schlisse noch geringer sein, vielleicht völlig ausfallen. DaSGesetz müsse auch zugleich mit dem Zolltarifgesetz in Kraft treten.Wenn ferner das Zentrum sein im Plenum abgegebenes Versprechen»venigstens soweit ersüllen wolle, als cS sich um Lebensmittel handle,mühten die jetzt herausgegriffenen 14 Zollpositionen um mindestenszwölf sBuchweizen, Hirse, Malz, Küchengewächse, Obst, Graupen)vermehrt iverden. Das Zentrum st i in m t e gegen diesozialdemokratischen Anträge, auch gegen die,die nur den Wortbruch der HentrumSleute ver-minderten. Die Sozialdemokraten stimmten trotz der Unzuläng-lichkeit des Zentrumsvorschlages für denselben, um so wenigstenseinige Millionen besserer Verwendung als der für Militär- undMarinerüstungen zuzuführen.?in Plenum(am 21. November 1902) erfolgte ein weitererall des Zentrums zuilnglinsten der Arbeiter.Es verlangte eine Verschlechterung seineseigenen von der Kommission angenommenenAntrages. ES strich nämlich aus dem zum Beschluh erhobenenAntrage die Positionen ftic Gerste, Hafer, Butter, Eier und Käse undwollte nicht den Zolldurchschnittsertrag der Jahre 1893 bis 1902,sondern den von 1898 bis 1903 zugrunde legen. Durch die spätererfolgte Annahme dieser Verböserung wurden dein Fonds etwa25 Millionen jährlich entzogen. Der Abg. Trimborn hob in seinerRede hervor, dah sei» in der Kommission gemachter Vorschlag, dieferner für eine Witwen- und Waisenversichcrung erforderlichen Mitteldurch Beitrüge der Arbeiter und Arbeitgeber auf-zubringen, sein p e r s ö n li ch e r unverbindlicher Vorschlag gewesensei, seine Freunde hätten lebhafte Bedenken,„die Landwirtschast unddas Handwerk mit neuen Beiträgen zu belasten'. Ueber dieBelastung der Arbeiter durch neue Beiträge hatten die Zen-trumsleute sich offenbar keine Kopfschmerzen gemacht. Trimbornsprach dann namens des Zentrums die Hoffnung aus, dah auchohne Beitragsleistung b l o h durch die Ansammlung der-jenigen Mittel, die der neue— dann Gesetz gewordene— Antragverlangte, recht fühlbare U n t e r st ü tz u n g e n für die Witwenund Waisen sich erzielen lassen würden. Der Staatssekretär desNeichSschatzamtS v. Thielemann legte dar, der von der Koni-Mission angenommene Antrag würde ungefähr 82 Millionen jährlich,in 7 Jahren eine halbe Milliarde, der abgeschwächte Antrag desZentrums in 7 Jahren etwa eine drittel Milliarde einbringen.100 bis 120 Mark jährlich könnten als eine aus-könimliche Zuwendung nicht angesehen werden.ES seien voraussichtlich mehr Mittel erforderlich, man solle sich mitder von den Konservativen beantragten Resolution begnügen lassen.Bekanntlich schlägt die Regierung jetzt lediglich für dieinvaliden Witwen eine Beihilfe vor, die n o ch g e r i n g e r ist,als die vom Staatssekretär als unzulänglich bezeichnete.Bon sozialdemokratischer Seite wurde durch GenoffenMolkenbuhr der ZentrmnStnig in die richtige Beleuchtung gestellt. Wolle man einen Grundstock für die Witwen- und Waisen-Versicherung aus den Zöllen entnehmen, so solle nian die sämt-lichen Nahrungsmittelzölle hierfür verwenden und dendann noch erforderlichen �ufchuh durch eine Neichseinkommen-steuer auf die Vermögen derer legen, die durch die Zollgesetz-gebung enorme Vorteile auf Kosten der Arbeiter, insbesondere auchder Witwen und Waisen erlangen. Die von Trimborn, aber auch dievon der