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Kr. W. 27. Jahrgang. 2. Map des ,, crliacr WIksdlR Kienstag, 26. Apri! l9!6. .eickstag. 72. Sitzung Vom Montag, den 25. April, nachmittags 2 Uhr. Am Bundesratstisch: v. S ch o e m Eine Petition des deutschen   Blindenkongresses, die I n v a l i d e n- r e n t e auf alle bis jetzt nicht versorgten Blinden aus- zudehnen und sie sowie die Alters- und Unfallrente im Falle der Erblindung zu erhöhen und ferner das Porto für Bücher und Drucksachen in Blindenschrift herabzusetzen, wird nach kurzer Befürwortung durch den Abg. G i e s b e r t s(Z.) im ersten Teil dem Reichskanzler zur E r w ä g u n g, im zweiten zur B e- rücksichtigung überwiesen. Eine Petition derInternationalen Abolitionistischen Föderation" betreffend die Abschaffung der Animierkneipen wird, entsprechend dem Antrage der Petitionskommission, debattelos dem Reichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen. Der Verein deutscher Kaffeegroßhändler und-Röster petitioniert um den Erlag einer gesetzlichen Bestimmung, die es verbietet, Surrogate unter dem NamenKaffee" in den Handel zu bringen. Die Petition wird nach dem Antrage der Kommission dem Reichskanzler zur Erwägung überwiesen. Es folgt die Beratung eines Berichtes der Budgetkommisfion betreffend die Verminderung der Reichstagsdruck- fachen. Die Kommission schlägt vor, eine Reihe von Denkschriften dem Reichstage nicht mehr jährlich, sondern nur alle fünf Jahre zugehen zu lasseii, außerdem soll die Reichsdruckerei stärker mit Aufträgen dedacht werden. Direktor inr Reichsamt des Innern Geheimrat Caspar sagt die Berücksichtigung dieser Wünsche zu' Abg. Erzbcrgrr(Z.) fragt an, wieso die Preise der Reichs- druckerei bedeutend höher seien als die anderer Druckereien, z. B. der Firma Sittenfeld. UnterstaatSsekretär im Reichspostamt Frank meint, die Reichs- druckerei könne doch nicht unter Tarif arbeiten lassen. Abg. Fischer-Berlin  (Sog.): Von keiner Seite ist in der Kommission verlangt worden, daß die Reichsdruckerei unter Tarif arbeiten läßt. Im Gegenteil hatte ich verlangt, wenn die Reichsdruckerei mehr Arbeiten haben wolle, müsse man von ihr die formelle Anerkennung des Buchdrucker tarifs verlangen. Die Preisdifferenz zwischen der Reichsdruckerei und anderen Druckereien liegt keineswegs auf dem Gebiete des Tarifs auch Sitteufeld ist eine lariftreue Firma sie liegt bielmehr in den hohen Zuschlägen, in den hohen Geschäftsspesen der Reichsdruckerei begründet; diese hohen Geschäftsspesen werden jedenfalls notwendig durch die abnorm hohe Zahl von Aufsehern, die in den Reichsbetrieben üblich sind. tZustimmung bei den Sozialdemokraten.) Gewiß müssen die Preise der Reichsdruckerei höher sein als die eines Privatbetriebes, weil auf der Reichsdruckerei eine Reihe von Verpflichtungen liegen, die ein Privatbetrieb nicht hat, aber mit dem Tarif hat das nichts zu tun. Uebrigens hat die Reichsdruckerei den Buchdrucker tarif gar nicht einmal formell anerkannt. Es mag ja sein, daß die besseren Arbeiter bei ihr anständig bezahlt werden. Tatsache ist aber, daß bei der Beamtenbesoldungs- Vorlage Petitionen von sogenannten Faktoren an uns gekonmien sind, welche ein Einkommen hatten, das nicht einmal dem Minimumsatz des Tarifes eines gewöhnlichen Setzers entsprach.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Diskussion, die Anträge der Kommission werden a n g e n o ni m e n. Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs über die Errichtung eines Kolonial- und KonsulargerichtShofes. Der Entwurf will für Sachen der Kolonial- und Konsular- gerichtsbarkeit einen obersten Gerichtshof unter dem Namen Konsular- und Kolonialgerichtshof mit dem Sitze in Berlin   begründen, dessen Mitglieder auf Borschlag des Bundesrats vom Kaiser ernannt werden, die Mehrzahl derselben auf Lebenszeit. Diesem Gerichtshof kann neben der Konsulargerichtsbarkeit ein Teil der Zuständigkeit des Reichsgerichts für die Schutzgebiete übertragen werden. Abg. Am Zchnhoff(Z.)