,®er Tegen des Kriegs"— so schreibt man unsaus einer größeren Provinzialstadt— lautet das Thema,welches die Schüler des hiesigen Gymnasiums im nächsten„deutschen Aufsatz" zu behandeln haben.Wir fragen: ist das ein Thema, welches vompädagogischen Standpunkt aus gerechtfertigt werden kann?Unser Staat nennt sich ein christlicher. DaS Christenthumaber verurtheilt den Mord und Todtschlag, wie überhauptjede Gewaltthat— und folglich auch den Krieg. Und dieKultur, deren Pflegerin die Schule sein soll,erblickt in dem Kriege die wüsteste Barbarei.Ein Lehrer, der ein solches Thema den Schülern auf-giebt, beweist, daß er den Zweck der Schule nicht kennt, undarbeitet ihm entgegen.Aber vielleicht haben wir die Absicht deS Lehrers ver-kannt,— vielleicht will er die Kinder blos auf die Probestellen, und ihnen die Antwort entlocken: von Segen desKriegs kann nur ein Kannibale sprechen, der den überwundenenFeind als Nahrung benutzt— für den zivilisirten Menschenist jeder Krieg ein Unglück— und, wenn nicht auf-gezwungen, auch ein Verbrechen.—Am Bundesrath, diesem Bleigewicht der parlamen-tarischen Thätigkeit, hat die gute„National-Zeitung"noch nicht genug, sie fordert nun gar noch neben demReichstag ein„OberhauS" als„Gegengewicht gegendas allgemeine Wahlrecht". Diese reaktionären Gelüste,hinterrücks dem Wahlrecht den Garaus zu machen,müssen zunichte gemacht werden durch den 15. Juni.—Die Bullenbeifter des Zentrums, um Lieberisch zureden, weisen die Zähne. Ihr Groll über die Spaltungim eigenen Lager wird verschärft durch die bösen Er-fahrungen, die die Partei von der Schulgesetzfrage bis zurWahlrechtssrage im preußischen Landtage gemacht hat. DenUltramontanen dämmert denn doch das Bewußtsein darüberauf, daß sie durch ihre grundsatzlose Schacherpolitik beiden Wählern alles verspielt, bei der Regierungaber nichts profitirt haben. Sie sind beim Kuh-Handel, wie das so Brauch, geprellt worden. Nunläßt sich die„Germania" vom Rhein schreiben:„Herr von Caprivi war uns schon verdächtig, als er beider Tebatte über das Schulgesetz mit der größten Gemutbs-ruhe die bekannte, höchst überflüssige Erklärung gegen dieRückbenlfung der Jesuilen abgab. Wenn er jetzt verschwindet,weinen wir ihm kein« Thräne nach. Die Regierung schontuns nicht, schonen wir auch s i e nicht. Es muß unserGrundsatz sein: Sachliche Erwägungen allein sindmaßgebend. Gefälligkeiten aber, wie sie einerwohlwollenden Regierung gegenüber manchmal amPlatze sein mögen, werden nicht mehr erwiesen. Wasbrauchen wir uns nasführen zu lassen! Und wenn hier undda ein Stein vom Zentrumsthurm abbröckelt, so kommt diesganz gewiß daher, daß man zum Aerger des Volkes zuweilenmit zu großer Begeisterung den Rarren der jetzigen„Staats-Männer" geschoben hat. Die mögen sich allein im Sumpfe ab-quälen. Und Gott sei Dank, daß sich jetzt das Zentrumgründlich gereinigt und unbrauchbare Element« aus-geschieden hat. Je entschiedener, desto besser."Aber das Zentrum ist reaktionär, es stützt sich aufPfaffen und Junker, es rühmt sich trotz der augenblicklichenHäkeleien mit den Ballestrem, Schorlemer, Matuschka seinerJunker, es wird fortfahren zu schachern und zu feilschen.Diese Bullenbeißer bellen, aber sie beißen nicht. Siewollen ja nur dm Bruderschmatz Caprivi's, deshalb fahrensie nach seinen„Waden".