Regierung aufgestellte Berechnung sei noch viel zu rosig.Lege man das Ergebnis für Weizen und Roggen für 1900 zugrunde,so würden bei den durch das Zentrum bewilligten Nahrungsmittel-zöllen unter Voraussetzung der Annahme des Zentrumsantrages:63 Millionen dem Reich, 41 Millionen den Witwen und Waisenund 376 Millionen den Grundbesitzern bewilligt. Das heihtalso: von je 100 Mark, um die der deutsche Brot-esser sein Brot infolge der Zollgesetzgebungteurer bezahlen muh als im Auslande, erhaltendie Grundbesitzer 78.20 M., das Reich 13,21 M. unddie Witwen und Waisen 8,59 M. Diese Zentrumspolitik,die dem Brotesser 100 M. abnimmt, um der Witwe 8.59 M. zuversprechen, sei für jeden Arbeiter zu durchsichtig, um diearbeiterfeindliche Politik des Zentrums verhüllen zu können. Selbst-verständlich stimmten schliehlich die Sozialdemokraten nach Ab-lehnung ihrer eigenen Anträge für den Zentrumsantrag, umwenigstens einige Millionen dem Militär- und Marinemoloch zuentrerhen.Der so Gesetz gewordene 8 16 des Zolltarifgesetzes lautetwörtlich:„Der auf den Kopf der Bevölkerung des Deutschen Reichesentfallende Nettozollertrag der nach den Tarifstellen 1, 2, 102, 103,105, 107, 107a. und 190 des Zolltarifs 1) zu verzollenden Waren.welcher den nach dem Durchschnitte der Rechnungsjahre 1893 bis1903 auf den Kopf der Bevölkerung entfallenden Nettozollertrag derselben Waren übersteigt, ist zur Erleichterung der Durchführungeiner Witwen- und Waisenversorgung zu verwenden.Ueber diese Versicherung ist durch ein besonderes Gesetz Be-stimmung zu- treffen. Bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes finddiese Mehrerträge für Rechnung des Reichs anzusammeln undverzinslich anzulegen.Tritt dieses Gesetz bis zum 1. Januar 1910 nicht in Kraft,so sind von da ab die Zinsen der angesammelten Mehrerträgesowie die Mehrerträge selbst den einzelnen Jnvalidenversicherungs-anstalten nach Mahgabe der von ihnen im vorhergehenden Jahreaufgebrachten Versicherungsbeiträge zum Zwecke der Witwen- undWaisenversorgung der bei ihnen Versicherten zu überweisen.Die Unterstützung erfolgt auf Grund eines vom Reichs-versicherungsamte zu genehmigenden Statuts.'Weitere Verschlechterung deS Z 16 des Zolltarifgesetzes.Im Dezember 1909 legte die Regierung einen Gesetzentwurfvor, der verlangt, an Stelle des Datums„1. Januar 1910" zusetzen:.1. April 1911". Die Beratung im Reichstag fand am3. und 4. Dezember statt. Die Verkürzung der Rechte der Witwenund Waisen wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten an-genommen. Bei der Beratung erklärte der StaatssekretärDr. Delbrück ani 3. Dezember, die Frage, ob uftd inwieweitder Hinterbliebenenversicherung rück iv irkendeKraft gegeben werden könne, sei noch nicht gelöst. Erfür seine Person werde gern bereit sein, im gegebenen Zeitpunkt mitdem Reichstag über etwaige diesbezügliche Vorschläge in Beratungzu treten, und er hoffe, dazu des Einverständnisses der VerbündetenRegierungen sicher zu sein.JmGegensatzzu dieser Erklärung des Staatssekretärs lehntder von iljm vorgelegte Entwurf ab, der Hinter«bliebenenversicherung rückwirkende Kraft für dieZeit bis zum 1. Januar 1910 zu geben. Der rückwirkenden Ein-führung der Hinterbliebenenversicherung ständen, heiht es in derBegründung des Entwurfs, versicherungstechnische, finanzielle undverwaltungsinähige Schwierigkeiten entgegen. Der Haufen nach derBersicherungsordnung neu einzustellender Beamten wäre nicht im-stände, die Feststellung der Hinterbliebenenbezüge für zurückliegendeJahre nachzuholen.