diesen Dank verdienen sHeiterkeit), und verweise Herrn Liedknecht auf das Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichts voni 27. März 1806. Auch sind zahlreiche Erkenntnisse während des Schulstreils ergangen. die meine Auffassung bestätigen. Abg. Dr. Liebknecht sSoz.f i Diese Auskunst trifft nicht den Punkt, um den es fich handelt, nämlich die Frage, ob die Schulaufsicktsbehörde überhaupt befugt ist. außerhalb der Grenzen des schulpflichtigen Alters Maßnahmen der fraglichen Art zu ergreifen. In dem Urteil des Landgerichts heißt es:„Die Kabinettsorder von 1334 spricht lediglich von dem Unterricht und der Erziehung der Jugend. Weder sie noch die Ministerialinstruktion von 1839 geben für den Begriff der Jugend eine bestimmte Altersgrenze an. Offenbar haben diese beiden Gesetze, wie aus Z 1 der Ministerial inftruktion, die ausdrücklich von schulpflichtiger Jugend spricht, entnonmien werden kann, lediglich den Privatunterricht der schulpflichtigen Jugend, die als Ersatz des öffentlichen Schulunterrichts dienen soll, regeln wollen. sHört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Der Begriff„jugendlich" deckt sich jedenfalls nicht ohne weiteres mit„minderjährig". Es gehen also die An ordnungen der Schulaufsichtsbehörde, in denen sie die Erteilung von Turnunterricht an jugendliche Personen im allgemeinen von einer Konzession abhängig macht, über den Rahmen ihrer Besngnisie hinaus." (Hört I hört I bei den Soz.) Hier ist in einwandfreier Deduktioiv deren Schlüssigkeit fich noch verschärft, wenn man die einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung über den entgeltlichen Turn Unterricht heranzieht, dargeton, daß der Standpunkt des Kultur Ministeriums sich nicht verteidige» läßt. Auf eine Shnliibe Entscheidung des Reichsgerichts habe ich schon hingewiesen. Das Kultus Ministerium sollte also zum mindesten zugeben, daß die Rechtslage unsicher ist. Wenn es trotzdem behauptet, daß seine Reckitsauffassung allein in Frage komme, so beweist das, mit wir wenig Sorgfalt es bemüht ist, sich in den Grenzen des Gesetzes zu halten.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Minister V.Trott zu Solz: Gegen das von Herrn Liebknecht angeführte Urteil ist Revision eingelegt. Ich versage es mir deshalb, auf die Ausführungen dieses Bekenntnisses näher einzugehen. Das bisherige Borgehen des Kultuöniinisteriums wird, wie gesagt, durch ein Erkenntnis des OberverwaltungSgerichtS gestützt. welches ausführt, daß es tn der Befugnis der Schulaussicht liegt, die Erteilung des Turmmterrichtö zu verbieten, wenn nach ihrem Pflicht mäßigen Ermessen den Klägern entweder die technische Vorbildung fehlt, oder wenn sie als Anhänger der Sozialdemokratie bestrebt sein würden, staatsfeindliche Anschauungen den Schülern beizubringen. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Aus dieser Anführung des Herrn Ministers geht nun wohl klar Senug hervor, wie wenig diese, vom Herrn Minister angeführte Ent- heidung mit der allein hier in Betracht kommenden Rechtsfrage zu tun hat. Bezeichnend ist, daß der Herr Minister der von mir an- geführten Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1908 auch jetzt wieder aus dem Wege gegangen ist.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Abg. Hoff(Fortichr. Vp.) stellt fest, daß der Minister auf seine Anfrage nicht geantwortet habe. Er nehme also an, daß er die Be« schwerde für gerechtfertigt hält. Abg. Schopp(Fortschr. Bp.) fordert, daß mehr seminaristisch ge- bildete Lehrer Kreisschulinspektoren werden. Abg. Riehl-Fulda<Z.� betont, daß seine Freunde die 13 neuen Hauptamtlichen Rreisschulinspektionsstellen ablehnen würden. Ein Regierungökommissar weist darauf hin, daß in der Kom- Mission die Notwendigkeit dieser neuen Stellen nachgewiesen sei. Ein Antrag des Zentrums auf Streichung der neuen Stellen in Fulda und Kassel wird abgelehnt, die neu geforderten hauptamtlichen Kreisschulinspektionen bewilligt. Abg. Reinbacher(Fortschr. Vp.) kritifiert, daß die Regierung den Gemeinden um Berlin bei der Gewährung hoher Ortszulagen in die Zügel gefallen sei. Minister v. Trott zu Solz: Wir treffen unsere Entscheidung «ach bestem Wissen und Ermessen entsprechend dem Gesetze. Abg. Ziethen(frk.) befürwortet Unterstützung der finanziell schlechtgestelllen Berliner Bvrortgemeinden des Ostens. Abg. Marx(Z.) wünscht mehr katholische Lehrer an den Schulen. Vv die Zahl der katholischen Kinder es erfordere. Minister v. Trott zu Solz sagt Erfüllung dieses Wunsches zu. ES fei dies schon jetzt vielfach geschehen, sogar gegen den Willen der Gemeinden.(Beifall im Zentrum.) Abg. Gras Moltke(stk.) warnt das Zentrum davor, auS einzelnen Vorkommnissen zuungunsten der Katholiken allgemeine Schlüsse zu ziehen. Die AbsonderungSbestrcbungen der Katholiken wären für den konfessionellen Frieden weit gefährlicher als einzelne Vorkommnisse zum Nachteil der Katholiken.(Zu- stunmung.) Nach kurzer weiterer Erörterung vertagt daS HauS die Weiter- beratung auf Sonnabend 11 Uhr. Schluß 48/» Uhr. parlamcntanfcheöo Die Budgetkommission erledigte am Freitag die ihr vom Plenum überwiesene Gesetzes- vorläge, den AufstanvsauZgaben für Südwestnfrika betreffend. Die Erzbergerschen Anträge, die eine etwas eingehendere Prüfung der Ausgaben und Mitteilung der Ergebnisse an den Bundesrat und Reichstag zum Zwecke haben, wurden angenommen. Gegen den weiteren Erzbergerschen Antrag, zur Tilgung der Kriegskosten in Südwestafrika eine außerordentliche Vermögens- st e u e r einzuführen, die von allen in Südwestafrika ansässigen Einzelpersonen und Gesellschaften, deren Vermögen 300 000 M. übersteigt, im Gesamtbeträge von 81 Millionen Mark in 4 Jahresraten erhoben werden solle, wurde von nationalliberaler und freisinniger Seite der Kompetenzeinwand erhoben, weil dieser Gesetzentwurf keine erste Lesung im Plenum passiert habe. Der vorliegende Gesetzentwurf befasse sich mit der Kontrolle und der Deckung der gemachten Ausgaben, während der Antrag Erzberger ein neues Steucrgesetz schaffen wolle. Staatssekretär D e rn b u r g macht staatsrechtliche Bedenken geltend und behauptet, daß die Regierung von dem hochwichtigen Plan erst am Dienstag Kenntnis erhalten habe, die Regierung also nicht einmal Zeit ge- habt habe, zu der Frage Stellung zu nehmen. Er achte und respek- tiere die Rechte des Parlaments, aber das Parlament vergebe sich selber etwas, wenn es die Rechte des anderen Faktors nicht ge- nügend respektiere. Der Reichstag schreibe hier Steuern aus, die nach dem Schutzgebietsgesetz Sache des Kaisers seien. Erz- b e r g e r verwahrt sich erregt gegen den Vorwurf des Staatssekre- tärs, daß er den Kaiser ausschalten wolle. Es handle sich nicht um das Schutzgebietsgesetz, sondern um das Schutzgebiets e t a t s gesetz, das stets so gehandhabt worden sei. Um die Auslegung der Ge- schäftsordnung habe Dernburg sich als Bundesratsvertreter nicht zu kümmern. Nach längerer Debatte wurde gegen die Stimmen der National- liberalen und Freisinnigen die Z u l ä s s i g k e i t der Erzberger- schen Anträge auf Schaffung einer Vermögenssteuer und Ueber- Mahme der Bergrechtshoheit durch den Fiskus beschlossen. Erzberger wendet sich in der Begründung seiner Anträge nochmals scharf gegen den Staatssekretär. In einem als offiziös bezeichneten Artikel sei ihm sogar unterstellt worden, daß er seine Anträge nur eingebracht habe, um eine bestimmte Person, die finanziell bei der Kolonialgesellschaft hoch beteiligt sei, zu treffen. Gegen eine solche Unterstellung protestiere er, auch da- gegen, daß er den Staatssekretär stürzen wolle. In Ostafrika , auch in Neu-Guinea , seien die Rechte der Kolonialgesellschaftcn abgelöst und klare Verhältnisse geschaffen worden, das müßte auch in Südwestafrika geschehen. Deutschland habe doch nicht die großen Opfer gebracht im Interesse von etwa 200 Anteileigner der Kolo- «ialgesellschaft, sondern im Interesse der Kolonie seihst.- Von den Freisinnigen liegt eine Resolution vor, wonach die im Interesse der Kolonien gemachten Ausgaben festgestellt und die Verzinsung und Amortisation vorgesehen werden soll.— Staatssekretär Dernburg spricht gegen die Belastung, denn die Personen, die davon betroffen würden, wären zum größten Teil erst nach dem Kriege ins Land gekommen, hätten also mit dem Kriege gar nichts zu tun gehabt. Die nachträgliche Heran- ziehung der Pflanzer und sonstiger Besitzer würde von der Ein- Wanderung abschrecken, denn niemand wisse, ob nicht ein Krieg ausbreche, zu deren Unkosten die Leute dann herangezogen würden. Man könne doch nicht überall Tafeln anbringen mit der Inschrift: „Wir warnen Auswanderer". Der Staatssekretär versucht dann nachzuweisen, daß die Kolonialgesellschaft gar keine Hoheitsrechte mehr hätte, sondern nur an den Diamanteneinnahmen mit zwei Prozent beteiligt sei. Die Ausführungen des StaatssetlretärS füllten die ganze Sitzung aus. Nächste Sitzung Montag,_ Kaligesctzkommission. In der Freitagssitzung setzte die Kommission die Beratung des Z 2l fort. Müller- Fulda weist darauf hin, daß bei der Preis- festsetzung auf die Arbeiterverhältnisse Rücksicht genommen werden müsse. Es dürfe nicht nur das Interesse der Kapitalisten maß- gebend sein. Die Zustimmung des Zentrums zu dem Gesetze hänge von der Lösung dieser Frage ab. Haußmann spricht sich gegen jede Preisherabsetzung, Genosse H u e gegen die unverhältnismaßige Herabsetzung der Preise für Rohsalze aus. Die Herabsetzung treffe besonders die kleinen Werke, während die großen Werk, die eine Verarbeitung der Salze vornehmen, besonders begünstigt werden. Es könne nur eine glecchmäßige Preisverteilung für uns in Frage kommen, wie sie der Antrag Gothein vorsieht. Gothein wendet sich gegen die Ausführungen, die von Zentrumsseite gemacht wurden. Von einem Regierungsvertreter wird der von Kölle von Damm eingebrachte Abändcrungsantrag verteidigt. Abg. Heim gibt zu, daß ein großer Teil der Industrie mit den vor- gesehenen Preisen auskomme, ein anderer Teil dagegen könne dabei nicht bestehen. F e g t e r erörtert eingehend die große Bedeutung billiger Kalipreise für die Landwirtschaft. Vom Abg. Schiffer werden mit Rücksicht auf das Ausland Bedenken gegen eine gesetz- liche Festlegung der Preise geäußert; eine Preisfestsetzung durch geheime Beschlüsse der Budgetkommission unier Zustimmung des Bundesrats wäre vielleicht besser. Gegen diesen Vorschlag wendet sich der Abg. Gothein. Schließlich wird oer§ 21 mit einigen Abänderungen in der Regierungsfassung angenommen. Die Preise sollen nach dem Kommissionsvorschlage bis zum 31. Dezember 1913 gelten. Eine Erhöhung der Preise be- darf der Z u st i m m u n g des Reichstages. In der Ge- samtabstimmung stimmten Zentrum, Polen , Konservative und Nationalliberale für die Annahme. Der§ 21», der bei Annahme größerer Mengen besondere Preisvergünsligungen vorsieht, wird einstimmig angenommen. Zum Z 21d beantragt Kölle, daß die Rabattgewährung dem Auslande nicht zugute kommen solle. Staatssekretär S y d o w wendet sich dagegen, daraufhin zieht Kölle seinen Antrag zurück. In der Abstimmung wird der§ 21b mit ocm Abänderunasan trage Gothein angenommen. Der Paragraph bestimmt, daß die Preise für Lieferung von Kalisalzen nach dem Auslande nicht niedriger sein dürfen, als die für gleiche Absatzmengen sich ergebenden höchsten Inlandspreise, jedoch sind Ausnahmen mit Genehmigung des Bundesrats zulässig. Z 21c: wird unverändert angenommen. Zu 8 216, der die Einrichtung einer Verteilungsstelle festsetzt, beantragt Gothein, daß Beamte eines Bundesstaates, der am Kalibau interessiert ist, nicht Mit- glieder der Verteilungsstelle sein dürfen. Genosse E m m e l wendet sich entschieden dagegen, daß nach dem Antrage Gothein die Sach- verständigen der Bundesstaaten ausgeschlossen sein sollen, während die Sachverständigen der Kaliwerksbesitzer als Mitglieder der Ver- teilungsstelle zugelassen werden. Schließlich wird nach Ablehnung des Antrages Gothein der Paragraph unverändert angenommen. Nächste Sitzung Sonnabend 9 Uhr. Nach Schluß der Sitzung hat das.Zentrum einen Antrag verteilen lassen, der sich auf eine Gewinnbeteiligung der Arbeiter bezieht. Der neue Paragraph soll lauten:„Von dem bei Jahres- schluß sich ergebenden Reingewinn deS Kaliwerkes wird erstens zu- nächst auf das eingezahlte Kapital eine ordentliche Dividende von 5 Proz. gerechnet. Zweitens soll der verbleibend« Rest zu einem Drittel an die während des Geschäftsjahres be- schäftigten Arbeiter im Verhältnis ihrer JahreSlohn- summe gezahlt werden._ Die Arbeitskammerkommission deS Reichstags hat in ihrer Freitagssitzung die erste Lesung der Vorlage beendet. In der Erörterung über die Frage, ob Vertreter der Arbeits- kammern zu gemeinschaftlichen Tagungen zusammentreten dürfen. stellten sich die Redner sämtlicher Parteien im Gegensatz zu der Auffalffmg der Rcgierungsvertreter auf den Standpunkt, daß ein derark.�es Jnverbindungtreten gestattet sein müsse. Eine vom Vorsitzenden Legten formulierte Erklärung, die dieser Meinung Ausdruck gibt, fand einstimmige Annahme. Eine längere Debatte knüpfte sich an die Frage, welche Art der Ab- stimmung bei der Beschlußfassung über die Erstattung von Gut- achten oder Stellung von Anträgen einzuführen sei. Da nach den Bestimmungen des§ 38 der Vorlage auch die Minderheit daS Recht haben soll, ihre Meinung und deren Begründung schriftlich niederzulegen, vertraten mehrere Redner die Ausfassung, daß bei Aufrechterhaltung dieser Vorschrift sich die geheime Abstimmung nicht gut durchführen lasse. Eine Regelung hat sich die Kommission bis zur zweiten Lesung vorbehalten. Ein sozialdemotra- tischer Antrag, die Genehmigung für die Arbeitskammern zu treffende Geschäftsordnung nicht von der Aufsichtsbehörde abhängig zu machen, wurde abgelehnt, ebenso ein weiterer sozialdemo- kratischer Antrag, die den Aufsichtsbehörden durch die Vorlage ein- geräumte AuflösungSbefugnis zu streichen. Hinter den§ 42 würben die Bestimmungen deS Zentrumsantrages der Vorlage eingefügt, die die Angliederung der Ange- st e l l t e n a b t e i l u n g an die Arbeitskammer behandeln. Danach ist, falls ein Bedürfnis hierzu borliegt, der Arbeitskammer eine besondere Abteilung für Angestellte anjugliedern. Als Angestellte gelten die in den beteiligten Betrieben tieschästigten Betriebs- beamten. Werkmeister und Techniker. Die Hand- lungSgehilfen wurden auch diesmal wieder mit einer schönen Resolution vertröstet. Der sozialdemokratische Antrag, die Betriebe der HeereS- und Mari ne ver- w a l t u n g in das Gesetz einzubeziehen, wurde gegen die Stimmen der Antragsteller, der Polen und der Wgg. Naumann und Schirmer abgelehnt. Die zweite Lesung in der Kommission, die erhebliche Aende- rungen der Vorlage nicht mehr erwarten läßt, soll noch im Laufe der nächsten Woche stattfinden. Kommission für die ZuwachSsteuer. In der DonnerStagssitzuna wurde 8 6 nach der Vorlage an- genommen. Zu 8 7 lag folgender Antrag Kramer vor:„Beruht der Erwerb des Eigentums oder eines Rechtes auf einem steuer- freien Rechtsvorgange, so ist für die Bemessung deS Wertzuwachses von dem Werte zur Zeit des Erwerbs auszugehen." lieber den Antrag entspann sich eine lange Debatte, bei der sich die Agrarier in ihrem Interesse für den Antrag erklärten; die Regierungs- Vertreter wandten sich gegen den Antrag; schließlich einigte man sich, die Abstimmung auf die nächste Sitzung zu vertagen. Zu§ 8 wurde folgender Antrag Cuno angenommen:„Soweit eine Wertermittelung behufs Berechnung des Veräußerungspreises statt- gefunden hat, ist der ermittelte Wert bei dem späteren Steuerfall für Berechnung des Erwerbspreises maßgebend." Bei den§§ 10 und 15, die zusammen beraten wurden, handelt es sich darum, wa» dem Erwerbspreis hinzuzurechnen ist und was von dem Ver- äußerungSpreise in Abzug zu bringen ist. Kommt schon die Rc- gierungSvorlage den Agrariern im weitesten Maße entgegen, so verlangt ein Antrag Westarp, von dem Veraußerungspreise noch in Abzug zu bringen die Werterhöhungen von land- wirtschaftlichen, gärtnerischen uns torstwirt-. a f t l i ch e n Grundstücketk, die Aufwendungen für äuten. Umbauten, einschließlich der eigenen Arbeit und Aufwendung. Nach langer Begründung des Antrages wurde von den Gegnern betont, daß sie bei Annahme dieses Antrages dem Gesetz nicht zustimmen könnten. Der Re- gierungsvertreter erklärte, daß der Antrag eine geradezu unge- heure Belastung der großen Städte bedeute, demgegenüber ein« Steuerbefreiung des platten Landes verlange; praktisch sei des Antrag undurchführbar. Die weitere Debatte wurde auf die Sonnabendsitzung vertagt. Die Kommission zur Entlastung des Reichsgerichts lehnte in ihrer Abendsitzung vom Donnerstag den Artikel 8 ab, wonach in der Berufungsinstanz die Gebührensätze um ein Viertel, in der Revisionsinstanz um das Doppelte erhöht werden sollten. In Konsequenz des Beschlusses wurde auch der Artikel 9, der eine entsprechende Erhöhung der Anwaltsgebühren vorsieht, abgelehnt. Die Regierung hatte die Erhöhung der Kosten als einen notwendigen Damm zur Einschränkung der Pro- z e ß l u st bezeichnet.