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richt an den Weren Lehranstalten nach Möglichkeit unentgeltlich gestaltet. Die heutigen Stipendien sind ein Tropfen auf einen heißen Stein. Ueberhaupt ist das Studium in Preußen überaus teuer. In Oesterreich   kostet es nur halb soviel. Daraus müssen »vir den Anlaß schöpfen, mit allem Nachdruck an den Ausbau von Einrichtungen heranzugehen, die auch die Minderbemittelten in den Stand setzen, ohne allzu große finanzielle Aufwendungen auf der Universität zu studieren.(Sehr gut! bei den Sozialdemo- traten.) Nun zur freien, voraussetzungslosen Wissenschaft! Wir wer» den uns alle aus unserer Studentenzeit die Erinnerung an große überschäumende Worte bewahrt Hab». Heute gibt es die voraus- fetiungSlose Wissenschaft leider nicht mehr. Man wird auch in unser» Studentenkreiscn vergeblich suchen nach großen, alles um- fassenden Gedanken, nach dem Idealismus begeisterter Wahrheits- sucher. Die Studenten sind anders geworden, �ch erinnere daran, in welcher Weise die Studenten in die Politik einzugreifen pflegen. Ich denke da vor allem an die Neichstagswahl von 1g(>7. Neuer- dings wieder hat die Universttät Halle ein Beispiel gegeben, daS auf das schärfste mißbilligt werden mutz. In ganz offener Weise ist dort durch einen Anschlag am schwarzen Brett vom Rektor der Halleschen Universität bekannt gemacht worden, daß der Tag der Rcichstagscrsavwahl in Halle ein dies academicus(freier Tag) sei. Und der Rektor gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Stommili- tonen bei den allgemeinen ReichstagSwahlen alle Kräfte einsetzen würden, um zum Gelingen einer schöne» Wahl beizutragen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) DaS ist ein unerhörter Mißbrauch der Rektoratsgewalt. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Nun, dem Herrn sind die Felle weggeschwommen, unsere Genosien haben dem Rektor eine wohlverdiente Blamage verschafft, indem der sozialdemokra- tische Kandidat siegte.(Sehr gut! be» den Sozialdemokraten.) DaS Lied vom freien Bursch existiert in Preußen längst nicht mehr. Wir haben im Gegenteil an den Universitäten jenen Korpsgeist, der fetzt auch von den herrschenden Klassen als lästig empfunden wird. Ich brauche nur auf das Korps Borussia in Bonn  hinzuweisen. Es war erfreulich, daß sich dort ein Rektor fand, der den Mut gehabt hat, in das Wespennest hineinzugreifen und das Korps zu suspendieren. Trotzdem aber das Korps Borussia susvendiert war, fanden sich zu dieser Zeit bei diesen randalie- renden jungen Leuten zwei Mitglieder des königliche» Hauses alS Gäste ein.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wenig er­freulich ist auch die Haltung, die andere Behörden gegenüber diesem tapferen, heldenhaften Rektor eingenommen haben. Es ist bekannt, daß man diesen Rektor vor allem von der Militärbehörde bohkot- tiert hat, nur weil er die Autorität seines Amtes diesem randa» lierenden Korps gegenüber gewahrt hat.