(®. 365, Motive.) Durch§ 15 des Zolltarif-gesetzeS seien allerdings zweifellos Hoffnungen auf die tat-sächliche Fristung von Hintcrbliebenenbezügen für die Zeit vom1. Januar 1910 an erweckt worden. Aber ein gesetzlicher oderauch nur billiger Anspruch der einzelnen Witwen und Waisen aufGewährung der Fürsorge von da an könne daraus nicht abgeleitetwerden, denn im Gesetze sei ja nur gesagt, dah die Zinsenden Versicherungsanstalten überwiesen werden, nicht dah auch denWitwen und Waise» vom 1. Januar 1910 ab Unterstützungen zuleisten seien I Im Zolltarifgesetz sei auch nicht gesagt,„welcheWitwen und Waisen, ob auch die etwa bereits vorhandenen, an denUnterstützungen beteiligt werden sollen". Eine ärgere Verdrehungklarer Rechtsansprüche könnte sich schwerlich der ausgekochtesteWinkelkonsulent leisten als hier die Motive. Klipp und klar besagt% 15 deS ZolltarifgesctzeS, dah die nach diesem Paragraphen an-zusammelnden Gelder„zur Erleichterung der Durch-führung einer Witwen- und Waisen Versorgung zu ver«wenden" sind. Die Motive begründen� den Vorstoß des Gesetz«seberS gegen die Grundsätze von Treu und Glaube» noch durcholgende Sätze:„Sodann können die geringfügigen Beträge, die nach§ 15überhaupt hätten in Frage kommen können, mit den Leistungender ReichsversicherungSordnung nicht auf gleiche Stnfe gestelltwerden, so dah die unsichere Hoffnung auf etwaige Erlangungjener unter keinen Umständen einen auch nur moralischenAnspruch auf diese begründen kann. Wie das Statut ausgefalleniväre und unter welchen Voraussetzungen den Hinterbliebenendarin eine Unterstützung zugebilligt worden wäre, läßtsich nicht feststellen. Aller Voraussicht nach hätte sich dieUnterstützung in der vom Zolltarifgesetz als Ersatzmahnahmegcdachlen Weise überhaupt nicht durchführen lassen. Endlich istder Termin deS§ 15 durch das Rcichsgesetz vom 11. Dezember1909, betreffend die Abänderung des§ 15 des Zolltarif-gesetzes usw.(Reichsgesctzbl. S. 973), auf den 1. April 1911 ver-legt und damit jeder Anspruch, selbst wenn ein solcher bestandenhätte, endgültig beseitigt worden. Was übrig bleibt, sind nurnoch Erwägungen des Wohlwollens, die aber init Rücksicht auf dieFinanzlage und die übrigen oben angeführten zwingenden Gründezurückstehen niüssen."Also die Witwen und Waisen haben nicht einmal einenmoralischen Anspruch auf Erfüllung der durch das Gesetz beiihnen erweckten Hoffnungen. Es sind ja nur Arbeiterwitwen und-Kinder. Würde ein Reichsgesetz den Beamtenhiiiterbliebenen ähn-licheS versprochen und dann nicht erfüllt haben, mit Recht würdeeine Empörung über die doppelte Verhöhimng der Witwen undWaisen losgebrochen sein.Die Rcichsversicheruiigsordnung nimmt unter Bruch deS gesetz«lichen feierlichen Versprechens den Witioen und Waisen der Arbeiterdas, was ihnen auf Grund des Gesetzes gebührt. Die Reichs-Versicherungsordnung will das vom Zentrum bereits im Jahre 1902gegebene Versprechen, die Mehreinnahmen aus agrarischen Zöllenfür soziale Zwecke zu verwenden, völlig aufheben und die fürdie Witwen- und Waisen angesammelten Beträge dem allgemeinenReichsetat, also im wesentlichen militärischen Zwecken, überweisen!Wieviel ist für die Witwen und Waisen aus den Zollerträge«gesammelt?Die Berechnungen der Sozialdemokraten find im Gegensatz zudenen des Zentrums und der Regierung voll eingetroffen: die Mehr-einnahmen, die auf Grund des ß 15 des Zolllarifgesetzes ftir eineWitiven- und Waisenverficherung zurückzulegen sind, betrugen:im Jahre 1906: 0,00 Pf.