Konvent wurde erklärt. eS sei Sache des Reichstags, wie er seine Arbeiten betreiben wolle, darein habe die Regierung sich nicht Zu mischen. Es ist beschlossen worden, dajs am Sonnabend die nicht erledigten Punkte der Tagesordnung vom Freitag verhandelt werden sollen(Kricgsteilnehmerbeihilfcn u. a.), am Montag sollen dann kleinere Vorlagen, wie das Gesetz über die 'leinen Aktien, über den Konsulargerichtshof und die Konsulargebühren, ferner Petitionsberichte und die Verminderung der Drucksachen auf die Tagesordnung gestellt werden. Am Dienstag wird mit den Wahlprüfungen begonnen werden, die zwei Tage in An- spruch nehmen. Donnerstag, Freitag und Sonn- abend soll die Börner Konvention, das Stellen» ver mittelungsgesetz, die Aufstandsausgaben für Südwestafrika und eventuell die Strafgesetzbuch- Novelle beraten Iverden. Dann will man sehen, ob in der folgenden Woche noch die Entlastung des Reichsgerichts und die Zuwachs st euer erledigt werden können. Damit die Kommissionen längere Zeit arbeiten können, werden die Plenar- sitzungen um 2 Uhr beginnen und am kommenden Donnerstag wird die Plenarsitzung ausfallen. Ende nächster Woche wird der Seniorenkonvent noch einmal zusammentreten und über die Geschäftslage dcS Hauses beraten. Die Zeugnisfolter in der Bremer Lehrerhatz. Wir haben schon vor einigen Tagen gemeldet, daß sich der Bremer SmtSliberaliSniuS bei der Lehrerverfolgung auch der Zeugniszwangsschraube bedient. Am Donnerstag hat er sie noch fester angezogen. An diesem Tage nahm man den Buchhalter F r e u t h a l, der zufällig bei der Abfassung des Bebel-Tele- g r a m m S anwesend war, in Zwangshaft, weil er sich weigerte, einige Lehrer, die nach Ansicht der Behörde.mitschuldig* sind, namhaft zu machen. Freuthal wurde wegen derselben Weigerung schon vor einiger Zeit zu 200 Mark G e l d st r a f e. die später in 20 Tage Haft umgewandelt sind, verurteilt. Diese neueste, brutalste aller bisherigen Mahnahmen wird selbst in der bürgerlichen Presse, die im übrigen die Einleitung deS Disziplinarverfahrens verteidigte, aufs schärfste verurteilt. Eine Privatdepesche meldet uns noch: Dem Buchhalter Freuthal ist bei weiterer Weigerung Gefängnis st rafe an- gedroht worden. Seine Frau, die bei der Sache gar nicht beteiligt war und von nichts weih, hat zu Sonnabend nachmittag Vorladung erhalten. Freuthal hat die Zumutung, Angaben zu machen, mit der Bemerkung abgelehnt:„Ich weih etwas, aber Euch sage ich nichts!"_ Das staatsgefährliche Lied. Der Gesamtvorstand des Sozialdemokratischen Ver» ein? Breslau wurde am Donnerstag von der Polrzei darüber vernommen, wie das Lied„Wer schafft das Gold zuTage" auf das Programm des Stiftungsfestes gekommen ist. Bekanntlich ist gegen den Vorsitzenden ein Verfahren wegen Aus- reiz un g in der gleichen Sngelegenhett im Gange. Bei dem Drucker des Programms, der auch schon eine Vernehmung hatte, wurde auherdem die Belegmappe einer genauen Durchsicht durch Kriminalbeamte unterzogen. Allem Anschein nach will man einen Masseu'Sufreizungsprozeh inszenieren. Der betrogene Militärfiskus. Wegen fortgesetzter militärischer Unterschleife hatte sich gestern der Sergeant Tetzlaff vor dem Oberkriegsgericht des III. Armeekorps zu verantworten. Der Angeklagte war im Laufe der Jahre ISO? und 1908 Küchenunterofftzier für das 3. Bataillon deS Füfilier-Regiments Prinz Heinrich von Preußen zu Brandenburg . Er hatte als solcher für die Bataillonsküche die Einkäufe und Bestellungen zu erledigen. Der Lieferant für das dritte Bataillon war der Kolonialwaren- und Mehlhändler Schröder aus Brandenburg . Die Warenlieferungen gingen in folgender Weise von statten: Die in der Küche zur Verwendung kommenden Waren wurden postenweise in ein Bestellbuch eingetragen. Eine Ordon- nanz bringt dann dieses Buch nach dem Schröderschen Geschäft «tid dort wurden die aufgezeichneten Waren verpackt und durch einen Hausdiener stets nach der Kaserne geschafft. Die Eintra- gungen in das Bestellbuch besorgte der Küchenunteroffizier. Dem seinerzeit bei Schröder tätig gewesenen Handlungsgehilfen Henze war es nun aufgefallen, daß zahlreiche Posten in dem Bestellbuch gar nicht in die Kaserne geliefert, dagegen aber verrechnet wurden. Alle diese Posten waren in dem Buch mit einem Kreuz versehen. Kam das Buch in dem Schröderschen Geschäft an. so versah Sch. die mit einem Kreuz versehenen Posten sofort mit einem Haken, ein Zeichen da» für, daß sie angeblich als geliefert anzusehen waren. Nach er- folgter Lieferung wurden dann die Eintragungen des Bestell- buches in das Küchenverwaltungsbuch übertragen. Auf Grund der Bücher wurde ermittelt, daß beispielsweise statt 88 Kilogramm Kartoffelmehl nur 82 Kilogramm, statt 22 Kilogramm Zucker nur 10 Kilogramm, statt 18 Kilogramm Butter nur ein Kilogramm usw. geliefert wurden. Auch Posten größerer Warenlieferungen, die im Bestellbuch angekreuzt waren, sahen die Kaserne über- Haupt nicht. Das Bataillon hatte 4—800 Mannschaften zu verköstigen und auf soviel Portionen verteilte sich dos tägliche Manko der zu wenig gelieferten Waren. Das Oberkriegsgericht kam nach längerer Verhandlung zu einem Vertagungsbeschlutz. Es sollen für die nächste Verhandlung mehrere Sachverständige über die Zubereitung der MannschaftSefsen sowie die Kochfrau geladen und die Menagebücher eines hiesigen Regiments zur Stelle geschafft werden._ Christlichsoziale Reichstagskandidatureu. Die Cbristlichsozialen haben bereits ihre Kandidaten für die nächste R-ichStagswahl aufgestellt— in Anbetracht der wenigen Wahltreise, die für sie in Betracht kommen, freilich keine besonders sibwierige Arbeit. In Wetzlar -Altenkirchen kandidiert Franz Behrens - Essen -Ruhr: in Dillenburg -Westerwald Dr.xBurckhardt-GodeSberg (beide gehören jetzt als Vertreter dieser Kreise dem Reichsrage an): in Sieaen-Wittgenstein-Bi-denkopf Lic. R-Mumm-Berlin ; in Herford - Halle Generalsekretär Wilhelm Walbaum-Bielefeld und in Erbach - BenSheim Stadtverordneter Otto Rippel-Hagen i. W. Vom Zentrums-Terrorismus. Bei der badischen Landtagswahl hielt die sozialdemokratische Partei eine Wahlversammlung in dem nachher so berühmt ge- wordenen Gengenbach ab. An diesem Sitze des jetzigen Zcntrumsabgeordneten Seubert gibt der Buchdruckereibesitzer Oechslein den unparteiischen„Kinzigboten" heraus. Die sozialdemokratische Einladung zur Versammlung wurde darin inse- riert; als Thema war angegeben:„Der Volksverrat des Zentrums." Ein zweitesmal durfte die Anzeige mit dieser Bezeichnung der Tagesordnung nicht erscheinen, weil der Verleger mitkeilte, daß ihm geschäftlicher Schaden in Aussicht gc- stellt worden ist. Anläßlich dcS vielgenannten A st l o ch- P r o- zcsses teilten nun die als Zeugen vernommenen Herren Oechs- lein, Vater und Sohn, mit, daß der dortige Führer der Zentrums- Partei, der jetzige Abgeordnete Seubert, im Geschäft erschien und die Beseitigung dieses Inserats wünschte, mit der Andeutung, daß viele Abonnenten das Blatt abbestellen würden, falls die auf daS Zentrum bezüglichen Worte im Inserat stehen blieben. Herr Seubert setzte dann dem Verleger eine Erklärung auf. die in der Zeitung erscheinen und besagen sollte, daß jenes sozialdemokratische Inserat nur aus Versehen aufgenommen wurde. Drese Sünde SeubertS ist schlimmer als daS Astlochgucken jn das ArauSidad. Auö dem sächsischen Landtage. Am Dienstag wurde über den sozialdemokratisSen Antrag verhandelt, wonach alle V o l k ö s ch u l l a st e n der G e- ,n e i n d e n, die mehr als 2S Proz. des Staatseinkommensteuersolls der Gemeinden betragen, vom Staate übernommen werden sollen. Die Genossen Lange und R i tz s ch e be- gründeten den Antrag und betonten, daß er für die armen Gemeinden eine wahre Erlösung ouS schlimmen finanziellen Nöten und eine Wiedergeburt der Volksschule in diesen Gemeinden bringen werde. Außerdem forderten unsere Redner die Beseitigung des Schulgelds. Die nationalliberalen und konservativen Redner sprachen sich gegen den Antrag aus, weil er eine Erhöhung der StaatSsteuer zur Folge habe. Teilweise auS denselben Gründen wandte sich auch der Kultusminister dagegen. Obwohl von sozial- demokratiscker Seite betont wurde, daß der Antrag keine neue Lasten, sondern nur eine gerechte Verteilung der Lasten anstrebe, wurde der sozialdemokratische Reformversuch gegen die Stimmen unserer Ge- nassen und der Freisinnigen abgelehnt. Ocftemidvangarn. Lucgers Nachfolger. Wien , 22. April. Der Gemeinderat wählte den erstell Vizcbitrgermeister Neu mayer mit 123 von 116 zum Bürgermeister. Dr. Neumayer, ein 6Sjähriger, müder Mann ohne Ver- waltungstalent ist nur der Platzhalter für den gegenwärtigen christlichsozialen Handelsminister Dr. Weiskirchner. Eine Bauerndemonstration gegen die Getreidezölle. Die größte Kunst der agrarischen Agitation besteht in der Ver- deckung der zwischen den Landwirren verschiedener Landesteile und Betriebsgrößen bestehenden Jnteresiengegensätze, der Mobilmachung auch der ganz entgegengesetzt interessierten Bauern zugunsten der maßgebenden großen Getreideproduzenten. Die viehzüchtenden Ge- birgöbauern sind besonders auf billige Futtermittel wie auf niedrigen Brotprei» angewiesen. So lassen die Gegensätze, die auch in der Haltung der bayrischen Alvenbauern gegen den Bund der Land- Wirte schon zutage getreten sind, sich nicht dauernd niederhalten. Eine starke Kundgebung dieser Art fand am 17. April in der st e i r i s ch e n Stadt Schladming statt, wo die GebirgSbauern dem zur Verteidigung der Getreidezölle eingetroffenen Agrarierführer, ReichSratsabgeordnelen v. Hohenblum, einen heißen Empfang bereiteten. Wie die„Wiener Arbeiter-Zeitung" meldet, wurde Hohenblum auf dem Marktplatz von den Bauern mit Pfuirufen empfangen. Seine Versammlung wurde sofort gesprengt und er zum Rückzug in ein Nebenzimmer genötigt. Scharf trat ein bäuerlicher Abgeordneter. Pantz, gegen die Getreidezölle auf, die er eine Plünderung der GebirgSbauern zugunsten weniger böhmischer und ungarischer Groß- grundbesitzer nannte. Wie könne die Alpenwirtschaft den Sprung deS Zolles von 1 Krone 80 Heller auf ö Kronen 80 Heller für den Doppel- zentner ertrogen? Prof. Dr. Hoffmeister teilte mit, er habe im Auf- trage eines früheren Ackerbauministers Erhebungen veranstaltet, die eine solche Schädigung der GebirgSbauern durch die Getreidezölle beut- lich erwiesen. Freilich sei es gelungen, die Veröffentlichung seiner Feststellungen bisher zu verhindern. Bei der Abfahrt mußten Hohen- blum und sein Anhang nochmals stürmische.Vertrauenskundgebungen" ihrer bäuerlichen Schützlinge über sich ergehen lasten. Der Wurm sitzt also im Innern des agrarischen Gebäudes. Da auch die Protestbewegung der städtischen Arbeiterschaft immer schärfer wird und selbst die geduldigen Schäfchen der christlichsozialen Partei der Städte gegen die endlose Begünsttgung der Großgrundbesitzer auf Konsumentenkosten aufzumucken beginnen, so scheint es. als sollten auch in Oesterreich die agrarischen Bäume doch nicht in den Himmel wachsen. Nahe genug sind sie freilich schon.