WerkzntvachSfteuer.Die Stadtverordnetenversammlung in Bromberg nahm dieWertzuwachssteuer an. Gewinne bis zu fünf Prozent sollensteuerfrei bleiben._Schlechte Entlohnung von Angestellten.Daß eme unverhältnismäßig niedrige Entlohnung mannig-fache Rechtsnachteile nach sich ziehen kann, lehrte ein gestern vorder 2. Kammer des Berliner Kaufmannsgerichts verhandelterProzeß. Die Schuhfirma Tack u. Co. klagt gegen einen früherenFilialleiter G. auf Grund einer vereinbarten Konkurrenzklausel.Sie hat zwar selbst gekündigt, behauptet aber, wegen unordent-licher Geschäftsführung erheblichen Anlaß dazu gehabt zu haben.Der Beklagte soll nicht verhindert haben, daß in der Filiale Un-ordnung und Liederlichkeit einriß.— TaS KaufmannSgerichtsprach sich dahin aus. daß der Einwand der unordentlichen Füh-rung der Filiale nicht stichhaltig sei, und zwar aus folgendenGründen: Nach§ 75 des Handelsgesetzbuches kann ein Anspruchauf Grund eines Konkurrenzverbotes dann nicht geltend gemachtwerden, wenn die Kündigung seitens der Firma ohne erheblichenAnlaß erfolgte. Daß G. das Geschäft unzweckmäßig und'un-ordentlich führte, muß als erheblicher Anlaß ausscheiden. Dennes ist erwiesen, daß die Firma die Filialisten mit einem Personalarbeiten läßt, das eine gute Geschäftsführung nicht gewährleistenkann. Die Gehälter sind ungewöhnlich niedrig, selbst langjährigenAngestellten wird Zulage verweigert. Wenn unter solchen Um-ständen das Personal nicht mit Lust und Liebe arbeitet, so kannman die Schuld nicht dem Filialleiter aufbürden.Zur Rechtlosigkeit der Landarbeiter.Vor ewa einem halben Jahr verletzte ein Besitzer aus Paters.ort im Kreise Heilgenbeil einen jungen Landarbeiter durch einenauf ihn im Streit abgegebenen Schrotschuh derartig, daß der sonstgesunde Mann jetzt vollständig erblindet ist. Dieser strengte einenProzeß gegen den schießlustigen Besitzer auf Schadenersatz an. Inerster Instanz ist der Besitzer auch zur Schadenersatzleistung der-urteilt. Doch geht der Prozeß weiter. Aus Wut darüber, warfnun vor kurzem der Besitzer, bei dem der von ihm blind geschosseneMann mit seiner alten Mutter wohnte, diese aus der Wohnung aufdie Straße. Die Geschwister des Blinden wollten einstweilen aufihre Kosten für Mutter und Sohn im Dorfe ein« Wohnung mieten,es vermietete jedoch niemand den Leuten eine Wohnung. DerRaum, den die Gemeinde dem Blinden als Obdach anwies, warderartig ungenügend, daß es nicht einmal gelang, das Hausgerätdurch Tür oder Fenster hinein zu bringen. Jetzt liegen HauS. undWirtschaftsgeräte auf der Straße, während der blinve Landarbeiterund seine Mutter einstweilen bei armen Verwandten in Königs-berg Obdach gefunden haben.Am 2g. Januar erschoß der Gutsverwalter Mett auf dem GutBromberg im Kreise Goldap den Kämmer Schweda, weil diesermit noch einem anderen Gutsarbeiter in die Gutswohnung ein»gedrungen war um Rechenschaft wegen ihrer plötzlichen Entlassungzu fordern. Gegen den Gutsverwalter ist kein Strafverfahreneingeleitet, weil angenommen worden ist, daß der Verwalter sichden Arbeitern gegenüber in Notwehr befunden habe. Auch dasbeschlagnahmte Gewehr ist dem Mett wieder ausgehändigt. Dermitbeteiligte Arbeiter ist wegen Hausfriedensbruch zu 3 MonatenGefängnis verurteilt worden. Die Witwe des Erschossenen, dieselbst kränklich ist, steht mit 5 unerzogenen Kindern da. Ihr irgendwelche Unterstützung zu geben, hat die Gemeinde rundweg ab»gelehnt.Bei dem Gutsbesitzer Meher im Dorfe Waldau, Kreis Königs-berg stand seit 3Vi Jahren der Justmann R. im Dienst. Er mußteam 8. Februar d. I. ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und dieArbeit aussetzen. Am 24. Februar, als R. sich auf Verlangen desArztes gerade nach dem Krankenhause begeben wollte, erschien derBesitzer Meyer in der Wohnung des Kranken und kündigte ihmvon sofort den Dienst und die Wohnung. Natürlich war es derFrau, deren Wann jetzt arbeitsunfähig ist, nicht möglich einenneuen Dienst oder eine Wohnung zu bekommen. Der Besitzerklagte aber auf sofortige Exmission. Das Gericht verurteilte denMann, der im Krankenhaus auch jetzt noch einer Blinddarm-operation entgegensieht, zur sofortigen Räumung der Wohnung.Am 3. April erschien auch schon der Gerichtsvollzieher mit 3 Guts-leuten und setzte die Frau mit ihrer ganzen Habe auf die Dorf-strahe. Nackidcm die Frau vergeblich die Vermittlung des Amts-Vorstehers nachgesucht hatte, wandte sie sich an den Landrat, derveranlaßte, daß der Frau ein Obdach verschafft werden sollte. Nunließ der Besitzer die Sachen der Familie auf einen Wagen ladenund nach dem nächsten Ort Praßnicken fahren. Die dort zur Ver-fügung stehen sollende Wohnung war aber schon bewohnt und soklein, daß unmöglich für eine zweite Familie Platz zu schaffenging. Nun wurden die Sachen wieder vom Wagen auf die Straßegeworfen, wo sie vom Regen durchnäßt und beschädigt zum Teilnoch liegen.Damit war aber das Verbrechen, daß der Mann dadurch be-gangen hatte, krank zu werden, noch nicht gesühnt. Jetzt kam derGerichtsvollzieher, und pfändete das Schwein der Familie für dieKosten des Prozesse? und der Exmission im Betrag« von 30,45 M.Seit der Entlassung des erkrankten Mannes hatte dieser wederLohn noch Naturalien vom Besitzer erhalten. Er ist zwar Mitgliedder Gemeindckrankenkasse. Aber trotzdem der Mann schon llWochen krank und arbeitsunfähig ist. hat er oder seine Frau nochnicht einen Pfennig Krankengeld erhalten. Wiederholte mündlicheBeschwerden bei der Verwaltung der Krankenkasse, dem LandratS»amte, blieben ohne Erfolg. Immer wieder erhält die Frau denBescheid, daß da etwas nicht in Ordnung sei, es müsse noch da undda hingeschrieben oder diese und jene Auskunft abgewartet werden.TaS sind so einige, natürlich noch lange nicht die krassestenFälle, die täglich auf dem Lande passieren und die Rechtsverhält-nisse der Landarbeiter beleuchten. Nach wie vor zerbrechen sichaber sogenannte Freunde der Landwirtschaft und sonstige klugePatrioten die Köpfe darüber, wie man die Landflucht beseitigtund die Landarbeiter seßhaft macht.Die Auswanderung aus Rußlandnimmt dieses Frühjahr an der ostprcußischen Grenze ganz un-geheure Dimensionen an. Von Evdtkuhnen bringen die Personen-züge bis zu 4 vollgepfropfte Auswandererwagen mit zusammengegen 20V Personen täglich nach der Kontrollstation, die immerüberfüllt ist. Von da geht eS denn nach der Untersuchung weiterüber Thorn oder Königsberg nach dem Westen. Auch über Prost.ken. Schirwindt und