„ 1907: 42 382 427 M. 32 Pf... 1908: 0,00 Pf.„„ 1908: voraussichtlich 0,00 Pf.(veranschlagt:40 Millionen)„, 1910: 0,90 Pf.(bereits nach dem Etatsentwurf).Also ganze 42 Millionen— noch nicht den 12. Teil der halbenMilliarde, die Trimborn, und noch nicht den 3. Teil der drittelMilliarde, die der Schatzsekretär herausgerechnet hatte. In der-selben Zeit fielen den Großgrundbesitzen, aus den Taschen derArbeiter, einschliehlich der Witwen und Waisen, infolge der Brot-Verteuerung durch den Zoll rund 1500 Millionen in den Schoß. SollTreu und Glauben auch Arbeitern gegenüber vom Gesetzgeber ge-halten werden, so wäre das Reich verpflichtet, für die Witwen undWaisen jährlich vom Jahre 1905 ab gerechnet 91 Millionen nach«träglich zu bewilligen. Was war denn den Witwen und Waisenim Zolltarif nach den Behauptungen deS Abg. Trimborn und desSchatzsekretärs versprochen? Jährlich 91 oder 80 Millionen. Es isteitel Schaumschlägerei, wenn die Herren, die während der Reichstags-wähl 1907 mit der Erfüllung dieses Versprechens krebsen gingen, sichjetzt hinter den Wortlaut des§ 15 des Zolltarifs verstecke». Wennim Privatleben jemand sich in ähnlicher Weise auf den Wortlauteines Vertrages, der dem mündlich gegebenen Versprechenentgegensteht, zurückzieht, so nennt man den einen Be-trüger oder im besten Fall einen Worttüftler undRabulisten und kein Gericht der Erde würde säumen, einso hinter dem B u ch st a b e n des Vertrages sich Verkriechenden, demSinne des Vertrages entsprechend zu verurteilen. Das Reichsamtdes Innern verlangt ein anderes Ergebnis: der Wortbrüchige sollbelohnt, die den Witwen und Waisen vorenthaltenen.durch die Verteuerung der Lebensmittel entstandenen Beträgesollen dem Reich und den Reichen zufliehen. Kein Wort davon, dahetwa durch Aushebung deS Identitätsnachweises, dieser Liebesgabefür Grohgrundbesttzer. den Witwen und Waisen gegen-über vollzogene Rechtsbeugung beseitigt werde.Aber der Entwurf schlägt doch Beiträge für die sogenannteWitwen« und Waisen-.Rente" vor? Sehen wir, wie es sich damitverhält.Beiträge des Reichs zu den Hinterblicdenenrenten.Nach dem Entwurf soll ein ReichSzuschuh von ganzen 50 Markfür jede Witwe und gar nur 25 M. für jede Waise treten.Dadurch gewinnt das Reich an den jährlich in Höhe von 80 viS91 Millionen Mark für die Hinterbliebenen versprochene» Geldernjährlich etwa 72 bis 83 Millionen!Das zeigt folgende Rechnung.Die Motive enthalten zwar S. 534 bis 556 lange Rechen-exempcl. Aber ihre gesamte Rechnerei ist ebenso windig wie dieseinerzeit gegebene amtliche Begründung, in der mehr Witwen vonSeeleuten mit einem Anspruch auf Hinterbliebenenunterstützung aus«gerechnet wurden als es überhaupt Seemannswitwen gab. DieBerechnung der Motive ist so unübersichtlich wie möglich. Soweitaus dem Wust von Zahlen, Ziffern und Annahmen ersichtlich, scheintdie Regierung den jährlichen ReichSzuschuh auf 27Millionen zu schätzen. Stimmt dies, so heißt daS: 