—Ein Merkzeichen für Zentrnmswähler. Die„Ger«»nania" schreibt:„Zu einer Ermäßigung der Getreidezölle auchRußland gegenüber hat sich bis jetzt im Zentrum nicht die g er i n g st e Geneigtheit bekundet."Das ist noch deutlicher gesprochen, als im Streck-vers-Wahlaufrufe deS Herrn Lieber. Die kleinenLeute, die sich von den radikalen Redensarten derZentrumsleute etwa noch blenden lassen, seien auf diesesschmähliche Eingesländniß aufmerksam gemacht. Das Volksoll auch serner ausgchnngert, der Fünfmarkzoll für denuns so nöthigen russischen Roggen soll erhalten bleiben.So verheißt es die Zentrumspartei in ihrer Spekulationauf konservative Stimmen.—Die„Kreuz« Zeitnng" erklärt, daß sie den Huene-lingcn und Schorlemer'schen als Preßorgan dienenwolle, weil es sich um eine Vertretung kon-servativer Interessen handle, so lange bis sichdas„rechte Zentrum" ein eigenes Organ geschaffen habe.Das ist nur logisch von dem Junkerblatt.—Wahlspäste. Eine„große vereinigte liberale Partei"will der Ex-Stratege des Dcutschfreisinns, Hinze gründen.Als ob wir nicht an Mischmasch-Gruppen schon genughätten? Ein Gründergewinn wird bei dieser politischen Jobberei des militärfrommen Hinze nicht heraus-springen. da die Nationalliberalen und andere Wahl-verwandte schon das Fett von der Suppe geschöpft haben.Die Nationalliberalen können ihre Hundedemuthnicht weiter treiben. Gegen die dauernde gesetzlicheFestlegung der zweijährigen Dienstzeit erklärt sichdie„Nationalliberale Korrespondenz", das amtliche Organ der„Gentlemen". Es genüge, wenn die zweijährige Dienstzeiteinmal in untrennbarer Verknüpfung mit der Präsenzzahlfestgestellt worden sei.„Hunde sind wir ja doch", denkt dieMusterpartei.—Ein GegenwartSbildchen. Nachstehende schauerlichaufgepuffte Nachricht verbreitet das Depeschenbureau„Herold", das im Interesse seiner Auftraggeber die sozialeTeudmzmache in Erbpacht genommen zu haben scheint:„Freiburg i. B., 9. Juni. In der hiesigen Gegend herrschtgroße Futternot h. Äillmaunsweier Einwohner machenförmliche Raubzüge in die KippenheimerWaldungen. Mehrfache Zusammenstöße mit dem Forst-personal sind bereits vorgekommen. Eme größere Anzahl Perseilen wurde verhastet."Es herrscht Futternoth, und das Gemeinwesen greiftnicht ein, da es wohl Geld für Kanonen und Gewehre,nicht aber für soziale Agrarpolitik übrig hat.Was geschieht? Dw Nothleidenden— das sind noth-leidende Landwirthe— suchen sich aus ungesetzlicheWeise zu helfen. Wir wissen nicht, wem die KlippenheimerWaldungen, für die das Herz der„Herold"- Leute in ver-zehrendem Eigenthumseiser entbrannt ist, zu eigen find, obdem Staat, der Gemeinde oder einem Großgrundbesitzer.Daß einst die Wälder zur A l l m e n d e gehörten. Gemein-eigenthum waren, und daß in einer verständig or-ganisirten Gemeinschaft solche Zustände unmöglich sind,"dasleuchtet ein. Es ist sehr betrübend, daß die Roth dieAllmannsweier zu Gesetzwidrigkeiten treibt, die bei recht-zeitigem helfendem Eingriff undenkbar wären. Jedenfallsaber hat„Herold" sehr übertrieben. Wir kennen ihn.