anderen Grenzorten bringen fast alle Zügeganze Kolonnen russischer Auswanderer. Zu gleicher Zeit wirdauch jetzt wieder die Provinz mit russisch-polnischen Saison.arbeitern überschwemmt, die von Agenten für die Landwirtschaft.für Ziegeleien, Brennereien und Waldarbeit angeworben sind.Auch ganze Scharen ohne vorherige Anwerbung über die Grenzegekommener Arbeiter durchziehen die kleinen Städte und suchenArbeit. Von den durch die Aussperrung betroffenen Bauarbeiternwerden diese ausländischen Arbeiter-Kolonnen natürlich mit sehrgemischten Gefühlen betrachtet.Landwirte gegen Unfallverhütung.Der Vorstand der Posenschen Landwirtschaftlichen Berufs-genossenschaft hat an die der Genossenschaft angehörenden Betriebedie Aufforderung gerichtet, die NnfallverhiHnngSvorschriften mehrzu beachten. Insbesondere würden die gesetzlich vorgeschriebenenSchutzmaßregeln erst immer angebracht, nachdem ein Unglücksfallpassiert oder aus sonstigen Gründen eine Verwarnung erfolgt sei.Der Vorstand drohte zum Schluß schwere Strafen geg-m die N'-bt-befolgung an.Danach kann man ermessen, wie niedrig die ostmärkischenAgrarier die Gesundheit und daS Leben ihrer Arbeiter einschätzen.Gmckte- Zeitung.Witwe Herrmann gegen Gendarm Jude.In der Nacht vom 22. zum 23. September 1906 erschoßbekanntlich der Gendarm Jude den von einem Zahl-abend in Stolpe nach Hohen-Neuendorf heimkehrenden Ge-nassen Zimmermann Adolf Herrmann. Das Militär-gericht lehnte erst ab, gegen den Gendarm Jude Anklagezu erheben. Erst eines Beschlusses des Reichsmilitärgerichtsbedurfte es, um die Anklageerhebung herbeizuführen. Sieendete am 11. August 1908 mit— Freispruch. DerVertreter der Anklage legte Berufung nicht ein, der Witwewurde das Recht aus Einlegung der Berufung abgesprochen.In der Klage auf Schadenersatz, die die Witwedurch Rechtsanwalt Dr. Karl Liebknecht beimLandgericht gegen den Gendarm Jude sowie gegen denan dem Uebersall des ruhig seines Weges Ziehenden mitbe-teiligten Gendarm Tietz erhoben hatte, trennte dasGericht die Klage gegen Tietz und wies die gegen diesen er-hobene Klage ab, weil nicht nachzuweisen war, daß auch Tietzden Tod des Erschossenen verschuldet hatte.Jetzt hat nun die Zivilkammer des Landgerichts denSchadenersatzanspruch gegen den Gendarm Jude nach längererBeweisaufnahme für dem Grunde nach berechtigt erklärt.Sobald dies Urteil rechtskräftig geworden ist, wird über dieHöhe des Schadens geurteilt werden.Wird nunmehr der Gemeindevorsteher zu Hohen-Neuen-darf die Hülle von der aus dem Denkmal befindlichen In-schrift entfernen? Die Inschrift trägt bekanntlich die Worte:„Unserem unvergeßlichen Bezirksführer Adolf Herrmann,erschossen auf dem Heimwege vom Zahlabend in der Nacht zum23. September 1900 durch den Gendarmen Jude."Oder soll die Wahrheit weiter verhüllt bleiben?Da? preußische Preßgesetz und die Verteilung von Flugblättern.Der Bergarbeiter Steftan hatte im November vorigen Jahresauf einer Straße in Röhlinghausen Flugblätter verteilt, die sichgegen den Arbeitsnachweis der Bergwerksbesitzer richteten und dieUeberschrift hatten:„Bergarbeiter, aufgewacht!"