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27. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amit IV, Nr. 1983.
Freitag, den 8. April 1910.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Herr Präsident, Sie haben den Demokraten die Ver- Nach diesen Zusagen kann unseres Erachtens die Polizei sammlung im Humboldthain genehmigt. Wir sind hier, um Sie die Genehmigung zur Abhaltung öffentlicher Massenverzu ersuchen, uns, d. h. der sozialdemokratischen Parteileitung sammlungen im Berlins , ebenfalls die Genehmigung zu Versammlungen unter freiem Himmel zu geben. Der Polizeipräsident: Den Demokraten habe ich für den nicht mehr versagen; denn sie hat mit ihren eigenen Aeußeeinzelnen Fall allerdings die Genehmigung erteilt, da ja deren rungen anerkannt, daß von einer Gefährdung der Die Polizeileitung Berlins hat ihre Stellungnahme zu 3ahl geringer ist und so die Befürchtung nicht zutrifft, daß Un- öffentlichen Sicherheit nicht die Rede sein kann. Es den Wahlrechtsdemonstrationen geändert. Sie scheint ein- glüdsfälle und andere Dinge eintreten, die bei den Sozialdemo- ist demnach mit einer gewissen Sicherheit darauf zu rechnen, gesehen zu haben, daß ihre bisherige Lattik verfehlt gewesen traten der größeren Zahl wegen möglich sind. Bei den Demo- daß heute noch die polizeiliche Genehmigung erfolgt, und das ist, und sie mit dem Aufgebot ihrer ganzen Macht die öffent- fraten kommen vielleicht 20 000 Personen in Betracht, bei Ihnen Volk von Berlin am nächsten Sonntag öffentlich und muß man 100 000 erwarten. Selbstverständlich ver= lichen Kundgebungen der werktätigen Berliner Bevölkerung weigere ich Ihnen nicht prinzipiell die Genehmi ungehindert Massenprotest gegen die schmähliche Vergegen die aus der Schacherei der Konservativen mit dem gung. Es kommt auf den einzelnen Fall an. Wo hunzung der versprochenen Wahlreform erhebt. Ein bedeut Zentrum hervorgegangene Wahlrechtsvorlage nicht zu ver- wollen Sie denn die Bersammlungen abhalten? Den Humboldhain famer Schritt vorwärts im Kampf um die Erringung des hindern vermag. Sie nimmt deshalb ihre Ver- haben schon die Demokraten, und der Friedrichshain ist für Sie allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Landtagsbote öffentlicher Massenversammlungen doch viel zu flein. wahlrechts! unter freiem Himmel zurück und gibt diese BerUeber die Einzelheiten der geplanten Massenkundgebungen sammlungen unter der Bedingung frei, daß der Verkehr nicht berichten wir in nächster Nummer. gestört wird.
"
Wie wir in der Mittwochsnummer mitteilten, hatte der Berliner Polizeipräsident das Gesuch des Vorstandes des Demokratischen Verbandes von Berlin , am Sonntag im Humboldthain eine Massenversammlung abhalten zu dürfen, furzweg mit der Motivierung abgelehnt, daß eine solche Versammlung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit " bedeute. Vorgestern abend ließ plößlich Herr v. Jagow jenes Vorstandsmitglied des Demokratischen Berbandes, das ihm das Gesuch unterbreitet hatte, den Kaufmann Ludwig Schemel, zu sich bitten, um nochmals mit ihm über die Angelegenheit Rücksprache zu nehmen. In dieser Konferenz erklärte Herr v. Jagow, daß er feineswegs seinen Brief als ein definitives Verbot aufgefaßt wissen wolle. Wenn tatsächlich der zu erwartende Besuch der Versammlung nicht auf mehr als 25 000 Personen einzuschätzen sei, fielen die in seinem Schreiben geäußerten Bedenken fort.
