Abteilung SN SUZzUgleichen, ein Uinstanb. der schon jetzt schwer euipflindeni wird und Angriffsflächen bietet. Es handelt sich hierbei nicht bloß um Aeuberlichkeiten oder um eine Etikettcnfrage, sondern um vom reinen Zufall abhängigen Regel- Widrigkeiten und Ungleichheiten in der Abstufung des Stimm- rechts. Dadurch werden viele Wähler erbittert und bleiben der Wahl fern. Eine Erweiterung der Drittelungsbezirke über die Grenze des Stiminbezirks hinaus, wird, das ist die Auffassung der königlichen Staatsregierung, nicht zu vermeiden fein. Weiter hatte die Regierung neben dem Besitz, der an sich ja unabhängig ist von politischer Befähigung, gewisse Merkmale politischer Einsicht und Betätigung zum Gradmesser des abgestuften Stimm- rechts gemacht. Die Ihnen jetzt vorliegende Fassung verkümmert ■ diesen Gedanken, obwohl alle Parteien im Grunde mit ihm ein- verstanden waren. Sie fanden nur nicht'die richtige Form dafür. Ich hoffe, daß der Versuch dieses Hauses, hier eine Lösung zu finden, von Erfolg gekrönt sein möge. Professor Locntng-Halle: Es ist unrichtig, daß die nationalliberale Partei erst seit dem für sie ungünstigen Ausfall der letzten Landtagswahlen für eine Wahlreform eintritt. Ich habe vielmehr schon vor vier Jahren in diesem Hause auf die Notwendigkeit einer Wahlrcform hin- gewiesen und damit den Unwillen eines Teiles dieses Hauses er- regt. Der Entwurf, wie er aus dem Abgeordnetenhause ge- kommen ist, ist ein Wechselbalg und für»»ich unannehmbar. Auch ich bin gegen die Einführung des Reich stagswahlrechts in Preußen. Aber deshalb braucht doch nicht alles so zu bleiben, wie es 1843 verordnet wurde. In der gegenwärtigen Drittelung kann eine Abschwächung des plutokratischen Charakters liegen, aber auch eine Verstärkung. Das ist ein reines Würfelspiel, nur daß die Würfel immer zu- gnnstcn des Zentrums fallen. Es muß unter den Wählern Ver- bitterung hervorrufen, wenn 17 Prozent über die Wahl entscheiden und 83 Prozent einfach ausgeschaltet werden können. Wir können natürlich nur für ein Kompromiß sein, das uns auf dem Wege zu unserem Ziel einen Schritt vorwärts bringt. Einen Rückschritt wird man uns doch nicht zumuten können. Auf eine Znfriedenstellung der Sozialdemokraten können wir nicht rechnen, selbst wenn wir das allgemeine, gleiche Wahl- recht einführen würden. Diesen Gedanken, die Sozialdemokratie zu befriedigen, müssen wir von vornherein außer acht lassen. Aber etwas anderes ist es, wenn große Massen des Bürgertums in Stadt und Land berechtigte Beschwerden haben. Sorgen wir da- für, daß diese berechtigten Beschwerden des Bürgertums abgestellt werden, damit bei der nächsten Reichstagswahl nicht so viele aus dem Bürgertum zur Sozialdemokratie übergehen. Das kann ge- schehen, wenn zur rechten Zeit notwendige Reformen gemacht werden.(Beifall.) Fürst Lichnowsky : Im großen und ganzen können wir uns Wohl auf die Gruud- züge der Vorlage stellen, wie sie an uns gelangt ist, obwohl das geheime Wahlrecht für unsere Ostmarken eine starke Einbuße des nationalen Einflusses bedeutet. Aber ein Zugeständnis in demo- kratischer Richtung mußte gemacht werden. Wenn ich mich auch im wesentlichen auf die Basis der Vorlage stellen kann, so bedürfen doch noch Einzelheiten der Abänderung. Ich denke hier daran, die Drittelung für die Gemeinden einzuführen. Es wird zwar dann ein fürchterlicher