Dr. 97. 27. Iahkglwg.i KcilM i>cs JmiüWf Krlim lolblilnttMitt«l>ch. 27. Jprfl 1910.flußcrordentlkljer Kongreßder Gewerhhßaften Deuticßlands.Berlin. LS. April 1910.Zweiter Tag.Am heutigen zweiten und letzten Verhandlungstage erstattetzunächstLrsche-Hamburg das letzte noch ausstehende Referat über dieHinterbliebeaenversicherung.Er führt aus, daß die öffentlich rechtliche Arbeiterversicherung inDeutschland von Anfang an in engstem Zusammenhang stehe mitAusnahmegesetzen und mit der Jnaugurierung der Volks»ausplündernden Zollwucherpolitik. Um das Boll daniber zutäuschen, habe Bismarck seinerzeit die ersten Arbeiterversicherungs«geseye vorgeschlagen. Genau so gehe es heute, wo nach derunglaublichen Verteuerung der Lebensmittel und nach den beidengrasten Schröpsungen des Volkes durch die Finanzreformen vonIgOS und 1909 den Arbeitern unennestliche Summen geraubt wordenseien und ihnen nun durch die Witwen- und Waisenversicherung einPflaster ausgelegt werden solle. In Wahrheit werde eine Witwen-Versicherung gar nicht vorgeschlagen, sondern nur eine Witwen-Invalidenrente und eine Wilwenkrankenrente. Das einzig Wesentlichean dem Eniwurs sei höchstens die Waisenrente, die ohne Nachweis derBedürftigkeit und ohne Vorliegen der Invalidität gewährt werdensolle. Wolle man die Witwen- und Waisenversicherung zu einem wirklichsozialen Institut ausbauen, so seien bedeutend gröstere Reichszuschüssenotwendig als bisher. In einem Etat von Milliarden musttensich mehr als 60 Millionen als Zuschüffe zur Arbeiterversicherungfinden lasten. Jetzt werde durch die Witwen- und Waisenversicherungdie Reichstaste gar nicht belastet werden, weil man an der Invaliden�rente und an der Rückzahlung der Beiträge von Frauen, die sichverheiraten, die Summen sparen werde, die dafür nötig seien.Möchten doch die Unternehmer die 60 Millionen, die sie für dieKrankenversicherung mehr zu zahlen bereit find, lieber der Invaliden-Versicherung zuwenden. �Lebhafter Beifall.) Zum Schluß legtRedner folgende Resolution vor:.Die nach der Reichsversicherungsordnung geplante Hinter-bliebenenversicherung bedarf einer durchgreifenden Ausgestaltung.Der Kongreß fordert:1. Gewährung der Witwenrente an alle Witwen der ver-sicherten.2. Zahlung der Waisenrenten in allen Fällen, ohne Stück-ficht aus die Frage der Bedürftigkeit, unter Gleichstellungder unehelichen und ehelichen Kinder.S. Die Höhe der Rente soll in jedem Falle die Gewährbieten, daß die Rentenbezieher nicht der öffentlichen Fürsorgeanheimfallen.4. Ausbau der freiwilligen Zusatzversicherung, so daß sieauch für die Hinterbliebenen nutzbar wird.b. Gleichstellung der Hinterbliebenen eines Ausländers mitdenen der Inländer und zwar auch dann, wenn ihr Wohnsitzsich im Auslande befindet.Wahl der Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber indirekter und geheimer Wahl auf Grund deS Verhältniswahl-systemS. Aktives und passives Wahlrecht für alle Versicherten ohneUnterschied deS Geschlechts und der Staatsangehörigkeit.-Damit find die Referate erledigt. Auf Vorschlag von PaulMüller-Hamburg wird in dem PaffuS über die llnfallverficherungdie Forderung nach Gleichstellung auch der staatlichen, kommunalenund seemännischen Arbeiter aufgenommen. Such sonst schlagendie Referenten einige formelle Lenderungen an dem Wortlaut derResolutionen vor.ES erhält dann zunächst der Vertreter der gentralkrankenkassenTimanowSki« Berlin daS Wort. Er erklärt, daß die Kranken«kaffen narürlich der Vorlage den schärfften Widerstand entgegensetzen,aber im Augenblick von der Einberufung eines allgemeinen Lkranken-kaffentages abgesehen haben, weil sie eine umfangreiche Petition anden Reichstag vorbereitet und abgesandt hätten. In der nächstenZeit sollten OrtS- und Provinzialkonfcrenzen stattfinden und ein all-gemeiner