<sehr schwer verständlich) vermißt in der Begründung des Gesetzes triftige Beweise für die Notwendigkeit oder auch nur Zweckmäßigkeit, denselben obersten Gerichtshof über die kleines Feuilleton. Theater. Kammerspiele: Sumurun, Pantomime von Frie- brich F re ksa, Musik von Victor Holländer  . Mit einem intereffanten, für Reinhardts immer nach neuen Möglichkeiten aus- spähende Unternehmungslust charakteristischen Experimente schließt die Saison der Kammerspiele. Der Wunsch, einmal ohne Beglci- tung des Wortes die Macht des bloßen Gebärden- und Bewegungs- fpieles zu erproben, war ganz, so erzählt Herr Freksa, im Rein- bardischen Ensemble spontan entstanden; das gab ihm die An- regung für die Zusammenstellung der Pantomime. Nur die allge- meinsten Umrisse, die größeren Akzente und leitenden Punkte der Handlung hätten sich dabei im voraus fixieren lassen. Alles weitere sei der kollektiven Arbeit auf den Proben dem Mitwirken der Dar- sieller, die das Detail in all den kleinen überleitenden Gesten dichten mutzten, vorbehalten worden. Das mag richtig und not- wendig sein, wenn Gehalt und Rhythmus eines pantomimischen Ganzen der Phantasie des Komponisten vorher bereits lebendig an- schaulich geworden ist und wenn er so ein sicheres Gefühl erlangt hat, was von fremden Einfällen sich der Gesamtidee organisch einfugt, was umgekehrt den Rahmen lockern oder sprengen muß. Wenn der Pantomime neue lvertvolle Stimmungsreize abgewonnen werden können, so ist Konzentration, einheitlich klare Gliederung, rasches Tempo des Aufstiegs jedenfalls eine der unumgänglichsten Vorbe- dingungen dafür. Die knappen, straff gefügten mimischen Szenen, in denen die berühmte dänische Virwosin Charlotte Wiehe Triumpfe feierte, trugen dem in richtigem Instinkte Rechnung. Kraß wie dort die Effekte waren, brachten sie es durch das geschlossene In- einandergreifen der einzelnen Momente dennoch zu starkem Ein- druck. Es war dafür gesorgt, daß keine Zeit zu kritischem Bedenken frei blieb; ehe die Aufmerksamkeit im Schauen ermüden konnte, fiel der Vorhang. Hingegen Freksas an ein Märchenmotiv aus Tausend und eine Nacht anknüpfende Pantomime läßt eine Ein- hcit des Planes, des Stiles, der Stimmung ganz vermissen. Die vielen Köpfe, die da mitgearbeitet, wurden von keinem zielbewußten Oberwillen im Zügel gehalten. Wie wäre es sonst möglich, daß ein Stück, das aus das wichtigste Spannungsmittel, die Sprache, verzichtet, sich trotzdem zu einem Umfange von mehr als drei Stun- den ausbreiten kann? Den Erfolg entschieden erst die letzten Bil- der, die anmutig lockenden Tänze der Schwestern W i e s e n t h a l und eine leidenschaftliche, von Leopoldine Konstantin   mit packender Kühnheit durchgeführte Alkovenszene._ Der Weg dahin hätte sich ohne jede Mühe wohl um die Hälfte kürzen lassen. Die erotisch malerischen Partien waren mit Hartekinadcn, allerhand Clown- und Zirkusmätzigem, das an die Purzelbaum- Akrobatik in Reinhardts Aufführung derWiderspänstigen" er­innerte, durchsetzt. Dies Element burlesker Körperspäße, wenn es der Tradition der alten Pantomime auch entsprach, wirkte indessen bei der breiten Ausmalung, dem Mangel innerer Verbindung mit her eigentlichen Fabel, hier mehr befremdlich als belustigend. Ein Konsular- und über die Kolonialgerichtssachen urteilen zu lassen, die doch zumeist sehr versckieden seien. Abg. Dove(Fortschr. Vp.): Es ist dringend nötig, daß endlich eine einheitliche. Instanz sür Kolonialrecht schaffen wird. Ob aber die Lösung, wie die Vorlage sie bringt, richtig ist, wird in der Kominisston zn erwägen sein. Die Erledigung dieser Vorlage vor der Vertagung ist ziemlich schwierig. Ueberhaupl ist dagegen Protest zu erheben, daß die Regierung, die so auf eilige Beratung dringt, mit wenig sorg- fältig durchgearbeiteten Gesetzentwürfen kommt. sSehr richtig! links.) So geschieht es denn, daß oft aus der Kom- Mission ein ganz anderes Gesetz herauskommt, als hineingegangen ist, ein Gesetz, daß nicht aus der Schublade eines Reichsamts, sondern aus dem Hirnkasten des Abg. Er zb e rg er stammt.(Heiter- keit und Sehr gut! links.) Abg. Dr. Semler(natl.) wünscht im Gegensatz zum Vorredner schnelle Erledigung der Vorlage, betont die Notwendigkeit einer oberen kolonialen Instanz und verlangt, daß nicht Verwaltungs- beamte zu den kolonialen Richterstellen zugelassen werden.(Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. Schulz(Rp.): In bezug auf die geschäftliche Seite der Vorlage kann ich mich dem 5kollegen Dove anschließen. ES ist wenig liebenswürdig von dem Bundesrat, noch kurz vor Toresschluß den Reichstag derart mit Vorlagen zu bepacken. Redner beschäftigt sich, im einzelnen unverständlich, mit der Vorlage, die er im allgemeinen zu billigen scheint. Staatssekretär Dcrnburg: Die Ausarbeitung der Vorlage war sehr schwierig, weil verschiedene Ressorts in Frage kamen und auch das Reichsschatzamt Schwierigkeiten wegen der Deckung machte. Die Rechtsunsicherheit in den Kolonien ist sehr groß, und große und wichtige Fragen müssen auf dein Verwaltungswege durch Verordnungen geregelt werden, statt daß sie den ordentlichen Gerichten übergeben werden. Diesem Zustand bitte ich die Herren, wenn es ihre Zeit und Arbeitskrast irgend erlaubt, ein Ende zu machen. Abg. Dr. Gicse(k.) begrüßt den Entwurf sympathisch, Einzel heiten könnten in der Kommission erörtert werden. Abg. Stadthage»(Soz.): Mit der Ueberweisinig des Entwurfes an eine Kommission bin ich einverstanden. Der Staatssekretär hat dargelegt, warum die Vor- läge so spät eingegangen ist. Deshalb müssen wir aber doch verlangen, daß uns etwas genauer dargelegt wird, wie die Rechtsverhältnisse in den Kolonien zurzeit sind, und aus welchen Gründen und nach welcher Richtung sie geändert werden sollen. Wenn ein zweites oberstes Gericht in Deutschland   eingerichtet werden soll, so muß man doch wohl daran' Rücksicht nehmen, daß die Rechtseinhcit nicht gefährdet wird. Das aber würde nach dieser Vorlage geschehen. Klagt z. B. der Fiskus gegen Schulze, so würde dieser neue Gerichtshof die oberste Instanz sein, klagt dagegen Schulze gegen den Fiskus in genau derselben Sache, so würde die Sache an das Reichsgericht gehen. Die Vorlage hätte doch wenigstens einigermaßen auch eine Statistik über die Zivil- und Strafrechtspflege in den Kolonien enthalten sollen. Kein Wort ist darüber in den Motiven enthalten, und doch mutet man dem Reichstage zu, Hals über Kopf ein Gesetz zu machen. Mit geheimnisvoller Miene sagte Dr. Semler, in der Kommission würde er noch weiter nachweisen, warum das Gesetz notwendig ist. Wir brauchen aber keine Geheimniskrämerei, sondern wir wollen ein gutes Gesetz machen.(Zustimmung bei den Sozial demokraten.) Da kommt es auf einige Monate nicht an. Zudem sprechan Sie von Zivilstreitigkeiten immer so, als ob das Reich mr dem Besitze beruht, von Arbciterverhältnissen ist gar keine Rede. Die Revisionssummen sind so hoch gegriffen, daß Arbeitersachen nie vor das höchste Gericht kommen können. Welches Interesse hat dann die Gesamtheit der Bevölkerung daran, die Kosten eines solchen Instituts zu tragen?(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir können dem Gedanken nicht zustimmen, daß schutzbedürftig nur die Rechtssachen sein sollen, welche den Besitz schützen, und nicht auch die, welche die Arbeit schütze». Bereits im Jahre 1897 wurde der- sprachen, ein oberstes Gericht für Arbeitersachen zu er- richten. Dies Versprechen ist noch nicht eingelöst, jetzt aber haben Sie solche Eile, die Kapitalsinteressen zu schützen. Mir scheint es richtiger, ein solch höchstes Gericht für alle aus dem Arbeitsverhältnis hervorgehenden Sachen zu schaffen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Natürlich sind wir nicht gegen ein einheitliches Recht, aber die einheitliche Rechtsprechung soll' man eben nicht nur auf die Kapitalsinteressen beschränken. Weiter will man hier ein Gericht schaffen, dessen ganze Befugnisse festzustellen im wesentlichen der kaiserlichen Verordnung überlassen buckliger, von Eifersucht verzehrter Mädchenhändler, den Schild krauts behäbige Korpulenz im Pierrotkostüm zu repräsentieren hatte, schluckt Gift, wird als Leichnam in Koffern, Sänften usw. bersteckt, Trepp auf, Trepp ab befördert, und immer wieder aus gepackt, bis ein aufmunternder Niesreiz die entschlummerte Seele aus ihrer Puppenstarrheit weckt. Die Pointe der vergnügten Auf> erstehung ließ allzu lange auf sich tvarten. Eine parodistisch hübsche Nebenfigur war Blümners Bazarwächter, der nach einer Art von Krähwinkler Marschmusikmielodie kniewippend wie auf Draht gezogen daher marschiert, aber keinen Dieb in seinem Hand- werk stört. Wenn der Scheich   ein Bild brütend finsterer Sinnlichkeit, von W e g e n e r vortrefflich dargestellt die schöne Tänzerin des MödchcnhändlerS für seinen Harem kauft, so hat Sumurun, des Scheichs graziöse Hauptfrau, ihr Auge auf Nur al Din, den jungen Stosfhändler, geworfen und läßt den Wagemutigen in einer Kiste unter Teppichen verpackt von Eunuchen zu sich bringen. Zweimal wiederholt sich dasselbe Spiel, das, umrankt von Tang und Neigen, natürlich zum Triumph der Liebe führt. M o i s s i S Antlitz sprach wunderbar beredt von träumerisch verliebtem Sinne. So klang auch seine Stimme, als er vor dem Aufgehen des Vorhangs nach Art eines arabischen Märchenerzählers niederkauernd, in kurzen Worten sein Geschick, die Fabel deS Stückes, berichtete. Dem Sohn des Scheich, der, von der Tänzerin entflammt, gegen den schlafen- den Vater den Dolch zückt, gab Winter st ein eindringlich kühne Haltung und Mienen. In der Figur der Sklavin, der Hüterin des Buckligen, verblüffte Richard G r o ß m a n n durch eine" wahre Hexenhäßlichkeit, doch ohne sonderlich humoristische Wirkung. Das im"ganzen ausgezeichnete Spiel, die Wiesenthalschen Tänze, wie die von ihnen arrangierten Mädchenreigen, die malerisch glänzende Inszenierung halfen über viele tote Stellen der Komposition hin- weg. Holländers Musik war drollig und ins Ohr fallend. Mufik. «lt. Kgk. Opernhaus. Die dreiaktige OperPoia" er. scheint von vornherein gar nicht übel angelegt. Ein Ethnologe, W. M c. C l i n t o ck, war längere Zeit bei einem durch Traditions- treue und Intelligenz hervorragenden Jndianerstamme Nordwest- amerikas geweilt und hatte Melodien des Stammes aufgezeichnet. Ein Komponist, Arthur Nevin  , hatte sich ihm angeschlossen und hat sodann von R. H a r t l e h einen entsprechenden Operntext machen lassen und mit Verwendung solcher Melodien die Kompost- tion geschaffen. Auch der Text selbst läßt sich ganz hübsch an. Im Indianer- lager lernen wir den Titelhelden als einen dielverspotteten Un- glücklichen kennen, eine Art Hans der Träumer. Der Sonnengott Natusi hatte Poia durch eine Entstellung seines Gesichtes für Sünden deS ganzen Stammes büßen lassen. Deshalb verschmäht ihn seine geliebte Natoya; der� böse Bariton Sumatsi gefällt ihr natürlich viel besser. Zum Spotte nur verspricht sie sich dem Braven, wenn einstgeheime Zauberinacht" ihn von seinem Zeichen befreien kann. Er wandert zu Natusi. Einige Adler überfallen bleiben sollen, das heißt also im großen und ganzen, dem Staat?- sekretär der Kolonien. Diesen Weg können wir nicht beschreiten. Soll ein Gericht organisiert werden, so muß die Organi- sation von den gesetzgcliendcn Körperschaften getroffen werden.(Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Eine Verbesserung der Rechtspflege scheint es uns auch nicht zu sein, daß an Stelle der Laien, die heute in den Konsulargerichten sitzen, bei diesem obersten Gericht nur gelehrte Richter mit- wirken sollen, und nicht einmal Richter, sondern Verwaltungs« beamte. Gewiß sind die Laien, die jetzt mitwirken, einseitig aus« gebildet und interessiert. Um dem abzuhelfen, soll man sie eben aus allen Kreisen der Bevölkernng nehmen.(Lebhaftes Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Wenn man nur Rechtscinheit ohne Verbesserung der Rechtsprechung will, soll man die Hand lieber davon lassen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen eine Rechtseinheit nur, soweit auch eine Verbesserung darin liegt. Mit seinen unzähligen Bezugnahmen auf andere Gesetze und Verordnungen ist der vorliegende Entwurf sür die große Menge der Rechtsuchenden absolut unverständlich. Er gibt selbst dem Ein- geweihetn eine ganze Reihe von Nüssen zn knacken auf. Ein neues Gesetz aber soll einfach und klar geschrieben sein.(Zu- stimmung bei den Soz.) Warum soll das neue Gericht nicht an das Reichsgericht angegliedert werden? Freilich, Sie sprechen von der Ueberlastung des Reichsgerichts, ein Standpunkt, den ich nicht teile, und deshalb werden Sie nicht dafür zu haben sein. Aber wenn Sie einen besonderen obersten Gerichtshof wollen, warum soll sein Sitz denn Berlin   sein? Es würde doch richtig scheinen, ihn dahin zu bringen, tvo die meiste Sachkenntnis in kolonialen Dingen besteht, das ist in den H a n s e si ä d te n, vor allem in Hamburg  . Das wichtigste, was ich zum Ausdruck bringen wollte, ist, daß, wenn einmal ein zweites oberstes Gericht in Deutschland   geschaffen wird, dann die Arbeiter ein volles Anrecht haben, den höchsten Gerichtshof für Arbcitersachen zu verlangen, der in der ZivilprozeßordnungSkommission im Jahre 1897/98 versprochen wurde. Wenn es nicht möglich war, diesen Gerichtshof in den seitdem verflossenen beinahe 13 Jahren zu errichten, so wird jetzt dem Reichstag zugemutet, das Gesetz für diesen neuen obersten Gerichtshof in 13 Tagen fertig zu stellen. Ein solches Gesetz könnte nur ein ganz flüchtiges und über- e i l t e s sein. Solche Arbeit darf der Reichstag nicht machen. Wenn wir also der KommissionSberatung zustimmen, so meinen wir doch, daß sie ihre Arbeiten vor dem Herbst nicht erledigen kann.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Heckscher(Fortschr. Vp.): Die Fixigkeit ist meist größer als die Richtigkeit. Die Regierung bringt Vorlagen über Vorlagen ein und unter der Ouontität leidet oft die Qualität. Redner führt, gegen seinen Fraltionsfreund Dove polemisierend, alle Gründe an, die für die Verlegung des Gerichtshofes nach Hamburg  sprechen. Die Diskussion schließt und die Vorlage wird an eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen. Es folgt die erste Lesung des Konsulatsgebührengesetzes. Staatssekretär des Auswärtigen v. Schorn: Wir hätten gern den Entwurf früher vorgelegt; angesichts der Schwierigkeit der Materie war eS aber nicht möglich, ihn eher fertig zn stellen. Der Entlvurf bezweckt, die in ihrer gegenwärtigen Gestalt vielfach veralteten Borschristen über die Gebühren und Auslagen bei den Konsulaten des Deutschen Reiches gemäß den veränderten wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnissen zu modifizieren. Redner begründet hierauf die beantragte Herabsetzung der Schiffsgebühren. Abg. Graf Kaniii(k.): Die Herabsetzung der Schiffsgebühren geht wesentlich auf hanseatischen Wunsch zurück. Unsere Schiffahrt ist kaum schlechter gestellt als die Schiffahrt anderer Länder. Ich be- antrage die Ueberweisung an die Budgetkommission.(Bravo  ! rechts.) Abg. Dove(Fortschr. Vp.) beschwert sich erneut über die Ein- bringung zahlreicher Vorlagen kurz vor Toresschluß, bezweifelt, daß die Vorlage sich vor der Vertagung erledigen lasse und schließt sich dem Antrage ans Kommissionsberatung an.(Bravo I links.) Abg. Dr. Semler(natl.)- beklagt ebenfalls die verspätete Ein» bringung der Vorlage und polemisiert gegen die Ausführungen deS Abg. v. Ka» i tz. Staatssekretär». Schorn wiederholt, daß wegen der Schwierig- den Morgenstern, den Sohn des Sonnengottes, der nicht imstande ist, mit ihnen fertig zu werden. Selbstverständlich gelingt dies dem reinen Toren. Und selbstverständlich kommt nun das Ballett der vier Jahreszeiten und erleichtert dem unter Blumen liegenden Poia die Verschönerung. Mit einer Flöte des Morgensternes kehrt er heim. Natusi erscheint in den Wolken, wehrt den Bariton ab und nimmt den Tenor samt Gattin in seinen Himmel auf. Also ein ausgesprochen epischer Inhalt, den auch die gut poetischen Verse und Stimmungen nicht dramcrtisch machen. Was nun innerhalb der gesamten Vertonung des Inhaltes die Jndianerweisen sind, läßt sich vom Hörer nur ungefähr aus der Schwermütigkeit" und aus ungewohnten Intervallen einiger Stellen heraus vermuten. MeS Nähere ist weniger von künst- lerisch-praksischem, als von wissenschaftlich-theoretischem Interesse. Der Kunstfreund hat eine Komposition vor sich, in der ihm vor allem auffällt, daß sie die verschiedensten Arten durchläuft von den einfachsten Dreiklängen und engsten Harmonieverbindungen an bis zu den bei uns sonst allerdings selteneren, sprunghaften An- einanderreihunjjen. Dazu viel Klangketten der Harfe, üppige und dem Verständnisse der gesprochenen Worte gefährliche Blasmusik, das Ganze mehr rezitativisch, die lyrischeren Stellen nicht als Nummern" hervortretend, sondern aus dem Sprachgesang heraus» wachsend, die Themen ziemlich kurzatmig. Dort, wo der Held einen Urwald betritt und durch ihn mittels hübscher Wandeldekorationen zum Sonnengoite schreitet, erhebt sich die Musik zu so interessanter Charakteristik, daß man ihrenEklektizismus" auf einige Zeit ver- gessen kann. Mit all dem sind wir dort angelangt, wo wir längst waren: bei der altengroßen Oper", bei deutscher Tonkunstvirtuosität, bei den trefflichen Kräften unseres Opernhauses(auch Frl. Easton als Natoya bemühte sich, mit ihrer nicht überreichen Stimme dem Tenor, Herrn Päckhoff, gleichzukommen); sodann bei einem Publikum, dessen KönigSoperntreuc die Premiere aus einem Zisch. und Pfeifskandal rettete; und endlich bei einem Kunstinstitut, oas mit seinen ganz spärlichen Neuvcrsuchen gelinde gesagt Pech hat. Deutsche   Komponisten gibts anscheinend nicht. _ SR Notizen. Bühnenchronik. Am Dienstag begeht. Paul Paul im Lessing  -Theater sein fünfzigjähriges Bühnenjubiläum. Er war früher als erster Komiker im Viktoria-Theater tätig. Am bekanntesten ist seine Darstellung als Baumert in Hauptmanns Weber" geworden. Zu seinem Benefiz istDer Biberpelz" gewählt, in dem der Jubilar den Amtsdiener Mitieldorf spielt. Musikchronik. Im Münchener   Gärtnerplatz-Theater and die Uraufführung der OperetteDer Tugendprinz" Text von Max Neal  . Musik von Wilhelm Mauke  , starken Beifall. Ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst, ein Pokal des Nürnberger   Goldschmiedes Wenzel Jam nitzer. wurde vom Nürnberger   Magistrat für 20 000 M. erstanden und dem Germanischen Museum   als Leihgabe überwiesen.