Der Polizeipräsident und Herr Schemel nahmen darauf eine gemeinschaftliche Besichtigung des Rasenspielplatzes in Humboldthain vor, und nachdem festgestellt worden war, daß der Platz für 25 000-30 000 Menschen ausreiche, erklärte Herr v. Jagow, daß er die Genehmigung gebe, wenn ihm der Vorstand des Demokratischen Verbandes bestätige, daß er nur mit ungefähr 25 000 Besuchern rechne. Herr Schemel erwiderte, daß sehr wahrscheinlich der Besuch kaum stärker sein werde, doch könne er natürlich eine Garantie nicht übernehmen. Auch der Gesamtvorstand des Berbandes erklärte nach abgehaltener Beratung, daß er eine bestimmte Garantie
Wir würden, wenn Sie den Treptower Part für geeignet halten, ganz gern in den Treptower Park gehen, aber dazu haben Sie uns ja vor einigen Wochen die Genehmigung verweigert.
Bolizeipräsident: Das ist ein Irrtum, daß ich dafür die Genehmigung verweigert habe. Für den Treptower Park bin ich nicht zuständig. Da müßten Sie sich an den AmtsBremen, 6. April. vorsteher und Bürgermeister von Treptow wenden. Nun ist es auch hier, wo die Polizei sich ursprünglich zu den Herr Präsident, würden Sie uns, wenn wir in Treptow die Wahlrechtsdemonstrationen vernünftig verhielt, zu Attacken der Versammlung genehmigt erhalten, Schwierigkeiten wegen des An- Bolizei auf friedliche Demonstranten gekommen. Die Wahlrechtsund Abmarsches machen? demonstration vom Sonntag hatte der Bremer Polizei bekanntlich Polizeipräsident: Prinzipiell nicht. Der Berkehr Anlaß gegeben, vor Demonstrationen zu warnen. Sie befürchtete darf aber nicht gehemmt werden. Geschlossene offenbar, daß die heutige Versammlung, in der Genoffin Rosa Luxemburg sprach, einen Demonstrationszug zeitigen werde. Des 3üge tönnen nicht gestattet werden.
Wir würden uns in kleinen Gruppen zum Versammlungsort monstrationen aber sollen ja nach der Erklärung des Senators begeben. Jeder Bezirk bon seiner Zahlstelle aus, Dr. Dreyer, des Stellvertreters des erkrankten Polizeisenators, nicht unter Leitung des Bezirksführers und der Ordner, etwa in der mehr geduldet werden. Aus einer Unterredung des Parteivorstandes Stärke bon 50 bis 100 Mann. Unsere Bezirtsführer mit dem Senator und dem Bolizeihauptmann geht hervor, daß und Ordner werden dafür sorgen, daß der Ber - die Haltung der Polizei im Einverständnis mit dem tehr nicht gehemmt wird. Unsere Genossen sind nach Senat erfolgt ist. Die Antwort auf diese„ republikanische der Richtung hin so gut preußisch" erzogen, daß die Maßregel wird die bremische Arbeiterschaft am Sonntag in sechs Anordnungen bestimmt befolgt werden. Jedenfalls würden wir Boltsversammlungen geben. alles tun, daß der Verkehr nicht gehemmt wird.
Bolizeipräsident: Wenn so verfahren wird, habe ich nichts dagegen einzuwenden. Ich würde dem Zu- und Abmarsch nichts in den Weg legen.