53 bis64 Millionen aus den verheißenen 80 bis 91 Millionen werdenden Hinterbliebenen jährlich entzogen. In Wahrheit ist dieentzogene Summe noch erheblich höher. DaS ergibt solgende un-gefähre Schätzung, die wir bereits vor einem Jahre ausstellten undgegen die Bedenken nicht geltend gemacht sind.Bei der Invalidenversicherung sind zurzeit rund 14 MillionenPersonen(QlU Millionen Männer und 4� Millionen Frauen) versichert. Der Reichszuschutz für die Invaliden- und Altersrente be-trägt 50 M. Zur Bestreitung hierfür sind in den Etat rund50 Millionen als ausreichend eingestellt. Die am 1. Dezember 1900aufgenommene Volkszählung wies 2 413 659 Witwen auf. Vondiesen mag die Hälfte als solche anzusprechen sein, deren Männerder Invalidenversicherung unterstellt waren. Diese Schätzung istnoch eine erheblich höhere. Denn nach der Berufsstatistik vom14. Juni 1895 waren nur 4 167 440 verheiratete männliche und849 492 verheiratete weibliche Personen vorhanden, die eine ver-sicherungSpflichtige Beschäftigung ausüben.Demnach würden 1 106 829 Witwen im Deutschen Reiche inBetracht kommen, die bis zu einer Wiederverheiratung auf eineHinterbliebenenversicherung Anspruch hätten, falls sie invalidein, Sinne der ReichsversicherungSordnung würden. Rechnet mannach den erfahrungSmähigen Ergebnissen auf durchschnittlich je eineWitwe 1.7 Kind, so kämen insgesamt 2 988 433 Personen(1 106 829 Witwen und 1 881 609 Kinder), also rund 3MillionenPersonen als eventuell fürsorgeberechtigt in Betracht, d. i. etwaein Fünftel des heute für die Invaliden- und Altersversicherung inBetracht kommenden Teils. Es würde deninach der Reichs-z u s ch n h für die Hinterbliebenen mit 50 bis 25 M. das Reichjährlich mit kaum 8 Millionen belasten. 80—91 Millionensollte der für die Hinterbliebenen zurückbehaltende Mehrertrag ausden Zöllen ausmachen. Mithin erhält das Reich durch dieHinterbliebenenversicherung jäbrlich 72 bis 83 Millionenneue Einnahmen. Eine köstliche soziale Fürsorge!Könnten Reichsmittel in zulänglichem Maße flüssig gemachtwerden?Die Einnahmen aus Z 15 deS Zolltarifgesetzes find s ch w a n-k e n d e r Natur. Solch' schwankende Mehreinnahmen auSden Zöllen allein würden eine unzulängliche Grundlage für zu«reichende Leistungen an Hinterbliebene bilden. Warum aber sollteder Reichsbeitrag nicht von vornherein als ein z u m m i n-besten dem jährlichen Mehrertrag aus Zöllen zu enssprechender z»bemessen sein? Sind 80 bis 91 Millionen jährlich vom Reich ver-sprochen, so hat das Reich, falls die von ihm erhofften Einnahme-quellen als unzulänglich sich erweisen, weil die sozialdemokratischenProphezeiungen eingetroffen sind, die Mittel aus anderen Quellenbereitzustellen.Weshalb ist man dem Gedanken nicht näher getreten, alleMehreinnahmen aus den agrarischen Zöllen zugunsten der Witwenund Waisen zu verwenden?Weshalb ist man nicht einer Aufhebung des Identitätsnachweises näher getreten, die allein wohl rund 27 Millionen jährlichbringen würde?Die Motive besagen darüber nichts.Und wenn auch— was keineswegs der Fall— die Mehreinnahmen aus allen Zöllen unter Aufhebung eines Teiles derLiebesgaben für reiche Großgrundbesitzer nicht ausreichen, um auchnur die almosenartig niedrigen in der Reichsversicherungsordnungvorgeschlagenen„Renten",„Witwengelder" und„WaiscnauSsteuern"zu bezahlen, so