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Es ist mir auch sehr zweifelhaft, ob dieser Rektor schließlich siegen wird, denn die Mächt«, dir hinter dem Korps Borussia stehen, sind mächtiger als alle preußischen llniver» sitätcn zusammen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Trotz des sehr bschränkten Kreises, innerhalb desien sich Üie Studenten bewegen dürfe», sehen wir, daß die Staatsbehörden gegen Studentenorganisationen einschreiten. DaS ist in Berlin  und in Marburg   geschehen. Die Freie Studentenschaft  und die Sozialwissenschaftlichen Studentenver- eine sind aufgelöst worden. Man hat Vorträge verboten, die von sozialpolitisch mißliebigen Personen gehalten werden sollten. Ich kann dieses Vorgehen nur als beschämend bezeichnen.(Sehr rich- tigl bei den Sozialdemokraten.) Man sieht, daß das Ziel unserer Universitäten nicht ein pädagogisches ist, nicht auf die Hebung der Charakterbildung der Studenten hinausläuft, sondern daß es viel- mehr das Ziel ist, daS Rückgrat zu biegen und den Charakter zu brechen. Auch hier könnte uns Oesterreich   als Borbild dienen. Dort wird der Freien Vereinigung der Studenten, einer ausge- prägt sozialdemokratischen Organisation, nicht die geringste Schwierigkeit bereitet. Der Wiener   Rektor und Senat haben dieser freien Vereinigung im vergangenen Jahre zu einer Marx-Feier sogar den großen Hörsaal der Wiener   Unwer- sität zur Verfügung gestellt.(Hört! hört! bei den Sozialdemo- rraten.) Und die Wiener Universität   und der österreichische Staat bestehen noch! Welch schreiende Unkenntnis in den herrschenden Kreisen über die wichtigsten Vorgänge auf politischem Gebiet herrscht, beweist die Aeußcrung eines Offiziers, der studiert haben will und der auf die Frage, ob der berühmte Oldenburgsche Leutnant mit fernen zehn Mann den Reichstag auseinandertreiben dürfte, antwortete:Selbstverständlich, es wird mir nicht» ein größere» Vergnüge» machen, als einmal tüchtig in die Quatsch- löpfr zu fahren."(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten. Heiter- keit rechts.) Ihr behagliches Lachen zu dieser Bemerkung beweist mir, wie angenehm Ihnen ein solches Wort ist. Verwerflich ist nach wie vor, daß die preußische Regierung die Papiere der russischen Studenten nach Möglichkeit der russischen Regierung zu» gänzlich macht. Auch wenn die russischen Studenten noch recht- zeitig verzichten und sich abmelden, wird ihnen da» Stigma der Ausweisung in die Papiere geschrieben. DaS ist eine Schikane, die äußerste Empörung erregen muß.(Sehr richtig! bei den So- zialdemolraten.) Der Verteuerung der Gebühren stehen wir natürlich feindlich gegenüber. Den Wünschen auf Errichtung von Lehr- stühlen für Genossenschaftswesen und koloniales Recht und auch für die Luftschiffahrt stimmen wir natürlich zu. Wir haben aber noch weitergehende Wünsche. Ministerialdirektor Althoff hat es einmal als feine Aufgabe bezeichnet, daß auch die Minoritäten zum Wort kommen. Eine solche Minori. tat innerhalb der wissenschaftlichen Welt ist heute noch, wie lange weih man ja nicht, die marxistische Schul« der Notio- nalökonomie und der Geschichtsphilosophie. Ich möchte anheimgeben, ob da nicht ein Entgegenkommen möglich ist. Selbst Gegner der marxistischen   Schule haben es als unwürdig und beschämend bezeichnet, daß sie gegen eine Lehr« polemisieren muffen, Jn« grundsätzlich von den Universitäten ausgeschlossen ist. (Hört! Hort! bei den Soz.) Freilich wird noch geraume Zeit der. gehen, bis Preußen seine Pflicht erfüllt. Wir verlangen auch be- sondere Lehrstühle für Lrdeiterrecht, die ein dringendes Bedürfnis in der gegenwärtigen Zeit sind. Den scharfen Worten dcS Professors v. Liszt   gegen die Bibliotheks. gebühren schließen wir uns an. Bedauerlich ist nur, daß Professor v. Liszt   am Schlüsse mit seiner Bemerkung diesen Gebühren da- durch ein« Brücke baute, daß er auch die Heranziehung der Pro- fessoven zu ihnen verlangte. Diese Erhöhung der Gebühren be- deutet weiter nichts als eine Verteuerungdes Studium». Es mag sein, daß das gerade die Absicht der StaatSregierung ge« Wesen ist, denn sonst könnte man sich kaum vorstellen, wie ein so ge- waltiger Staat wie Preutzen dies« paar tausend Mark nicht anders aufbringen sollte. Dieses Vorgehen ist ein beschämendes Zeichen für die Knauserigkeit an einer Stelle, an der nicht geknausert werden darf. Hervorgehoben mutz auch werden, daß die Staats- regierung mit der Einführung dieser Gebühren nicht gewartet hat, bis dieses HauS darüber entschied, sondern eigenmächtig am 1. April die AibltvthekSgebühren eingeführt hat.(Hört! hört! links.) Vom Standpunkt des parlamentarischen Budgetrechts verdient dieses Borgehen schärfste Mitzbilligung. Auch die BolkShochschul- bewegung wiN> bei uns noch nicht so gefördert wie anderswo. Ein nachahmenswertes Vorbild gibt auch hier die Wiener   Uni- bsrsität. Das ausgesprochen sozialdcmakvatische BolkSheim er- hält dort für Volkshochschulkurse von der österreichischen   Regierung eine jährliche Subvention von 2000 M. und auch der von der So- zialdemokratie geleiteten Freien Volksbühne wird«ine Subvention gewährt. So verfährt die österreichische Regierung und ihr Boden ,st noch nicht ins Wanken gekommen! Bei einer anderen Haltung unserer Regierung würden auch viele Privatdozenten an solchen VolkShochschulkurscn teilnehmen. Aber diese Privatdozenten wer- den ja von der Sozialdemokratie nach allen Richtungen fernge­halten, als ob das ein unverzeihliches, todeswürdiges Verbrechen n>äre. In Süddeutschland   weiß man sich auch hier frei von preußischer Engherzigkeit. Der Minister sagte, es sei bisher ohne ein Universitätsgesetz gegangen und es werde auch in Zukunft ohne ein solches gehen. Das ist ein mehr als bequemer Standpunkt Dann könnte man auch sagen, daß es bisher mit dem Drei- klassenwahlrecht gegangen sei und daß nun nichts werter geändert zu werden brauchte. Di eAenderungen werden kommen, auch wen» der Minister sie nicht will.(Sehr richtigl bei den Soz.) Ich begreife ja, daß der Kultusminister die gegenwärtige Situation nicht aufgeben will. Das große Gebiet der Unterrichtsverwaltung ist ja jetzt jeder Kontrolle entzogen und dieses Stück Absolutismus  möchte natürlich der Minister behalten.(Sehr richtig! bei den Soz.) Wen» die preußische Regierung nicht bald energisch Hand anlegt an eine Besserung der Rechtsverhältnisse der Dozenten und Stu- denten, an eine Besserung auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung überhaupt, dann wird die gewaltige Strömung auf Besse- rung dieser Verhältnisse im Volke eine solche Kraft annehmen, daß die RegieruiiA und die Mehrheitsparteien ihr nicht mehr werden widerstehen können. Wenn man unsere gegenwärtigen wissenschast- lichen Verhältnisse in Preußen betrachtet, dann empfindet man förmlich Sehnsucht nach einem neuen Wartburgfcst, das aufräumt mit dem alten Gersimpcl und Gemäuer. Das Volk hat sich eigene Bildungsstätten geschaffen» Bildungsstätten in größter Zahl. Ein Volk, das in dieser Weise das lebendige Bedürfnis nach wissenschaftlicher Freiheit hat, einem solchen Volke kann man auf die Dauer mit Kutten das Licht der sonnigen Höhen der Kultur nicht verschließen.(LeWjafteS Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Gyßling(Fortschr. Vp.) wünscht einen Lehrstuhl für deutsche Ordensgeschichte an der Universität Königsberg. Abg. Dr. Bell(Z.) fordert eine Reform des juristischen Stu- diums. Die Abgg. Strisser(k.) und Graf Henckel   v. Donnrrsmarck(Z.j wünsche» eine Erweiterung der Räumlichkeiten des Breslauer land­wirtschaftlichen Instituts. Abg. Dr. Hauptmann(Z.) bedauert es, daß in Bonn   junge Leute, die den gebildeten Kreisen angehören, sich zu solchen Exzessen hinreißen konnten. Von Witz sei da nichts mehr zu be- merken geivesen, wohl aber von Roheit.(Zustimmung.) Abg. Hintzmann(natl.): Auch ich muß bedauern, daß innerhalb der studentischen Jugend nicht mehr Sinn vorhanden ist für das. waS wohlanständig ist.(Zustimmung.) Das Haus vertagt die Weiterberatung auf DienStag 11 Uhr. Schluß b Uhr._ Em   der Partei. Zur Maifeier. Verbote von Umzügen sind noch zu verzeichnen in O e l S n i tz(Sachsen  ), Aken  , Bochum  , Flensburg  , Hau- nover, Helmstedt   und M ü h l h a u s e n i. Th. Genehmigt wurde der Umzug in F ü r t h i. B. Genosse Paul Singer in der Besserung. Wir können unseren Genossen die erfreuliche Mitteilung machen, daß die schwere Augen- erkrankung de« Genossen Singer so weit behoben ist, daß er Mittwoch das Sanatorium verlassen kann. Die weitere ärztliche Be- Handlung findet alsdann in seiner Privatwohnung statt. Parteiliteratur. Im Verlag von Landgraf u. Co.(Verlag derDolkSstimme') zu Chemnitz   erschien soeben: Dir Reform der Arbeitcrvcrsicherung von Robert Schmidt, Mitglied de« Reichstages. 32 Seiten. Preis IS Pf. Die Schrift behandelt den Entwurf der ReichSversicherungS- ordnung. Sie ist zur Massenverbreitung bestimmt. Deshalb will sie nicht eine erschöpfende Kritik an dem Entwurf liefern, sondern nur in der knappsten und klarsten Form in das Verständnis der Grundzüge des Entwurfes und der Hauptstreitfragen in der Arbeiter- Versicherung einführen. Im Verlage der Wiener   Volksbuchhandlung, Jgnaz Brand u. Co., Wien  , ist soeben erschienen: Der Sozialismus und die Jntrllektuellea. Bon Dr. Max Adler  . 79 S. Preis 1 M. Das Buch ist in folgende Kapitel gegliedert: Die Idee der Nationalkultur. Die Erweckung des Proletariats. Die Intellektuellen im Gefolge der Bourgeoisie. Studenten und Arbeiter. Bürgerliche Schranken des Berständnisie». Der Blick auf daS Ganze. Der theoretische Geist deS modernen Sozialismus. Der Kulturzweck de? Sozialismus. Dre Subalternisierung der geistigen Arbeit. Die Resignation der geistigen Arbeit im Kapitalismus  . Unsere Aufgabe. Im Vorwort sagt der Verfasser u. a.: .. da» gilt es zu erkennen, und dies ist der Zweck der nach- folgenden Ausführungen: das Klasseninteresse der Intellektuellen, sofern überhaupt der ökonomische Klassenbegriff auf diese gewisser» maßen zwischen den Klassen stehende Gruppe angewendet werden darf, ist schließlich weder ein bourgeoiseS, noch ein proletarisches, sondern ein kulturelles.... ... es ist der Zweck dieser Schrift, darzutun, daß der ökono- mische Appell