Sturm gegen das Herrenhaus losbrechen. Davor fürchte ich mich aber nicht. Die Drittelung in dieser Weise halte ich für eine notwendige Voraus- setzung, für eine gesunde EntWickelung unseres Wahlrechts, namentlich auch in bezug auf unsere Ostmarken, wo sonst der deutsche Einflus; noch mehr zurückgehen würde, wie es schon durch die geheime Wahl geschehen wird. Ich würde es geradezu für ein nationales Unglück halten, wenn eine Vorlage zum Gesetz er- hoben würde, die lediglich die Vaterschaft des schwarz-blauen Blockes hat. Die Vorlage mag sein, wie sie will, wenn die Mittelparteien des Abgeordnetenhauses sich ablehnend verhalten und lediglich der schwarz-blaue Block dazu seinen Segen gibt, so ist die Vorlage, ganz gleichgültig, welchen Inhalt sie auch hat, für mich unannehm- bar wegen der Wirkungen, die sie nach außen hin haben muß. (Bewegung.) Das Herrenhaus hat darum die Aufgabe, wie schon der freikonservative Führer Freiherr v. Zedlitz sagte, die Brücke zu schaffen zu einer Verständigung mit den Mittclparteion, die bei allen nationalen Angelegenheiten stets eine staatstreue Gesinnung an den Tag gelegt haben. Im übrigen brauchen wir uns nicht einschüchtern zu lassen durch die B e f ü r ch- tung, daß das Zentrum nicht zustimmen wird. Ich hoffe, daß daS Zentrum so viel Sinn für Staatsnotßiendigreiten hat, daß es die Vorlage nicht scheitern lassen wird. � Käme die Vorlage nicht zustande, würde eine große Beunruhigung weiterhin unser Volk beherrschen. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, die Vorlage in einer Form zur Verabschiedung zu bringen, die die Mitwirkung der Mittelparteien im Abgeordnetenhause ermöglicht. (Lebh. Beifall.) Professor Hillebranb-BreSlau: Ein großer Teil meiner Freunde hält es nicht für notwendig, einem Gesetze zuzustimmen, mit dem ein großer Teil des anderen Hauses nicht einverstanden ist. Ich vermute, daß die Kämpfe dann noch viel schlimmer werden als jetzt. Wenn man der roten Flut Konzessionen macht, so wird sie dadurch nicht zurückgedämmt, son- dern eS werden nur neue Forderungen erhoben. Wenn wir die Vorlage rundweg ablehnen, und w«nn an den Mauern dieses Hauses die Agitation scheitert, so würde ich darin keinen Schaden sehen. Wir wollen uns darüber nicht täuschen, daß die Vorlage ein Ergebnis der Blockpolitik ist, daß sie eine Bewegung aus das Reichstagswahlrecht zu darstellt. Da muß es bei uns heißen: principiis odstal Das NeichstagSwahlrecht ist nicht abzuändern, e s ist etwas hi st arisch Gewordenes, gleiche indirekte Steuern bedingen auch gleiche Rechte. Man könnte höchstens an eine Aenderung in dem Sinne denken, daß eine zweite Kurie angegliedert wird, die auf repräsentativer Grundlage beruht. Der vorliegende Entwurf enthält Schönheitsfehler genug. Das Abiturientenexamen zum alleinigen Maßstabe für das Aufrücken zu machen, halte ich für keinen glücklichen Ausweg; mancher ein- fache Mann hat ein sichereres Urteil, als dieser oder jener Abitu« rient.(Sehr richtig!) Wir sind gewillt, über den Entwurf in ernste Erwägungen einzutreten, aber einen Sprjlssg ins Dunkle machen wir nicht mit. Wir werden nichts an. nehmen, wovon wir glauben, daß es die Eigenart Preußens schädigt.