dem
Das Kasino war heute abend von zirka 4000 Personen besucht und vollständig überfüllt; es herrschte ungeheuere die Lehren des preußischen Wahlrechtskampfes ironisch, daß sie sich Begeisterung. Genossin Luxemburg erklärte in ihrem Referat über in Bremen beim Anblick der Warnung gleich wie in Berlin gefühlt Und wie würden Sie sich zu einer Versammlung im babe. Mit dem Rufe:" Die Schanze wird genommen!" schloß die Friedrichshain stellen? Referentin unter jubelndem Beifall. Mit einem Hoch auf die SozialPolizeipräsident: Der würde ich ebenfalls keine Schwierig demokratie und das freie Wahlrecht erfolgte Schluß der Versammlung. feiten bereiten. Die Aufforderung, ruhig nach Hause zu gehen und Die Genossen Ernst und Borgmann fuhren darauf könnte, zu vermeiden, wurde streng befolgt. Trot alles, was als Demonstration aufgefaßt werden nicht zu bieten vermöge; um aber dem Polizeipräsidenten zum Bürgermeister und Amtsvorsteher von dem kam es durch das Vorgehen der Polizei zu Zusammenstößen. Treptow, wo sie auch sogleich vorgelassen wurden. Sie die Möglichkeit zu nehmen, auf Grund der Nichterfüllung berichteten dort, daß den Demokraten in Berlin eine von der Polizei attadiert, in Seitengaffen abgedrängt und dann Die Arbeiter toollten ruhig nach Hause; sie wurden aber dieser formalen Forderung die Nichtgenehmigung aufrechtzu Bersammlung im Humboldthain für Sonntag genehmigt von den Polizisten mit Fäusten, Stöden und Säbeln bearbeitet erhalten, beschloß der Vorstand die Absendung folgenden sei und daß der Polizeipräsident ihnen erklärt habe, Dabei wurden zumeist völlig unbeteiligte Personen das Opfer erhalten, beschloß der Vorstand die Absendung folgenden Schreibens: daß er dem Zu- und Abmarsch zu einer Versammlung der Polizeitaten. Namentlich auf dem Domhof und An das königliche Polizeipräsidium zu Händen des Braim Treptower Park feine Schwierigkeiten in den Weg Markt, auf der Obernstraße, Ansgariikirchhof und Kaiserstraße sidenten Herrn v. Jagow. Aber über den Treptower Bart habe wurden, völlig grundlos, viele Personen mit dem Säbel be. Höflichst Bezug nehmend auf die heute mit dem unter. legen werde. zeichneten Vorstandsmitgliede gehabte Unterredung, bitten wir er nicht zu verfügen, dort habe der Herr Amtsvorsteher und arbeitet, zu Boden gestoßen und oft noch verhaftet. Sie nochmals um die Genehmigung zur Abhaltung einer öffent. Bürgermeister von Treptow die Genehmigung zu erteilen, um Ein Herr, der an der Saiserstraße in die Straßenbahn umsteigen wollte, wurde von einem Schußmann bom Trottoir gelichen Versammlung für Sonntag, den 10. April, mittags 1 Uhr. Die sie hiermit ersuchten. stoßen, so daß er sich eine start blutende Kopfber Wir glauben annehmen zu können, daß die Zahl von 50 000 Ie bung zuzog. Ein Arbeiter, der mit seiner Frau aus einent Restaurant tam, fragte am Liebfrauenkirchhof die Schuhleute, ob dort abgesperrt sei. Ehe er der Aufforderung weiterzugehen, nach tommen konnte, wurde er von einigen Schuhleuten gepackt und zi Boden geworfen; feine Versuche, sich aufzurichten, wurden mit Büffen beantwortet. Er erlitt Verlegungen, die ihn zwan gen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Geschäftsreisender, der vom Bahnhof kam, wurde vor dem„ Café Balais" von einend Schußmann gegen die Beine getreten, daß er in den Stoß, so daß er gegen die Tür des Cafés fiel.
Der Bürgermeister: Wie wollen Sie denn die Veranstaltung bis 60 000 Besuchern nicht entfernt erreicht wird, treffen? und werden in jedem Falle durch Ordner aus Genoffe Ernst: Unsere Genoffen würden bezirksweise, hinunseren eigenen Reihen für unbedingte Aufmarschieren unter Leitung ihrer Bezirksführer. Wir würden etwa rechterhaltung der öffentlichen Sicherheit
Gorge tragen.
Demokratischer Verband Groß- Berlin.
Der Vorstand.
J. A.: Ludwig Schemel, NO. 43, Meyerbeerstr. 13."
Daraufhin ist gestern vormittag vom Polizeipräsidenten denr Borstand des Demokratischen Verbandes die Genehmi gung zur Abhaltung einer
Massenprotestversammlung im Humboldthain
10 Rednertribünen errichten und für die genügende Anzahl von Ordnern sorgen. Außerdem würden wir Vorsorge treffen, daß die Arbeitersamaritertolonne am Orte ist, so daß bei etwaigen Ohnmachtsanfällen und dergl. Hilfe zur Stelle wäre. Befürchtungen, daß die Ordnung nicht aufrecht erhalten werde, haben wir nicht. Um ungefähr 1 Uhr würden unsere Genossen anmar- Rinnstein fiel; als er sich aufgerichtet hatte, bekam er noch einen schieren, um 3 Uhr würde der Abmarsch beginnen.