—Von der Ersatzvertheilung. Durch das in d« letztenReichstagssession zu stände gekommene Reichsgesetzüber die Ersatzvertheilung sind an der deutschenWehrordnung eine Anzahl von Aenderungen vorgenommenworden. Zunächst bei den Bestimmungen über die Er-Mittelung des Ersatzbedarfes. Bisher wurdeder festgestellte Ersatzbedarf dem Ausschusse des Bundes-rathes für das Landheer und die Festungen bis zum 1. Maijedes Jahres mitgetheilt. Künftig soll der festgestellte Er-ätzbedarf der Truppentheile dem zuständigen Kriegs-Ministerium bis zum 15. April mitgetheilt werden. Dasselbesoll bezüglich des festgestellten Ersatzbedarfs der Marine-theile durch das Reichs- Marine- Amt an das preußischeKriegsministerium geschehen. Sodann sind die a l l-gemeinen Bestimmungen über die Ersatz-vertheilung einer vollständigen Umgestaltung unter-zogen.—Ganz wie bei uns. Der ungarische FinanzministerW e ck e r l e beabsichtigt, einem aus sämmtlichen Bank-instituten in Budapest gebildeten Syndikat die Ein-sührung der Klassenlotterie in Ungarn zuübertragen. So wird die B l ö d s i n n s st e u e r als Mittelchristlicher Ueberschuß-Sozialreform auch in Ungarn„ziel-bewußt" geordnet, auf daß der Fiskus und die Bankfürstenihr Schäfchen scheeren.—Belgien. Die Kammer hat den Gesetzentwurf, de-treffend die holländisch-belgische Konvention über den Handelmit Spirituosen auf der Nordsee, angenommen. Daraufgelangte ein in Gemäßheit der Beschlüsse des BrüffelerAntisklaverei-Kongresses vorgelegter Entwurf eines Gesetzes,betreffend die Unterdrückung des Sklavenhandels, ebenfallszur Annahme.Der bereits verurtheilte Redakteur des sozial-revolutionären Blattes„Conscrit", Ernest, wurde wegenAufreizung der Armee zur Emeute von den Geschworenenzu neun Monaten Gefängniß verurtheilt. Der Verurtheilteentkam durch die Zuschauermenge, wurde von den Gendarmenverfolgt, verschwand aber spurlos.—Im englischen Unterhanse erklärte Gladstone, dieZeit sei noch nicht gekommen, wo es nöthig erscheine, dieErörterungen über die Humerule-Bill zu begrenzen. Er be-fürchte, die Aufhebung des Mitternachts-Reglements werdedie Abgeordneten unerträglich belasten. Im weiteren Ver-laufe der Sitzung beantragte Bartley zum§ 3der Homerule-Bill einen Unterantrag, der die irischeLegislatur verhindern soll, Gesetze über Prämien zumSchutze der irischen Industrie zu erlassen. Gladstone de-kämpfte das Amendement. Die Vorlage verhindere schondie irische Legislatur, Prämien zu gewähren, da sie überden Handel mit dem Auslande Gesetze nicht erlassen könne;er wolle jedoch den Jrländern das Recht nicht nehmen,Maßregeln zu treffen, um mittelbar oder unmittelbar dieirische Industrie zu ermuthigen. Nach längerer Debattewurde der Antrag mit 233 gegen 252 Stimmen ab-gelehnt.—Frankreich. Der Gemeinderath von T o u l o n wählteeinen sozialdemokratischen Bürgermeister,einen früheren Korrektor, sowie sozialistische Bei-geordnete. Zittere, Byzanz! Die große Hafenstadt hateinen„rothen" Maire.—„Der Fremdenhasj der Franzosen" muß jetzt unserenMordspatrioten als Steckenpferd dienen, nachdem ihnen dieBretterbuden und der raubende und schändende„Schelm-franzos" so gründlich versalzen worden.„Der Fremden-haß der Franzosen' soll darin bestehen, daß es in Frank-reich Leute giebt, welche die Besteuerung der dort lebendenAusländer und die Nichtbeschäftignng von Ausländern beiöffentlichen Arbeiten verlange». Wir wollen über die Natursolcher Forderungen, die wir selbstverständlich verurtheilen,uns nicht des weiteren aussprechen, und wir bemerken:1. daß es in Frankreich blos ein kleiner Brnchtheil der Be-t, von denen sie aufgestellt werden, und 2. daßchen Mordspatrioten, die auf dem„Fremdenhaßen" herumreiten,„das Verbot oder wenigstensdie Erschwerung der Einwanderung von Juden inDeutschland" befürworten. Und damit meinen wir nichtblos die Antisemiten von reinstem Wasser, sondern auchnationalliberale Musterpatrioten, wie z. B. denLeipziger Mischmasch-Kandidaten Professor Hasse, mitdem wir uns gelegentlich noch zu beschäftigen haben werden.