Landtagsprogramm.Die Etatsberatungen im Llbgeordnetenhausesollen so gefördert werden, daß die zlveite Beratung spätestens bisHimmelfahrt, die dritte Beratung vor Pfingsten beendet wird. Manhofft,»ach Erledigung der Wahlrechtsvorlage den Eisenbahn-etat bis 21. April zu verabschieden und vom 21. April bis i. Maiden KultuS- und Ansiedelungs etat zu beraten. Zwischen-durch wird daS E i f e n b a h n a n l e i h e g e f e tz in erster Beratungerledigt werden und das Reisekosten- und G e r i ch ts k o st e n«g e s e tz verabschiedet werden.DaS Herrenhaus wird die Wahlrechtsvorlage amIK. und 27. April beraten und vom 21. Mai ab den Etat zurBeratungstellen und die Schlutzabstimmung zur Wahl-rechtSvorlage vornehmen.Prinz-Referendar.Prinz August Wilhelm von Preußen scheint von dem Ehrgeizbeseelt zu sein, preußischer Landrat werden zu wollen. Die byzan-tinische Presse meldet:„Prinz Dr. August Wilhelm von Preußen wird demnächst dasReferendorexamen ablegen. Gegenwärtig werden ihm staats- undkirchenrechtliche Borlesungen gehalten. Zu diesem Zwecke hat sichDr. Rudolf Smend, Professor der Rechte in Greifswald, nachPotsdam begeben, wo er bis Ende des Monats bei demPrinzen verweilen wird."Anders als sonst bei Menschenkindern laufen in diesem Fall dieDinge. Der Prinz läßt sich seinen Lehrer kommen, und dieserProfessor hat allein die Verantwortung zu trage», wenn der Prinzbeim Examen durchrasseln würde. Eine Gefahr, die allerdings kaumim Bereiche der Möglichkeit liegt.Zentrum und Wahlreform.Die in vorletzter Nummer bereits telegraphisch mitgeteilteTtettungnahme der Stadtverordnetenversammlung inKöln zur preußischen WahlrechtSftage hat eine eigenartige Ge-schichte. Die Ursache zu dieser Kundgebung ist ein Antrag desSozialdemokratischen Berein ö, der eine Petition andie StaatSregierung und daS Abgeordnetenhaus verlangte, worindas allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für Preußenund eine Reueinteilung der Landtagswahlkreise gefordert wird.Die liberale Fraktion brachte darauf einen Antrag ein,der lediglich den Oberbürgermeister ersuchte,.in seiner Eigen-schaft als Herren Haus Mitgliedes!) dahin zu wirken,daß bei der Neuordnung des Wahlrechts im Interesse der StadtKöln die geheime und direkte Wahl eingeführt und eine andereWahlkreiseinteilung geschaffen werde. In der Sitzung schwächtensie tzenAntrag noch mehr ab. indem sie nur noch„d i eHoffnung" aussprachen, daß es dem Oberbürgermeister„ m ö g-l i ch sein" werde, im Herrenhaus für die genannten drei Dinge ein-zutreten. DaS geschah, weil Oberbürgermeister Wallraf eine Be-einflussung als Parlamentsmitglied prinzipiell ablehnte. DerFraktionsredner der Liberalen erklärte, daß man aus Rücksicht awdie Zentrumsfraktion die Form der Petition nicht wähle, da mandem Zentrum nicht zumuten könne, durch eine solche Petition seinenAbgeordneten in Berlin Verlegenheiten zu bereiten.Die Zentrums in ehrheit stellte sich zunächst auf denStandpunkt, daß eine Petition aus Zuständigkeitsgründen nicht abzusenden sei. und so verfaßte man eine gewundene.Erklärung",in der der Standpunkt der Klerikalen zum Ausdruck gebracht wurde.In allerletzter Stunde aber änderte das Zentrum die Erklärung zueinem Antrag um, der der Regierung, dem Abgeordneten- und demHcrrenhauie„zur Kenntnisnahme" unterbreitet werden sollte. Alsder Oberbürgermeister erwiderte, daß ihm dieS nur in der Formeiner Petition möglich erscheine, er eine solche aber auf