— SchamloseAnmaßung will Euch völlig m Ketten schmieden!" Dadurchsollte St. den A 10 des preußischen Preßgesetzes übertreten haben,der in der durch das Reichspreßgesetz erhaltenen Fassung voneiner polizeilichen Erlaubnis abhängig macht die öffentliche, un-entgeltliche Verteilung von Bekanntmachungen, Plakaten und Auf-rufen. DaS Landgericht in Essen verurteilte den Angeklagten zueiner Geldstrafe, obwohl erwiesen war, daß St. vom Vertrauens-mann für das Verteilen 1 M. erhalten hatte, die Verteilung alsonicht unentgeltlich war. Das Landgericht deduzierte so: DerZ 10 des preußischen Preßgesetzes sei nicht nur verändert durchdaS Reichspreßgesetz, sondern auch durch die Gewerbeordnung.Durch die letztere ins.fern, als sie die gewerbsmäßige Verteilungregele. ES müsse danach angenommen werden, daß dem Z 10 despreußischen Gesetzes die Regelung jedes nicht gewerbsmäßigenVerteilen? überlassen bleiben und daß somit jedes nichtgewerbs-mäßige Verteilen der fraglichen Druckschriften nach Z 10 von einerpolizeilichen Genehmigung abhängig sein sollte, ganz gleichgültig,ob unentgeltlich oder entgeltlich. Der Ausdruck„unentgeltlich"solle hier nichts anderes bedeuten als.nichtgewerbsmäßig". Da St.nicht gewerbsmäßig gehandelt habe, so sei er zu bestrafen, denneine polizeiliche Genehmigung habe er nicht gehabt.Das Kammrrgerich« hob das Urteil aus und verwieg die Sachezu nochmaliger Verhandlung und Entscheidung an daS Landgerichtzurück. Die Begründung ging dahin: Die Auffassung des Landgerichts sei falsch. Allerdings komme bei Anwendung des Z 10des preußischen Preßgesetzes nur das nichtgewerbsmäßige Ver-teilen in Betracht. Er sei aber auch nur anwendbar, wenn eS sichzugleich um ein unentgeltliche» Verteilen handele, das heißt, umein solche?, wo der Verteiler von seinem Auftraggeber kein Eni-gelt erhalten habe. Wenn das Landgericht eine derartige Auf-fassung für ein„praktisch unbefriedigendes Resultat" halte, soändere daS an ihrer Richtigkeit noch lange nichts.— Hier sei nunfestgestellt, daß St. vom Vertrauensmann 1 M. erhalten habe, sowiedaß es ein nichtgewerbsmäßiges Verteilen gewesen sei. Er könneaber noch nicht gleich freigesprochen werden. Es müsse erst seinengepes Verhältnis zu dem nur allgemein erwähnten Vertrauens-mann mit Bezug auf das Verteilen festgestellt werden. ES müssefestgestellt werden, ob er die Mark für die Arbeit wirklich alsEntgelt erhalten habe, oder ob sie ihm nur zum Schein gegebenworden sei. Sei eS ein wirkliches Entgelt für das Verteilen ge-wesen, dann müsse St. freigesprochen werden.Eine Frage nach der Nummer eines schubsenden Schutzmanns,die auf offener Straße an einen Polizeileutnant gerichtet wordenwar, hat dem Frager ein Strafmandat von 10 Tagen Haft ein-gebracht. Am 18. Marz in der Mittagstunde, etwa um?Ll Uhr,als im Friedrichshain die Umgebung deS Märzfriedhofs belebt warvon einer zu- und abströmenden Menge, die nach vielen Tausendenzählte, fiel eS der Polizei plötzlich ein, den Landsberger Platz zuräumen. Auch Personen, die auf Bänken am Landsberger Platzsaßen, wurden genötigt, weiterzugehen. Ein StellmacherB o r ch a r d t. der gleich anderen von einer Bank aufgescheucht wor»den war. ging einem Schutzmann nicht schnell genug. Als er sichallzu nachdrücklich vorwärtsgeschoben fühlte, verlangte er Nennungder Nummer des betreffenden Schutzmanns, und schließlich wandteer sich an einen Polizeileutnant. Der Leutnant ließ sich den Schutz-mann zeigen, fragte den nach dem Sachverhalt und ordnete dannan, daß Borchardt, weil er der Aufforderung weiterzugehen nichtunbedingt Folge geleistet habe, anzuzeigen sei. Das Ende vomLiede war, daß B. durch polizeiliches Strafmandat 10 Tage Haftzudiktiert bekam. Gestern stand er vor dem AmtsgerichtBerlin.Mitte(Abteilung 141), um die von ihm beantragterichterliche Entscheidung entgegenzunehmen.Der Angeklagte schilderte, er sei wie die andern weiter-gegangen, die Menge habe aber natürlich sich nicht so rasch ent-fernen können. Als er von einem Schutzmann angetrieben wurde,habe er geantwortet:„Zu rennen brauche ich nicht". Nun habe ereinen Stoß in den Rücken bekommen, so daß er die Nummer desstoßenden Schutzmanns forderte. Sie sei ihm zunächst verweigertworden, erst mit Hilfe eine? von ihm aufgesuchten Leutnants habeer sie sicher festzustehen vermocht, der Leutnant habe aber dannseine Personalien notieren lassen. Schutzmann Off bekundete,B. sei zwar anfangs veitergegangcn. nachher aber sei er stehengeblieben und habe ihn„von oben bis unten angeguckt". Da habeer, der Schutzmann Off, ihn am Arn: gefaßt und„ihn so weiter-geschubst". Der Vorsitzende, Aintsgerichtsrat Seligsohn, warf hierein:„Na, so sanft werden Sie ihn nicht geschubst haben! Sie sollenihn ja gestoßen haben." Zeuge:„Ich werde mich schön hüten, zustoßen, wo so viele Menschen zusehen." Vorsitzender:„Wozubrauchten sie ihn denn zu schubsen? Er ging doch!" Zeuge:„Aberer ging immer nur so weit, wie ich ihn schubste." Zeuge versicherte,seine Nummer habe er mindestens zweimal genannt. Der Vor-sitzende erinnerte daran, daß oft vor Gericht festgestellt wordensei, wie von Schutzleuten die Nennung der Nummer verweigertwurde, wie auch Personen, die einem Sistierten sich als Zeugenanboten, zurückgewiesen wurden. Schutzmann Kunz bekun-dete, B. habe sich weiterschieben lassen. Daß Off gestoßen habe,wußte er nicht. Auch Schutzmann Carstens wußte nichtshiervon. Er hatte auch nicht gehört, daß B. Nennung der Num»mer gefordert habe.„Die Menge war ja", sagte er,«so aufgebrachtund so laut, daß überhaupt kein Wort zu verstehen war." Die vonder Verteidigung geladenen Zeugen Sort und Höckendorf be-kündeten, B. sei von Off nicht geschoben, sondern gestoßen worden.Auf des Vorsitzenden Frage, ob der Stoß sanft gewesen sei, antwor-tete Sort:„Nein, wirklich nicht; B. flog ein ganzes Stück fort."Höckendorf sagte, man habe nur langsam gehen können, weil„vorander ganze Schwung war". Der Stoß, den B. gekriegt habe, sei„ein grober" gewesen. Off habe erst nach zweimaliger Frage dreNummer genannt. B. erklärt hierzu, wegen Offs anfänglicherWeigerung habe er nunmehr gezweifelt, ob die richtige genanntworden war. darum habe er den Leutnant fragen sollen geglaubt.Der Staatsanwalt meinte, B. habe unverzüglich weitergehenmüssen. 10 Tage Haft sei wohl ein bißchen viel, aber Freiheits-strafe verdiene er aus alle Fälle, 3 Tage Haft seien angemesseneSühne. Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld be-antragte Freisprechung. Wenn man nach einem Stoß weitergehenmüsse ohne sich zu beschweren, so sei ja die Bevölkerung vogelfrei.Es falle auf, daß man B. nicht sofort sistiert habe. Schon daszeig«, daß er nach der Meinung der Schutzleute selber nichts Straf-bares getan habe. Gegangen sei er, nur habe er, da die Menge ihnhemmte, nicht schnell gehen könne. Das Urteil lautete: Frei-sprechung. B. habe die Aufforderung weiterzugehen befolgt, wegender Menge habe er nicht schneller gehen können.Ein.,Bluthund"-Rnferließ gestern vom Amtsgericht Berlin-Miete(Abteilung 132) sich imabgekürzten Verfahren verurteilen. Der Angeklagte, ein ArbeiterGersch, hatte am 0. März auf dem Königsplatz mitangesehen, wiedie Polizei die WahlrechtSspaziergänger attackierte. DaS hatteihn so erregt, daß er in die aus der Menge erschallende Rufe„IhrBluthunde!" miteinstimmte. Vor Gericht gab er daS ohne weitereszu. doch berief er zur Erklärung seines Verhaltens sich auf dieErregung, von der er fortgerissen worden sei. Gegenüber diesem Ge-ständniS konnte auf jede weitere Beweisaufnahme verzichtet werden,so daß der als Zeuge geladene Schutzmann nicht erst noch zu wieder.holen brauchte, was in seiner Anzeige stand. Der Staatsanwaltbeantragte 1 Woche Gefängnis. Der Verteidiger Rechtsanwalt Dr.Kurt Rosenfeld hob die mildernden Umstände hervor, die hier zuberücksichtigen seien. DaS Vergeben G.'S, der in seiner berechtigtenErregung über die Polizeiattacken in jene Rufe miteingestimmthabe, sei mit einer Geldstrafe doch hinreichend gesühnt. Das Gerichtbilligte dem Angeklagten mildernde Umstände zu und ließ ihn imHinblick auf sein Geständnis— die Begründung des Urteils betontedas ausdrücklich— mit 50 M. Geldstrafe davonkommen.Ein„Polizeisekretär"in der Person deS Schreibers Arthur Kiesewetter wurde gesternvon der 4. Strafkammer des Landgerichts I zu drei Jahren Ge-fängniS verurteilt. Es handelte sich um einen Abenteurer mitaußergewöhnlichem Unternehmungsgeist, der schon mehrfach, auchmit längeren Gefängnisstrafen, vorbestraft ist. Unter der Maskeeines„PolizrisekretärS" führte er sich in die Familie einer Haus-besitzerin ein und gewann bald das Herz der Haustochter, mit dereine förmliche Verlobung stattfand. Dies war im Jahre 1907.Der„Polizeisekretär" war mit Geschäften so überhäuft, daß erselbst am Verlobungstage seine Braut vorzeitig verlassen mußte,weil angeblich ihn dienstliche Pflichten riefen. Braut und Schwieger.mutier hatten danach keinerlei Zweifel daran, daß der„Bräutigam"eine Leuchte im Polizeipräsidium sei. Die Schwiegermutter trugauch kein Bedenken, dem Eidam auf dessen Ersuchen 785 M. zugeben, die er angeblich zu einem kollegialen Zweck brauchte. Kaumwar er im Besitze dieser Summe, da verschwand er von der Bild-fläche und lieh sich bei seiner Braut nicht mehr sehen. Er tauchtein Frankreich wieder auf und beging dort mehrere Schwindeleien,wegen deren er dort bestrast worden ist. Von Frankreich aus verübte er auch noch Betrügereien, durch welche niehrere Personen ge-schädigt wurden. Cr erließ in einem Jagdblatt«in Inserat, inwelchem er sich als Oberförster bezeichnete und für ein größeresfranzösisches Jagdrevier einen zuverlässigen Förster suchte. Meh-rere Personen setzten sich auch mit ihm in Verbindung und schicktenihm die von ihm verlangten 40 M. als VermittelungSgebühr. ZweiBeamten waren aber vorsichtig und sie wandten sich zunächst umAuskunft an das zuständige Konsulat und dadurch wurde derSchwindel aufgedeckt. Nach Verbühung seiner Strafe wurde Kiese-wetter von Frankreich hierher ausgeliefert und gestern zu oben an-gegebener Strafe verurteilt._May kontra LebiuS.Im Prozeß May wider LebiuS hat der Kläger Berufung ein-gelegt._Wegen fünf Paar Schuhe fünf Jahre Zuchthaus.Die StrafrechtSpflege in Reutral-MoreSnet zeichnet sich durchihre Eigenart aus. In diesem kleinen Gebiete zwischen Preußenund Belgien stagniert seit 100 Jahren die Gesetzgebung und eS giltdort noch immer der von Napoleon eingeführte Lock« pönal von1610. Die Strafen, welche nach diesem Gesetze wegen Diebstahlserkannt werden müssen, sind geradezu grausam. Nach Art. 348wird Einbruchsdiebstahl mit Zwangsarbeit von 5— 20 Jahren bestraft. Die Strafen, welche dieses Gesetz kennt, gruppieren fichnach der Todesstrafe wie folgt: Zwangsarbeit auf Lebenszeit,Deportation. Zwangsarbeit auf Zeit, Zuchthaus usw. Da» Land-gericht Aachen, welches über die Straftaten in Neutral-MoreSnetabzuurteilen hat, hat bisher als Strafart Zuchthaus gewählt,weil unser Gesetz Zwangsarbeit und Deportation als Strafartennicht kennt. Es fühlte sich auch durch den Art. 19 gebunden, dieStrafe auf mindestens fünf Jahre zu bemessen. Am 15. Februarhatte es wieder über einen solchen Fall zu befinden. Der Beton-arbeiter Wilhelm Kreutz, geboren 1888 zu M.-Gladbach, und derArbeiter Wilhelm Hamm, geboren 1830 m Nürnberg, hatten inder Nacht zum 27. Dezember 1009 mittel» Einsteigens aus einerVilla in Neutral-MoreSnet fünf Paar Schuhe entwendet. DasLandgericht hat jeden von ihnen zu fünf Jahren Zuchthaus ver-urteilt. In der Begründung wurde hervorgehoben, daß das Land-gericht 1905 in einem Urteile die Ansicht vertreten hatte, daß dieim neutralen Gebiete lebenden deutschen Neichsangehörigen instrafrechtlicher Beziehung nur nach deutschem Strafgesetz zu ver-urteilen seien. Diese Ansicht habe aber das Reichsgericht nicht ge-billigt. Es habe seinen früheren Standpunkt, da dort der Lockepönal gelte, aufrechterhalten, obgleich der Oberreichsanwalt dieEinholung eines Ausspruches der vereinigten Strafsenate be»antragt hatte. Der Rechtsansicht des damals entscheidendenSenates hat sich das Landgericht gefügt. Es legt in den Urteils.gründen noch ausführlich dar, weshalb auf keine andere odermildere Strafe wie fünf Jahre Zuchthaus erkannt werden konnte.— Gegen das Urteil hatte der Staatsanwalt Revision eingelegt.Das Reichsgericht verwarf jedoch am Freitag die Revision, da§ 6 des Einführungsgesetzes nur die Strafart. nicht das Strafmaßbetreffe.— Nun müssen also auch fernerhin drakonische Strafendort festgesetzt werden.Ein Gesetz, das diesen Mißstand aufhebt, ist weit dringenderals die Entlastung deS Reichsgerichts.Eingegangene Druchfcbnftcn.Tie Natur i» den Alpen von R. H. Francö. IM.--» Leben undteimat des Urmenschen von Dr. 13. Wilser. 1 M.— Aus demcclenlebe» höherer Tiere von Dr.?l. Sokvlowsky. IM.— Natur.Zeitschrist der Deutschen naturwissenschastllchen Gesellschaft. Herausgegebenvon R. H. Francö. Heft 2—15. Vierteljährlich 1,50 M. Th. Thomas,Leipzig.Ltlittz. Gelänge von g. Wedde.« M. A. Jansien, Hamburg.