—Von 1884 bis 1893.')l.Nachdem die Sozialdemokratie feit 1871 stetig an Stimmen-zahl und Reichstagsmandaten zugenommen hatte, hielt der Ziedak-tenr der Emfer Depesche die Gelegenheit für günstig, das AttentatdeS blödsinnigen, der christlich-sozialen Partei augehörigen Hödelund im Anschluß hieran das des Schützlings nauonalliberalerProfessoren, des verkommenen Nobilina, zu einem Attentat gegendie Sozialdemokratie mnzuredigirm, sei es nun, daß der Altmeisterder politischen Lüge wirklich ihre wahre Gefährlichkeit für diebestehende Gesellschaftsordnung erkannt hatte, oder daß er sie nurals angenehmen Vorwand für das Jnszenesetzen stiner Bereiche-rnngspolitik gebrauchen wollte. Genug, der Wahlkampf nach Aus-lösnng des Reichstags spottete jeder Beschreibung. Gelaug esauch nicht, die Sozialdemokratie zu vernichten, ein Sliuniien-rückgang konnte doch nicht von uns verhindert werden, und alsnun das Sozialistengesetz angenommen und die Organisation derPartei vollnanvig zernört war, mußte naturgemäß ein ivcttcrcrSlimnienrückgang eintreten. Die Sozialdemokratie erhielt1877: 493 447; 1878: 437158; 1831; 811 981. Stimmen; ja,es dürste leine Frage sein, daß in dieser letzten Zahlsich nicht der äußerste Niedergang widerspiegelt, da der A»Iängdes diesem Niedergang solgenden Aufschwungs vom Kongreß inWvden datirt werden muß, wo es gelungen war, den Grund zueiner Organisation zu legen, gegen die auch das Ausnahmegesetzmachtlos war........ m.... �..Immerhin wurde auch nicht em einziger Reichstaassitz sofortim ersten Mahlgang erobert. die Partei war vielmehr nur aufdie Stichwahlen, IS an der Zahl, angeiviesen, durch welche es*) Wir veröffentlichen diese lehrreiche statistische Betrachtungeines gelegcntlichsn Mitarbeiters, ohne mit allen seinen Aus-führuugen und Schlüsse» einverstanden zu sein. Red. d.„B.".denn zur allgemeinen Ueberraschung gelang. 12 Mandate zu er-obern. Allerdings war dies Resultat theilweise einer sofortigenweiteren Kräftigung der Partei zuzuschreiben, denn das bloßeOffenbariverden der Thatsache, daß auch unter dem Ausnahme-gesetz über 300 000 Stimmen für die Partei abgegeben werdenkonnten, genügte, um viele alte Parteigenoffen, die in ihrerHoffnungslosigkeit sich von der Wahl ferngehalten oder fürandere Parteien gestimmt hatten, wieder um die Parteifahnezu sammeln, wie dies die Stichwahlen Berlin IV und VIevident beweisen; zweifellos aber zum größeren Theilder Zibfftigkeit der gegnerischen Parteien unter einander,die sie um so ungestörter zum Austrag bringen zu könnenglaubten, als sich ihre Furcht vor der Sozialdemokratie miteinem Male verloren hatte. Anstatt nämlich, wie es doch natür-lich gewesen märe, aus dem im VerhäUniß zu dem ungeheuerlichen Drucke, dem gewiß keine der kapitalistischen Parteien stand-gehalten hätte, unbedeutenden Rückgang aus die unbesiegbareLtbenskraft der Sozialdemokratie zuschließen, ließen sie sich