GrunddeS ZuständigkeitSgefetzeS beanstande, da erklärten sich die Zentrums-leute mit der Forni der Petition einverstanden, obwohl sie ursprünglicheine solche prinzipiell als unzulässig bezeichnet hatten.Dieser von der Zentrumsfraktion aufgeführte Eiertanz ist demAnhalte der zu unterbreitenden Erklärung würdig. Denn dieErklärung gleicht der sagenhaften Schlange, die sich selbst ausfrißt.DaS Machwerk beginnt mit der allen ähnlichen Aeußerungen vonZentrumsseite eigenen heuchlerischen Versicherung, daß da» geheime,direkte und gleiche Wahlrecht für Preußen das»zu erstrebendeZiel" sei: im selben Atemzuge aber lehnt die Erklärung die neueWahlkreiseinteilung nach den Grundsätzen derGleichheit ab. Ferner heißt die Erklärung angesichts der„entgegenstehenden Anschauungen der StaatSregierung, des Herren-hauies und mächtiger Parteien des Abgeordnetenhauses" die»aufpraktische Erfolge gerichtete Politik" des Zentrums gut. Bekanntlichhat aber die„StaatSregierung" das direkte Wahlrechtzugestanden; und eine der„mächtigen Parteien", die dasgeheime Wahlrecht für die Abgeordnetenwahl verhinderte, eS andie Junker verschacherte, war gerade daS Zentrum.Die ZenirumSerklärung wurde mit allen Stimmen derklerikalen Fraktion angenommen, worauf der Oberbürgermeister zuProtokoll gab. daß er den Beschluß beanstande, weil die Stadt-verordnetenversammlung zu einem solchen, soweit er sich mit all-gemeinen Fragen des Wahlrechts befasse, nicht zuständig sei.Die Liberalen hatten ihrem Antrag inzwischen auch die Form derPetition an Regierung und Landtag gegeben: die Abstimmung er-übrigte sich aber infolge der Annahme deS Zentrumsantrags.Fuistenautomobile auf Koste» des Volkes.Wie die„Rheinisch-Westsälische Zeitung" von militärischer Seiteerfahrt, ist eine große Vermehrung des Antomobilparks der Heeresverwaltung vorgesehen, da 13 neue Wagen zu dem biöberigenBestände zukommen. ES handelt sich dabei erstens um den Ankaufder 12 Fürsten automobile, die im vorigen Jahre demHofmarschallamt zur Beförderung der Fürsten und der Gäste deSKaisers auf das Manöverfeld zur Verfügung gestellt waren. DieAutomobile werden im Kaisermanöver dieses Jahres dieselbenDienste tun, wie im vorigen Jahre.Wir wisien bestimmt, daß der Reichstag für Fürstenautomobilekeinen Pfennig bewilligt hat, und wenn diese vermutlich ganz be-sonders luxuriös ausgestatteten Automobile tatsächlich angekauftwerden sollten, dann läge darin eine Verletzung des Budgetrechts.DaS fehlte noch, daß auf Kosten der Steuerzahler LuxuSautomovilefür Fürstlichkeiten angeschafft werden.Zur Peusionsverficherung der Pridataugestellten.Das Rcichsamt des Innern hatte zum Sonnabend eine Kon-ferenz einberufen, zu der die Vertreter der freien Vereinigung fürdie soziale Versicherung der Privatangestellien, des HauptauS-schusses und des Verbandes Hirsch-Dunckerscher Gvlverkvcreine Ein-ladungen erhalten hatten. Das ReichSamt selbst war dabei durchdie Geh. Obcrregierungsräte Dr. Beckmann und Koch ver-treten, die gleich zu Beginn erklärten, daß die Regierung denGesetzentwurf über die Pensionsversichcrung der Privatangestelltenauf der Grundlag« der zweiten amtlichen Denkschrift ausarbeite; eskönne deshalb nicht über den Ausbau der Invalidenversicherunginnerhalb der RcichSversicherungsordnung. sondern nur über diePensionsversichcrung in Gestalt einer Sonderversicherungberaten werden. Da eö den Vertretern des Ausbaugedankcns unterdiesen Umständen nicht möglich war, ihren