Bürgermeister: Und wer übernimmt die Verantwortung da= für, daß keine Störung der Ordnung vorkommt?
Von verschiedenen Leuten, die uns durchaus fernstehen, wird übereinstimmend mitgeteilt, daß die Schuhleute in der Nähe des Genoffe Ernst: Die übernehme ich als der Vor- Ansgariifirchhofs in ganzen Trupps wie besessen auf sitende der Organisation der Berliner Sozial. der Straße herumgera st seien. Das Publikum wußte tatam nächsten Sonntag, mittags 1 Uhr, erteilt worden. demokratie. sächlich nicht, was los war; niemand demonstrierte, ja selbst der Kaum hatten unsere Genossen Ernst und Borg. Bürgermeister: Sie übernehmen damit eine schwere Fußgängerverkehr war nicht viel stärker als gewöhnlich. Wahllos griffen die Ordnungsmänner zu; ter ihnen unter die Finger kam, mann von dieser Zurücknahme des Verbots erfahren, als Berantwortung! sie beschlossen, auch ihrerseits unter Berufung auf den Satz des Augenblids. Wir wissen, wenn wirklich etwas Ordnungs- fein Ruhmestag. Genosse Ernst: Gewiß! Wir erkennen sehr wohl den Ernst wurde mißhandelt. Der 6. April ist für das liberale Bremen der Verfassung:„ Alle Breußen sind vor den Gesetz gleichy" widriges passiert, daß Sie und andere Behörden sich später darauf Bremen , 7. April. ( Privatdepesche des Vorwärts".) Die die Genehmigung zu einer Massenkundgebung unter freiem berufen würden, wenn wir wieder die Genehmigung zu ähnlichen Polizei ist mit den„ Lorbeeren", die sie gestern geerntet hat, noch Himmel zu fordern. Beide gingen zunächst zum Ober- Veranstaltungen nachsuchen sollten. Wir wissen, daß Sie sie uns nicht zufrieden. Sie sucht aufs neue und auf neue Weise den bürgermeister, um ihn zu ersuchen, den Friedrichs mit Rücksicht auf diese Vorkommnisse verweigern würden. Wir Wahlrechtskampf Schwierigkeiten zu bereiten. hain und den Treptower Park für die geplanten sind aber von der Disziplin unserer Partei= Die für Sonntag angekündigten Wahlrechts. und Versammlungen zur Verfügung zu stellen. Herr genossen so fest überzeugt, daß wir die Berant- rotest versammlungen werden verboten! Es ist der Polizei Oberbürgermeister Kirschner erklärte ihnen, daß er die wortung ruhig übernehmen. Wir sind sicher, daß unsere auf einmal eingefallen, daß an Sonntagvormittagen Hergabe der städtischen Parks glaube in Aussicht Parteigenossen sich auch der Verantwortung der Ge- überhaupt teine Bersammlungen stattfinden dür. samtpartei gegenüber bewußt sind und daher jeder fen. Und zwar beruft sie sich auf eine alte verschimmelte Vere stellen zu können. Provokation, die von Außenstehenden erfolgen könnte, sofort ordnung, die bisher nie Anwendung fand. Einem findigen Kanz energisch entgegentreten würden, so daß wir jebe Berant- listen ist es gelungen, eine aus dem Jahre 1797 stammende wortung ruhigen Herzens tragen tönnen. Kirchenverordnung aufzuftöbern, die erlassen wurde, um Bürgermeister: Ich kann Ihnen erst morgen definitiven Be- der gähnenden Leere in den Kirchen entgegenzuwirken. Von Ver scheid geben. Ich glaube aber bestimmt, daß ich Ihnen sammlungen ist in der ganzen, über 100 Jahre alten Verordnung eine zustimmende Antwort werde geben tönnen. mit feinem Worte die Rede.
Alsdann begaben sich die beiden Genossen zum Polizei präsidenten.
Die Unterredung, die unsere Genossen Ernst und Borgmann mit Herrn v. Jagow hatten, verlief ungefähr folgendermaßen: