Einzelbild herunterladen
 

feit der Materie eine frühere Einbringung des Gesetzentwurf» nicht möglich war. Damit schlieft die DiSfussion; die Vorlage geht an die B u d g e t k o m in i s s i o n. Es folgt die erste Beratung dcS Gesetzentwurf» über die Auö- gäbe kleiner Aktien i» den Konsulnrgerichtsbezirken und im Schutz- gebiet Kiautschou ; der Entwurf will den Reichskanzler ermächtigen. zu gestatten, oast in Koniulargerichtsbezirken und in Kiautschou Aktien auf einen Betrag von weniger als eintausend Mark, doch nicht von weniger als 200 M. gestellt" werben dürfen. Staatssekretär v. Schorn empfiehlt den Entwurf, der schon einmal dem Reichstage vorgelegen und damals der Budgetkommission über wiesen ist. Ein Vertreter de? NetchSmarineamt» bittet ebenfalls im Interesse der Entwickelung de» deutschen Handel» um wohlwollende Aufnahme der Vorlag. Abg. Schwarze-Lippstadt sZ.): Meine Freunde haben schwere Bedenken gegen den Entwurf: die Erfahrungen mit den englischen Share»(tleinett Anteilscheinen) sollte» doch warnen, diesen Weg zu betreten. Abg. Ortel snatl.) beantragt, den Entwurf an eine Kommission von 14 Mitgliedern zu verweisen. Abg. Frhr. v. Richthofen{1.): Da der Entwurf nicht in fallen Schutzgebiete» ohne weiteres die Ausgabe kleiner Aktien gestattet, sondern dem Reichskanzler vorbehält, nach Prüfung der besonderen Verhältnisse diese Ausgabe zu gestatten, so dürften die schwersten Bedenken beseitigt sein. Wir stimmen dem Antrag auf Kommissions- beratung zu. Abg. Kaempf(Fortschr. Vp.): E» ist noch keineswegs gesagt, daß durch daS Verbot kleiner Aktien im Inland die ungesunde Spekulation eingeschränkt und nicht vielmehr gefördert ist. Im internationalen Verkehr in den Schutzgebieten und den Konsular- gerichtsbezirken läßt sich diese Bestimmung aber überhaupt nicht aufrecht erhalten. Deshalb sollte der Entwurf nicht auf Kiautschou beschränkt, sondern auf alle Schutzgebiete ausgedehnt werden. Abg. Eichhorn lSoz.): Wir werden gegen den Entwurf stimmen au» denselben Gründen, ausweichen wirunS in Deutschland gegen eineHernbsetzungder Aktiensummen unter 1000 M. wenden, weil wir nicht wünschen, daß man den kleinen Leuten das Geld»n Spekulationszwecken herauszieht. Wir glaubten, der Entwurf würde eine gröbere Gegnerschaft hier finden hat doch der Abg. v. Strombeck früher beantragt, kleinere Aktien nur für gemeinnützige Gesellschaften zuzulassen, und der Staatssekretär Dr. Nieberding erklärte dies für einen sehr g e- f un de ii Gedanken.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) WaS heute hier verlangt wird, ist nur der erste schüchterne Schritt. dem bald weitere folgen werden, man wird bald kleine Aktien in allen Kolonien zulassen wollen, und von da aus ist nur noch ein Schritt, um auch in Deutschland Aktien von weniger als 1000 M. zuzulassen. Das würde aber be- deuten, daß daö Kapital der kleinen Sparer in die Spekulation hineingerissen wird. ES genügen eben dem Grogkapital heute nicht die Kreise, ans die eS beschränkt ist, eS will seine Agenten aufs Land hinouSschicken. um auch die Gelder auS den Sparkassen in seine Gründungen hineinzubezieheii. Man sagt, wenn wir das Gesetz nicht beschließen, setzt sich ausländisches Kopital da fest, wo «S sonst deutsches tun würde. Ach! wo für daS Großkapital etwas zu holen ist, findet es sich immer ein.(Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) DaS Großkapital wünscht dieS Gesetz doch nicht aus Gutmütigkeit, um den Besitzern kleiner Kapitalien einen Anteil am Profit zu gönnen, nein, eS bandelt sich vielmehr darum, das kleine Kapital heranzuziehen, um die faulen Gründungen des Groß- kapitalS zu decken.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ein Freisinniger sagte mir einmal, in den Kolonien kann man keine M i t t e I st a n d S p o l i t i k treiben, da muh das Großkapital freie Hand haben. Dann soll eS aber auch das Risiko tragen und die kleineren Sparer in Deutschland nicht gefährden.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Nach dem Argument deS Herrn Kaempf, wenn wir die kleinen Aktien nicht zulassen, kommen die ausländischen kleinen Aktien, müßten wir in Deutschland auch Spiel- Höllen begründen, damit die Leute nicht nach Monte Carlo gehen. Solche Gründe sind doch gar nicht ernsthaft zu diskutieren. Es handelt sich um nichts anderes als Förderung deS SpckulatlonStrIebeS, um den kleinen Leuten da« Geld aus der Tasche zu ziehen. UebrigenS kann man sich an kolonialen Gründungen in den Kolonial- gesellschaften mit Bon« von 100 M. beteiligen. Wenn man sagt. man mag diese Kolonialgesellstbaftcn nicht, und deshalb sei der Entwurf nicht überflüssig, so wünschen wir vielmehr, daß die Bestimmungen über die Ausgabe solcher kleinen Anteile beschränkt werden; vielleicht würden dann nicht inLüderitzbucht in kurzer Zeit 25 Kolonial gesell- schaftschaften gegründet sein, die doch all» Geld ver- dienen wollen auf Kosten der kleinen Leute, denen sie daS Geld ab- nehmen. Statt desien verlangen wir, daß das Großkapital auf eigene Kosten spekuliert; deshalb lehnen wir die Vorlage ab, sind aber be- reit, in die beantragte KommissionSberatung einzutreten.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Staatsselretär im Reichsiustizamt LiSco- Die Befürchtungen, die Vorlage möchte auf das Inland übertragen werden, sind un- berechtigt. Abg. Schulz(Rp.) spricht sich für den Entwurf au». «dg. Lattmaun(Wirtsch. vg.): Ich kann heut« einmal mit dem sozialdemokratischen Redner tn allen Punkten übereinstimmen; am liebsten würde ich den Entwurf sofort ablehnen, doch werde ich für die Kommissionsberatung stimmen. Abg. Dr. Heckscher(Fortschr. Vp.): Ich halte eS für meine der- dämmte Pflicht und Schuldigkeit, mit allem Ernst gegen diese Borlage zu protestieren. DaS SpekulalionSsteber in Eng­land zeigt uns. wohin wir mit einer Erweckung der SpekulationS - sucht kommen, jeder Stallmann und jede Kölsch, wie wir in Hamburg sagen, würden in kleinen Altien spekulieren; gerade die Ausfuhrnngen meines Freundes Kaenipf zeigen, wohin die Entwickelung mit Not- wendigkeit führen müßte. Am liebsten würde ich die Vorlage glatt ablehnen.(Bravo ! rechts und im Zentrum.) «bg. Dr. Arendt: Auch ich stimme mit dem sozialdemokratischen Redner und mit dem Vorredner überein und lege große» Gewicht darauf, daß die Vorlage nicht zustande kommt. Wir wollen ihr in der Budgetkommission ein Begräbnis erster Klasse beretten Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage geht an die Budget- kommission. Die Tagesordnung ist erschöpft. Nächste Sitzung: Dienstag 2 Uhr.(Wahlprüfungen.) Schluß«/«? Uhr._ Hbgeordnetenbaue. 67. Sitzung vom Montag, den 25. Aprik, vormittags 11 Uhr. Das Haus ehrt zunächst das Andenken des Verstorvenen Ab- geordneten Dr. Hager(Z.) in der üblichen Weise. Hierauf wird die zweite Lesung des Kultusetats beim Kapitel.Universitäten und Charits-Kranken- hau« Ber lin' fortgesetzt........ Abg. Dr. Kaufmann(Z.): Die Einführung der BibliothekS - gebühren ist zweifellos ein Kulturrlickschritt, denn sie errichtet Schranken gegen die Ausbreitung der Bildung. Die Errichtung von Professuren' für Kolonialrecht und Genossenschaftswesen halten auch wir für wünschenswert. Kultusminister v. Trott zu Solz: Die Anforderungen für wisienschaftliche Zwecke sind bei der rapiden Entlvickelung insbesondere der Naturwisiensckiaften von Jahr zu Jahr gestiegen. Manche de- rechtigten Wünsche haben mit Rücksicht auf die Finaiizlage zurückgestellt werden müssen. ES werden jedenfalls auch in Zukunft noch sehr erhebliche Mittel für UnibersttäiSzweSe auf- gewendet werden müssen, wenn wir nicht hinter andere» Ländern zurückstehen wollen. Ob wir daher an dem bisherigen Grundsatz, daß solche Ausgaben lediglich Sache des Staates seien, festhalten können, erscheint zweifelhast. Ich erinnere an Amerika , wo über- aus reiche Mittel von Privaten zu wissenschaftlichen Zwecken zur Berfügung gestellt werden. In der Richtung der Durchbrechung des genannten Grundsatzes liegen auch die BibliothekSgebnhren. UebrigenS sollen von der Erhebung derselben im Falle der wirklichen Bedürftig- keit Ausnahmen gemacht werden können. An der alten Tradition, daß den Ausländern auf unseren Universitäten Gastrecht gewährt wird, wollen wir festhalten. Die Zustände auf dem Gebiete der Privatdozentur bedürfen dringend der Abhilfe. Ich würde mich freuen, ivenn auch aus den Kreisen der Privatdozenten, die ja, dem Zuge der Zeit folgend, natürlich auch organisiert sind(Heiterkeit rechts), Vorschläge dazu erfolgen würden. Für Kolonialrecht und -Politik sollen Lehraufträge an verschiedenen Universitäten erteilt werden. Ebenso soll der Unterricht in der Pädagogik an den Universitäten gefördert werden. Genossenschaftswesen und Ge- nossenichaftSrecht werden in den nationalökonomischen und juristischen Borlesungen bereits erörtert. Abg. Dr. Heisig(Z.) tritt für die Einführung des Titels Dr. vet. med. in Preußen ein. Abg. Dr. v. Liszt (Fortschr. Vp.) wünscht, daß das Völker- recht auf den Universitäten mehr berücksichtigt werde. Vielleicht liegt das geringe Interesse für auswärtige Politik an der geringen Ausbildung des Völkerrechts, vielleicht aber auch an unserer aus- wältigen Politik selbst. Entschieden muß ich mich gegen die Be- lastnng der Studierenden mit einer zwangsweise zu leistenden Bibliothekgebühr wenden. Dringend notwendig ist eine gesetzliche Regelung des U n i v er si ts re ch tS, daS heute lediglich durch Statut und ministertelle Verordnungen ge­regelt ist. In bezug aus die P r i v a t d o z e n t u r an der medizinischen Fakultät in Berlin bestehen zweifellos unhaltbare Zu- stände. Als Programm des Herrn Kultusministers möchte ich be- zeichnen: den Hochschulen eine Organisation zu geben. bei welcher freie st e Selbstverwaltung unter Selbstverantwortlichkeit auf gesetzlicher Grundlage bei Förderung und rein sachlicher Aufsicht des Staates gesickert ist.(Bravo ! links.) Abg. v. Negeletn(k.) äußert Bedenken gegen die Errichtung einer Universität in Frankfurt a. M. Abg. Dr. Brütt(st.) wünscht, daß die Fakultäten ihre Vorschläge bei Besetzung von Professuren öffentlich machen und begründen, damit der Minister bei der Berufung ihre Gründe prüfen kann. Abg. Dr. Friedberg(natl.) schließt sich dem Wunsche auf AuS- dehnung deS SelbstverwoltungSrechtS der Universitäten an. Ein BerufungSrecht der Universitäten für Professuren existiert aber nicht; für die Berufungen hat der Herr Minister allein die Ber-- antwortung. Kultusminister v. Trott zu Solz betont, daß der Plan der Gründung einer Universität in Frankfurt an ihn noch nicht in aint- licher Form herangetreten sei. Jedenfalls werde es die Pflicht des Staates sein, solcher Absicht gegenüber nicht kurzwegnein* zu sagen.(Bravo I) Von dem Bedürfnis zum Erlaß eines Universttäts- geietzes habe er sich noch nicht überzeugen können. Dazu seien die historisch gewordenen Einrichtungen aii den einzelnen Universitäten zu verschieden. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Man hat den Universttaten den stolzen Namen freie Bildungsstätten für Lehrer und Lernende bei- gelegt. ES fragt sich, wieweit dieses Ideal in der Wirklichkeit erfüllt ist. Wir geben uns keinen Illusionen hin. wir wissen als Sozialdemokraten, daß in einem kapitalistischen Klassenstaat sich ein solches Ideal nicht erfüllen läßt. Schon die Frage der Dozentur ist eine Sache der Klassen, nicht der Allgemeinheit. Uni eine Dozentur erreichen zu können, bedarf eS natürlich eine» großen Geldbeutel». Aber da die Beschäftigung mit den Wissenschaften die eigentümliche Wirkung hat, die Köpfe und Herzen freier zu machen, beruhigt man sich noch nicht mit dem Gedanken, daß die wissenschastlichen Lehrer den besitzenden Klassen ent- stammen, sondern hält es für notwendig, noch besondere Vorsorge zu treffen, daß die Professoren die herrschenden Gewalten zu schützen haben. DaS preußische System ist auf diesem Gebiet sicher- lich daS d u r ch g e b i l d e st e. Ich erinnere nur an das Wöllnerjche Edikt unS an die Maßregelung der bekannten Göttinger Sieben im Jahre 1339. Ich erinnere daran, wie später das Wort Althofs� geradezu eine programmatische Bedeutung hatte. an desien Stelle dann daS Wort, Schwartzkopfs" getreten ist.(Heiterkeit.) Es könnte wirklich der Eindruck entsteben, als ob alles vergänglich sei, nur nicht dl» preußische Wötlnerei. DaS kleine Intermezzo Falk ändert daran nichts. Ich erinnere auch an die Lex Arons, jene» unglaubliche Gesetz, durch da» man unserem Parteigenossen das Lehren von Physik an der Universität Berlin unmöglich machte. In dem Urteil heißt es, daß die Pflichten der Lehrer an der Universität unvereinbar seien mit sozialdemokratische» Bestrebungen. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß der Zweck der Universitäten ist, Drillanstalteu zu sein für Fuuktionäre der gegenwärtige» Staatsgewalt. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Dagegen haben sich auf den alljährlichen Hochschultagen die Professoren schon selbst ge- wendet. Ich erinnere an den letzten Hochschullehrertag in L e i p- zig, wo von den Professoren v. A m i r a und den Gebrüdern Weber darauf hingewiesen wurde, daß die Universitäten nicht im Sinne anderer Unterrichtsanstalten aufgefaßt werden dürften, sondern daß sie in erster Linie der freien Forschung zu dienen hätten, und daß eS nicht ihre Aufgabe wäre. Diener für Staat und Kirche heranzuziehen.(Hört, hört! bei den Sozialdemo- traten.) ES bedeutet eine Degradation dieser bedeutendsten wissen- schaftlichen Anstalten de» Staate», wenn man ihnen Ausgaben zu» schreibt, wie sie im Urteil gegen Dr. Aron» enthalten sind.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Indessen ist diese Degrada- tion geradezu typisch für Preußen, denn die Verhältnisse in Süd- deutschland und Oesterreich sind ganz ander». Wer in Preußen noch an die Freiheit der Wissenschaft glaubt, auf den könnte man da» Wort anwenden: Ich glaube daran, weil es Un- sinn ist.(Heiterkeit und Sehr gutl bei den Sozialdemokraten.) Allerdings, eine Freiheit gibt e» auch in Preußen, aber da» ist eine Freiheit nach rechts. Es kann ein Professor noch so Volks- feindlich, ja. in unserem Sinne gemeingefährlich sein, er würde deswegen niemals seine Professur verlieren. Ich erinnere daran, daß man in Preußen sehr wohl ein Sanskritforscher sein und sich für den Absolutismus begeistern kann, daß man selbst gegen die WahlrechtSvorlage der Regierung Stellung nehmen kann, ohne deshalb in einen Konflikt mit der Staatsregierung zu kommen. Zur Belohnung dafür wird man Mitglied deS Herren­hauses und vermöbelt dort die WahlrechtSvorlage. Der Fall Arons beweist auf das deutlickste, daß eine wirklich freie Anschau« ung in Preußen nicht geduloet wird. An den Hochschullehrer» tagen pflegen norddeutsche Professoren nur in verschwindendem Maße teilzunehmen. Diese Organisation der Professoren ist von Oesterreich ausgegangen und hat sich über Süddeutschland ver- breitet, ohne in Noroeuischland Eingang zu finden. ES würde mich interessieren, zu erfahren, ob die Regierung in irgendeiner Weise ihren Einfluß auf die Professoren ausgeübt hat, dem Hoch- schullehrertag nicht beizutreten. Die preußischen Verhältnisse sind ja glücklicherweise nicht die deutschen Berhäliniffe. In Süddeutsch. land und vor allem in Oesterreich liegen die Verhältnisse gang ander» al» bei unS, wo ein kleinlicher Polizeigeist herrscht. In Wien dürfen die Professoren in sozialdemokratischen Organisationen Vorträge halten und der außerordentliche Pro- fessor Hartmann ist der Leiter des von der Sozialdemokratie dort gegründeten Volksheims. Er ist auch der Leiter der Volkshoch- schulkurse, an denen eine ganze Reihe von Professoren teilnehmen. Da» geschieht, ohne daß gegen die Professoren in irgendeiner Weise vorgegangen wird.(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Ig .Preußen dagegen feteni sign i>fl# i Prinzip der SkaalSraiso» und beurteilt nach diesem Prinzip auch die Wissenschaften. Spt- ziell der Abg. v. Zedlitz will diescS Prinzip der StaatSraison in der rücksichtslosesten Weise durchfuhren. Ich schließe aus einer solchen, scheinbar zweckmäßigen Auffassung über die Aufrecht- erhaltung der bestehenden Ordnung nicht nur eine Verkennung des Charakters der Entwickelung, sondern vor allem einen Beweis für die Unsicherheit des eigenen Standpunktes und für eine große Kurzsichtigkeit.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Um das Bild vollständig zu machen, erwähne ich noch bis Strafprofessuren und die Fäll« Bernhard und Mah- l i n g. Indessen wollen sich nicht nur der Staat, sondern auch andere Mächte jefct bei den Universitäten durchsetzen. Es ist von einem Nationalökonomcn gelegentlich der Standpunkt vertreten worden, daß die Universitäten ein Schuhwall sein müssen zwischen der Börse und ihren Feinden. Ein anderer Professor, ein berühmter Gelehrter, hat bekanntlich die Professoren als die wissenschaftliche Leibgarde der Hohenzollern bezeichnet.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Alles will heutzutage seinen Professor haben: die Flottenkreise ihren Flottenprofeffor, die kirchlichen Kreise ihre Theologen, die Börse ihre Börsenprofessoren und, nicht zu vergessen, die Land- Wirtschaft, die gern einen besonderen Tendenzprofessor haben und auf diese Weise die Universität zu einer Anstalt machen möchten, die ihren persönlichen materiellen Interessen einen wissen- schaftlichen Anschein verleiht. Daß das eine schnöde Herabsetzung jeder Wissenschaft ist, daß diese Tendenzprofessoren als höchst ver- werflich bezeichnet werden müssen, darüver herrscht nicht nur bei uns Sozialdemokraten eine Meinung. In Amerika geht man in dieser Richtung viel einfacher vor. Dort werden einfach von den Großkapitalistcn Lehrstühle mit bestimmten Anweisungen besetzt, die den Interessen der Kapitalisten entsprechen. Diese amerika. nisserte Wissenschaft ist auch in Deutschland nicht mehr ganz fremd. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Insbesondere ist das Be- streben der Landwirtschaft durchaus amerikanisch. Im übrigen habe ich zu meinem großen Erstaunen als etwas sehr Charakte. ristisches gehört, daß der Kultusminister den Standpunkt vertreten hat, als ob das amerikanische Beispiel in einem gewissen Sinne auch für uns vorbildlich sein kann.(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Ich kann nicht glauben, daß der Kultusminister bei diesem Wort gerade an die Lehrstühle der Großkapitalisten gedacht hat, weil ich nicht glauben kann, daß ein preußischer Kultusminister wünscht, die Universitäten noch weiterhin zu verschlechtern und sie zum Spielball des Privatkapitals zu machen. Wenn wir uns den Charakter, den gegenwärtig in Preußen die Universitäten haben, symbolisch vor Augen führen wollen, dann müssen wir an das be- kannte Mittelbild des Professors Kampfs denken, das in der König - lichen Bibliothek aufgehängt ist. Es ist eine grobe Geschmacklosig- keit. in dieser Bildungsanstalt die Vertreter der Wissenschaft vor dem Monarchen kahbuckelnd darzustellen, an einer Stelle, wo nur die republikanische Freiheit der Geister bestehen, wo nur der Gedanke der Forscherfreiheit herrschen sollte. Es ist das ein Symbol, das höchst charakteristisch für die Zustände in Preußen ist. Und wenn man sich dann im Lesesaal der Bibliothek umsieht, dann sieht man zweimal groß daS Wort.Theologie" geschrieben und auf der anderen Seite sieht man Friedrich den Großen, vor dem die Ge- lehrten katzbuckeln. DaS ist in der Tat eine Satire auf die Freiheit der Wissenschaft. Wir sehen in Preußen auch, wie die Professoren unter dem Einfluß der politischen Verhältnisse hin und her schwan- ken, wie z. B. Professor Winckelmann in seiner neueren Ge» schichte der Philosophie aus rein politischen Gründen eine Aende- rung vorgenommen hat. Es hat auch einmal tapfere Professoren gegeben, so die Jenenser Wartburg -Professoren und die Göttinger Sieben. Gegenwärtig ist die Zahl solcher Professoren außerordent- lich gering. In welcher Weise kann dem abgeholfen werden? Wir Sozialdemokraten sind uns darüber vollständig klar, baß Abhilfe nur geschaffen werden könnte, wenn eine vollständige Lehrfreiheit geschaffen, wenn die Universitäten zu Selbstverwaltungskörpern ge» macht würden, die sich als freie Bildungsstätte des Geistes fühlen, denen man die Möglichkeit geben muß, durch freie Wahlen fichzuergänzen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich bin der festen Ueberaeusiung, daß, wenn der Staat seine Finger überhaupt von den Universitäten weglassen würde, der Weiter- entwickelung der Wissenschaft gedient wäre. Der Abg. v. Liszt hat die Forderung nach einem UnivcrsitätSgesetz erhoben. Wir haben dagegen nicht» einzuwenden. Wir sind schon immer dafür gewesen, daß das, was tatsächlich besteht, auch gesetzgeberisch formu» liert wird. Die Aufhebung der Forsch ungSfreihett, di« Aufhebung der Selbständigkeit der Univer. f i t ä te n in bezug auf die Auswahl der Professoren und die E i n- fchränkung des VorkchlagSrechtS ist so weit vorgekchrit. ten, daß wir es begrüßen dürfen, wenn da» nun auch klipp und klar in einem UntbersitätSgeseh zum Ausdruck gebracht würde. Jener Artikel der Verfassung:Die Wissenschaftf und ihre Lehre ist frei". existiert ja schon lniigst nicht mehr und muß nur dazu herhalten» eine Freiheit zu beweisen, die in Wirklichkeit gar nicht existiert. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Eine grundstürzende Um- wälzung auf dem Gebiete der Universitäten würde auch das Cliquen- Wesen beseitigen, eine freie Demokratie und die Kontrolle durch eine hochgebildete, an der Wissenschaft interessierte Meinung würde von selbst alle Auswüchse beseitigen.(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Die Durchführung dieser Grundsätze wäre der Schutz gegen alle wissenschaftlichen Entgleisungen und gegen einen HauS» lnechtSparagraphen, wi« er gegenwärtig besteht. Die gegenwärtige Reglementierung der Universität erzieht nicht die Charakterbildung, sondern die Charakterlosigkeit und die Demoralisation. Der freie Stolz der Wissenschaft kann in Preußen nicht mehr bestehen. Be» zeichnend ist ja die Feindschaft, die man gegen die Berliner Univer- sität hat. Sie entspringt der Feindschaft gegen den Wasserkopf Berlin überhaupt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Na« türlich muß eine Universität in einer Weltstadt einen weiteren und offeneren Blick haben als irgendeine kleine Universität. Die Feind- seligkeit gegen den Frankfurter Universitätsplan dürfte zu einem großen Teil ähnlichen Gesichtspunkten entspringen.(Sehr richtig! links.) Die Verhandlungen in der Budgetlommission haben deutlich ergeben, daß man diese Universität vor allem deshalb nicht wünscht. weil man die Befürchtung hegt, dast bort eine Stätte wirklich freier Wissenschaft erstehen könnte. Ich möchte nur noch feststellen, daß der Minister sich in seinen Ausführungen über diesen UniversitätS- plan widersprochen hat. Er steht heute dem Plan wesentlich freund, licher gegenüber als in der Kommission. Der Andrang zu unseren Universitäten ist ein überaus starker. DaS ist nichts Schlimmes und nichts Verderbliches. Man fürchtet in gewissen Kreisen daS Gelehrtenproletariat außerordentlich. Wir freuen unS über dieses Gelehrtenproletariat wahrlich nicht. Wir wissen aber auf der anderen Seit«, daß man gegen das starke Eindringen der Bevölkerung auf den Universitäten nicht mit irgendwelchen künstlichen Vorrichtungen und Gewaltmaßregcln vorgehen soll. Im Grunde genommen find die Vorteile auö einem solchen starken Ansturm größer als die Nachteile. Die Vorteile kommen der Allgemeinheit zugute, di« Nachteile treffen nur den einzelnen. Im Grunde genommen handelt eS sich hier um eine wundervolle Erscheinung. Wir sehen ein gewaltiges Vorwärts» streben der breiten Massen des Volkes. Oft mit den größten Entbehrungen bemüht man sich, dem Erkenntnisdrang nachzu- kommen. Diese hungernden Intellektuellen sind ein Beweis da- für, daß im deutschen Volke trotz der beklagenswerten politischen Zustände, trotz aller reaktionären Mißwirtschaft noch ein Maß an Wissensdurst und Idealismus vorhanden ist, auf das wir stolz sein können.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) WaS ich für di« Dozenten feststellen konnte, trifft auch auf die Studenten zu. Eine gewaltige Barriere hat der Staat aufgerichtet gegen die Wissensdurstigen der unteren Gesellschaftöschichten. Deshalb privilegiert man nun in der WahlrechtSvorlage die Abiturienten,«in privi- legium ocliosum(anrüchiges Vorrecht) in des Wortes wahrster Bedeutung. Eine Abhilfe kann da nur geschaffen werden, wenn WM dsS Ttudium aij hm MipexfUäö» kbmjo wie den Unter«