müßte daS Reich in anderer Weise die Kosten auf-bringen. In erster Reihe käme da eineRcichscinkoiiimenstcner auf hohe Einkommenin Betracht, etwa auf Einkommen von 6000 M. jährlichab. Die Vorlage geht diesen Weg nicht. DieMotive schweigen sich über die Gründe hierfür aus. Wohl aberschlägt der Entwurf eineReichsciiikcmiiienstcilcr ans niedrige Einkommenvor: jedes Einkommen auch unter 350 M. jährlich bis zuder Höhe, wo die Versicherungspflicht und das Recht zur ftei-willigen Versicherung aufhört, also bis 2000 oder 3000 M. soll miteiner Einkommensteuer belegt werden, sofern der zu Belastendeein Arbeiter ist und deshalb der Versicherungspflicht unterliegt.Wie bereits hervorgehoben, sollen nämlich die Beiträge zurInvalidenversicherung um etwa ein Viertel erhöht werden. Wer bis350 M. Jahreseinkommen hat, soll statt einer 14-Pfennig-Markeeine 16-Pfennig-Marke einkleben lassen, bei Einkommen von 350 bis550 M. jährlich soll die Marlenhöhe von 20 aus 24, bei einem Ein-kommen von 550 bis 850 M. von 24 auf 30, bei einem Einkommenvon 850 bis 1150 M. von 30 auf 38, bei einem Einkommen über1150 M. von 36 auf 46 Pf. wöchentlich steigen, das heiht alsodie niedrigen Einkommen mit rund 1 Proz. Reichs-einkommensteuer zu belegen. Die absolute Umkehr einergerechten Steuer I So soll infolge desselben Gesetzes, das mitZentrumshilfe rund 376 Millionen aus den Taschen der Arbeiterden Großgrundbesitzern, weil sie besitzen und nicht arbeiten, jährlichin den Schoß wirft, den Witwen und Waisen 72 bis 83 MillionenMark jährlich genommen und den Arbeitern, weil sie arbeitenund nichts besitzen, abermals eine Einkommensteuer von1 Proz. auferlegt werden IDaS ist Sozialpolitik der Regierung.Die Motive geben, gerade als ob sie beim Zentrum in die Schulegegangen wären, auch ethische, sittliche Gründe. Es heiht in denMotiven:„Ueberliehe man die Fürsorge für die Hinterbliebenenlediglich öffentlichen Einrichtungen, so würde sie auS dem Begriffeder Versicherung herausfallend, einen der Armenpflege verwandtenCharakter der Unterstützung annehmen und es würde zugleich dieeigene Verantwortlichkeit des Familienoberhauptes für die Zukunftseiner Hinterbliebenen geschwächt werden. Daraus ergibt sich dieNotwendigkeit, die an der geplanten Versicherung beteiligtenArbeitnehmer zu den Kosten mit heranzuziehen." Ignatius Loyolamacht Schule.Warum werden nicht die Gemeinden zur Tragung derKosten herangezogen? Weil dann auch Richtarbeiter, wie bisher anden Armenlasten, partizipieren mühten? Oder weil dann einzelneGrohgrundbesttzer, insbesondere jene, deren selbständige Guts-bezirke in Preuhen der Gemeinde gleichgestellt sind, keine neuenLiebesgaben erhalten würden? Bewahre I Die Motive geben folgendeGründe an:.Allerding« ist auch der Gedanke erwogen worden, ob nichtetwa wegen deS voraussichtlichen Sinkens der Armenlasten nachEinführung der Hinterbliebenenverficherung die Gemeinden zurDeckung der Kosten heranzuziehen wären. Zwar stehen allgemeine,Geschlecht, Alter und Familienstand der Unterstützung sowie dieKosten der Armenpflege im Reiche umfassende statrstische Er-Hebungen nicht zur Verfügung. Indessen ergibt sich aus den be»rufsstatistischcn Erhebungen, daß unter den von Unterstützunglebenden Personen sowie unter den Insassen von Armen- oderJnvalidenhäusern usw. die weiblichen, und