im 1. MertelZahr d. I. 1726,3 MiNionen Mar! s 1503,1 Mill,). Der Edelmetallverkehr betrug In der Einfuhr im März 42,4 Millionen, im 1. Vierteljahr 92,4 Millionen Mark(53 Mill,), in der Atisfuhr 34.9 und 57,4 Millionen Mark<82.6 Mill.). Rückgang des SchnaPSkonsnmS. Die monatlichen Nachweise über Branntweinversteuerung lassen für die Zeit nach dem Inkrafttreten der neuen Steuern ziffernmävig einen ziemlich bedeutenden Rückgang erkennen. Die an diese Zahlen geknüpften Schlußfolgerungen über den Minderkonsum von Brannt» wein, schießen allerdings weit über das Ziel hinaus, wenn die Vor- Versorgung aus Anlaß der Steuererhöhung unberücksichtigt bleibt. Daß der Boykott dort, wo er genügend propagiert wird, aber doch gut wirkt, dafür liefert unter andern auch der Geschäftsbericht des Konsumvereins.Vorwärts' in Luckenwalde einen guten Beweis. Im letzten Quartal 1903 verkaufte der Konsumverein 21 142 Liter Schnaps, im vierten Quartal 1909 nur noch 12 522 Liter. Der Rückgang macht über 40 Prozent aus. Es nutzt also doch! Gegen die Einführung von SchiffahrtSavgaben sprach sich ganz entschieden die Magdeburger Handelskammer aus, in einer am 16. April abgehaltenen Versammlung, zu der auch Interessenten aus Schiffahrtslreisen und Vertreter mehrerer Kommunen erschienen waren._ Ein Kaffeemonopol. In österreichischen Blättern ventiliert man gegenwärtig eine Anregung, die darauf hinausläuft, durch Einführung eines Kaffee- Monopols einen Teil der Gewinne, die heute den Kaffeegroßhändlern zufallen, der Staatskasie zu sichern. Von den rund 559 000 Meter- zentnern Rohkaffee, welche die Doppelmonarchie gegenwärtig im Jahre konfftmiert, kommen 510 000 Meterzentner aus Brasilien und nur 40 000 Meterzentner auS den sonstigen Pro- duktionsländern. Der brasilianische Kaffee stellt sich loko Trieft und unverzollt auf 85 Heller pro Kilogramm, der außer- brasilianische auf 128 Heller. Da nun auf jeden Sack nicht- brasilianischen Kaffees 12 Sack au« Brasilien entfallen, so kostet das Kilogramm Kaffee vor Einfuhr in das österreich-ungarische Zoll- gebiet durchschnittlich 90 Heller. Hierzu kommen 88 Heller Zoll, also fast 100 Proz. vom Werte<I) und 20 Proz. Gewichtsverlust beim Rösten, sodaß sich der Bezugspreis pro Kilogramm gerösteten Kaffees auf 2,40 Kronen stellt. Der Verkaufspreis beträgt nun aber 3,60 bis 4 Kronen per Kilogramm. DaS ergibt einen Gewinn des inländischen Kaffeehandels in Höhe von 1 bis 1,50 Kronen. In Wahrheit ist dieser Nutzen jedoch noch größer, denn der Profit der Händler beginnt schon vor dem Eintreffen des Rohkaffees in Trieft, da die Kaffecproduzenten Brasiliens in den letzten Jahren kaum mehr als 40 Heller pro Kilogramm Rohkaffee erhielten. Das Monopol ist so gedacht, daß sich der Staat nur das Recht der alleinigen Einfuhr reservieren soll; der Grotzverkauf hätte dann zu festen Preisen zu erfolgen und der Kleinhandel würde ganz in bisheriger Weise in Privathänden bleiben können. Die Entwickelung deS Biehsiandes in den europäischen Staaten. In den.Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik' ver- öffernlicht Prof. Dr. K. Steinbrück eine Untersuchung über die Ent- Wickelung des Viehstandes während der letzten Dezennien in den wichtigsten Staaten Europas . Dieser Aufstelluiig liegt folgende Um- rechnung zugrunde. Es wurde ein Haupt Großvieh 1 Rind ---- a/4 Pferd--- 2 Maultieren, Mauleseln oder Eseln--- 10 Schafen --- 4 Schweinen— 12 Ziegen, alles ohne Rücksicht auf die Alters- stufen, angenommen. Es zeigt sich dann, daß in ollen Ländern seit den 60cr Jahren die Zahl deS Großviehs im Verhältnis zur Ein- wohnerschast ständig gesunken ist, wenn auch in den letzten 20 Jahren in verlangsamtem Tempo. Es wurden gezählt: «qB, Haupt Großvieh derV.eh. l°h"° Pferde und Esel) Zählung Gesamtzahl Einwohner Deutsches Reich.. 1873 20 250 999 493 1907 27 232 046 450 Frankreich .... 1366 15243782 432 1906 17 562 948 447 Oesterreich.... 1863 11 180652 463 1900 11023 909 422 Ungarn ..... 1863 7 937 271 541 1908 8 506 540 447 Schweiz ..... 1866 1 145 388 454 1906 1 688 563 507 Großbritannien .. 1867 13 163 543 434 1903 15 853 031 382 Mit Ausnahme Frankreichs und der Schweiz hat also in allen Ländern eine zum Teil sehr erhebliche Abnahme deS Viehbestandes, auf je 1000 Einwohner berechnet, stattgefunden. Freilich erlauben diese Angaben noch keine unmittelbaren Schlüffe auf die Fleisch« Produktion und de» Fleischverbrauch der Bevölkerung, da das durch- schnittliche Lebendgewicht und die Frühreife der Tiere ständig ge- stiegen sind. So betrug in Deutschland das durchschnittliche Lebendgewicht bei Kälbeni unter 6 Wochen 1383: 50, 1900: 55 Kilogramm, bei Kälbern von 6 Wochen bis 6 Monaten 94 bezw. 99 Kilogramm, bei Jungvieh von l/s bis 2 Jahren 210 bezw. 230, bei Stieren und Ochsen 466 bezw. 531 Kilogramm, bei Kühen 380 bezw. 443, bei Schweinen<1 Jahr und älter) 116 bezw. 126 Kilogramm. Immer- hin dürfte trotz dieser Steigerung des Lebendgewichtes der einzelnen Tiere eine Verminderung des auf den Kopf der Bevölkerung ent- fallenden Fleischquantums zu konstatieren sein. Aller Voraussicht nach werden wir in den nächsten Zelten weiter mit Biehknappheit und demzufolge mit steigenden Biehpreisen zu rechnen haben.__ Soziales* . Die«erzte über die RcichSversicherungSorbnung. Eine Kundgebung der Aerzte gegen den Entwurf der neuen MeichSv'uficherungsordnung war der Außerordentliche Deutsche Aerztetag, der vom Deutschen AerztevereinSbund nach Berlin ein- berufen worden war und am Sonntag abgehalten wurde. Er be- schäftigte sich vornehmlich mit denjenigen Bestimmungen deS Gesetzentwurfes, die das Verhältnis der Krankenkassen zu den Aerzten regeln wollen. Die Beteiligung an diesem Aerztetag war sehr groß: anwesend waren 491 Delegierte mit 23 710 Stimmen, durch die 350 Vereine vertreten wurden. Das Referat des Dr. Streffer-Leipzig stellte sich auf den Stand- Punkt der Lübecker Beschlüffe, wetterte gegen die„Kaffendespoten aller Schattierungen' und verlangte Freiheit der Verfolgung der Aerzte durch die Ehrengerichte, die sich dem Diktum des Leipziger Verbandes nicht unterwerfen, sondern Kaffcnmitglieder gegen die Beschlüffe des Verbandes ärztlich behandeln. In der Debatte traten nur wenige Aerzte gegen die freie Arztwahl ein. Angenommen wurde mit allen gegen drei Stimmen die folgende {Resolution, die ihr Einverständnis mit den Abänderungsvorschlägen des Referenten