerst rege aestalten. Die Arbeitslöhne sind gefallen, obwohl die Preise für fast sämtliche Lebensmittel noch weiter gestiegen sind. Die Lage der Arbeiter hat sich demnach verschlechtert. Es ist daher zu erwarten, daß mit Beginn einer flotteren Produktion die Arbeiter Forderungen erhebelt werden._ Ein Trust. Ein trustartiges Gebilde ist die Deutsche Petroleum-Akt.-Ges,, dem neben Aktien der Steana Romano Beteiligungen an der Euro- päischen Petroleum-Union. der Deutschen Mineralöl-Jndustrie, dem Kasbek Syndicote in Grosny und der Schodnica Akt.-Gef. für Petroleumindustrie, Wien , eignen. Die Deutsche Petroleum-Akt.-Ges. konzentriert die Petroleumintereffen eines internationalen Konsortiums, dem die Deutsche Bank und der Wiener Bankverein angehören. Die beiden letztgenannten Institute spielen auch eine führende Rolle bei der Steana Romana. Die letztere Gesellschaft, die in Bukarest domiziliert, will ihr Aktienkapital von 30 000 000 Lei durch Ausgabe von 20 000 000 Lei mit 50 Proz. einzuzahlenden Aktien auf nominal 50 000 000 Lei. und effektiv 40000000 Lei erhöhen. Absatzmangcl. In der diesjährigen ersten Versammlung der Ziegeleidesitzer Kölns wurde mngeteilt, daß im letzten Jahre nur an 25 Proz. der ErzeugungSfähigkeit der Werke abgesetzt werden konnten. Soziales. Die Krankenkassenvertreter zur ReichsversichrrungSordnung. Wie uns von zuständiger Seite nachträglich mitgeteilt wird. tagt: am Sonntag eine ReichÄonferenz der Krankenkassenvertreter in Berlin , um zu den Vorschlägen der Reichsversicherungsordnung zur Krankenversicherung Stellung zu nehmen. Auf der Konserenz waren 48 Krankenkassenvereinigungen vertreten, die gegen 5 Mil- lionen Versicherte repräsentierten. Die Referenten des im Mai vorigen Jahres in Berlin abgehaltenen allgemeinen Krankenkassen. kongresses erstatteten Bericht über die in dem vom Bundesrat ge» nehmigten Entwurf der Reichsversicherungsordnung gegenüber dem Vorentwurf enthaltenen Aenderungen. In der daran anschließenden eingehenden Aussprache trat allgemein eine heftige Empörung darüber zutage, daß die Regierung alle versicherungsfeindlicheu Wünsche der Berufsgcnossenschaften in weitgehendstem Maße be» rücksichtigt, die Wünsche der Krankenkassen bezw. der'Millionen Versicherten aber einfach ignoriert hat, obgleich auch die in den Ortskrankenkassen tätigen Arbeitgeber fast ohne Ausnahme diese Wünsche unterstützt hatten. Die Berufsgcnossenschaften sollen von dem kostspieligen gemeinsamen Unterbau befreit, ihre Machtvoll- kommenheit bei der Rentenfestsetzung gesteigert werden, während die Krankenkassen ihres bisherigen SelbswerwaltungSrcchtS beraubt und der Bureaukratie ausgeliefert werden sollen. Auch den aus einseitiger Jnteressenpolitik diktierten Forderungen des Wirtschaft- lichen Leipziger Aerzteverbandes habe die Regierung die weit- gehendsten Konzessionen gemacht, desgleichen den Apothekern. Bei all diesen Bestimmungen komme überaus deutlich die „gottgewollte Abhäiigigleit" der Regierung gegenüber gewissen ein- flußreichen Unternehmerorganisationen zum Ausdruck. Die Ver- treter der Versicherten sotvohl wie der Unternehmer waren einmütig der Meinung, daß alle Anstrengungen gemacht werden müßten, um die Bevölkerung über die reaktionäre, versicherungsfeindliche Ten- denz der Regierungsvorlage aufzuklären und den Reichstag für die von dem 5. allgemeinen Krankenkassenkongreß aufgestellten Forde- rungen zu gewinnen. Von der Einberufung eines neuen allgemeinen Krankenkassen. kongresses wurde Abstand genommen und die folgende Resolution einstimmig beschlossen: „Die am 3. April 1010 zu Berlin tagende Reickjskonferenz Deutscher Krankenkassen beauftragt die vom 5. Allgemeinen Krankenkassenkongreß gewählte Kommission, auf schnellstem Wege eine Petition an den Reichstag zu richten, in welcher die grund- sätzlichen Forderungen, welche der letzte Kongreß aufgestellt hat. von neuem vertreten werden. Dieser Petition sollen sich die Kassen und Kassenverbände anschließen. Des weiteren wird die Kommission beauftragt, dem Reichstag eine eingehende Stellungnahme zum Entwurf einer Reichsverfiche- rungsordnung, soweit die Krankenversicherung in Frage kommt, zugehen zu lassen. Die Reichskonferenz ersucht die Kasscnvertreter aller Art, gegen die rückschrittlichen Bestimmungen des Entwurfs zur Reichsversiche- rungsordnung im ganzen Reiche mit allem Nachdruck einzutreten." Gerichts-Leitung. 400 000 Mark unterschlagen. Vor der 8. Strafkammer des Landgerichts I begann gestern die Verhandlung gegen den Defraudanten Fritz Kluge, der die Firma Arthur Koppel A.»G. um den Betrag von zirka 400 000 M. geschädigt hat. Die Verhandlung leitet Landgerichtsdirektor Lieber. Aus der Vernehmung des Angeklagten über seine persönlichen Ver. Hältnisse ergibt sich folgendes: Der Angeklagte, welcher sich seit dem 26. November 1008 in Untersuchungshaft befindet, ist am 18. Oktober 1876 in Berlin geboren, unverheiratet und bisher un. bestraft. Er hat die hiesige 1. Realschule besucht. Als er im Jahre 1895 diese verließ, trat er sofort bei der Firma Arthur Koppel als Lehrling ein. Nach 2�jähriger Lehrzeit wurde er bei der Firma Reisender und wurde u. a. auch mit der Leitung einer Filiale in Paris betraut. Er blieb dort bis zum Jahre 1905 und kam dann nach Berlin zurück in die Stellung, in der er sich die zur Anklage stehenden Straftaten zuschulden kommen ließ.— Der Eröffnungs. beschluß beschuldigt den Angeklagten der Unterschlagung und der Urkundenfälschung. — Auf Befragen des Vorsitzenden bestätigt Kluge, daß er neben zwei anderen Angestellten Leiter der Filiale Berlin gewesen sei und diese Stellung seit 1905 innegehabt habe. Die Filiale Berlin erstreckte ihren Wirkungskreis über die Provinzen Ost. und Wcstpreußen, Pommern , Posen, Brandenburg , Schlesien , Sachsen und einem Teil der Thüringischen Staaten. Für die anderen Teile Deutschlands sowie für das Ausland sind beson» dere Filialleiter angestellt. Seit 1900 hatten die Filialleiter da? sogenannte Mietsgeschäft in die Höhe gebracht. Von Tiefbauunter- nehmern, die mit ibren Arbeiten fertig waren, wurde daS Klein- bahnmatcrial zum Kaufe angeboten. Die Firma Koppel bemühte sich, es wieder zu verkaufen oder aber zu vermieten. Diese Praxis hat sich der Angeklagte, der sich des größten Vertrauens erfreute und gerade in diesem Vermietungsgeschäft sehr tüchtig war, zu Nutze gemacht und eine große Reihe Geschäfte abgeschlossen, die sämtlich fingiert waren. Er verfuhr in der Weise, daß er eine Verkaufsofferte an die Firma Koppel u. Co. sandte. Wenn dann die Firma den Beschluß faßte, der Offerte näher zu treten, wurde der Angeklagte, weil er in solchen Geschäften sehr bewandert war, mit der Erledigung der Sache betraut. Um sich das Material an- zusehen, reiste er dann nach dem betreffenden Ort ab. wurde auch gleichzeitig mit dem nötigen Gelde zur Anzahlung ausgerüstet. Ueber die angeblich erfolgte Zahlung stellte er eine geschäftliche Quittung auS. Um zu verhindern, daß diese Machenschaften von der Firma gemerkt werden, hat der Angeklagte auf der anderen Seite wieder fingierte Mietsberträge angefertigt; diese betrafen Firmen, die gar nicht existierten und an diese wurde das Material, das gar nicht vorhanden war, vermietet. Die von diesen fingierten Firmen zu zahlenden Mietsbeträge leistete der Angeklagte aus den von ihm veruntreuten Geldern, teilweise gab er auch gefälschte Wechsel in Zahlung. — Der Angeklagte, der einen sehr leidenden Eindruck macht, gibt mit schwacher Stimme zu, daß die Dinge sich so abgespielt haben, wie der Vorsitzende dargestellt hat. Da er so leise spricht, daß er nicht zu verstehen ist, muß er aus dem Anklage- räume heraustreten und auf einem Stuhl vor dem Richtertische Platz nehmen. Als der Vorsitzende den Angeklagten aufforderte, zu erzählen, wie er zu den Unterschlagungen gekommen und wozu er das Geld haben wollte, vermag der Angeklagte nicht zu ant- Worten. Sein Gesicht wird