lieberdurch die bloße Thatsache des Rückgangs in einen süßen Sicher-heitsdusel einwiegen. Speziell Eugen Richter mar damals janur durch das Sozialistengesetz daran verhindert worden, dieSozialdemokratie gänzlich mausetodt zu schlagen; gesagt wenigstenshat er das oft genug, um es schließlich selbst zu glauben.Das ist ganz sicher, daß damals bei wirklicher Einigkeit derGegner die Sozialdemokratie aus dem Reichstag verdrängt wordenwäre. Allein es war gerade die Sezession vor sich gegangen, eshatte sich der erste Akt der Bildung des Freisinns, allerdingshinter den Kulissen, abgespielt und die späteren Kartellparteienwaren voller Wuth auf die Abtrünnigen und ihre Helsersheljer.Und der Vortheil davon fiel der Sozialdemokratie zu.Von 1331 ab nun findet wieder ein stetiges Wachsthumunserer Stimmen statt, nicht so unserer Mandate. Wir erhielten1884: S49 990 Stimmen mit 24 Mandaten, 1887: 763 128Stimmen mit nur 11 Mandaten, und 1899: 1427 298 Stimmenmit 3ö Mandaten; also 1834 ein ganz bedeutender Zuwachsan Mandaten, 1887 ein ebenso bedeutender Rückgang, dem 1390wieder eine Zunahme über 1384 hinaus, nämlich fast bis aufdrei Dutzend, folgte. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf:Sollte jetzt, 1893, bei weiterer verhältnißmäßiger Zunahm« unsererStimmen, doch nicht etwa wieder ein Rückgang der Mandateeintreten können? Jetzt wie damals, 1887. findet ja die Wahlinfolge einer Reichstags-Auflösung statt, jetzt wie damals ist eseine Militärvorlage, um derentwillen die Auflösung erfolgte,jetzt wie damals war eine große Vermehrung der Mandatevorhergegangen.Es lohnt sich wohl, um diese Frage zn beantworten, dieAusschlag gebenden Verhältnisse näher ins Auge zu fassen.Die der Sozialdemokratie günstigen Zustände dauerten noch1334 an, das Losungswort der Konservativen lautete: gegen denFreisinn, der sich inzwischen ans der Sezession und dem Fort-schritt gebildet hatte und dessen 100 Stimmen dem Hausmeier-thum Bismarcks gefährlich zu werden drohten.„Lieber einenSozialdemokraten wählen als einen Freisinnigen". Allerdingstrat die Sozialdemokratie mit ganz anderer Kraft auf als 1831,immerhin war der unmittelbare Erfolg, 9 Mandate und 24 Stich-wählen, doch ein ziemlich bescheidener, denn schon 1874 hattenwir ö, 1877 aber 9 Mandate im ersten Wahlgang erobert, undvon den 24 Stichwahlen versprachen auch nur wenige einenErfolg. Aber wie gesagt, der Hader der bürgerlichen Parteienhalf, und fast wie mit Blindheit geschlagen schienen sie kein Augefür die Gefahr zu haben, die ihnen von der Sozialdemokratiedrohte— und so kam es denn, daß in 1b von den 24 Stich-wählen der Sieg von uns erfochten wurde, daß München IImit 26 pCt., Auerbach-Reichendach mit 30 pCt., Breslau I und IImit je LS pCt., Frankfurt a. M. mit SS pCt., Braunschweig undHannover mit je 37 pCt. und Magdeburg mit 41 pCt. sozial-demokratischer Stimmen im erste» Wahlgang fast wie selbst-verständlich genommen wurden, während bei der Stichwahlin Berlin VI, wo wir 47 pEt. erhalten hatten, ein Wider-stand nicht einmal versucht wurde. Und höchst bezeichnend ist es.wie der Erfolg bei den Stichwahlen sich auf die verschiedenengegenüberstehenden Parteien vertheilte. Wir kamen zur Stich-wähl mit den Oppositionsparteien in 14 Wahlkreisen, nämlichmit der Volkspartei in I, Freisinn 9. Welsen 1, Zentrum 