ausspricht— in ihr ist auch Nichteinbeziehung der Personen mit mehr als 2000 M. Gehalt verlangt— und in eine Kriegserklärung ausklingt: .Der am 17. April in Berlin versammelte außerordentliche Deutsche Aerztetag stellt fest, daß der dem Reichstage vorgelegte Ent- Wurf einer Reichsversicherungsordnung in seinen Bestimmungen über die Ordnung des kassenärztlichen Dienstes die seit langen Jahren immer wieder einmütig erhobenen Forderungen der im Deutschen Aerztevereinsbunde organisierten 24 000 Aerzte unberück- sation ausgeschaltet und vernichtet wird, und so die Aerzte wehrlos gemacht und der unbeschränkten Herrschaft der Kassenvorstände auS- geliefert werden. Eine Ordnung der Arztfrage, die selbstsüchtigen Sonderbündlern ihre Fürsorge zuwendet und sogar Wortbrüchige den vom Staate eingesetzten Ehrengerichten entzieht, dafür aber das jedem freien Berufe zustehende Koalitionsrecht beseitigt, lehnt der Aerztetag entschieden ab. Eine solche Ordnung ist nicht ge- eignet, den von allen Seiten und nicht zuletzt von der deutschen Aerzteschaft im Interesse aller sozialen Fürsorgceinrichtungen als unbedingt notwendig erkannten Frieden zwischen Aerzten und Krankenkassen herbeizuführen, sondern nur allzu sehr dazu angetan, den Krieg zwischen Kassen und Aerzten zu verschärfen und zu ver- ewigen, und dazu noch Kampf und Streit der Aerzte untereinander zu entfachen. Immer und immer wieder hat der Deutsche Aerztetag seine maßvollen und gut durchführbaren Forderungen einmütig auf- gestellt. Sie sind ein untrennbares Ganze und müssen es bleiben. Immer und immer wieder hat der Deutsche Aerztetag gezeigt, wie leicht man durch ihre Erfüllung im Rahmen des Gesetzes eine glück- liche Lösung der Kassenarztfrage und dauernden Frieden zwischen Aerzten und Versicherungsträgern herbeiführen kann. Er will auch bis in die letzte Stunde an dem Versuche einer friedlichen Lösung festhalten, und beaustragt deshalb seinen Geschäftsausschuß, dem Reichstage sofort die von ihm als unbedingt notwendig erkannten Abänderungen des Entwurfs mit Begründung zur Berücksichtigung zu unterbreiten: und er erwartet, daß die Gesetzgebung, nachdem sie den Aerztestand mit seinen Berufsnotwendigkeiten seit Beginn der sozialen Gesetzgebung als unbeachtlich beiseite gelassen hat, nun- mehr endlich seinen Forderungen die gesetzliche Anerkennung ver- schafft. Der Deutsche Acrztevereinsb-und erklärt nochmals feierlich, daß er jedem Versuche, die Einigkeit der Aerzte zu untergraben, ihre Koalitionsfreiheit anzutasten und Schutzmaßrogeln für Schädlinge des Standes zu treffen, den äußersten Widerstand entgegensetzen wird. Leiden dann Sozialversicherung und Versicherte Not, fällt allein der Gesetzgebung die Verantwortung dafür zu. So ruft heute in der Stunde der Not und Gefahr der Deutsche Aerztetag von neuem die Aerzteschaft auf, in festem Zusammenschluß die Waffen der Selbsthilfe bereitzuhalten, und er beauftragt seine wirtschaftliche Abteilung, den Leipziger Verband, diejenigen Maß- nahmen schleunigst zu ergreifen und durchzuführen, die dem ärzt- lichen Stande die Freiheit seiner Berufsübung auf jeden Fall zu gewährleisten und die ihm gebührende Stellung den Kranlenkassen gegenüber zu sichern geeignet sind." Gegenüber dieser Stellung deS Aerztevcrbandes wird zur Durch- führung der Krankenversicherung die Einführung des Kurierzwanges dringend erforderlich. verständige Wege in der Fürsorgeerziehung. Aus Westfalen wird uns geschrieben: Das jetzt fast ei» De- zennium auf der Kgl. DomäneHardehausen bei Scherfede be- stehende evangelische Fürsorge-ErziehungLheim ist seit etwa drei Jahren zu einer neuen Erziehungsweise übergegangen, die von der früheren und auch von der anderswo meist üblichen Methode wesentlich abweicht. Nachsichtige, milde Behandlung, tunlichst ge- ringe Freiheitsbeschränkung und engerer, fast familiärer Anschluß an die Anstaltsleitung und deren Hauswesen sind die hauptsäch- lichen Mittel, durch welche die Zöglinge einen möglichst vollkomme- neu Ersatz des Elternhauses finden, ihr Heim liebgewinnen und zu brauchbaren Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft gemacht werden sollen. Das neuartig«, von philanthropischen Grundsätzen getragene System, dessen ideale, humane Motive vollauf gewürdigt wurden, begegnete anfänglich auch bei erfahrenen Pädagogen mancherlei Zweifeln und Bedenlen, hat aber dennoch in der ver- hältnismäßig kurzen Zeit schon recht erfreuliche Resultate erzielt. Früher waren heimliche Entweichungen und deren unangenehme Begleiterscheinungen, wie arge Belästigungen einsam wohnender Familien, rohe Sachbeschädigungen usw. an der Tagesordnung. Jetzt ist davon schon längst keine Rede mehr. Man steht die Knaben stundenweit von der Anstalt entfernt ohne jede Aufsicht in den Dörfern ihre Geschäfte besorgen, und keiner von ihnen denkt daran, die ausgiebig gebotene Gelegenheit zur Flucht zu benutzen, jeder kehrt gern und freudig nach.Hause' zurück. Der offensichtlich liegende schöne Erfolg zeigt auch verbohrten Prügelhelden, daß auch bei den Verwahrlosten durch Güte noch manches zu er- reichen ist._ vnternehmer-Roheit. Nach dem„Regulator" zugegangenen, angeblich„ganz bestimm- ten" Nachrichten waren auf der Armaturenfabrik vorm. Ä. Hilpert, A.-G. in Nürnberg sechs Arbeiter, meist ältere Leute, die mehr Invaliden sind, beschäftigt, eine schwere Fundamentplatte, die mehrere Tage auf einem Wagen gelegen hatte, abzuladen. Ein Monteur hatte die Anwendung eines Zuges(wohl Flaschenzuges) angeordnet. Der Betriebsführer K. erklärte aber, das nehme ihm zu viel Zeit weg und er kommandierte:„Angepackt!" Die Platte kam aber ins Rutschen und fiel einem der beteiligten Arbeiter auf den Fuß, so daß dieser abgeschlagen wurde. Der Verunglückte wurde ins Bureau gebracht, um die Sanitätsleute zu erwarten, und da soll der Betriebsführer K., der durch die Benutzung eines Flaschenzuges keine Zeit verlieren wollte, die unsagbar brutalen «Trostworte" zu dem Verunglückten getan haben:„Die Faulheit muß bestraft werden!" Wenn also der Verunglückte als dauernder Krüppel wieder aus dem Krankenhaus entlassen wird, so hat er dies nicht dem Betriebsführer zu danken, sondern seiner eigenen Faulheit! Der„Regulator" hält den Vorgang für so ungeheuerlich, daß er kaum zu glauben sei, und er will die Verantwortung für die Wahrheit dem Einsender überlassen. Wir werden ja sehen, was der Betriebsführer zu der Mitteilung zu sagen hat. Ist die Dar- stellung richtig, so wäre wohl ein Einschreiten des Staatsanwalts wegen Körperverletzung gegen den Betriebsführer angebracht. Befreiung von der SchcnknngZsteuer. Das Reichsgericht erklärt in einer Entscheidung, die letzthin zufolge eines Rechtsstreits der Berliner Handelsgesellschaft in Berlin mit dem preußischen FiskuS erging, daß eine SchcnkungSstoi-r nicht zu erheben ist, wenn die Schenkung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entspricht. Die Prozetzgrundlage ist durch eine Zuwendung geschaffen worden, die die Handelsgesellschaft der für ihre Angestellten und deren Witwen und Waisen seit oem Jahre 1867 bestehenden Pensionskasse gemacht hat. Bisher hat die Handelsgesellschaft regelmäßig einen gewissen Teil ihres Reingewinns der Kasse zugewendet. Als sie im Jahre 1907 auf Grund eines Generalversammlungsbeschlusses 100 006 M. an die Kasse überwies, behauptete die StcuerbehSrde, daß diese Zuwendung nach den§§ 55 ff. des Reichserbschaftssteuergesetzes vom 3. Juni 1906 als Schenkung mit 5 Proz. zu versteuern sei, und zog den Betrag von 5000 M. ein. Auf die Klage der Handels- gesellschaft erkannte das Landgericht zunächst auf Abweisung der Klage; das Kammergericht zu Berlin gab dagegen der Klage statt. Nunmehr hat das Reichsgericht das auf Rückzahlung der Steuer lautende Urteil bestätigt. Deutschnationale Niedertracht. Um die Arbeiter der Fabriken der österreichisch -schlestschen Fabrikstadt Friedeck bei den Krankenkassenwahlen um ihr Wahl- recht zu bestehlen, stellten einige Fabriken auf Anregung der deutsch . nationalen„Arbeiter'organisation auf zwei bis drei Wochen den Betrieb ein!_ Zur Lage der Bäckerlehrlinge. Die Ausbeutung, unter der die Bäckerlehrlinge zu leiden haben, wird illustriert durch den Jahresbericht der Städtischen Fortbildungsschule in Aachen . ES heißt in dem Bericht:„Direkt unbelrirdigenden Besuch wieS die Bäckerklaffe auf. Sie zählt« hei 34 Schülern 407 Bcrspaiungen und 159 Stunden Lersäumnisse. Hauptschuld trug aber hier wohl die ungünstige Lage der Unter- richtsstunden von bis%6 Uhr. Angestellte Nachfragen er- gaben, daß 6 Schüler nachtL vor 2 Uhr, 13 Schüler vor 3 Uhr und 3 vor 4 Uhr mit der Arbeit beginnen, weiterhin, daß diese Arbeits- zeit alsdann bei sämtlichen, mit einer Ausnahme, bis zur Schul- zeit dauerte. Von den Unterrichtsergebnissen bei dieser Klasse sei besser geschwiegen, da man«s den Schülern nicht verübeln konnte, daß sie offenen AugcS schliefen." Der Bericht teilt ferner mit, daß zur Beseitigung der Ver- spätungen der Fortbildungsschüler im allgemeinen sich Karzer- strafen bewährt haben. Mit diesen Strafen könnte man nur dann einverstanden sein, wenn die Bäckermeister, als die wirklich Schul- digen, sie absitzen müßten, nicht aber die armen Lehrlinge, denen man damit noch die bitter nötige Sonntagserholung verkürzte. Klus der Frauenbewegung. Mangel an Arbeiterinnenschutz. Unter der vorstehenden Ueberschnft beschäftigten wir unS ta Nummer 82 des„Vorwärts" mit Mißständen in verschiedenen Be- trieben. Von der Firma Altmann u. Dresel, die dabei in Frage kommt, ging uns dann eine sehr lange Zuschrift zu, in der sie alle Mißstände bestreitet. ES sei unrichtig, daß die Bedürfnisanstalten für die Geschlechter nicht getrennt seien; der Garderobenraum fei von der Gewerbeinspeltion als genügend groß bezeichnet; eine den Einblick wehrende Gardine Hütten die Frauen selbst entfernt; zwar feble ein Speiseraum, im Arbeilssaal sei dafür genügend Platz und Gelegenheit zur Einnahme der Mahlzeiten. Unwahr sei auch die Behauptung von der Entlassung einer Arbeiterin, und für Reinigung werde in ausreichendem Maße gesorgt. Sodann wird noch versucht, den Nachweis zu führen, daß die Firma ganz besonders human sei. Zu den sachlichen Behauptungen bemerkt unsere Vertrauens« person: Es ist möglich, daß einige Mißstände inzwischen abgestellt worden sind; unsere Schilderung betraf Verhältnisse, die vor zirka 4 Wochen konstatiert wurden. Wenn die Firma behauptet, die Be« dürfnisanstalten für Männer und Frauen seien getrennt, so trifft das nur halb zu, denn in dem Raum, den die Frauen passieren müssen, um zu ihren Klosetts zu gelangen, befindet sich ein Becken, das von Männern benutzt wird. Selbst der Meister benutzt dieses Becken. Der Garderobenraum enthielt zur Zeit keine Scheiben, als Herr Dresel einmal an dem Räume vorbei kam, beinerkte er, man solle einen Sack vor die Oeffnungen bängen. Vielleicht hat unser Artikel die Firma veranlaßt, Milchglasscheiben einsetzen zu lasten. Mit dem Bestellen der Tische mit Schuhcreme verhält eS sich so, wie es geschildert worden ist. Mit Mühe erkämpfen sich ein paar alte Arbeiterinnen die Freilassung eines kleinen Tisches, sie können dort dann zu dreien ihr Brot verzehren. Die übrigen Arbeiterinnen sind gezwungen, sich an die mit Wichse bestellten Tische zu setzen. Wenn nun behauptet wird, die Arbeiterin, die mit dem Kessel ge- fallen ist, sei nicht entlassen worden, so entspricht das ebenfalls nicht der Wirklichkeit. Die Bemerkung, man könne eine solche Schlafmütze nicht gebrauchen, ist tatsächlich gefallen. Die Frau hat dann eine Arbeit im Keller zugewiesen bekommen, die allgemein als Straf- arbeit betrachtet wird. Als sie sich darüber beschwerte, wurde sie entlassen. Mit der Unsauberkeit des Fußbodens verhält es sich genau so, wie wir angaben._ Kundgebungen für die politische Gleichberechtigung der Frauen. Am Mittwoch, den 13. April, veranstalteten die Wiener Ge- nossinnen ein« Demvnstrationsversammlung gegen die politische Rechtlosigkeit der Frauen. Aus allen Bezirken Wiens kamen die Arbeiterinnen in geschlossenen Zügen. Selbst aus der Umgebung Wiens waren Abordnungen von Arbeiterinnen erschienen. ES handelt sich um eine Kundgebung für die Reform des Vereins. gesetzes. Oesterreich ist in bezug auf daS Bereinsrecht noch weit zurück. Politische Vereine dürfen nickt in Verbindung treten; die Mitglieder sind der Behörde anzumelden und„Ausländer, Minder» jährige und Frauenspersonen" dürfen überhaupt nicht als Mitglieder aufgenommen werden. Die Frauen organisieren sich trotz alledem polttisch in der freien Organisation. Ungefähr zwölftausend Frauen besitzen schon heute ihre LegitimationS- karte als Mitglieder der sozialdemokratischen Partei. Nach dem Gesetz dürfen sie sich aber nicht politisch betätigen. Schikanöse Be» Hörden können natürlich der Frauenorganisation Schwierigkeiten in den Weg legen. Die Genossinnen würden zwar lernen, auch Schikanen unwirksam zu machen und sich nicht stören lassen in der Aufklärungsarbeit bei den Frauen. Aber die Frauen wollen nicht von Zufälligkeiten abhängig sein: sie wollen aber Rechte haben zu den Pflichten, die sie als Erwerbende und indirekte Steuern Zahlende zu erfüllen haben. An Schikanen fehlt es ja nicht. So wurden kürzlich drei Genossinnen verurteilt, weil sie die freie politische Frauenorganisation der Behörde nicht angemeldet haben. Würden sie das aber tun, so würde man mit Hinweis auf den 8 20 des Vereinsgesctzes die Organisation nicht gestatten. Hat man doch vor einigen Jahren die Gründung eines Vereins zur Propaganda für das Fraucnsttmmrecht untersagt. Weil Frauen keine politi» schcn Rechte haben, verbietet man ihnen auch die Propaganda dafür. So hat kürzlich noch der Bezirkshauptmann von Reichen- berg verboten, Versammlungen zu plakatieren, in denen über die Rechtlosigkeit der Frauen gesprochen werden sollte. Das Frauenreichskomitee der österreichischen Genossinnen hat nun beschlossen, im ganzen Reich Kundgebungen für die Reform des VereinSgesehcs zu veranstalten. Die Wiener Versammlungen verliefen außerordentlich im» posant. Die Reden der Genossinnen Popp und Boschek und ves Genossen Perner st orfer lösten Stürme der Begeisterung und Kampfentschlossenheit aus. Am selben Abend fanden in Graz und in sechs anderen Orten der Steiennark Versammlungen mit derselben Tagesordnung statt. Böhmen und Schlesien folgen als nächste. In der Wiener Versammlung wurde unter allgemeiner tu» geisterter Zustimmung auch erklärt, daß die Frauen entschlossen sind, eventuell vor dem Parlament aufzumarschieren, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Versammlungen— Veranstaltungen. Groß-Lichtrrfelde. Freitag, den 22. April, im„Kaiserhof" Vortrag über:«Wohnungskunst". Semdts- Leitung. Ein nicht zustande gekommenes Wahlrechtshoch. Ist ein Wahlrechtshoch grober Unfug? Das Kammevgcricht sagt: Nein! Kann ein Wahlrechtshoch grober Unfug sein, wenn eS dem Rufer abgeschnitten wurde, ehe er damit fertig war? DaS Amtsgericht Bcrlin-Mitte<160. Abteilung) hätte gestern diese Frage zu prüfen gehabt, wenn'S nicht anders gekommen wäre. Angellagt war ein Lackierer Erler deS groben Unfugs, den er da» durch begangen haben sollte, daß er am 6. März in der Gegend des EugcluferS„als Teilnehmer eines Demonstrationszuges laut gesungen, gejohlt, gebrüllt" habe. Erler bestritt das. Zu einem Zuge habe er überhaupt nicht gehört; er habe nur, als ein Zug vorüberkam, gerufen:„DaS allgemeine, gleiche Wahlrecht!" und in demselben Augenblick sei er auch schon verhaftet worden. Der Vorsitzende fragte:„Was riefen Sic? Nur„daS allgemeine, gleiche Wahlrecht"? Weiter nichts!? Das hatte doch keinen Sinn!" Der Angeklagte antwortete:„Ehe ich weitersprechen konnte, war ich ja schon verhaftet." Schutzmann Brand, der als Zeuge geladen ivar, um die Anklage zu stützen, wußte nicht, ob Erler überhaupt gerufen habe. Der Vorsitzende las ihm vor, daß in du Anzeige steh«, E. habe fortgesetzt geschrien und die Menge
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