(Beifall.) Oberlandesgerichtspräsident a. D. Hamm: Führen wir hier das NeichstagSwahlrecht ein. so werden wir bald nur noch entweder ZentrumSleute oder Sozial- dcmokraten haben, und beides wäre für uns unerträglich. Sie kennen die Zentrumswirtschaft nicht. Die größte Gefahr ist doch der Riß, der durch die ganze Bevölkerung vom Zentrum aus ge- zogen wird mit der Verquickung von Religion und Politik. Ich. für meine Person, würde das direkte Wahlrecht von der Re- gierung nehmen und das geheime von der Volksver- t r e t u n g. Der TerrorismnS des Zentrums ist noch viel gefähr- licher als der der Sozialdemokratie, und nun gehen Konservative und Zentrum zusammen. Und mit einer solchen Partei wollen die Konservativen nun zum zweiten Male ein Bündnis schließen. Auf diese Weise kann keine Politik getrieben werden; wenn die Kon- servativen das nicht einsehen, dann hoffe ich, wird die Regie- rung eS noch einsehen. Weil jetzt das Zentrum den Riß aufs neue herzustellen sucht, darum sage ich: keine Politik auf Grund eines Bündnisses mit dem Zentrum!(Beifall und Händeklatschen.) Oberbürgermeister Kirschner: Es sind verschiedene Strömungen vorhanden in bezug auf das Maß dessen, was bei der Abänderung des bestehenden Wahl- rechts In Bekracht komm?. Die einen Köllen Verbesserungen nur mit kleinen Mitteln und wollen an den Fundamenten des Wahl- gesetzes nichts geändert wissen. Ich möchte keinen Zweifel darüber lassen, daß in unseren Kreisen eine erhebliche Zahl von Herren vorhanden ist, die sich mit diesen kleinen Mitteln der sogenannten Mäßiglliig des plutokratischen Charakters und der Teilnahme der intelligenten Kreise nicht begnügen, sondern die als Voraussetzung für ihre Zustimmung zu der Vorlage Acnderungen auch an den Fundamenten des Wahlgesetzes verlangen, in erster Reihe die Ein- führung des geheimen Wahlrechts. Es sind nun einmal zur Wahl berufen weite Kreise, die eine nicht sichere wirtschaftliche Existenz haben, und man mirß mit ihnen fühlen, wenn sie vor die Wahl gestellt werden, mit ihrem Arbeitgeber zu brechen oder das Wahl- recht nicht auszuüben. Es ist eine UnWahrhaftigkeit, wenn man diese Leute nicht in die Situation versetzt, nach ihrer Ueberzeugung zu wählen. Ich erinnere auch daran, daß die Wahlen in vier Berliner Wahlkreisen kassiert werden wußten wegen des Terro- riSmus, der von der Sozialdemokratie ausgeübt worden war. Die Führer der Sozialdemokratie machen gar kein Hehl daraus, daß systematisch Terrorismns getrieben wird, und daß das auch in ihren Augen eine Unsittlichkeit ist. Aber sie sagen, solange ein solches formales Recht besteht, welches meinen Gegner in die Situation versetzt, mit solchen Waffen gegen mich zu arbeiten, wäre ich doch ein Tor, wenn ich nicht dieselbe Waffe benutzte. Sie treten lebhaft dafür ein, daß das öffentliche Wahlrecht beseitigt werden muß, aber sie sagen, solange es formell besteht, begehen wir die gleichen Unfittlichkeiten wie unsere Gegner. Gehen Sie darüber nicht leicht hinweg. Nach meiner Kenntnis der Dinge ist dies System zum erstenmal umfassend bei der letzten Wahl aus- geübt worden, es hat sich ausgezeichnet belvährt, und wenn die Sozialdemokratie dies nunmehr bewährte System im ganzen Lande billigt und zur Anwendung bringt,— meine Herren, ich schrecke vor den Konsequenzen zurück. Denn die Organisation, der Ein- flutz, der von Mund zu Mund in der Fabrik ausgeübt wird, ist so eminent, daß ich glaube, aller Mißbrauch, der von anderen Parteien je betrieben worden ist mit Beeinflussungen der öffentlichen Wahl, wird außerordentlich klein sein in seinen Wirkungen gegenüber den Wirkungen, die eintreten wer- den, wenn die Sozialdemokratie diesen Einfluß systematisch ausnutzt.