unter diesen wiederdie Witwen, vorherrschen. ES ist deshalb nicht zweifelhaft, dahder Armenpflege aus der Unterstützung der Witwen und Waisenzurzeit grohe Opfer erwachsen, und daß sie durch die Hinter-bliebenenversicherung nicht unwesentlich entlastet werden wird.Die Heranziehung der Gemeinden liehe sich hiernach rechtfertigen.ES stehen ihr aber, was schon bei Einführung der Invaliden»Versicherung hervorgehoben worden ist, überwiegende praktischeSchwierigkeiten entgegen. Insbesondere würde sich ein gerechterund praktisch verwendbarer Maßstab für die anteilige Belastungder einzelnen Gemeinden kaum feststellen lassen.Das Staats- oder das Gemeindesteuersoll ist nicht brauchbar,weil die Verhältnisse in den einzelnen Gemeinden und Bundes-staaten zu verschieden liegen. Auch die Zahl der Versicherten oderder Empfänger von Hinterbliebenenrenten gibt keinen annehm-baren Maßstab ab, weil er die ärmeren Gemeinden, in denendiese Zahlen in der Regel höher sein werden, als in denreicheren, überlasten und weil er überdies zu umständlichen binnenkurzer Frist zu wiederholenden Erhebungen nötigen würde. Bonder Heranziehung der Gemeinden wird au» diesen Gründen ab-gesehen werden müssen."Etwas kürzer wäre der Inhalt der Motive dahin zu fassen ge-Wesen: weil der Zweck des Gesetzes ist, einenweiteren Teil der Armenlasten von den starkenSchultern der wohlhabenderen Schichten der Bs»völkerung aus die schwachen der Arbeiter zulegen.Stalltverorckneten- vessgmmlung.13. Sitzung vom Donnerstag, den 7. April 1910,nachmittags 5 Uhr.Der Vorsteher Michelet eröffnet die Sitzung nach 5'ch Uhr miteinem Nachruf für den am 31. März plötzlich verstorbenen Stadt-rat T o u r b i e.Das sogenannte Aufmarschgelände am Biktoria-Park soll fürden Betrag von 6,3 Millionen Mark dem MilitärfiskuS fürstädtische Zwecke abgekauft werden.Bürgermeister Dr. Reicke: Ich bitte Sie, die Vorlage, wennirgend möglich, ohne Ausschußberatung anzunehmen. Für Berlinist es ja gleichgültig, ob wir das Gelände jetzt oder nach ein paarWochen kaufen. Der Militärfiskus aber hat das dringendste Jnter-esse, über das Geschäft schleunigst Klarheit zu erhalten, da die An-gelegenheit noch daS Reichsschatzamt und als Nachtragsetat denReichstag passieren muh, dieser aber nach den neuesten Nachrichtensich noch vor Himmelfahrt vertagen will. Eine schleunigere Vor-legung war nicht zu ermöglichen, da wir mit dem Fiskus zugleichüber den Ankauf von Teilen des Tempelhofer Feldes verhandelten,womit wir bei allem Eifer bisher nicht zu Rande gekommen sind.Die Vorlage ist daher zunächst auf das Aufmarschgelände beschränktworden. Der Süden ist mit dem nur 8 Hektar großen Viktoria-park recht stiefmütterlich bedacht; der Park ist im Sommer über-füllt und gestattet einen ruhigen Spaziergang kaum noch, er istfür Berliner Verhältnisse zu klein. Der Preis ist ja kein niedri»ger, aber nicht höher als etwa der von uns für den BotanischenGarten angelegte. Schon 1888, als der Park angelegt wurde, sindübrigens unsererseits die Verhandlungen wegen Ankaufs oderPachtung des Geländes betrieben worden. Wir wollen seine größereHälfte dem Park zuweisen, die andere Hälfte, den südlichen Teil,der Bebauung erschließen.Stadtv. Dove(A. L.): Meine Fraktion wird dem Wunsche de?Würgermeisters entsprechen, Luristische Sjchwierigkeiten liegen