— Den jetzigen Bestimmungen über die Zu- lässigkeit der Revision wurde hinzugefügt, daß Revisionen nicht aus dem Grunde eingelegt werden können, weil die Zeugen oder Sachverständigen zu Unrecht vereidigt oder die Vereidigung zu Unrecht unterblieben sei. Die im Entwurf vorgesehene Bestimmung, wo- nach eine Revision auch ohne mündliche Verhandlung zurückge- wiesen werden kann, wenn sie das Gericht einstimmig für unbe- gründet erachtet, wurde gleichfalls abgelehnt. Die Verhandlung der Freitagssitzung war der Erörterung deS sog. Difformitätsprinzips gewidmet, wonach die Revision nur zu- lässig sein soll, wenn die Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts nicht übereinstimmen. Der Abg. Junck stellte dazu einen Vermittelungsantrag: „In Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche wird die Zulässigkeit der Revision durch einen den Betrag von 5000 M. übersteigenden Wert deS Beschwerdegegenstandes be- dingt. Es genügt jedoch ein Wert des BeschwerdegegenstandeS von mehr als 2500 M., sofern der Revisionskläger durch eine index Berufungsinstanz erfolgte Abänderung einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung deS Landgerichts in dieser Höhe beschwert ist." Außerdem will Junck die Revision zulassen, wenn das Oberlandesgericht nach eigenem Ermessen die Zulässigkeit der Revision ausspricht. Die sozialdemokratischen Vertreter bekämpften diese Vorschläge und befürworteten die Vermehrung der Senate beim Reichsgericht. Abg. Junck beantragte, wenigstens für einige Jahre Hilfsrichter zum Reichsgericht einzuberufen. Die Beschlußfassung wurde ausgesetzt, um den Mitgliedern Gelegenheit zur Rücksprache mit ihren Fraktionen zu geben. Nächste Sitzung Sonnabend. Die Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses verhandelte am Donnerstagabend den Etat des Herren» Hauses und Abgeordnetenhauses. Ueber die Frei- f a h r t k a r t e n gab der Vertreter der Regierung die Erklärung ab. daß die Regierung auf Grund des Beschlusses des Abgeordneten- Hauses vom 10. Mai v. I. die Frage erneut beraten werde, je- doch sei es noch zu keiner Entscheidung gekommen. ES bestehe die Hoffnung, daß die Angelegenheit in allernächster Zeit gesetzlich geregelt werde. DaS Opernhaus soll einem umfangreichen Umbau unter- zogen werden. Die Kosten sind auf 907 000 M. veranschlagt. Die Forderung wurde bewilligt unter der Voraussetzung, daß mit dem Umbau Zustände geschaffen werden, die weitere Bewilligungen für das alte Opernhaus nicht nötig machen und eine ruhige und sachgemäße Vorbereitung eines Neubaues gewährleisten. Darauf wurde der Etat der allgemeinen Finanz» Verwaltung beraten. Der Finanzminister machte Mitteilung über die Konferenz der Finanzminister. Danach ist nach Rück- spräche mit den großen Parteien des Reichstages eine Einigung insofern erzielt worden, daß die Matrikularbeiträge bis zum Jahre 1914 nicht mehr als 80 Pf. pro Kopf betragen sollen. Auf die Ueberweisung der Branntweinsteuer soll ver- z i ch t e t werden, wenn daS Minus der Reichskasse zur Last fällt. ReichStagSdrucksache«. Zm Reichstage ist eingegangen: Entwurf eines Gesetzetz über Errichtung emeS Kolonial- und KonsulargerichtShosetz. die Hiid der parte!* (Siehe auch L. Beilage.) Eine Jubiläumsnummer des spanischen Zentralorgantz„El Socialista" ist zu Beginn des 25. Jahres seines Erscheinens heraus- gegeben worden. Das trefflich ausgestattete Festblatt enthält ein Bild von Marx, eine Reihe Porträts des Genossen JglesiaS und anderer spanischer Vorkämpfer der Partei, die Wedergabe der ersten Nummer und zweier früher veröffentlichter Bilder(von t. G. Jentsch und W. Lehmann), die den heutigen Kampf und das iel des Sozialismus wirksam veranschaulichen. Der Text umfaßt eine Reihe geschichtlicher Darstellungen des Werdens der Partei und deS BlatteS, grundsätzliche Erörterungen und Zuschriften einer Reihe hervorragender Genossen Spaniens und des Auslands (darunter Bebel, KautSky , Gorki, Queich , Bissolati). Möge dem Blatte, daS ein würdige» Spiegelbild der Kämpfe und bisherigen Errungenschaften unserer spanischen Genossen bietet, der erhoffte agitatorische Erfolg und unserer spanischen Bruderpartei die recht baldige Verwirklichung ihres nächsten Zieles: des täglichen Er- scheinens ihres Zentralorgans, beschieden sein! Personalien. Zum dritten Arbeitersekretär in Frankfurl am Main ist Alwin K a i s e r vom Töpferverband gewählt worden. Soziales* WohlfahrtSeinrichtungen ohne Wohlfahrt. Fabrikwohnungen sind in 89 von 100 Fällen für die Arbeiter eine Belastung ihrer Freizügigkeit und ihres Koalitionsrechtes. Der Mietsvertrag einer bekannten Dachziegelfabrik in Freiwaldau bringt dafür ein eklatantes Beispiel. Der 8 5 dieses Mietsvertrages lautet in seinen wesentlichen Teilen folgendermaßen: „Der Mieter ist verpflichtet, der Vermieterin(der Firma) die erwachsenen arbeitsfähigen FamilienangehSrigen in Arbeit z» geben<!!). Quartier- und Logisgänger darf er nur so lange in seinen Mietsräumen unterbringen, als die betreffenden Personen in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma stehen." ES ist ein glatter Rückschritt in das Zeitaller der Hörigkeit, wenn sich der Arbeiter mit dem Einzug in die Fabrikwohnung auch gleichzeitig verpflichten muß, seine erwachsenen Angehörigen in die Fabrik zur Arbeit mitzunehmen. Noch schöner ist der§ 6. Er lautet: Das Betreten der Mietsräume durch die hiermit beauftragten Beamten der Vermieterin muß sich der Mieter jederzeit gefallen lassen und hat nicht daS Recht, diesen Personen den Zutritt, den Eintritt oder das Verweilen zu verweigern oder zu untersagen. Demnach ist es den„beauftragten" Herren gestattet, jederzeit' und so lange sie wollen sich in den Wohnungen der Arbeiter herum- zudrücken. Es fehlt nun nur noch eine Bestimmung, die für den Fabrikherrn das Recht der ersten Nacht für die Töchter der Arbeiter festlegt, und dann ist man wieder voll und ganz im Mittelalter. Daß der Fabrikbesitzer das Recht hat, den Arbeiter aus jedem und keinem Grunde auS der Wohnung sofort hinauszuwerfen, versteht sich ohne weiteres, dem Arbeiter ist dafür eine 14tägige KündigungS- frist vorgeschrieben.
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