(Sehr wahr! bei den Oberbürgermeistern.) Ich lege also auf die geheime Wahl das größte Gewicht. Und doch muß ich sagen, daß eiue geheime Wahl bei Beibehaltung der in- direkten Wahl überhaupt nicht durchführbar ist, ja daß man dann von einer geheimen Wahl überhaupt nicht mehr reden kann. (Sehr richtig!) Man hat es so hingestellt, als ob lediglich die Er- füllung eines Versprechens in der Thronrede die Veranlassung zu einer Reform des preußischen Wahlrechts wäre. Auch wenn daS nicht in der Thronrede gestanden hätte, hätte man sich der Wahl- reform nicht entziehen können.(Sehr richtig!) Wir leben nun einmal nicht mehr im Jahre 184g. und die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sind andere geworden. Der Agrarstaat Preußen hat sich in den letzten 60 Jahren zu einem ganz anderen Gebilde entwickelt. Damit schließt die Besprechung. Die Vorlage geht an eine Kommission von 20 Mitgliedern. Als Mitglieder dieser Kommission werden auf Vorschlag des Freiherrn Lucius v. Ballhausen gewählt: Graf v. Behr-Behrenhoff, v. Sydow, v. Buch-Carmszow,. Graf Dönhoff-Friedrichstein, Graf Botho zu Eulenburg. Professor Hillebrand, Freiherr v. Landsberg -Stcinfurt, Freiherr v. Richt- hofen-Damsdorf, Freiherr v. Schorlemer , v. Wedel -Piesdorf, Graf v. Wedel -Gödens, Graf Bork v. Wartenberg, Prinz zu Schönaich . Carolath. Graf Hutten-Chapski, Fürst Lichnowskv, Fürst Hatzfeld, Professor Dr. Löning, und die Oberbürgermeister Holle , Kirschner und Wallraf. Hbüfeordmtenbam 49, Sitzung vom Freitag, den IS. April, vormittags 11 Uhr. Der RauötaiechtQparagrapb. Eine lange GeschäftsordnungSdebatte. Präsident v. Kröcher erteilt das Wort zur Geschäfts« o r d n u n a dem Abg. Winckler(k.): Ich muß im Austrage meiner politischen Freunde auf die Vorgänge der gestrigen Sitzung zurückkommen. Wir können es nicht stillschweigend hingehen lassen, wenn von Mitgliedern de? Hauses dem Minister des Königs und dem Präsidenten de« HauseS in der Weife begegnet wird, wie es gestern seitens einiger sozialdemokratischen Abgeordneten ge« schehen ist, und noch weniger, wenn der Eid der Treue, den wir alle dem Könige geleistet haben, so wie eS gestern geschehen ist, zum Gegen stände des Spottes gemacht wird. Wir richten zunächst an den Präsidenten die Bitte, daß er abweichend von der zuletzt befolgten Uebung fortan veranlassen wolle, daß derartige Zwischenrufe rm Stenogramm und im Protokoll vermerkt werden, auch wenn sie ohne Wort- Meldung im Wege des Zwischenrufs erfolgten. Des weiteren geben wir uns der Hoffmma hin, daß eS uns im Verein mit den anderen Fraktionen bald gelingen möge, die gestern von dem Präsidenten beklagten Lücken in unserer GeschäftSordnimg der veränderten Zusammensetzung deS Hauses entsprechend auszufüllen(Beifall rechts), damit den dieses hohe Haus beschämenden Zuständen ein Ende gemacht wird(Lebhafter Beifall rechts), daß derartige Dinge ungeahndet bleiben, weil die mit weiteren Folgen nicht verknüpften Ordnungsrufe bei den sozialdemokratischen Mitgliedern dieses Hauses in ihrer erzieherischen Wirkung erfahrungsgemäß versagen.