grundsätzlichen Stqnd-Punkt ausführlich darzulegen, drehte sich die Debatte zum über-wiegenden Teile um verschiedene Einzelheiten der Son-dcrversicherung. Einen breiten Raum nahm dabei die Er-örterung der Frage ein, ob Ersatzinstitute zugelassen werden sollten.Die Vertreter der Regierung erklärten, daß sich die Re-gicrung darüber selbst noch nicht klar gewordensei. Auch bezüglich der Selbstverwaltung vermochten dieRegierungsvcrtretcr noch keine näheren Angaben zu machen. DieVertreter der H i r s ch- D u n ck e r schen Gewerkvercine wiesenunter anderem daraufhin, daß die Schaffung einer Sonder-Versicherung in der Arbeiterschaft berechtigte E'ntrüstung her-vorrufen werde und sie die Gelegenheit der ReichsvcrsicherungS-Ordnung benutzen würden, um für den notwendigen Ausbau derInvalidenversicherung in eine intensive Propaganda einzutreten.Ter Vorsitzende der Sicbencrkommission des Hauptausschussesglaubte für diesen Fall die Herausnahme aller Privatangestelltenaus der Invalidenversicherung in Aussicht stellen zu müssen. DieVertreter der freien Vereinigung präzisierten amSchluß das Ergebnis der Verhandlungen für sich dahin, daß siedurch den Verlauf der Debatte in ihren Grundanschauungen nichterschüttert feien. Sobald der Gesetzentwurf vorliegen werde, wür-den sie positive Vcrbcsserungsvorschläge machen. Borläufig aberhätten sie keine Veranlassung, den Gedanken des Ausbaues fallenzu lassen._Ter badische Finanzminister Dr. Hansellist wegen Krankheit von seinem Amte zurückgetreten. Honsell standseit einigen Jahren an der Spitze des badischen Finanzministeriumsund vertrat hier den Standpunkt strengen SparenL, sowohl wassachliche, wie persönliche Ausgaben anlangt. Er stieß mit dieserPolitik wiederholt auf scharfen Widerspruch, zumal sich seine Spar-theorie auch auf die Staatsarbeiter erstrecken sollte, denen er Be-gehrlichkeit vorwarf. Honsell war vor Uebernahme des Finanz-Ministeriums Wasserbautechniker. Sein Nachfolger ist Dr. Göller,bisheriger Direktor der Staatsschuldenverwaltung.Die„Unentwegten".Die Nationalliberalen der Provinz Brandenburg hielten gesternin Berlin einen Parteitag ab. Abg. Schiffer sprach über dieWahlrechtsvorlage und erklärte, daß die Nationalliberalen der Vor-tags in ihrer jetzigen Form unter keinen Umständenzustimmen werden. Eine in diesem Sinne gehaltene Resolutionfand einstimmig Annahme.Nicht in der„jetzigen Form" 1 Aber wenn ihnen einige kleineZugeständnisse gemacht werden, find die Nationcilliberalen zum Um-fall bereit._Zuviel Sozialpolitik.Als die sächsischen Herrenhäusler am Freitag die Novelle zumBerggesetz berieten, die die Einführung von Sicherheitsmännern ausdem Arboiterstande in den Bergwerken bringt, nahm der Präsidentder Leipziger Handelskammer, Kommerzienrat Zweiniger das Wort undführte aus, er habe zwar in der Deputation für den Gesetzentwurf ge-stimmt, halte ihn aber nicht für ersprießlich und für ganz überflüssig.Industrie. Handel und Gewerbe seien mit sozialpolitischen gewerblichenGesetzen nnd den damit verbundenen Leistungen bereit» so beschwert,daß es notwendig erscheine, in der Gesetzgebung auf diesem Gebiete einePause eintreten und das Erwerbsleben zur Ruhe kommen zu lassen.Diese Warnung vor weiterer Sozialpolitik wurde von den Herren-häuölern mit lebhaftem Beifall aufgenommen und der Ministerv. Riiger erklärte, daß er ganz derselben Meinung sei.Das Echo aus Schlesien.Bereits in Nr. 71 des„Vorwärts" vom 23. März konnten wirvon einer erfreulich großen Anzahl schlesischer Gemeindewahl«siege berichten. Inzwischen sind die Gemeindewahlen abgeschlossenund daS Resultat ist wieder ein äußerst erfreuliches für uns. Zuden bereit» damals genannten Orten gewannen wir noch zwei Man-date in KunnerSdorf bei Kirschberg, zwei in Thomaswaldau beiStriegau, zwei in Heincrsdorf bei Grünberg, zwei in Stabil-witz bei Deutsch-Lissa, zwei in Gräben bei Striegau,drei in Ebersdorf bei Neurode, zlvei in Köbeln beiMnSkau. 