— fratihreicb. Ein Wahlmanöver. Paris , 22. April. Aus Angers wird gemeldet: T«r gemäßigt republikanische Kammerkandidat Monbrofit erzählte in einer Wählerversammlung, daß ihm unter dem Ministerium CombeS ein Abgesandter der Regierung die Ehrenlegion versprach, wenn er 80 000 Frank für regierungsfreundliche Zeitungen hergebe. Da Monbrofit durch diese Enthüllung äugen- scheinlich die radikale Partei bloßstellen wollte» hat sein radikaler Gegner Barot an den Großkanzler der Ehrenlegion die Anzeige wegen Bestechung und OrdknSschacherS gerichtet, um die Angelegenheit aufzuklären. Etiglatick. Sturmszenen. London , 21. April. Unterhaus. Eine Szene wildester Aufregung ereignete sich heute während einer Debatte über das Verhalten Sir Robert Andersons, des früheren Chefs der Geheimpolizei, dessen kürzlich im„London Magazine" erschienene Artikel über das Thema„ParnelliLmus und Verbrechen" Aufsehen erregten. Der Unionist Campbell machte im Verlauf seiner Rede eine Bemerkung, die dahin gedeutet wurde, als sei es trotz der Entscheidung der Parnell-Kommission noch eine offene Frage, ob P-rnell mit den berüchtigten Phönixpark. Mördern in Verbindung gestanden habe. Die Nationalisten und Ministe- riellen forderten augenblicklich die Zurücknahme dieser Ver- dächtigung. Campbell erklärte sich zu einer bedingten Zurücknahme bereit. wasgesteigerteUnruhe hervorrief. Der leitende Chairman, dessen Intervention angerufen wurde, er- klärte, Campbell habe nichts gesagt, das zurückzunehmen er ge» zwungen werden könnte, aber nach seiner Meinung sei er aller- dingS unnötig aggressiv gewesen. Mit Rücksicht auf ihre in diesem Punkt empfindlichen Gefühle lehnten die Nationalisten es ab, sich mit weniger als einem vollständigen Widerruf zufrieden zu geben und verlangten, man solle nach dem Sprecher schicken. Hierauf erklärte sich Campbell bereit, den Befund der Parnell-Kommission zu akzeptieren, aber die Nationalisten wollten diese Erklärung nicht annehmen und der Lärm dauerte fort. Von dem. was Campbell weiter sprach, war kein Wort zu verstehen. Der Lärm dauerte auch an, als der Chairman, der sich getveigert hatte, nach dem Sprecher zu schicken, das Haus ersuchte, Campbell zu Worte kommen zu lassen. Die Nationalisten verlangten, der Chairman solle Campbell hinausweisen lasten, der Chairman erklärte aber, ein Hinweis auf den toten Parnell sei für kein anwesendes Mit- glied des Unterhauses eine Beleidigung. Die Nationalisten wider- sprachen und Redmond rief leidenschaftlich:„Wir halten c» für eine Beleidigung!"(Beifall bei den Nationalisten.) Hierauf wurde ein Antrag Churchills, die Debatte zu schließen und der Szene ein Ende zu machen, angenommen und die Sitzung vertagt. RiilUanä. Schulausgaben. Petersburg, 22. April. Die R e i ch s d u m a hat heute ohne Debatte die Vorlage angenommen, welche 10 Millionen für daS Elemeutarfchulwefen bewilligt, außer den für diesen Zweck im Etat dcS Ministeriums für BolkSaufklärung eingestellten 4 Rilllvmti« ngchdcw der Referent dgrggf hingewiesen hatte, dsb im Jahre 1920 der Plan der allgemeinen Volksbil- dung Verwirklichung finden werde. Hierauf vertagte, sich das Haus bis zum S. Mai. Cürhei. Der Aufstand in Albanien . Konstantinopel , 19. April. (Eig. Ber.) Der Aufstand in Albanien trägt lokalen Charakter. Die Grundursache, warum das albanische Volk so leicht auflodert, ist seine Armut. Die Regierung hat dem Volke neue Steuern auferlegt— zum Beispiel für die Bc- Nutzung der Wege und der Märkte—, weil solche Steuern auch in Europa existieren. Aber in Europa gibt es wirklich Wege und wohlgeordnete Städte, von denen in Albanien keine Spur zu sehen ist. Wenn die Regierung, anstatt Tausend e von Soldaten nach Albanien zu schicken und ungeheure Geldsummen dafür auszugeben. diese Mittel für Organisierung öffentlicher Arbeiten ver- tuende t hätte, so unterliegt es keinem Zweifel, daß die Albaner, die dann bei sich zu Hause Arbeit hätten, vollständig ruhig und friedlich wären. Tausende von Albanern legen viele Hunderte von Kilo- meiern zu Fuß zurück, um in Griechenland Arbeit zu suchen. Und sie arbeiteten dort meist für 1 Krone 20 Heller Taglohn. Die türkische Regierung hat seit der Einführung der Konstitution für die Besserung der Lage der Bevölkerung weder in Albanien noch in einem anderen Orte etwas getan. Sie ist nur damit beschäftigt, die„Autorität der Regierungsgewalt" zu b: festigen. Dagegen kann man bei türkischen Verhältnissen gewiß nichts haben. Aber leider handelt es sich darum, daß die Regierung die„Autorität der Ge- lvalt" als Selbstzweck betrachtet und nicht als etwas, das im Jnter- effe deS Volkes notwendig wäre. Die Regierung hat beschlosten, in bezug auf die Albaner schonungslos zu sein, Weil sie geneigt ist, in der gegenwärtigen Bc- wegung nur nationalistische Tendenzen zu sehen. Jn der Tat aber hegen die Albaner keine separatistischen Bestrebungen und die neue Regierung hat sich leider die Verdochtsriecherei der Regierung des alten Regiments angeeignet und auch ihre Manier, überall„Ränke gegen die bestehende Ordnung" zu sehen. Es wird auch vermutet, daß in der albanischen Bewegung„fremde Einflüsse" eine große Rolle spielen: man spricht sogar von„Intrigen Oester- reichs". Andererseits werden Gerüchte verbreitet, als ob die AI- baner, verhätschelt von Hamid, sich nicht mit dem neuen Regime versöhnen könnten. DaS ist Unsinnl ES waren nur sehr wenige Leute in dem Falle, von Hamid verhätschelt zu werden, und sie haben auf die Bevölkerung keinen Einfluß. Alle diese Erzählungen werden nur mit der Absicht verbreitet, um den wahren.Charakter der Bewegung und die Absichten der Regierung zu verdunkeln. Diese ist beunruhigt über die Tatsache, daß die Albaner bewaffnet sind, und sucht Vorwände, um sie entwaffnen zu können. Aber dieser Wunsch der Regierung ist lveder gerecht noch zweckmäßig. Die Albaner haben sich im Laufe ihrer ganzen Geschichte nie von ihren Waffen getrennt. Außerdem sind alle ihre Nachbarnationen bewaffnet und die Entwaffnung irgendeiner dieser Nationalitäten hätte ihren Untergang bedeutet. Hirnriha. Der Sieg in Milwaukee. New Aork, 11. April. (Eig. Ber.) Der Sieg unserer Genosten bei den am 8. d.M. in Milwauleq, Wis.. abgehaltenen städtischen Wahlen ist über Erwarten glänzend. Sie brachten ihre 5iandidaten für die wichtigsten Aemter der Stadtverwaltung durch, errangen die Mehrheit im Common Council(Stadtrat) und besetzten die drei vakant werdenden Richterstellen mit den sozialistischen Be- Werbern. Die Genoffen Emil Seidel. Karl P. Dietz und Charles Wh ithall treten als Mayor (Oberbürgermeister), als Comptroller(Chef des Finanzwesens) und als Schatzmeister an die Spitze der städtischen Verwaltung. Wie bei fast allen amerikanischen Wahlen entschied auch gestern in Milwaukee die relative Mehrheit. Eine absolute Mehrheit ist nicht erforderlich. Das vermindert die Bedeutung des gestrigen Erfolges nicht. Während des Jahrzehnts von 1898 bis 1908 stieg die sozialistische Stimmenzahl für den Maporskandidaten von 2414 auf 20 887. Von Wahl zu Wahl war eine Zunahme zu verzeichnen. Bei einem gleichen Wachstum war heuer aus einen Sieg unserer Genossen