(An- haltender Beifall recht?.) Präs. v. Kröchcr: Ich habe seinerzeit einer Anregung deS S e n i o r e n ho ii v e n t S folgend die Aufnahme von Zwischenrufen in das Stenogramm abgelehnt. Ich habe aus den gestrigen Vorgängen schon Veranlassung ge- nommen, diese Verfügung wieder aufzuheben und angeordnet, daß die gestrigen Zwischenrufe und in Zukuust alle Zwischenrufe, welche die Stenographen vernehmen, wieder aufgenommen werden. Abg. Graf Moltke<fk.): Der Beschluß, den die konservative Partei eben durch ihren Wortführer hat anbringen lasten, ist erst vor ganz kurzem gefaßt und dadurch zur Kenntnis meiner politischen Freunde gekommen, daß die konservative Partei mir ihren Beschluß initgeteilt hat mit der Bitte, ihn den Mitgliedern meiner Partei zur Kenntnis zu bringen. Einen Beschluß konnten meine Freunde noch nicht fassen. Ich darf aber nach der ganzen Haltung, die meine Freunde in der Sachlage bisher eingenommen haben, die sichere Er« ivartung aussprechen, daß wir uns den Anregungen der konservativen Partei in vollem llmsange anschließen.(Lebh. Beifall rechts. IMeinRechtalS einzelner Abgeordneter und meine Pflicht als Mitglied einer staatS- erhaltenden Partei gebietet mir, aus diesen immer wiederholten Ereignissen diejenigen Folgerungen zu ziehen, die mir mein Ehr- gefühl und Gewissen vorschreiben als einem Manne, der sich durch eine dem ganzen preußischen Parlament angetane Bcschimpfimg mit verletzt fühlt, und sich für etwaige Wiederholungen nicht mit verantwortlich machen lassen will. Ich erkläre hiernach, daß, wenn daS hohe Haus bis zum Abschluß der Wahlrechtsverhandlungen nicht dazu übergegangen sein sollte, Bestimmungen der Geschäftsordnung zu treffcii, welche geeignet sind, feine Würde wirksam zu wahren, solche Ausschreitungen zu verhüten, die Ordnung des HauseS gegen Uebergriffe einzelner zu sichern und dem amtierenden Präsidenten eine genügende Stütze für die erfolgreiche Geschäfts- sühruna zu bieten— wenn dies alles nicht der Fall ist, so lege ich mein Mandat in dir Hände meiner Wähler zurück.(Lebhafter Beifall rechts. Zuruf von den Sozialdemokraten: Das wird niemand be- dauern.) Abg. Wcvstem(Z.): Ich habe namens der ZentnimSftaktion folgende Erklärung abzugeben: Die Zentrumöfraktion verurteilt auf das schärfste die Exzesse, deren sich am Schluß der gestrigen Sitzung Mitglieder der sozialdVnolratischen Fraktion schuldig gemacht haben, und bedauert, daß die bestehende Geschäftsordnung dem Herrn Präfl« deuten nicht die Möglichkeit gewährt, solche grobe« Verstöße gegen die parlamentarische Sitte und Ordnung wirksam zurückzuweisen. Die Zentrumsfraktion ist bereit, in Verhandlungen darüber einzutreten, wie in dieler Richtung die Präsidialgewalt verstärkt werden kann. (Lebhafter Beifall rechts.) Die parlamentarischen Rechte einer Minder- heit dürfen dadurch nicht beeinträchtigt werden.(Lebhafter Beifall rechts.) Abg. Haarmann- Altona(natl.): Die gestrigen Borgänge haben meine Freunde, soweit sie in der gestrigen Sitzung anwesend waren, aufs höchste indigniert, und ich kann auch sagen, daß meine übrigen Freunde, nachdem sie von dem Vorgefallenen Kenntnis genommen haben, dasselbe Empfinden gehabt haben über diese Vorgänge, die gipfelten in einer Verhöhnung des Herrn Eiscnbahnmiilisters und unseres verehrten Herrn Präsidenten. Meine Herren, auch wir sind der Meinung, daß zunächst, wie der Herr Präsident bereits angeordnet hat, die Zwischenrufe wieder in das Protokoll und in den stenographischen Bericht