3 in Walditz bei Neurode,— ja, sogar in OstroSnitz,Oberschlesiens schwärzestem Nest, gewannen wir 2 Mandate! Fernergewannen wir neue Mandate in Klein-Tschantsch bei Breslau.Marschwitz(Kr. Neumarkt), Lugknitz bei MnSkau, Neudorf beiNeurode,»It-Lässig(Kr. Waldenburg), Steindorf bei Ohlau, Seiten-dorf bei Waldenburg, Rausse bei Nenmarkt, Oelse bei Freiburg,Ober-Herinsdors<11. und III. Klasse einstimmig!) Freiwaldau,Weißkeisel,(II. und III. Klasse!) Arnsdorf bei Reichenbach, Keula<3 Mandate in der II. und III. Klasse!) Klein-Gandau beiBreslau, Märzdorf bei Ohlau. Ströbel am Zobten, HockenauKr. Liegnitz. Poischwitz bei Jaucr, Tschirnitz bei Jauer, GinterS-dorf bei Striegau, Conradswaldau, Saarau bei KönigSzelt,Tiefenfnrt bei Bunzlau, Tiefenfurt bei Görlitz<2 Mandate), Schott«witz bei Breslau. Tillendorf hei Bunzlau(II. und III. Klasse!),Ober-, Mittel-Peilau, Herrnprotsch bei Breslau, Töppendorf(KreisStrehlen). Im Kreise Waldenburg siegien unsere Genossen fernerin folgenden Orten: Altwasser(2 Mandate), Fellhaminer(Li,tartan(2), KonradSthal, Neusalzbruim, Ober-AdelSbach(3),olSnitz(2), WüstegierSdorf(2) und Weißstein(2). Dort haben wirjetzt viernial soviel Vertreter als vor zwei Jahren I In Klein-Leubusch bei Brieg ist die seit zwei Jahren bestehende. sozialdemo-kratische Mehrheil in der Gemeindevertretung durch neue Siegedauernd gefestigt worden. Dort fanden die Wahlen an einem Sonntagstatt, wobei unsere Genossen in allen drei Klassen siegten.Dort haben nunmehr unsere Genossen von den 12 Sitzen neuninne, und von den übrigbleibenden drei Vertretern sind auch nochzwei mit unserer Hilfe gewählt worden I Ein durch und durch rotesDorf also, wie man es weit und breit so leicht nicht wieder findet.Und es liegt fern von der Stadt, fast zwei Stunden ist es bisBrieg! Gegner erhalten dort fast gar keine Stimme mehr. Werunsere Kandidaten nicht wählen will, bleibt der Wahl fern. Seitzehn Jahren sind dort unsere Genossen im Gemeindeparlamruttätig, und Landrat. Amtsvorsteher, Lehrer und Geistliche haben nichtvermocht, das Vertrauen der Einwohner zur roten Mehrheit zu er-schüttern. Auch in Tillendorf bei Bunzlau sind von den zwölf Ber-tretcrn bereits sechs Sozialdemokraten. In Steindorf erhielt derbisherige gegnerische Vertreter ganze sieben Stimmen, unserKandidat dagegen 11. Der Mann hatte sich ober in all denJahren mir das Vertrauen von sieben seiner Freunde erworben!Und in Gräben erschienen die Gegner � überhaupt nicht mehrzur Wahl, wohl wissend, daß die Gemeindeangelegenheitenbei unseren Genossen in besten Händen sind.— jJm ganzen wurdenin Schlesien bei den diesjährigen Gemeindewahlen über 50 neueMandate er-hert und weitere 20 glänzend behauptet.DaS ist die einstweilige Antwort auf die Finanzreform undBethmannsche AolkScntrcchnmg und die Ouvertüre zu derrotzen Generalabrechnung bei den nächstenieichstagS wählen.