zu rechnen. Aber daß Genosse Seidel 27 622 Stimmen erhalten und damit den Demokraten V. I. Schoenecker, der 20 813 Stimmen ephielt, um über 7000 und den Republikaner Dr. John M. Beffel mit dessen 11262 Stimmen gar um über 16 000 Stimmen überflügeln und bis auf einige tausend Stimmen der absoluten Mehrheit nahekommen würde, überraschte selbst unsere Genossen und wirkt im ganzen bürgerlichen Lager niederschmetternd Bon den 23 Stadtratssitzen fielen den Sozialisten 14 zu, so daß sie jetzt die Majorität im Stadtparlament Milwaukees haben. Selbst die Koalition der Demokraten und Republikaner in ver» schiedenen Bezirken vermache den Sieg der Sozialisten nicht aufzu- halten. Sämtliche sieben neuerwählten Aldermen at large gehören der sozialistischen Partei an.(Während die Aldermen in Bezirks» Wahlen erkoren werden, erfolgt die Wahl der Aldermen at large durch die Stimmberechtigten der ganzen Stadt.) Einer der Alder. men at large ist der den Berliner Genossen bekannte Gen. Victor Berg er. Auch der Board of Supervisors(Aufsichtsbehörde)! ist jetzt in seiner Mehrheit sozialistisch; 11 seiner Mitglieder sind Sozialisten 3 Republikaner und 2 Demokraten. Ter neuerwählte Stadtanwalt ist ebenfalls cm Sozialist, und bei der Reorganisation der Polizei, der Sanitätsbehörden, Kommissäre für öffentliche Ar- beiten und so weiter werden die bisherigen AemterinHaber der höheren Stellen fähigeren und ehrlicheren Anwärtern weichen müssen. Erzielt wurde dieser großartige Erfolg durch eine geschickte Preßkampagne unserer beiden Milwaukecr Wochenblätter(ein deutsches und ein englisches), durch eine zielbewußte uyd groß- zügige Wahlagitation, die um so wirkungsvoller sich gestaltete, als sie auf die auch von den ehrlichen� Gegnern anerkannte Tätigkeit der bisherigen sozialistischen Minderheit im Stadtrat verweisen konnte. Die sozialistischen Stadträte hatten sich als unbestechliche Sachwalter der arbeitenden Bevölkerung und entschiedene Gegner jeder Korruption und Verschwendung, als wackere Förderer aller sozialen Fortschritte und echter Kulturbestrebungen, im besonderen des Volksschulwesens, betätigt. An der ehernen Macht dieser Tat- fache prallten die Verleumdungen der Gegner ab, die sich nicht entblödeten, sogar gegen die Frau des künftigen MayorS ihre ver- gifteten Pfeile abzuschnellen. Gegenüber dem AnschauungS- Unterricht der Erfahrung versagten indessen selbst die Agitations- Methoden der Geschorenen und Gescheitelten, die woebenlang allsonntäglich von den Kanzeln gegen die„roten Teufel' wetterten. Jn ihrer großen Mehrzahl sind die Amerikaner Erfolgs- anbeter. Darum darf man erwarten, daß der Ausfall der gestrigen Wahl in Milwaukee, einer Stadt von 889000 Einwohnern, auch in anderen Teilen der Vereinigten Staaten eine günstige Wirkung ausübt. Genosse Seidel, der ncucrwählte Oberbürgermeister, sieht im 48. Lebensjahre. In Pennshlvanien geboren, kam er im Alter von 13 Jahren bei einem Holzbildhauer in die. Lehre. Anfang? der achtziger Jahre arbeitete er in Berlin . Jn der deutschen Reichshauptstadt wurde er Sozialdemokrat. Gegenwärtig ist et in Milwaukee als Modellschreiner tätig. Dem Stadtrat gehört er schon seit einer Reihe von Jahren an. Seiner Tätigkeit zollte der Republikaner S. M. Becker, der in der Periode 1000 bis 1908 Oberbürgermeister von Milwaukee war, nach dem Bekannt» werden des Wahlresultats gestern hohes Lob. Er sagte:„Seidel war schon während meiner Amtszeit als Mcchor Mitglied dcS Stadt» ratS. Er entwickelte eine segensreiche Tätigkeit. Unter seiner Verwaltung gibt es keine Durchstechereien.''
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