durch Zuckungen entstellt, er beginnt zu Schluchzen und fällt unter Weinen in den Stuhl zurück. Der Borsitzende muß eine Pause eintreten lassen, während denen sich die anwesenden Aerzte eifrig um den Angeklagten bemühen und ihn durch Darreichung von Wasser und Tropfen langsam wieder soweit bringen, daß die Verhandlung wieder aufgenommen werden kann. In seiner Vernehmung erklärte der Angeklagte auf eine Frage des LandgerichtSdirekwrs Lieber, was er mit dem Gelde gemacht habe, daß er, nachdem er sich mit einem Fräulein Sieale verlobt hatte, gehofft hatte, durch das Spiel in den Besitz großer Summen zu gelangen, um dann heiraten zu können. Er habe den Ehrgeiz gehabt in das Koppel'sche Geschäft als Teilhaber einzutreten und habe deshalb. beabsichtigt, eine möglichst große Anzahl von Aktien zu erwerben. Der Vorsitzende geht nunmehr auf die einzelnen Fälle der Anklage ein, in denen der Angeklagte schon vor oem Untersuchungsrichter geständig gewesen war. Kluge wiederholte mit leiser, vielfach unverständlicher Stimme dieses Geständnis. Als er es für bedenklich hielt, die durch seine betrügerischen Manipulationen erlangten hohen Geldbeträge bei der Firma selbst abzuholen, habe er hiermit den Agenten Wiluner beauftragt. Dieser habe das Geld abgehoben, sich seine Provision abgezogen und den Rest an ihn ab- geliefert. Wiluner habe jedoch angenommen, daß er(Kluge) das Geld an die Firma abliefere. Wiluner habe dieses Geld stets auf daS Konto eines„Dr. Lasker" eingezahlt.— Auf mehrere Fragen des Rechtsanwalt Dr. Fritz Ehrhardt, die dahingehen, festzustellen, daß Kluge tatsächlich nicht der ungemein befähigte Mensch sei, wie er immer geschildert werde, bekundet der Angeklagte, daß er sich zu dem Einjährigenexamen 50 Aufsätze auswendig gelernt habe. auch habe er sich mitunter von 2 Uhr nachmittags bis 4 Uhr nachts auf das Examen vorbereitet. Rechtsanwalt Dr. Ehrhardt machte ferner darauf aufmerksam, daß der Angeklagte bei seinen sogenann- ten„Spielreisen" nach Paris , hier abends wcggefahren, bis zum nächsten Nachmittage gefahren, in Paris drei Stunden gespielt und dann noch an demselben Abend wieder zurückgefahren sei. Um also drei Stunden in Paris zu spielen, habe Kluge eine Fahrt von 18 Stunden hin und 18 Stunden zurück unternommen. Kluge bc- stätigt dies und bekundet auf eine weitere Frage des Rechtsanwalts Dr. Ehrhardt, daß er sich auf dieser 18stündigen Fahrt mit einer neuen Spielmethode, die er sich selbst ausgerechnet habe, für dos Baccaratspiel beschäftigt habe. Auf einer solchen Reise habe er stets etwa 7 bis 800 solcher Probeabrechnungen seiner Methode ge- macht. Zur Sprache kommt noch, daß Kluge seiner Braut Fräulein Siegle, als diese in Trouville einmal 20 000 Franks gewonnen hatte, verboten hatte, von diesem Spielkapital auch nur einen Pfennig für andere Zwecke auszugeben. Auf weiteres Befragen des Rechtsanwalts Dr. Estrhardt bestätigt der Angellagte, daß er während seiner Tätigkeit vier in Berlin sich fortgesetzt keine Ruhe gönnte und mit kurzer Mittagspause bis in die Nacht arbeitete. um möglichst viel zu schaffen, da er dadurch auch an Tantiemen gewann. Die Hälfte des Monats sei er auf Reisen gewesen und immer nachts gereist. Der Verteidiger bestreitet, daß der An- geklagte ein luxuriöses Leben geführt und weder für sich noch für sein« Braut Fräulein Siegle, Ausgaben machte, die er nicht aus seinem Einkommen hätte bestreiten können. Der Vorsitzende stellt vurch Befragen fest, daß der Angeklagte pro forma bei seinem Bater wohnte, aber für seine Braut Fräulein Siegle eine Wohnung für 3000 M. gemietet hatte. Er bezahlte der jungen Dame außerdem täglich 20 M. Wirtschaftsgeld und in zwei Jahren etwa 7000 M. für Garderobe. Aus den wetteren Festsiellungen des Vorsitzenden gebt hervor, daß daS Jahreseinkommen des Angeklagten auf etwa 22 500 M. zu schätzen war� ohne die Reisespesen. Außer- dem hat der Angeklagte auch noch in Kuxen spekuliert. Der An- geklagte bleibt dabei: er habe Geld bekommen wollen, um spielen und Fräulein Siegle heiraten, außerdem aber, um Teilhaber der Firma Koppel werden zu können, indem er die Mehrheit der Aktien an sich brächte.