— Demnächst finden in allen BezirkenSchlesiens Zusammenkünfte oller Gemeindevertreter auS Stadl undLand statt, in welchen die neuen Kräfte„einexerziert" und diewichtigsten Aufgaben eines sozialdemokratischen GemeindevertreterLbesprochen werden sollen. Und zur selben Zeit, kaum daß dieWahlen geschlossen, beginnen die Genossen von Breslau bereitsmit den Arbeiten zur Stadtverordnetenwahl, die im Herbst stattfindetund unserer Partei mindestens vier bis fünf neue Mandate bringenwird..Verurteilte Borufseu.Die Leide» Mitglieder des Bonner Korps Borussia GrasFink zu ginkeustein und Werner v. Ouistorp wurdenwegen gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs zu je 11 Tagen Ge-fängnis verurteilt.ES handelt sich um den nächtlichen Einbruch bei dem Unter-offizier Feith._Herabsevung des Brotpreiscs durch Anfhebnngdes Oktrois.AuS Mannheim wird uns geschrieben:Der„Vorwärts" berichtete in seiner Mittwochnummer, daß dieAufhebung deS Oktrois unter anderem auch in Mannheim dieHerabsetzung des Brotpreises um 2 Pf. auf den Laib zur Folgegehabt habe. Das ist ein Irrtum Ihres Korrespondenten, dennMannheim hat seinen Oktroi aus Brot und Fleisch auf energisches Be-treiben unserer Rathausfraktion, die ein Drittel der Sitze inne Hat,bereits im Jahre 1896 aufgehoben. Wir hatten hier die durch den Oktroibewirkte Preissteigerung also schon beseitigt, ehe die künstliche Ber-teuerung durch den neuen Zolltarif in Kraft trat und die Aufhebungdurch Reichsgesetz für die anderen Städte nnSgefprochen wurde. DasProblem, auch ohne städtische Steuer auf notwendige Lebensmitteldie kommunalen Einnahmen mit den notwendigen Ausgaben in Ein-klang zu bringen, Hot die Stadtverwaltung Mannheim schon vor11 Jahren gelöst. Und daß wir dabei nicht schlecht gefahren sind,zeigt die Entwickelung unseres Gemeindewesens.Schweiz.„Schweizer zurücktreten!"Ans Zürich wird uns geschrieben:Von den in der Schwerz lebenden 106 000 Ausländern warenim Jahre 1900 268 131 Reichsdeutsche, von denen ein großer Teilhier geboren und aufgewachsen, aber nicht eingebürgert ist, so daßdie jungen Leute sich bei erreichtem 20. Lebensjahre in einemdeutschen Grenzorte zur Rekrutierung stellen müssen. ES ist nunbekannt, daß die deutsche Militärverwaltung die in der Republikaufgewachsenen jungen Deutschen, die von dem ganzen monarchischenKram nichts wissen, mit schelen Augen betrachtet und von ihnen einebedenkliche antimonarchisch- republikanische Jnfizierung der als„monarchische Untertanen" erzogenen und gedrillten Soldaten be-fürchtet. Zur Abwehr dieser großen, für Kaiser und Reich bedenl-lichen Gefahr wird bei der Rekrutierung nach der Parole verfahren:„Schweizer zurücktreten!"Kommen sie schließlich doch an die Reihe, so werden sie zunächstgefragt, wie lange sie schon in der Schweiz sind und wer schon zehnoder noch mehr Jahre hier weilte, also da aufgewachsen ist, der wirdohne weitere Untersuchung und Fomialität vom deutschenMilitärdienst befreit.„ES scheint fast, meint dazu die katholische„Gchaffhauser Zeit.",als wollten die deutschen Militärbehörden den Schweizerbehürdcueinen Wink geben mit dem Zaunpfahl, damit sie diese jungenLeute, die in der Schweizerluft groß und stark geworden undSchweizerart und-Geist angenommen, doch endlich ohne viel Umständeeinbürgere."Over war eS vielleicht die Furcht der AuShebungSoffiziere, die„Schweizer'-Rekruten könnten zu stark vom Sozialismus angestecktsein? Wenn daS der Fall wäre, so wäre für die deutschen Rekrutenein sicheres Mittel gefunden, auf die„Annehmlichkeiten" des KönigsRock zu verzichten.Da aber trotzdem die deutsche Armee Hunderttausende Soldatenzählt, die von ihren sozialdemokratischen Eltern in republikanischemGeiste erzogen wurden, so wird die Vorsicht der deutschen Militär-behörden wohl nicht allzuviel nutzen.Frankreich.Schluß der Parlamentssession.Paris, 8. April. Nachdem Kammer und Senat sichin der Nachtsitzung über das Budget einig geworden waren,vertagten sie sich bis zum 1. Juni,. an welchem Tage dieneugewählto Kammer zusammentreten wird.Cngiancl.Eine Sozlalreforwvorlage der Arbeitcrfraktion.London, 7. April.(Eig. Ber.) Der vor einem Jahre an dieserStelle besprochene Minderheitsbericht der Kommission über Armen-gesetzgebnng wurde zur Grundlage einer Reformvorlage gemacht,die am 8. d. M. zur zweiten Lesung im Unterbause kommt. DerTitel der Vorlage ist:„I'rovontion ot vostitution Bill"(Vorlagebetreffend Vorbeugung der Not). Sie enthält in juristischer Formdie Reformvorschläge, die die Minderheit der Kommission in ihremBerichte gemacht hat.Die Bill, die 16 Folioseiten stark ist, zerfällt in vier Teile:Der erste Teil enthält die Maßregeln zur Schaffung eines Arbeits-Ministeriums; der zweite Teil-- die Behandlung der hilfsbedürftigenArbeitsunfähigen, also der armen Kinder, Greise, Kranken; derdritte Teil— die Behandlung der Arbeitslosen; der vierte Teil—die Anwendung auf Schottland.Die Bill bezweckt die Abschaffung der Armenräte, der Arbeits-Häuser und der ganzen Armenverwaltung, wie sie die Armengesetz-gebung vom Jahre 1331 geschaffen hat. Sie überträgt die Funktionender Armenräte an die Gemeinderäte, deren Aufgabe eö ist, der Notvorzubeugen, aber nicht die Not zu brandmarken. Dann schafft sie einArbeitsministerium mit sechs Abteilungen, denen die staatliche Arbeits-losensürsorge, die Regelung der AlbeitSbedingungen und eines Teilesdes ArbeitSinarkteS untersteht. Das von der Bill vorgesehene Arbeits-Ministerium erscheint als daS wichtigste administrative Werkzeug fürdie Umgestaltung deS gegenwärtigen Staates in einem von sozialenGesichtspunkten geleiteten demokratischen Staat.Die Bill wurde von der Arbeiterfraktion vor einigen Wochen imUntcrhause eingebracht und gelangt jetzt in die zweite Beratungsstufe.Es ist indes sicher, daß sie in der laufenden Session keine Aussichtauf Fortschritt hat. Die Einbringung der Vorlage hat vorläufignur eine agitatorische Bedeutung.Ciirhei.Der Aufstand in Albanien.Saloniki, 9. April. Der Ministerrat hat verfügt, daß nun mitUnterstützung der 23 Bataillone starken Truppe»machtdie nötigen Reformen in Oberalbanien in kürzester Frist mitaller Energie durchgeführt und eine Volkszählung sowie eineAufnahme des Besitzstandes vorgenommen werden sollen.Die Rädelsführer des gegenwärtigen AufstandcS sollen vorein Kriegsgericht gestellt, daS Volk aber soll geschontwerden.?ZbeMnien.Niederlage der Partei der Kaiserin.Köln, 9. April. Der„Kölnischen Zeitung" wird auS AddisAbeba von heute telegraphiert: Ras Michael verhinderte einenVersuch des BruderS der Kaiserin, Ras Wolie, nach AddisAbeba durchzubrechen. Die nördlichen Provinzen verweigern NaSWolie die Hceresfolge. Dadurch ist der Friede gesichert.Amerika.Marinebauten.Ncw Uork, 9. April. Das Repräsentantenhaus nahm daS Marine-Programm, das zwei Schlachtschiffe für je 11 MillionenDollar vorsieht, an. Der Vorschlag, nur eins zu bauen, wurde mit60 Stimmen Mehrheit verworfen, ebenso die Anträge, drei bezw.vier Schisse zu bauen.