an das Jntelligenzproletariat, das heißt die Be- rufung auf ökonomische Interessen, welche die geistigen Arbeiter ebenso in da» Lager deS Sozialismus führen müßten wie die industriellen Arbeiter, von sehr zweifelhaftem propagandistischen Werte ist. abgesehen davon, daß dabei ganz mißverstanden wird. wie der Sozialismus auch bei den Lohnarbeitern mit seinen ökonomischen Forderungen durchaus eine nicht bloß materiell« Ver- besserung ihres LoseS anstrebt. Ich verkenne nicht im geringsten, daß der Begriff des JntelligenzproletariatS eine täglich wachsende reelle Bedeutung gewinnt. Allein ich mein«, daß die rein ökono- mische Jnteressierung der Intellektuellen für den Sozialismus hier eine ganz andere ideologische Bedeutung hat als bei den indu- striellen Arbeitern, derzufolge sie gar nicht bis zu den eigentlichen sozialistischen   Endzielen reicht. Der Arbeiter setzt mit dem Kampf um besser« Lebensbedingungen allein schon e,n Stück Kultur; denn er kann diesen Kampf erfolgreich nur führen, indem er seine physische und psychische Vereinzelung in einer bewußten Klassen- Vereinigung überwindet, mit welcher, wie wir sehen werden. gleichzeitig«ine geistige Erweckung untrennbar verbunden ist. Da» gegen bedeutet das Streben nach einer angemessenen Lebenshaltung bei den bereits in irgendeiner Form geistiger Betätigung lebenden Intellektuellen an und für sich keine wie immer geartete Erhebung ihres Kulturniveaus. Gerade weil die bloße Lohn- und Brot- frage auch für die Intellektuellen immer aktueller wird, ist es hier doppelt angebracht, ja zur Verbreitung sozialistischer Ueberzeugung sogar nötig, auS dem wissenschaftlich begriffenen Wesen des Sozialismus darzutim. daß er eben mehr ist als eineMesser- und Gabelfrage". Sonst läuft man nur Gefahr, an Stelle eines wirklichen Verständnisses des modernen Sozialismus und einer inneren Beziehung zu ihm Motive einer fast zünstlerischen Jnter- essenpolitik gu setzen, die überdies, worin ich mit Adolf Braun  vollständig ubereinstimme, gerade die Sozialdemokratie weniger als irgendeine andere bürgerliche Polihk wahllos befriedigen kann.*) Der Standpunkt, der das Endziel zurücktreten lassen will hinter einer seltsamerweise von ihm abtrennbaren Bewegung, be- deutet schon für oaS Industrie-Proletariat ein Bleigewicht sür jeden geistigen Auftrieb und das sichere Grab aller revolutionären Ge- sinnung. die nur dadurch psychologisch möglich wird, daß die Ge- *) Die Intellektuellen und die Politik,»Neue Zeit".«XVII. S. Keite mäi« 4 müter nicht länger mehr in derselben Welt leben, in der ihr« Leiber noch niedergehalten sind. Für die Schichte der Jntellek« tuellen würde dieser Standpunkt aber noch ärgeres bedeuten, nämlich die Unmöglichken auch nur des ersten Anfanges eines- sozialistischen Gr.ftes, der gerade hier, wo so viele traditionelle und ökonomische Beziehungen zur bürgerlichen Welt bestehen, den radikalen geistigen Bruch mit der alten Welt voraussetzt, den nur dt? Perspektive auf das Endziel und die Erkenntnis der Art seiner geschichtlichen Notwendigkeit bewirken kann... Sozialistische Blinden  -Literatur. Soeben ist erschienen: Die Neue Zeit", Organ zur Pflege sozialistischer Weltanschauung unter den Blinden deutscher Zungen. Erster Jahrgang Nr. ö. Das Blatt hat folgenden Inhalt: Der wissenschaftliche Sozialismus vou P. R. Fortsetzung. Wo liegt daß Recht? von W. S. Ein kultur- geschichtliches Dokument von Arnsteide. Ein EntwickelungSroman von P. R.   Notizen. Der AbonnemenISpreiZ beträgt bei viermaligem Erscheinen pro Jahr 2,40 M. für Deutschland   und Oesterreich-Ungarn  , für die übrigen Staaten 3 M. Anfragen und Bestellungen sind zu richten an A. Mendt, Berlin   N. 39, Spcengelstr. 1. Die Parteigenossen werden gebeten, alle ihnen bekannten Blinden aus das Blatt aufmerksam zu machen. ReichStagskandidatur. In der KreiSparteiversammlung deS neunten sächsischen Reilbstogswahlkreises Freiberg  -Hainichen   wurde am Sountag Genosse Wendel- Frankfurt a. M. einstimmig als Reichslagskandidat aufgestellt. Eine Wahlkreiskonferenz für Elbing-Marienburg fand am 24. April in Elbing   statt. 14 Genossen und eine Genossin nahmen daran teil. Die Tagesordnung umfaßte die Punkte: Arbeitsplan für das nächste Halbjahr; Gründung einer West- preußischen P a r t e i z e i t u n g und Durchführung des Schnapsboykotts. Zum ersten Punkt hatte Genosse Schröder- Elbing, zum zweiten Genosse C r i s p i e n- Danzig das Referat übernommen. AuS taktischen Gründen verbietet sich vorerst die Wiedergabe der Beschlüsse. Sie dürften indessen für die Entwickelung der Parteiverhättnisse im Elbinger Wahlkreise von wesentlicher Bedeutung sein. 400 000 Abonnenten! Unser in Girard(Kansas  ) erscheinendes, in der ganzen Union  verbreitetes Parteiwochenblatt.Appsa! to Reason"(Aufruf zur Vernunft") hat eS zu Anfang April aus eine Auflage von 4S7 800 und einen Aboniientenstand von 400 367 gebracht. DaS Blatt, daS seit dem 31. August 1896 erscheint, zählte am 1. Juli 1909 erst 280 663 Abonnenten, hat also in neun Monaten nicht weniger als 120 000 gewonnen. Den gewaltigen Aufschwung ver- dankt eS wohl in der Hauptsache seinem mit schwerem Beweisgeschütz unternominenen mächtigen Ansturm gegen die Tyrannei und Kor- ruption der Bundesjustiz, dir heute zum gefährlichsten und scheinbar unangreifbarsten Werkzeug des Kapitalismus geworden ist. Unser Parteiblatt feiert seinen Erfolg mit amerikanischem Humor in der Darstellung eines Boxkampfes, in demAppeal  " seine Gegner. lauter BundeSrichter, niederstreckt oder in die Flucht schlägt. Es schreibt:Der Kapitalismus   nimmt seine letzte Stellung ein. Milwaukee, die Vorgänge im Kongreß, Philadelphia   und andere Dinge zeigen, wie schwach eS um seine Verteidiger bestellt ist. Schafft demAppeal  " immer neue Heimstätten, und in dem Ver» hältnis, in dem ihr Abonnenten gewinnt, beschleunigt ihr die Herbei« sührung der sozialistischen   Gesellschaft!" Glück aus zu»euer Auf« klärungS» und Kampfesatbeit! Jugendbewegung. Low Polizcitampf gegen die Jugendorganisationen. Die freie Jugendorganisation Charlotten» bürg hatte für Sonntag, den 24. April, die polizeiliche Ge» nehmignna zu einer Versammlung unter freiem Himmel aus dem Spielplatz am Königsdamm in der Jungkern» Heide nachgesucht, in der die arbeitende Jugend durch ein Referat auf die Bedeutung der Jugendorganisation ousinerksam gemacht werden sollte. Die Genehmigung war auch erteilt worden, indcS mit der seltsamen Einschränkung,unter der Voraus- fetzung, daß gemäߧ 17 des ReichSvereinSgefetzeS vom 19. April 1908 Personen unter 13 Jahren an der Ver» sammlung nicht teilnehmen". Diese Bedingung ist un» gesetzlich, da der fj 17 sich lediglich auf politische Versamm» lunaen bezieht, die von der Jugendorganisation einberufene Versammlung aber unpolitisch war. Daher hoben denn die Jugendlichen CharlottenburgS sich an diese gesetzwidrige Be» dingung nicht gekehrt. Um v Uhr wurde die Versammlung abgehalten, ohne daß man sich um die zahlreichen Spitzel in der Nähe kümmerte. Mit einem Hoch nus die freie Jugendbewegung wurde ge- schlössen und darauf in den schon eifrig gepflegten Spielen fortgefahren. Die Polizei, die durch einen Leutnant, einen Wachtmeister, zwei Schutzleute und zwei Polizeihunde(I) vertreten war, hatte alles ruhig geschehen lassen. Plötzlich aber, mitten im Spiel, trat sie in Aktion, stellte den Redner fest und griff au« der Menge wahllos eine Anzahl junger Leute, darunter auch ein junges Mädchen, heran» und stellte die Namen fest. Die Jugend ließ sich durch diesen Zwischenfall im weiteren Spiel nicht stören. Zu welchem Zweck die Feststellungen erfolgten, wird man wohl bald erfahren._ Huö der Frauenbewegung. Frauenelcnd in Amerika  . Soweit daS goldene Reich des Kapitalismus, soweit rSkcht auch daS grausame Elend der zu seinem Dienste verurteilten Ar» beitSsklavcn. Und die Frauen, das Objekt gefühlvoller Reden christlicher oder freisinniger Volksfreunde, trifft eS am härtesten. Nicht zuletzt in Amerika  , dem Lande der höchsten kapitalistischen  Machtentfaltung und rücksichtslosester Ausbeutung ungeschützter Menschen. Ob im hochentwickelten alten Osten, ob im rückständigen Süden, in den segensschweren Gefilden des Westen?: überall das gleiche Bild.. So berichtet der Chicago   Daily Socialist über die dortige, fast ausschließlich weibliche Arbeitskräfte beschäftigende Weiß. waren industrie. Wir hören da von Büglerinnen, die ein 7 Pfund schweres Eisen 10 Stunden täglich handhaben. Mit dem Bügeln von täglich 840 Korsettüberzügen verdient die eine wöchent» lich 6�, mit dem Plätten von täglich 40 Dutzend Unterröcken die andere 8V4 Dollar. Beide sind Wittwen, die Kinder zu ernähren Haben. Ein Dollar ist zwar--- 4.20 Mark, bedeutet aber bei dem dortigen Geldwert, besonders seit den letzten riesigen Preissteige- rungen, nicht mehr als etwa 2 Mark bei uns. Eine Näherin. die einen alten Vater in Rußland   unterstützt, verdient mit dem Aufnähen von 1 Dutzend Knöpfen immer einen Cent(100 C.~ 1 D.). Eine andere verdient mit dem Einfassen von täglich 84 Dutzend Korsettüberzügen b Dollar die Woche. Und so fort für 200 Arbeiterinnen derselben Fabrik. Vom Lohn gehen die hör- renden Abzüge ab: Täglich 7 C. für Benutzung der elektrischen Triebkraft; für eine gebrochene Nadel 2, einen zerrissenen Riemen 10. eine gesprungene Feder v C. Zuspätkommen, sei eS um wenige Minuten, wird mit 10 C. gebüßt. In einer anderen Abteilung verdienen die ganz jungen Arbeiterinnen im Wochenlohn 3. 3Vi und 4 Dollar I AuS Milwaukee, der Stadt der Riesenbrauereien und der starken Brauereiorganisation, berichtetMutter Jones", die im Auftrag des Internationalen Brauerverbandes die Zustände in den Flaschenbierabteilungen der Brauereien unter» sucht hat: Bei schwerer Arbeit, in solcher Nässe, daß Kleider und Schuhe am nächsten Tag noch nicht trocken sind, schleppen aus- SÄuggexte MM«! Kistcn VW   100=159.Pfund. Der Lohn