Krankenkassentag werde sich vielleicht vor der zweiten LesungdeS Entwurfs im Reichstagsplenum notwendig machen.Witt-Bochum begründet einen Antrag, die KuappschastSkasten-Verhältnisse unter Aufrechterhaltung ihrer historischen Besonderheit reichsgesetzlich zu regeln. Dte Bergarbeiter ständen untereinem Ausnahmegesetz, insofern ihre Versicherungsrechte nur landen-gesetzlich geregelt seien. Daher komme eine ungeheuere Zersplitterungde« KnappschaftSweienS in über 130 Knappschaftsvereine, deren Mit-gliederzahl zwischen 3 und 34SOOO schwanke und dte im Eintritt»-aeld, den Beiträgen und Leistungen außerordentlich verschiedenseien. Alle Rechte in der KnappschastSversicherung haben dieUnternehmer, da die Arbeiter vielfach ihre Beisitzer noch in. Nilhelm Krache.f 27. April 1880.„Wir pfeifen auf daS Gesetz", diese drastische Aeuherung, wo-mit wir die tiefste Mißachtung gegen das Sozialistengesetz bekun-deten, war unter seiner Herrschaft längere Zeit in Parteikreisenförmlich sprichwörtlich. Sie klang nicht sehr parlamentarisch, waraber doch zuerst an keiner geringeren Stätte gefallen, als im Deut-scheu Reichstage. Der Mann, der sie dort laut werden ließ, wareiner unser verdientesten Vorkämpfer: Wilhelm Bracke. Seinerwollen wir heute anläßlich seines dreißigsten Todestages gedenken.Nicht dem arbeitenden Volke war er entsprossen, er gehörte viel»mehr seiner Geburt und Erziehung nach der Bourgeoisie an. MSSohn des Inhabers einer großen Getreidehandlung in Braunschweigwurde er dort am 29. Mai 1842 geboren. Den Verhältnissen ent-sprechend erhielt er eine gute Schulbildung und besuchte dasCollegium Carolinum. Sein Lehrer. Professor Aßmann, bczeich-nete ihn später vor Gericht als einen seiner besten Schüler, dersich durch großen Eifer, seltene Beanlagung und gründliches Stu.dieren auszeichnete. Dem Wunsche der Seinen gemäß entschloß ersich zum KaufmannSstande und trat in das Geschäft seines Vatersein. um später dessen Mitinhaber zu werden. Hätte er sich aus-schließlich diesem Beruf gewidmet, so hätte er zeitlebens behaglichund in Freuden leben können. Aber Gerechtigkeitsgefühl und Frei.heitsdrang führten ihn der noch sehr in den Anfängen begriffenendeutschen Arbeiterbewegung zu. 1865 trat er in den von Lassallegestifteten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein ein und wurdesehr bald in Parteikreisen bekannt. Er war jetzt ein Zwanzigeran Jahren, von hoher magerer Figur mit schmaler Brust, kleinemKopfe und kurzem Backenbarte, sprach stark norddeutschen Dialekt.war in seinem Wesen gemütlich und gefällig, zuweilen von schall-haftem Humor. Er war ein guter Redner und besaß hochgradigorganisatorisches Geschick. Auch schriststelleris chwar er tätig und be-kündete sich manchmal dichterisch. Sein uneigennütziges Streben, dieLauterkeit seines Charakters, sein Opfermut, seine große Energieund Arbeitskraft machten ihn zu einem vorzüglichen Mitkämpfer,erwarben ihm übrigens auch in weiteren Kreisen Achtung. Eigen-«tig war sein Selbständigkeitsgefühl, welches ihn verhinderte, über-all ohne weiteres den Führenden durch Dick und Dünn zu folgen,ßHtt vielmehr so manchesmal seine eigenen Wege gehen lieh.öffentlicher Wahl wählen müssen. Selbst da, wo Arbeiter undUnternehmer in gleicher Zahl vertreten seien, greife die Regierungregelmäßig zugunsten der Unternehmer ein. Deshalb müsse endlichdas Reich die Rechte der Bergarbeiter in der Knappschnftsversicherungsicherstellen. Der Christliche Gewerkverein hätte die Pflicht gehabt,gerade hier für die Rechte der Bergarbeiter Stellung zu nehmen.Statt dessen tue er sich in der.Gesellschaft für soziale Reform" mitdem früheren Handelsminister v. Berlepsch zusammen, der imJahre 1394 2000 Snarbergleute aufs Pflaster geworfen habe, nurweil sie es gewagt hätten, von ihrem Äoalitionsrecht Gebrauch zumachen. Das Zusammengehen mit solchen Leuten kennzeichne dieSozialpolitik der christlichen Gewerkschaftler. Die freien Gewerk-schaften hätten keinen Grund, ihr Fernbleiben zu bedauern, dennihre ganze Tätigkeit auf knappschastlichem Gebiete sei nichts weiterals fortgesetzter Arbeiterverrat gewesen.(Lebhafte Zustimmung.)Z a ffke- Hamburg begründet einen Antrag, daß, wenn nichteine allgemeine Vereinheitlichung der Krankenkassen zustande komme,auch den Freien Hilsskassen ihre bisherige Tätigkeit in vollem Um-fange freigelassen werde. Der Entwurf wolle ohne jeden ver-nünftigen Grund, wie er die Selbstverwaltung vernichte, so auch denFreien Hilfskassen daS Lebenslicht ausblasen.In der Diskussion ergreift das WortLandtagsabgeordneter Fräßdorf- Dresden: Abgesehen von derAusdehnung der Versicherung bringt dieser ungeheuerliche Entwurffür die Arbeiter nur Verschlechterungen. Die Wünsche der Arbeiter,der Vei sicherten, der Kassenverlreter sind in der Vorlage völlig un-berücksichtigt geblieben. Auch die Stimmen der Arbeitgeber, diemit uns in den Krankenkassen seit Jahren überwiegend gairzfriedlich zusammengearbeitet haben, hat man nicht gehört.Die Regierung hat sich lediglich auf den Standpunkt derScharfmacher gestellt. Gleichwohl glaube ich, daß dieangebliche Absicht, den Einfluß der Sozialdemokratie in den Kranken-kassen zu vernichten, nur ein Vorwand ist; denn die Sozialdemo-kratie hat genug Mittel und Wege, ihren Einfluß geltend zu machen.Aber man will tatsächlich den Einfluß der organisierten Arbeiter-schaft auf die Kassen deshalb vernichten, weil die großen OrtS-krankenkassen durch ihre Tätigkeit vorbildlich für alle anderen Kassengeworden und dieses Vorwärtsdrängen für die Unternehmer zueiner materiellen Gefahr werden würde. Darum soll die Selbst-Verwaltung der Krankenkassen völlig vernichtet werden, dann kann auchan den fakultativen Leistungen gehörig gespart werden.(Sehr wahr l)Die 60 Millionen, die die Unternehmer mehr zahlen wollen, find einDanaergeschenk, denn dafür werden 100 Millionen auf Kosten derVersicherlen an Leistungen gespart werden. Für uns gilt es jetzt,hinauszugehen in daS Land und durch Partei und Gewerkschaftenwie durch, die Kassenvertteter eine allgemeine Protestbewegung zuentfalten, um die Abrechnung mit den Scharfmachern bei den nächstenReichStagSwahlen möglichst gründlich zu gestalten.(Lebhafter an-haltender Beifall.)Giebel-Berlin(Bureauangestellter): Der Entwurf soll die allgemeineRückwärtsrevidierung der Krankenverficherung einleiten. Noch 1908stand die Regierung auf dem Standpunkt, daß die Selbstverwaltungnicht geschmälert werden dürfe. Irgend welche Gründe für denjetzigen Wechsel ihrer Stellung kann sie nicht anführen. Heute sin�die Kassenbeamten Träger der Selbstverwaltung, in Zukunft sollensie Glieder der Bureaukratte werden. Ganz ander« Schichten derBevölkerung als bisher sollen die Kassenbeamten stellen. Herrvon Jagwitz hat eS im Scherlschen.Tag" ausgeplaudert, daß manin den Kraukenkassenstellen die geeignete Verwendung für ver-abschiedet« Offiziere erblickt; die hätten gelernt, mit Menschen um-zugehen und ständen mehr in der Praxis des Lebensals manche andere.(Schallende Heiterkeit.) Die Frage der Kassen-angestellten ist von der Selbstverwaltung gar nicht zu trennen.Die große Mehrheit der Kassenangestellten lehnt die Verleihung derBeamtenrechte rundweg ab, weil die Regierung nach einer solchenSpottgeburt von Arbeiterverficherungsreform gar nicht ernstlichgewillt sein kann, die Arbeiterverstcherung mit sozialem Geiste zuerfüllen. Deshalb rufen wir: Hand weg von der Selbstverwaltungder Krankenkassen I(Lebhafter anhaltender Beifall.) Redner protestiertdann gegen die vorgeschlagene Sonderversicherung der Privat-angestellten. Die Regierung habe diese Verstchernng erst ver-schleppen wollen, schließlich aber lediglich aus wahltaktischenGründen eine Vorlage noch für den kommenden Herbst an-geordnet. Gegen dieses häßliche wahltaktische Manöver derbürgerlichen Parteien zu den nächsten ReichStagSwahlen müsse dieArbeiterschaft schärfsten Protest einlegen, weil daS Manöver aufKosten der Privatbeamten selber gehe und einen Keil zwischenHand- und Kotzfarbeiter treibe. Die ganze ReichSverficherungS-ordnung müsse mit aller Schärfe bekämpft werden.(LebhafterBetfall.)Aufdrrstraße-Bochum: In der Reichsversicherungsordnung findmehrere Bestimmungen enthalten, die eine besondere Härte gegen dieBergarbeiter bedeuten. Unseren Verhälwissen nach müsse die Altersgrenzefür den Bezug der Altersrente auf 55—60 Jahre herabgesetzt werden.denn Bergarbeiter, die 70 Jahre alt werden und noch im Bergwerks-Hauptsächlich durch seine agitatorische Wirksamkeit wurde die Be-wsgung in seiner Heimat Braunschweig mächtig gefördert. JznMai 1867 hielt der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein dort seine5. Generalversammlung ab und wählte dort Dr. v. Schweitzer zumPräsidenten. Bracke wurde bald darauf mit dem Amte deS Kvs-sierers betraut und verwaltete eS geradezu musterhaft. Noch imNovember desselben JahreS fand in Berlin die 6. Generalversamm-lung des Vereins statt. Bracke übernahm für sie das Referat überdie Frauenarbeit, entledigte sich der Aufgabe in gediegenster Weiseund setzte eine Resolution durch, in der die Beschäftigung vonFrauen in Werkstätten der großen Industrie für einen empörendenMißbrauch und zur Abhilfe die Beseitigimg der Kapitalswirtschaftfür nötig erklärt wurde.(Die Erkenntnis, daß die Frauenarbeitnicht zu beseitigen ist. daß sie vielmehr ein Hebel der Befreiungder Frau ist, brach in der Partei erst später durch.)AlS daS Streben Schweitzers nach Diktatur immer mehr zutagetrat, leistete Bracke gleich anderen echt freiheitlich gesinntenMännern ihm häufig Opposition. Auf der Generalversammlungzu Elberfeld im Jahre 1869. wo Schweitzers Gegner ihm scharfzuleide gingen und daS von seinen Anhängern beantragte Ver-trauenSvotum anfochten, setzte Bracke namentliche Abstimmung dar-über durch und gehörte zu denen, die sich der Abstimmung enthielten,also mehr oder weniger die Amtsführung Schweitzers mißbilligten.Als letzterer im Bunde mit der Gräfin Hatzfeldt durch einenraschen Streich die dortigen Beschlüsse umstieß und die Diktaturdes Präsidenten nach Lassalleschem Muster wiederherstellte, sagte Brackesich mit Geib, Dork und vielen anderen bewährten Genossen de-finitiv vom Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein los. schloß sichan Liebknecht und Bebel an und half ihnen auf dem Kongressezu Eisenach die„Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands",gewöhnlich Eisenacher Partei genannt, gründen. Zu ihrer Leitungwurde ein Ausschuß in Braunschweig-Wvlfenbüttel eingesetzt undBracke und vier andere in ihn gewählt. Er besonders führte dieGeschäfte so trefflich, daß Karl Marx, der bei einem vorübergehen.den Besuche in Deutschland dort vorsprach, sich gegen Liebknechtim höchsten Grade lobend darüber äußerte. Bracke gründete fernerin Braunschweig eine Druckerei und Buchhandlung und gab einenVolkskalender heraus, der sich vorzüglich zur Agitation eignete.Nachdem die deutsche Arbeiterbewegung trotz der Spaltungeine Zeitlang entschiedene Fortschritte gemacht hatte, wurde sieernstlich geschädigt durch die veränderte Situation, welche der Kriegbetrieb tätig sein können, gibt eS ja gar nicht. Eine schwere Schädigungder Bergarbeiter enthält auch die Bestimmung, daß die llnfallrente ge-kürzt werden kann, wenn der Arbeiter den Unfall durch Ueberttetungeiner Sicherheitsvorschrift verschuldet hat. Die Uebertretungen derBergpolizeiverordnungen sind bei der Arbeitsweise im Bergbau garnicht immer zu vermeiden, und da sie alle als Vergehen angesehenwerden, ist die Unfallkasse in jedem Falle berechtigt, dem Verletztenoder seinen Hinterbliebenen die Rente ganz oder teilweise zuentziehen. Jugendliche Bergarbeiter, die wegen Uebertretungder Vergpolizeiverordnungen von den ordentlichen Gerichtenmit einem Verweise bestraft wurden, haben vor demSchiedsgericht nur einen kleinen Teil ihrer Rente erhalten, wennsie zum Beispiel bei dem Unfall den Verlust eines Fußes zu be-klagen haben. In den Knappschaftsvereinen haben die Arbeiter in-folge der Halbierung der Beiträge so gut wie gar keinen Einfluß.Gegenüber dem Verlangen der Aerzte des allgemeinen Knappschafts-Vereins auf Beibehallung des Systems der reinen Kassenärztewünschen die Bergarbeiter, wenn auch nicht vollständige freie Arzt-wähl, so doch freiere Wahl der Aerzte seitens der Versicherten, alssie ibnen bisher im Knappschaftsverein gewährt wurde.Lange-Hamburg(Handlungsgehilfe): Die Bestimmung der neuenReilbsversicherungsordnung, daß für die Arbeiter und Angestellten,die in Freien Hilsskassen versichert sind, der Arbeitgeber bei derzuständigen Kasse seinen Beitrag abzuführen hat, halte ich für emp«fchlenswert, denn ohne diese Bestimmung begünstigen die Unter«»ehmer die Freien Hilfskassen, insbesondere die der gelben An-gesielltenorganisation. Redner wendet sich dann gegen den Vor-schlag einer besonderen Privatbeamteuversicherung. Unzweifelhaftsei dieser Vorschlag nur gemacht, um bei den nächsten Wahlen dieStimmen der Privatbeamten zu fangen. Zu diesem Zweck werdeauch die Regierung entgegen ihrer ursprünglichen Absicht eine Vor»läge ausarbeiten, aber Gesetz werde diese Vorlage nicht werden,sondern unmittelbar nach den nächsten ReichStagSwahlen für immerin der Versenkung verschwinden.Zeiskc-Berlin(GastwirtSgehilfe) trägt eine große Zahl von seit»samen Fällen vor, in denen durch Abgrenzung der Unfall«Versicherungspflicht im Gastlvirtsgcwerbe Unfallverletzte vom Bezugder Rente ausgeschlossen sind, und verlangt endlich die Unterstellungaller im GastwirtSgewerbe Arbeitenden unter daS UnfallversicherungS»gesetz.BrLckner-Berlin(Graveur): Die Hausgewerbetreibenden sollenin den neuen Klassen vollständig rechtlos bleiben, sie werden sogarzum Teil schlechter gestellt als bisher, denn in den Landkrankenkassen,in denen die Versicherten von der Verwaltung völlig ausgeschlossensind, werden auch eine Reihe von Arbeitern Aufnahme finden, diebisher in den OrtSkraukenkassen gewesen sind. Statt diejenigenOrtskrankenkassen, die infolge der hohen Zahl der weiblichen Mit«glieder schon jetzt schwer belastet werden und sich mit Mindest«leistungen begnügen mußten, durch Zusammenlegung finanziellleistungsfähiger zu machen, statt weiter eine einhettliche Kassenartfür alle grüneren Orte zu schaffen und kleinere Orte zusammen«zulegen, will man Landkrankenkassen gründen, in denen bei mini«malen Leistungen die Versicherten vollkommen einflußlos bleiben.In der Unfallversicherung hat man an dem Begriff deS Fabrikbetriebes festgehalten und den rein handwerksmäßigen Betriebwiederum ausgeschlossen. Buchbindereien, in denen 8 bis9 Personen beschäftigt find, bleiben demnach nach wievor von der Unfallversicherung entfernt. Bei der Invaliden«Versicherung büßt eS wie bisher der Arbeiter, wenn derUnternehmer es unterlassen hat, ihn zu versichern. In allen anderenVerficherungSzweigen gilt der Arbeiter mit dem Eintritt in dieTätigkeit selbst ohne weiteres als versichert. Luch in der Invaliden»Versicherung sollte man endlich mit der alten Ungerechtigkeit auf«räumen.Faaf-Berlin(Landarbeiter): Dte rechtloseste Schicht der deutschenArbeiterschaft, die Landarbeiter, sollen nun endlich auch in die Kranken-Versicherung einbezogen werden, um der Landflucht und dem Kontrakt«bruch entgegenzuarbeiten. Genauso wenig wie die Regierung um Gründeverlegen war, als fie in den achtziger Jahren ihre Versicherung ablehnte,genau so wenig ist sie jetzt um Gründe verlegen, aus denen sie die Ver»sicherung empfiehlt. Da heißt eS, daß der Mangel einer geordnete»Fürsorge sich trotz des engen Familienzusammenhanges auf demLande bemerkbar gemacht habe und daß die zunehmende Un«zuftiedenheit und Landflucht bekämpft werden müßten. Aber dieseVorlage ist nicht geeignet, die Landarbeiter irgendwie zu«frieden zu stellen. Sie bleiben gegenüber den gewerb-lichen Arbeitern weit zurück und haben an der Verwaltungkeinen Anteil. Der Vorstand ihrer Krankenkassen wird einfachvon den Gemeindevertretern ernannt, und ein Ausschuß sollüberhaupt nicht bestehen. Wir sollen also agrarische Betriebs-krankenkassen erhalten, die obendrein nur minimale Leistungenaufweisen werden. Ein derarttges Gesetz ist natürlich vollkommenunannehmbar. Wir verlangen gleiche Rechte und Pflichten wie die ge-werblichen Arbeiter. Die neue ReichsversicheruugSordnung soll janur die künftige Wahlparole für die Regierung und den schwarz»von 1870 mit sich brachte. Wer jene Tage denkend mitgemacht hat,weiß, welch gewaltige patriotische Erregung damals in ganzDeutschland herrschte, glaubte man doch allgemein, Preußen seimitten im Frieden in ruchlosester Weise von Frankreich überfallenund zum Kriege gezwungen worden. Da ist eö denn kein Wunder.wenn sich auch in Arbeiterkreisen Kundgebungen für Preußenzeigten. Nicht nur Führer des Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins stellten sich in Versammlungen auf dessen Seite, sondernauch von Eisenachern vernahm man derartiges. So erklärte Brackeam 16. Juli als Referent in einer großen Volksversammlung in derTurnhalle zu Braunschweig, Napoleon sei der Friedensstörer, undman müsse den Verteidigungskrieg, wenn auch schweren Herzens,als notwendiges Uebel hinnehmen. Ebenso sprach sich der Aus»schuß in einem Manifeste vom 24. Juli aus. Die Haltung Lieb.knechts und Bebels, die sich im Reichstage der Abstimmung über dieKriegsanleihe enthielten, verwarf Bracke mit Entschiedenheit undäußerte dies u. a. in seiner Korrespondenz mit Geib, wobei er denzuweitgehenden Kosmopolitismus rügte und für einen gewissenPatriotismus eintrat. Schon drohte auf Grund der KriegSfragvneuer Zwist in der Arbeiterbewegung auszubrechen, als die Kata«strophe von Sedan einen Umschwung brachte. Nach dem Vorgangevon Marx und im Einverständnisse mit den allermeisten Sozia»listen Deutschlands protestterte der Braunschweiger Ausschuß am5. September gegen die Fortsetzung des Krieges und die Annexionvon Elsaß-Lothringen, und verlangte Massenkundgebungen füveinen ehrenvollen Frieden mit der französischen Republik. Dadurchzog er sich gleich anderen ehrlichen Friedensfreunden schwere Ver.folgungen zu. Auf Denunziation von nationalliberaler Seite hinfchritt der Gouverneur der Ostseeküste. General Vogel v. Falcken-stein, in brutaler Weise gegen sie ein. Bracke wurde von derPolizei mit miltärischer Hilfe in seiner Wohnung überfallen undverhaftet. Man ließ ihm kaum Zeit, sich anzukleiden, und alser den Haftbefehl zu sehen verlangte, lautete der Bescheid, einsolcher sei nicht da, denn er sei miltärischer Gefangener. InKetten wurde er mit seinen Gefährten nach der Feste Boyenbei Lötzen überführt und hatte auf dem dreitägigen Transporte denbittersten Spott der schaulustigen Patrioten und auch des Etappen.kommandanten in Berlin zu erdulden. Ihre Behandlung warlängere Zeit eine sehr schlechte, und erst als sich in parlamen.tarischen Kreisen Proteste dagegen regten, trat Besserung ein. Wo»hin die Gewaltschritte zielten, war unklar, bis das Braunschweiger