aufgenommen werden müssen. Die Zwischenrufe müssen se st genagelt werden, damit von derartigen Vorgängen wir eine feste Basis haben, von der aus wir gegen derartige Dinge operieren können. Wenn ich' sage, daß uns die Zwischenrufe gestern indigniert haben, so ist diese Indignation auch dadurch nicht geringer geworden, daß einer der Herren, der Abgeordnete Hoffmann, den wir wieder unter uns zu sehen das Vergnügen haben(Heiterkeit. Zuruf rechts: Leider!), auf den Bänken Platz genommen hatte, die für uns reserviert sind. Diese Herren haben das Gastrecht nicht eben in erfreulicher Weise ausgenutzt.(Heiterkeit.) Ich bin von meinen Freunden be« auftragt zu erklären, daß wir uns trotz aller dieser Dinge hüte n wollen, ab irato vorzugehen und aus dem Augen- blick heraus zu handeln.(Sehr richtig I rechts.) Aber daß etwas geschehe» muß, darüber sind auch wir mit Ihnen allen einig. Wir wollen abwarten, welchen Bericht die Geschäftsordnungs« kommission erstatten wird, und bei unseren Entschließungen über diesen Bericht auch die gestrigen Vorgänge nach Gebühr berück- sichtigen.(Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. Ströbel(Soz.): Ich muß zunächst meinem großen Erstaunen darüber Ausdruck geben, daß hier von Fraktionen Erklärungen abgegeben werden in einer Sache, die dem größten Teil der Anwesenden vollständig nnbekannt sein muß. Ich bin erstaunt, wie man über eine Sache urteilen kann, ohne darüber die geringsten Informationen erhalten z» haben.(Lachen rechts.) Das Stenogramm liegt Ihnen ja noch nicht vor. und darin sind ja auch die Zwischenrufe nicht einmal enthalten. Die Vertreter der Presse haben den Borgang auch nur unvollkommen mit anhören könne», die Wiedergabe in der Presse ist daher mit Ausnahme einiger weniger Blätter vollständig unrichtig.(Lachen rechts; Zuruf:„Vorwärts' I) Wenn ich die Zuversicht haben könnte, daß Sie alle den„Vorwärts' gelesen haben, bevor Sie in de» Fraktionen Stellung nahmen, würde ich allerdings sagen: Sie sind gut informiert.(Lachen rechts.) Ob«s der Würde deS HauseS cutspricht, die zu wahren Sie vorgeben, wenn man so ohne genügende Unterlagen urteilt, überlasse ich dem Urleil aller Denkenden außerhalb des Hauses.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten; Lachen rechts.) ES ist berichtet worden, der Minister wäre von der sozial« demokratischen Partei verhöhnt worden. Das ist absolut unwahr! (Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Von einer Verhöhnung des Ministers kann gar keine Rede sein.(Sehr richtig! bei den Sozialdeinokraten.) Der Minister hatte, wie das die Art schlechter Winkelblälter ist, eine, Blutenlese' auS den Ausführungen meines Parteifreundes gegeben. Präsident v. Kröcher: Dieser Ausdruck geht zu weit. Sie dürfen dem Minister nicht vorwerfen, in der Art schlechter Winkclblätter gesprochen zu haben. Abg. Ströbel(fortfahrend): Der Minister hatte, anstatt die substantiierten AuS« führungen LeinertS zu widerlegen, einfach eine Anzahl von Aus« drücken, die jedesmal ganze Absätze abschlössen, heraus- gezogen und hat dann gesagt, Herr Lemcrt hätte Phrasen gemacht. Der Ausdruck„Phrasen" siel also zum ersten Male aus dem Munde des Herrn EisenbahnministcrS. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir haben uns darüber nicht aufgeregt, w i r sind nicht so empfindlich.