— Der Verteidiger macht weiter darauf aufmerksam, daß in sämtlichen fingierten Geschäften der Angellagte immer nur mit Sumnien operiert hat, deren Quersummen durch„drei" teilbar sind.— Angeklagter: Ich stehe dabei unter einem gewissen Zwmige, ich muß alles mit 3, 6 und ö multiplizieren.— Präs.: Wie haben Sie bemerkt, daß Sie unter diesem Zwange stehen und wie haben Sie dagegen angekämpft?— Angeklagter: Ich kann nur sage», daß ich weiß, daß ich alles mit 3, 6 und 9 multiplizieren muß.— Präs.: Wenn Sie sich acht Anzüge oder mehrere Stiefeln oder eine Anzahl Krawatten kaufen, so haben Sie doch nicht darauf gesehen, daß die Zahl immer durch 3 teilbar war.— Angekl.: Bei Einkäufen habe ich es nicht gemacht. Es ist schwer zu erklären, wie sich dieser Zwang bei mir geltend macht.— Auf weitere Vorhaltungen des Verteidigers, die auf den Geisteszustand deS Angeklagten Bezug haben, erklärt der Angeklagte, daß er selbst keinen Augenblick zweifelhaft darüber sei, daß er geistig vollkommen gesund sei. Als er 6 Wochen zur Untersuchung seines Geisteszustandes in eine An- statt überführt werden sollte, habe er dagegen protestiert, sei dann aber in die Anstalt gegangen, weil ihm gesagt wurde, daß er sich nur einige Zeit erholen solle.— Der Borsitzende hält dem An, geklagten einige Aeußerungen vor, die er dem Dr. Abraham gegen- über gemacht haben soll. Dieselben sollen darauf gegangen sein. daß er höchstens drei Jahre Gefängnis bekommen könne. Er scheine also es borgezogen zu haben, die drei Jahre abzusitzen als für geisteskrank erklärt zu werden.— Rechtsanwalt Dr. Ehrhordt betont weiter, daß der Angellagte vor seiner Verhaftung lange Jahre ein Gebetbuch bei sich getragen habe.— Präs.: Haben Sie denn auf die rituellen Gebräuche besonderen Wert gelegt?— An- geklagter: Nein, ich bin kein Frömmler nach außen hin, aber ich bin gottessürchtig und habe täglich dreimal gebetet. Die Gebete hatte ich mir aufgeschrieben. Ich habe nicht Theologie studiert, aber ich bin überzeugt, daß ich fromm und gottesfürchtig bin.— Während der Erörterungen über das Verhältnis deS Angeklagten zu dem ffräulein Siegle und seinen sexuellen Neigungen wird die Oeffent» ichkeit ausgeschlossen.— Gelegentlich kommt hur Sprache, daß der Vorsitzende 600 Seiten Gutachten der medizinischen Sachverstän- digen habe durchlesen müssen.— Der Zeuge Ginsberg, ein ent» fernter Verwandter des Angeklagten, schitoert diesen als einen sehr nervösen, hastenden Menschen, der von der Spielwut befallen ivar, seine ganzen Gedanken immer wieder auf das Spiel konzentrierte und mit ungeheuren Summen, die er glaubte verdienen zu können, nur so herumwarf. Die Familie sei stolz auf die kaufmännischen Talente gewesen, die der Angeklagte bekundete. Für geistesgestört habe ihn aber niemand gehalten.— Kriminalkommissar v. Man- teuffel, der sich an der Hand schriftlicher Aufzeichnungen des An- geklagten über die Kunst, beim Baccarat zu gewinnen, sich über dessen Gedankengang unterrichtet hat, bekundet, daß es sich dabei aar nicht um ein ganz unsinniges„System" handle, sondern um eine Reihe von Beobachtungen und guten Ratschlägen des Angeklagten, die ganz verständig seien.— Hierauf wird die Verhandlung auf Donnerstag SV6 Uhr vertagt, da nach der Ansicht der Aerzte dem Angeklagten unmöglich sein würde, der Verhandlung zu folgen. Ueber den Ausgang des Prozesses werden wir berichten. Im Wiederaufnahmeverfahren wurde gestern der Kaufmann Franz Holtzke von schwerer Strafe durch die 4. Strafkammer des Landgerichts II befreit. Der Angeklagte stand vor etwa Jahresfrts. vor derselben Strafkammer, um sich tu Gemeinschaft mit sein« Ehefrau auf die Anklage der ver- , suchten Verleitung zum Meineide zu verantworten. Frau H. war
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