8; davon verliefen günstig 11, nämlich mit Volkspartei 1, Freisinn 7,Welsen 1, Zentrum 2, d. h. fast 79 pCt. Dagegen brachten die7 Stichwahlen mit den Nationalliberalcn nur 4 und die 3 mitden Konservativen gar keine Siege für uns.Klar und deutlich geht aus dieser Zusammenstellung hervor.daß so großartig das Wahlergebniß 1384 für uns war, die24 Mandate, die es uns brachte, unserer thatsächlichen Stärkenicht angemessen ivaren, um so mehr, da wir in die Stichwahlenfast überall mit keinen groben Prozentzahlen eintraten. Auseigener Kraft hätten uns etwa Nürnberg mit 49,3 pCt, Elberfeld mit 47,6 pCt. und Berlin VI mit 47,3 pEt. zufallen müssen.Daß die anderen Stichwahlsieae mit Hilse oder doch wenigstensdurch die Wahlenthaltung der Konservativen und Nationalliberalenzu stände gekommen ivaren, war ein ungesundes Verhältniß, daskeinen Bestand haben und dessen Bestand uns nicht einmal er-wünscht sein konnte, dessen Aufhören aber einen Rückschlag inder Zahl der Mandate zur Folge haben müßte.Für die richtige Würdigung des Wahlergebnisses von 1384ist aber auch noch als höchst wichtiger Faktor die außerordent-lich geringe Wahlbetheiligung im Königreich Sachsen in Betrachtzu ziehen. Leider fehlen uns darüber"die statistischen Angaben,doch geht die Thatsache schon einfach daraus hervor,» daß dort1884 nur 862143, 1837 aber 619 036 Stimmen abgegeben wurden,also rund 1S7 000 Stimmen mehr, d. h. die Wahlbetheiligung 1884betrug nur 70 pCt. gegen die von 1887. Die Ursache hiervon und folg-lich auch die unserer Wahlerfolge ist auch hier in der Uneinigkeitund Gleichgiltiakeit der Gegner zu suchen. Mit Ausnahme vonLeipzig Land, Chemnitz und Zwickau war eine NennenswertheVermehrung unserer Stimmen gegen 1878 und 77 nicht ein-getreten, im Gegen theil, es ging aus dem Wahlergebniß klarhervor, daß die allen Stammsitze Glauchau und Stolberg-Schnee-berg, sowie ferner Auerimch, Freibcrg, Zschopau, Mitweida sichvon den Schlägen des AusnahinegesetzeS noch nicht eiidgiltig erholt hatten. Dasselbe gilt übrigens auch von Reuß älterer Linie.Fasse» wir demnach unser Urtheil über das Wahlergebnißvon 1384 zusaminen. Es war glänzend, denn wir hatten damitunfern Stand von 1377 wiedergewonnen, und sogar theilweise,namentlich in den großen Städten, überschritten. Wir warenin 6 Jahren über das Ausnahmegesetz zur Tagesordnung über-gegangen. Aber die 21 Reichstagssitze waren nur Blendwerk;denn nur etwa zur Hälfte ivaren sie durch die eigene Kraft, zurHälfte aber mit allerdings nicht nachgesuchter Unter-stühung gegnerischer Parteien erobert worden. Trotzdembrauchten wir ja gerade nicht böse darüber zu sein, daß eingütiges Geschick in Gestalt einer uns günstigen Parteikonjuuktnruns die schwersten Zeiten hatte erleichtern helfe». Aber die Zeitdes KampseS um die Existenz und der bloßen Abwehr warvorüber, und was für diese eben noch hingehe» konnte, paßtesich nicht für den nun wieder beginnenden Angriffs» und Er-oberungskrieg.Dviefksflett vor Modaliktott.Zu der gestrigen Quittung ist noch nachzutragen: 4. Ber-liner Wahlkreis. Südost SOO,—, darunter drei Genossen K., G..S. 13.30.Ferner mnß es unter H.'Münden, von einer rothen Kind-taufe, nicht heißen 2,80, sondern 2.20, und unter Wolfenbüttel,rauchloses Pulver zum Sturz sogenannter Ordnungssäulen, nicht9,80, sondern 9.90.' A. Gerisch.