(Sehr richtig! und Heiterkeit rechts.) Als noch keine Sozialdemokraten hier im Hause waren, sind aus den Reihen der bürgerlichen Parteien Ausdrücke gefallen, wie Gemeinheit, Lüge usw.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Wir haben eS ja nachher selbst erlebt, daß einem Sozialdemokraten das Wort„Bengel" zugerufen wurde. Gerade weil Sie nicht wollte», daß solche der Würde deS HauseS nach konservativer Anschauung entsprechenden Worte in daS stenographische Protokoll hineinkämen und der Nachwelt überliefert würden, ist ja die jetzt von Ihnen beklagte Anordnung getroffen worden, daß die Zwischenrufe nicht mehr in daS Stenogramm hinein« kommen. Wir hätten uns sehr darüber gefreut, wenn der Nachwelt solche konservativen Kulttirdokumente überliefert worden wären. Daß daS nicht geschehen ist, daran tragen n i ch t w i r die Schuld, sondern S i e. Wenn Sie das nun wieder anders haben wollen, so können wir uns nur darüber freuen. Wenn der stenographische Bericht das festgehalten hätte, was sich gestern hier abgespielt hat. würde eine solche Entrüstungs« szene sich heute nicht haben abspielen können. Also, ich betone noch- mals, das Wort„Phrasen" war von dem Herrn Eisenbahn- minister zuerst uns gegenüber gefallen. Als der Herr Minister nachher auf eine Rechtsfrage eingehen sollte, die in ausführlicher Weise von Leinert erörtert worden war, tat er daS nicht, sondern erklärte einfach: Wir gewahren den Arbeitern nicht daS freie Koalitionsrecht aus Gründen, die mit der Rechtsfrage gar nichts zu tun hatten. Da erlaubte ich mir, und meiner Auffassung nach durchaus mit Recht, zu sagen: daS sind auch Phrasen, gab also dem Herrn Eisenbahmninifter nur das zurück, waS er vorher Herrn Leinert hatte zuteil werden lassen. Und derselbe Herr Präsident, der daS erste Mal den Vorwurf der Phrase glatt hatte durchgehen lassen einem Abgeordneten gegenüber, derei, Ehre er doch auch zu wahren hat gegenüber dem Vertreter der Ministerien— wir verlangen nicht, daß der Präsident deshalb gegen den Eisenbahn« minister eingeschritten wäre, das ist unS viel zu kleinlich. darauf kommt eS uns gar nicht an— jedenfalls hat dann aber der Präsident auch nicht das Recht, eiiizugreife» gegen einen Abgeordneten, tvenn er sich nur genau desselben Ausdrucks bedient gegenüber dem Herrn Eisenbahnminister.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Präsident v. Kröchcr: Darüber, was der Präsident für recht hält oder nicht, hat er allein zu urteilen. Abg. Ströbel(fortfahrend): Wenn mir hier vorgeworfen wird, ich hätte den Herrn Eisenbahn« minister verhöhnt, so muß ich doch unbedingt das Recht haben, darzulegen, aus welcher Veranlassung ich meine Worte gebraucht habe. Wenn Sie urteilen wollen, ohne die Sachlage zu kennen, dann treten wir zurück, dann sagen wir gar nichts mehr. Also, ich hatte etwa«'getan, was der Herr Eisenbahnminister auch getan hatte, und wurde zur Ordnung gerufen. Daß ich das nicht der Ordnung entsprechend fand, werden Sie mir nicht verdenken können. Ich sagte dann vor mich hin... Präs. v. Kröchcr: Sie dürfen dem Präsidenten nicht den Vor« Wurf machen, daß er etwas getan hat. was nicht der Ordnung ent» spricht. Ich rufe Sie zur Ordnung.(Bravo I rechts.) Abg. Ströbel(fortfahrend,: Wenn es darauf hinauslaufen soll. mir u n m ö g l i ch zu machen, die Situation zu schildern, wie fi«
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten