Nr. 93. 27. Jahrgang. t. KeilM Ks JraihK Erlittet Bolblilatt. Frtitltg. 22. Apnl 1910. Reicb9tac|. SS. Sitzung vom Donnerstag, den 2t. April, mittags l Uhr. Am BundeSratstisch: Mermuth . Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung deS Entwurfes eines Gesetzes zur Aendcrung des Gesetzes betreffend das Reichsschuldbuch. Es handelt sich dabei um Erleichterungen bei Ein- tragungen und Löschungen in das Reichsschuldbnch. R-ichsschatzsekretär Mermuth : Nach dem Entwurf sollen Buch- schulden in Zukunft auch ohne besondere Schuldverschreibung ein- getragen werden. Weiter strebt der Entwurf eine Erleichterung des geschäftlichen Verkehrs ein, indem alle Gebühren mit Ausnahme der Löschungsgebühr in Wegfall kommen sollen, indem Zinsen nicht nur im Inland, sondern im Gebiet des Weltpostvereins gezahlt werden und dergleichen.— Nachdem in Preußen ein entsprechender Ent- Wurf für das Staatsschuldbuch Annahme gefunden hat, bitten wir auch um Zustimmung zu den gleichen Aenderungen für das Reichs- schuldbuch. Abg. Dr. Am Zehnhoff(Z.) erklärt im allgemeinen das Einver- ständnis zu dem Entwurf. Abg. Dr. Dröscher(f.): Eine Kritik deS Entwurfs erübrigt sich, da er wörtlich mit dem in Preußen verabschiedeten Entwurf überein- stimmt. Meine Freunde stimmen ihm zu. Abg. Ortel(natl.) erklärt das Einverständnis seiner Freunde zu der Vorlage, die ohne Kommissionsberatung angenommen werden könne. Abg. Dr. Pachnicke sFortschr. Vp.): Der Kursstand der Reichs- anleihen hängt von anderen, allgemeineren Faktoren ab als von Erleichterungen des geschäftlichen Verkehrs beim Reichsswuldbuch; aber wir stimmen diesen Erleichterungen zu, umsomehr, als Preußen dieselben Erleichterungen des geschäftlichen Verkehrs beim Staats- schuldbuch eingeführt hat. Abg. Dr. Arendt(Rp.) erklärt die Zustimmung seiner Freunde zur Annahme des Entwurfs ohne Kommissionsberatung und regt die Herausgabe eines Merkblattes über das Reichsschuldbuch an, damit der kleine Sparer ersahre, wie wertvoll diese Einrichtung für ihn sei. Reichsschatzsekretär Mermuth erklärt, diese Anregung in Er- Wägung ziehen zu wollen. Abg. Dove sFortschr. Vp.) hält eS für zweifelhaft, ob die An- regung des Abg. Arendt vom Publikum freudig begrüßt würde; wenn die Expropriation der Expropriateure einmal praktisch würde, könnte es zu leicht auch heißen:„Unser Schuldbuch sei vernichtet". (Heiterkeit.) Abg. Dr. Arendt(Rp.): Die Furcht vor der Expropriation der Expropriateure ist doch wohl unbegründet. Damit schließt die Beratung. Da Kommissionsberatung nicht beantragt ist, wird sofort in die zweite Beratung eingetreten; in dieser wird der Entwurf debatteloS e n b l o c angenommen. Es folgt die erste Beratung der Ueberficht der Einnahmen und Ausgaben der afrikanischen und polyncfischru Schutzgebiete für das Jahr 1907. Nach unerheblichen Bemerkungen des Abg. Dr. G ö r ck e(natl.) Wird die Ueberficht der Rechnungskommission überwiesen. Hieran schließt sich die erste Beratung der Rechnung über den Haushalt derselben Schutzgebiete für das Jahr 1901. Abg. Erzberger(Z.): Eine so späte Rechnungslegung hat gar keinen �weck und macht das Budgetrecht des Reichstags ganz illu- sorisch; die für die Ausgaben und Mehrausgaben verantwortlichen Beamten vom Jahre 1901 sind heute ja kaum noch verantwortlich zu machen. Untcrstaatssekretär im Kolonialamt v. Lindcquist: Diese Ueber- ficht ist dem Reichstage bereits im Jahre 1901'vorgelegt worden, aber infolge verschiedener Umstände vom Reichstage erst im Früh- jähr 1909 an die Rechnungskommission verwiesen. Abg. Dr. Görcke(natl.) bestätigt, daß an der späten Erledigung der Rechnungen nicht die Regierung allein schuld trage, sondern auch daö frühere'langsame Arbeiten des Reichstages. Damit schließt die Diskussion; die Rechnung wird der RechnungS- kommiision überwiesen. Zwei weitere Rechnungssachen werden debatteloS erledigt. ES folgt die zweite Beratung der ReichSausgaben und-Einnahmen für 1 SVK. Die Rechnungskommission beantragt, die Etatsüberschreitungen im Betrage von 58 Millionen 598 386,62 M. und die außer- etatSmätzigen Ausgaben im Betrage von 9 Millionen 191 655,79 M. zu genehmigen und ebenso die den Etat überschreitenden und außer- etatsmäßigen Einnahmen aus der Veräußerung von Grundstücken, Materialien. Geräten oder sonstigen Gegenständen nachträglich zu genehmigen. kleines feuitteton. Personenaufzügr in Museen. Die Besichtigung öffentlicher Sammlungen soll ohne Unbequemlichkeiten möglich sein. Dieses Gebot bleibt in vielen deutschen Museen unerfüllt. Eine stattliche Serie von Mängeln läßt sich aufweisen, deren Beseitigung im Interesse deS Publikums wünschenswert ist. Die Abgabe der Garderobe direkt am Eingang im scharfen Zugwind, das Fehlen genügender Sitz- gelegenheit in Sälen und Galerien, das Nichtvorhandensein eineS Erfrischungsraumes, in dem sich zeitweise rasten läßt, die geringe Zahl oder gar die Abwesenheit der Retiraden und der Mangel an Personenaufzügen sind fühlbare Schwäche», die besonders älteren Personen den Besuch der Museen verleiden. Das Fehlen von Personcnaiifzügcn aber wird am schwersten empfunden. Von Geschoß zu Geschoß fünf oder sechs Meter hohe Treppen emporzuklimmen, erfordert Kräfte, über die nicht jedermann verfügt. Die Entschuldigung, daß der Schacht für den Personenauszug bei etwa ausbrechendem Brande wie ein Schlot � wirke und das Feuer von Stockwerk zu Stockwerk fortpflanze, ist hinfällig. Ein von Mauern umschlossener Schacht ist gar nicht notwendig, da sich der Fahrstuhl direkt im Treppenhause zwischen eisernen Säulen und Um- gitterung anordnen läßt. Sollte ein ummauerter Schacht ersorder- lich sein, so ist es ein leichtes, ihn mittels eiserner Türen abzusperren und zu isolieren. Auch die Furcht vor allzu starkem An- dränge deS Publikums ist nicht stichhaltig. Was in den Waren- Häusern und Hotels trotz der entschieden größeren Feuersgefahr und des größeren Andranges vorzüglich durchgeführt ist, muß sich in den Museen ebenfalls durchführen lassen. Um so mehr kann das der Fall sein, als für die Konstruktion geeigneter Aufzüge schon längst Systeme von erprobter Zuverlässigkeit vorhanden sind. Elektrizität ist für den Betrieb eine Kraftquelle geworden, die an Sicherheit und Billigkeit nichts zu wünschen läßt. In den meisten Museen genügt schon ein elektrischer Fahrstuhl mit einer Leistung von 10 Pferdestärken. Ohne weiteres kann er an das Kabel- netz einer Zentralstation angeschlossen werden. Es sollte endlich einmal mit der verzopften Ansicht, als ob solche Einrichtungen für Museen zu gefährlich, zu unästhetisch oder zu modern seien, gebrochen werden. Die Ersatzmittel für Kautschuk. Der Kautschuk, den man auch einfach als Gummi elasticum bezeichnet, ist ein von der Industrie heiß begehrter Stoff, dessen Verbrauch namentlich infolge deS Aufschwungs der Elektrotechnik gewaltig gestiegen ist. Er wird aus verschiedenen Pflanzen gewonnen, und daraus ergibt sich bereits, daß seine Verbreitung auf der Erde beschränkt ist. Zwar kann der Mensch durch Anpflanzung der betreffenden Gewächse für deren Ver- mehrung Sorge tragen. Aber es wird ihm im allgemeinen nicht gelingen, damit mehr zu erreichen, als daß der vorhandene natürliche Vorrat durch ' Abg. Erzberger(Z.): Bei der Prüfung der Rechnungen wurde ein Schreiben des Reichsschatzsckretärs an den Präsidenten des Reichstages festgestellt, worin der Reichsschatzsekretär mitteilt, daß eine Entlastung für die Ueberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben vom Kaiser erfolgt sei. Nach der Reichsvcrfassung genügt für den Reichskanzler zur Entlastung die Genehmigung der Aus- gaben durch den Reickstag und den Bundesrat, und eine dritte Instanz ist für die Entlastung nicht mehr erforderlich, auch nicht die des Präsidenten des Bundesrats. Bei der Besprechung dieser An- gelegenheit in der Rechnungskommission ist festgestellt worden, daß im Jahre 1880 vom Rechnungshof beschlossen ist, es bei der bis dahin befolgten Uebung, auch die allerhöchste Genehmigung bei Mehrausgaben einzuholen, zu belassen; aber mit der Reichsver- fassung scheint mir das nicht im Einklang zu stehen, und eS erscheint wohl notwendig, diese Frage heute zweifelsfrei zu lösen. Berichterstatter Abg. Dr. Görcke(natl.): Do diese Frage mit der Haushaltsübersicht von 1906 nicht in unmittelbarem Zusammen- hang steht, hat die Kommission beschlossen, sie in einer späteren besonderen Verhandlung zu klären; übrigens wird die Klärung keineswegs ganz einfach sein. Abg. Hengsbach(Soz.): Auch wir haben auf den Bericht der Kominission hin das ein- schlägige Material studiert; aber wir haben nirgends auch nur ein Jota emes Anhaltspunktes für ein derartiges Vorgehen gefunden. ES ist zu beachten, daß das betreffende Schreibe» beginnt:„An den Herrn Präsidenten des Reichstages" und daß eS mit den Worten beginnt: „Auf Ihren Bericht vom 11. August 1908 will ich usw." Der Prä- sident des Reichstages hat also den Bericht eingesandt, und wir sind der gleichen Ausfassung wie der Kollege Erzberger , daß sich das in keiner Weise rechtfertigen läßt. Es könnte ja der Fall eintreten, daß der Reichstag derartige Ueberschreitungen ge- nehmigt, der Kaiser aber nicht, oder auch umgekehrt; das muß doch möglich sein, denn sonst hätte ja die ganze Sache keinen Sinn, und deshalb ist nicht einzusehen, wieso man so vorgehen konnte. Wenn Sie die Erklärung des Regierungsvertreters in der Kommission ansehen, so finden Sie, daß er sich auf Preußen be- zieht, auf eine preußische Instruktion für die Ober- rechnungskammer vom 13. Dezember 1824, aus Kabinetts- orders vom 29. Mai 1826 und vom 29. August 1857. Es mag also die Aufrechterhaltung dieser Uebung allenfalls für Preußen maßgebend sein, keineswegs aber für den Reichstag, und wir erheben entschiedenen Protest dagegen, daß man etwa durch Hintertürchen derartiges hier einschmuggelt.(Zustimmung bei den Sozial« demokraten.) Wir können das unter keinen Umständen billigen. Zum Schluß heißt es, daß die Kommission beschloß,„diese Frage, da sie mit der Haushaltsübersicht von 1906 nickt in unmittel- barem Zusammenhange stehe, vorläufig aus der Diskussion aus- zuscheiden und sie emer späteren besonderen Verhandlung vorzu- behalten". Es ist notwendig, daß diese spätere Verhandlung recht bald stattfindet, und daß man sich klipp und klar darüber aus- spricht, wie man in der Sache steht. Diejenigen, die die Sache unternommen haben, haben dem Kaiser jedenfalls einen recht schlechten Dienst erwiesen; denn wenn jetz� dem Monarchen gesagt werden muß, er habe etwas getan, wozu er nicht nur nicht verpflichtet, sondern auch nicht einmal berechtigt war, so ist das doch unangenehm, und eS ist recht eigenartig, daß die Beamten, die diese Sache weitergegeben haben, ich will nicht sagen, die Unzulässigkeit und Ungesetzlichkeit nicht eingesehen haben, aber daß kein einziger von diesen Beamten den Mut hatte, zu sagen, daß diese Sache sich nicht gehört.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich will nun aus eine andere Sache noch aufmerksam machen, aus Ausgaben, die Sie auf Seite 136 finden, nämlich Kosten der Vertretung des Kaisers bei den BermählungSfeierlichkeiten deS Königs von Epmiic». Wir können nicht finden, daß diese Ausgaben mit der Politik der Sparsamkeit in Einklang zu bringen sind, die seinerzeit der Reichskanzler Fürst B ü l o w hier vertreten hat. Und wenn man glaubt, bei derartigen Anlässen eine Vertretung entsenden zu müssen, dann sollen doch die terren, die das glauben, diese Vertretung auch aus ihrer eigenen asche bezahlen.(Lebhaftes Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Sie finden da:„Reiseauslagen und Kosten der Verpflegung des Prinzen Albrecht sowie des Gefolges und der Dienerschaft: 23 563 M.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten), Anstands- und Ehrengeschenke sowie Wohltätigkcitsauögabcn des Prinzen Albrecht 9498 M.(Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten), Tage- gelder für das Gefolge 1857 M. und desgleichen für die Diener- schaft 902 M., zusammen 35 820 M.(Hört I hört! bei den Sozial- demokraten.) Ebenso finden Sie Reiseauslagen und Kosten der Ver- pflegung deS Prinzen Friedrich Heinrich von Preußen und seines Adjutanten und zweier Diener, auch Anstands- und Ehrengeschenke den Verbrauch wenigstens nicht abnimmt. Wenn aber die Forderungen sich stark steigern, so wird es schwer möglich sein, ihnen zu genügen. Man hat es sich daher schon seit einiger Zeit zur Regel gemacht, eigentlichen Kautschuk nur da zu gebrauchen, wo seine Eigenschaften unersetzlich sind, sonst aber mit anderen ähnlichen Stoffen sich zu begnügen. Jnfolgedeffen hat man auch die Zahl solcher Ersatzmittel zu vermehren versucht. Sie können nach dem jetzigen Stand der Angelegenheit in drei Gruppen unterschieden werden. Die erste besteht aus Stoffen, die eine durchaus andere Zusammensetzung haben als der Gummi. Zu der zweiten Gruppe gehören die Gummikomposttionen, die auch als künstlicher Kautschuk bezeichnet werden und eine gewisse Menge von natürlichem Gummi mit anderen Stoffen vermischt ent- halten. Die dritte Art ist als die höchststehende zu betrachten und verdient allein den Namen eines künstlichen Kautschuks, indem sie dem Naturerzeugnis vollkommen entspricht, aber im chemischen Laboratorium auS einfacheren Verbindungen hergestellt wird. Vorläufig ist im Welthandel die erste dieser Gruppen noch immer die wichtigste. Die Herstellung dieser Ersatz- mittel geschieht auf sehr verschiedene Art. aber immer so, daß ein Oel in irgendwelcher Veränderung den Grundstoff bildet. Als Zusatz werden iviederum sehr mannigfaltige Stoffe gewählt, unter anderen Teer. Pech und Kreosot, ferner Faserstoffe wie Jute, oder Hanf, auch verschiedene Harze und Kampfer. Eine ungeheure Umwälzung auf diesem Gebiete de? Weltmarktes wird sich ohne Zweifel dann vollziehen, wenn der eigentliche künst- liche Kautschuk eine so hohe Vollkommenheit in der Art und Billigkeit der Herstellung erlangt hat, daß er mit aller Kraft in den Wettbewerb wird eintreten können. Gerade die neuesten Arbeiten von Professor Harries scheinen einen erheblichen und vielleicht entscheidenden Fortschritt in dieser Richtung zu be- deuten. Auch ein Aussatz der„Nature " bestreitet nicht, daß es der Chemie gelingen werde, auch den edelsten natürlichen Kautschuk durch ein ebenbürtiges künstliches Erzeugnis zu ersetzen, meint aber, dieser Tag sei noch nicht gekommen. Dennoch scheint die Zukunft, in der der künstliche Kautschuk ähnlich wie der künstliche Indigo einen Triumphzug über die Welt antreten wird, recht nahe gerückt zu sein. Humor und Satire. Milchwirtsch aft. Von zwei Schwestern, wie die Zeitung kündet, Welche fest zusamm'gewachsen sind, Brachte eine, mit dem Storch verbündet, Rosa heißt sie, jüngst zur Welt ein Kind. Hungrig lag das Wurm an Rosas Seite Und sie gab ihm, als es schrie, die Brust. Da ward auch Josefa sich, die zweite, Froh erstaunt, der Muttermilch bewußt. dieses Prinzen und Tagegelder für seinen Adjutanten und die Dienerschaft, zusammen 5436 M.(Hört! hört!), weiter Fuhr- kosten und Tagegelder deS G en e r a l a d j u t a nt e n Seiner Majestät Generalleutnant v. Löwenfeld, sowie des Flügel- adjutanten Obersten v. Plüskow mit je 1752 Mark, und ebenso für den Obersten und Kommandeur des dritten Magde« burgischen Infanterieregiments Baron v. Monteton mit 1274 Mark, alles in allem 46 036 Mark.(Hört! hört I bei den Sozial- demokraten. Wir sind der Meinung, daß derartige Ausgaben zur Repräsentation des Reiches nicht unbedingt �nötig sind. Eine derartige Anteilnahme bei den Vermählungs- seierlichkeiten eines ausländischen Königs muß doch wohl aus der Privatschatulle derjenigen gezahlt werden, die solche Vertretung für notwendig hallen.(Lebhaftes Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Der Reichssäckel darf nicht dazu her- halten, solche Auslagen zu bestreiten, am allerwenigsten bei der Notlage des Reiches, die ja gerade damals sich in der Reichsfinanzreform zeigte und die auch heute noch nicht beseitigt ist; dem chrouischcn Dalle?, der auch heute noch im Reiche herrscht, muß mehr Rechnung getragen werden, und das hier offen aus- zusprechen, ist Pflicht und Notwendigkeit.(Lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Reichsschatzsekretär Wermuth: Gewiß sind Reichstag und Bundes- rat die zuständigen Instanzen für die GeneHnngung von Etats- Überschreitungen. Die angefochtene Order tastet aber doch in keiner Weise dieses Recht der verfassungsmäßigen Instanzen an. O b d i e Form richtig ist, will ich dahingestellt sein lassen; jedenfalls beruht sie auf einem alten Brauch. Die Frage der Bei- beHaltung oder Beseitigung ist nicht allzu bedeutend. Abg. Erzberger(Z.>: Ich stelle mit Befriedigung fest, daß auch der Schatzsekretär die Form preisgibt. In Preußen ist es am Platze, daß von der„Genehmigung" des Königs gesprochen wird, denn der König ist in Preußen Faktor der Gesetzgebung, dagegen der Kaiser kein Faktor der Neichsgesetzgebung.— Kollege Hengsbach hat die Ausgaben für Repräsentation bemängelt. Diese Ausgaben werden aus einem Titel i m E t a t des Auswärtigen Amtes bestritten. Wollte man sie also tilgen, so war dazu bei der Etatsberatung Gelegenheit. Im übrigen haben alle Staaten Etats- Positionen für solche Repräsentationskosten. Die betreffende Position im Etat der französischen Republik (Abg. Hengsbach: Der blauen Republik ! Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) ist sogar höher als die Position im deutscheu Etat.(Hört I hört I rechts.) Abg. Stolle(Soz.): Beim Titel.Manöverkosten" ist der Etats- ansah um 160 000 M. überschritten und zwar hauptsächlich wegen Flurschäden beim 1. und 16. Armeekorps. Während ein Armee- korpS durchschnittlich 70 900 M. für Flurschäden auszugeben hat, waren diese Kosten beim 1. Armeekorps 169 000 M., beim 16. be« trugen sie 127 900 M., sodaß die Ueberschreitungen in der Haupt- fache auf die bei diesen beiden Armeekorps entstandenen Flurschäden zurückzuführen sind. Die von der Heeresverwaltung gegebene Aus- kunft genügt nicht und wir bitten um nähere Auskunft.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Berichterstatter Abg. Dr. Görcke(natl.): Der RechnungS- kommission wäre eS sehr angenehm, wenn ihr in Zukunft auch diese Rechnungen vorgelegt werden. Da es bis jetzt noch nicht geschieht, bin ich leider nicht in der Lage, nähere Auskunft zu geben. Abg. Hengsbach(Soz.): Ich bin auch nach den Belehrungen (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten), die mir zuteil geworden sind, der Meinung, daß die fürstlichen RepräsentationSkosten von den Fürsten getragen werden sollen, die sie für nötig halten, nicht aber aus den Taschen der Steuerzahler bezahlt werden dürfen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Wenn Herr Erzberger aus die französische Republik hinweist, so habe ich schon in meinem Zwischenruf darauf hingewiesen, daß die sranzö- fische Republik keine Jdealrepublik in unserem Sinne ist.(Zustiinnmng bei den Sozialdemokraten.) Abg. Erzberger(Z.): Wenn die Sozialdemokratie Deutschlands Vertreter zu internationalen Kongressen schickt, so trägt auch, wie das recht und billig ist, die Parteikasse die Kosten. Gewisse Repräsentationskosten sind eben überall un- vermeidlich. Abg. Hengsbach(Soz.): Es ist wirklich sehr merkwürdig, daß Herr Erzberger die Beschickung internationaler Kongresse mit höfischer Repräsentation in Parallele stellt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Erzberger(Z.): Herr Hildenbrand wird Herrn Hengsbach bezeugen, daß zum Beispiel im württembergischen Etat, für den doch die Sozialdemokraten gestimmt haben, sichj.ebenfalls Posten für Repräsentation befinden. Was Württemberg recht ist, ist dem Reiche billig.(Lebhaftes Hört! hört! und Heiterkeit rechts und im Zentrum.) „Welch ein Wunder l" rief eS ring» im Kreise. Arzt und Laie waren einfach baff; Und das Knäblein tutschte kluger Weise An Josefas Brust, war Rosas schlaff. Dies geschah in Böhmen bei den Tschechen. Doch begab sich'S auch in Preußen schon, Wo die Junker zeugten jüngst, die frechen. Einen Wahlrechtsbalg, dem Volk zum Hohn. Und sich' da: der Junker Zwillingsschwester, Zentrum heißt sie und ist muttertoll, Sah den Balg und winkte:„Komm, mein Bester!� Weil auch ihr die Milch im Busen quoll. Hängt die Junkerzitze schlaff jetzunder, Strotzt die and're prall schon und bereit. Milch in Menge! Ist eS da ein Wunder, Daß die Mißgeburt so dick gedeiht? Michel. Notizen. --»Aus der Bühne ngenossenschaft. In einer Zentral« ausschußsitzung der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger wurde bcschloffcn, Possarts Austrittsschreiben öffentlich zu be» antworten. Ferner soll der nächsten Delegiertcnvcrsammlung der Antrag unterbreitet werden: Der Zentralausschuß ist berechtigt, dem jeweiligen Präsidcnlcn für seine Mühewaltung eine Aufwand- entsckädigung auszusetzen und ihm eine Amtswohnung anzuweisen. Der jetzige Präsident Niffen wurde vom Zentralausschuß er» sucht, seinen Wohnsitz in Berlin beizubehalten. Die Genossenschaft beginnt damit den Weg einznschlagen, den alle Berufsorganisationen gegangen sind: sich eine unabhängige und besoldete Verwaltung zu geben. — DieErfindungderKonserbenbüchse. Wie die Wiener Zeitschrift„Neueste Erfindungen'«nd Erfahrungen" mit» teilt, sind jetzt gerade 100 Jahre verflossen seit Erfindung der Kon» iervenbüchse. Im Jahre 1810 legte der Franzose Franqois Appert der„Pariser Gesellschaft zur Ermunterung der Künste" seine schon -im Jahre 1804 begonnenen Versuche vor: Nahrungsmittel in Weiß- blechgefäßen unter Luftabschluß lange Zeit vor Gärung, Faul- nis und Zersetzung zu schützen und dadurch zu erhalten. Die französische Regierung unterstützte den Erfinder, indem sie ihm 12 000 Frank auswarf. — H o n i g p r ü f e r. Einen Preis von 1 000 M. hat die„Leip- ziger Bicnenzeitung" ausgesetzt für ein Mittel, das der Markt- Polizei die Möglichkeit in die Hand gibt, echten Honig leicht und sicher von gefälschtem zu unterscheiden.— Man ersieht aus diesem Preisausschreiben, wie schwer eS ist, den gewissenlosen Fälschern das Handwerk zu legen, die das Volk an allen Ecken und Enden betrügen und ihm seine Nahrungsmittel verpfuschen,
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