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die eine recht dürftige wissenschaftliche Bildung Hütten. DaZ ist natürlich Unsinn, denn sie müssen ja dieselben Examina machen wie die anderen. Der Professor spricht aber auch weiter von einer un- gulänglichen gesellschaftlichen Bildung, die diese Studierenden mit brächten und wodurch sie den ganzen Stand blosstelltcn. Daraus spricht ein ganz unerhörter Standesdünkel.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Dah die Herren der Rechten und des Zentrums der Meinung sind, daß für das gewöhnliche Volk die schlechteste Volksschule noch gerade gut genug ist, dafür liefern viele Aeußerungen hervor- ragender Politiker aus diesen Kreisen den Beweis. So sagte Herr v. Hammer st ein 1896:»Die Kindep sollen lesen, schreiben nni rechnet lernen; für weitergehende Kenntnisse sehe ich kein Bedürfnis." Frhr. v. G a m p sagte 1899:.ES empfehle sich, daS schulpflichtige Alter um ein Jahr zu vermindern, um der Landwirtschaft mehr jugendliche Arbeiter zuzuführen." (Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Und Herr Peter Steichensperger vom Zentrum meinte 1893:.Bat er ländische Geschichte. Geographie, Naturkunde und Zeichnen daS sind alles recht schöne Dinge, aber nach meiner Ueberzeugung 'ein überflüssiger falscher LnxnS." (Hört! hört l bei den Sozialdemokraten.) Die besitzenden Klassen betrachten eben die höhere Bildung nur unter dem Gesichtswinkel der Standes« und Berufsbildung als Vorbedingung für eine Au stellung. Interessant ist in dieser Richtung auch, datz auf dem dritten Hochschullehrertag in Leipzig im vorigen Jahre eine Resolution deS Professors Kröpelin , der eine kräftige materielle Unterstützung für begabte Mittelschüler verlangte, damit sie die akademische Laufbahn beschreiten können, abgelehnt wurde(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten), und daS waren nicht einmal preußische, sondern süddeutsche Professoren. Als Begründung führte man an, eS gäbe kein Mittel, die hervorragende Begabung aus der Schule überhaupt mit einiger Sicherheit festzustellen. Pro fessor Lujo Brentano betonte z. B., daß die meisten Schüler des Maximilianeums in Bayern , in welches die ausgezeichneten Schüler oller Gymnasien entsandt würden, später im ersten Examen durchfielen. Er sagte:.TS find aus den, Maximilianeum aus­gezeichnete Beamte hervorgegangen. Menschen, die alle Paragraphen kennen- die ausgezeichnetsten bayerischen Univerfitätsprofessoren sind nicht auS dem Maximilianeum hervorgegangen." Professor B i n d i n g auS Leipzig betonte, daß Schüler, die auf der Schule als kodderig gegolten hätten, ganz hervorragende Menschen geworden seien. Professor Wach führte an, daß der hervor- ragende Astronom Besse! seinem Rektor oft gesagt habe, daß die Schule alle verderbe. Das beweist eben, was ich im vorigen Jahre schon sagte, daß unsere höheren Schulen in Formalismus und Pedanterie erstarrt sind, daß zu viel leerer Gedächtniskram ge- trieben, zu wenig lebendiges Wissen gelehrt wird. Diese Behaup- tung, die damals die Herren Cassel und Maurer als maßlose Uebertreibung bezeichneten, wird durch diese Aeußerungen hervor« ragender Hochschullehrer bestätigt. Daß Schüler tatsächlich zu sehr vollgepfropft werden mit leerem Gedächtniskram, der für das spätere Leben unfruchtbar ist. beweisen die Lehrpläne der Gymnasien. So entfallen in der Sexta auf Latein allein 8 Stunden, auf Religion 3, in den 34 Stunden Deutsch Ivird auch sehr viel Grammatik getrieben. Auf die organischen lebendigen Lebenskräfte in den Kindern wird keine Rücksicht ge- nommeu. Wenn so in die Kinder ein ganz bestimmtes Pensum von Fonneln und Gedächtniskram hineingepfropft wird, ist es kein Wunder, daß ihnen der Unterricht nicht besonders erquicklich ist, daß sie allerlei Allotria treiben, sich Schülerverbindungen anschließen, um ein Gegengewicht gegen den ö d e n D r i l l zu haben, und daß ihnen Jndianergeschichten von Karl May und die Sherlock HolmeS- Geschichten die Lieblingslektüren find, zumal ja auch an diesen dramatisierten Sherlock HolmrS-Geschichten sehr hohe Personen außer- ordentliches Juteresse genommen haben.(Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir schätzen die klassische Bildung und haben gar nichts gegen das humanistische Gymnasium. Aber man soll die Schüler nicht, wie daS heute geschieht, gewissermaßen geistig verkrüppeln lassen. Der deutsche Unterricht verdient viel mehr Berückfichtigung und vor allem müßte mehr Geschichte gelehrt werden, allerdings nicht Geschichte in Form von öden Datensammlungen oder in Forin einer Geschichte der Kriegshändel von Königen oder Feldherren, sondern in Fonn der Kulturgeschichte, der Geschichte sozialer Zusammenhänge. Aber solche Kulturgeschichte kann man bei uns nickt gebrauchen, weil sie nicht erzieht zum BqzantiniS- mus und zum beschrankten Untertaneusinn.(Sehr wahrl b. d.Soz.) Der freisinnige ehemalige Bürgermeister Lothar Schücking schreibt sehr richtig über den Geschichtsunterricht auf unseren höheren Lehr- anstalten:.Bor allen Dingen soll nach dem anttlichen Lehrplan auch auf die Verwerflichkeit aller gewaltsamen Per« die Erlanaer Bibelanstalt ermittelt, nachdem Jean Paul in der ersten Auflage seines Romans durch Fixlein nur 116 3V1 hatte zählen lassen, mit dem Hinzufügen:.Ich wünschte, daß Blbelforscher unter den Rezensenten es öffentlich anzeigten, wenn fie diese Zahl nach einer genauen Nachzählung unrichtig befänden." Ouintus Fixlein befitzt auch ein»alphabetisches Lexikon von deutschen Bücherpränumeranten".»Am liebsten gebar er Entwürfe zu Büchern. Daher nähete er ein starkes Werk, tvorin er blas den Gelehrten rieth, was sie zu schreiben hätten in der Gelehrten- geschichte." OuintuS Fixlein kann sich bei solchen Arbeiten aus eine Menge bekannter Vorbilder berufen, von denen Jean Paul , ein eifriger Sammler solcher Kuriositäten, folgende anführt. Ein gewisser H o m m e l hatte einst»ein Register von Ju- risten gegeben, die Hurenkinder gewesen, von anderen, die Heilige geworden". B a i l e t zählte die Gelehrten zusammen, die etwas hatten schreiben wollen. Ancillon die, die gar nichts geschrieben. Der Lübecker Superintendent Götze schrieb über die Gelehrten, die Schuster waren, und über.die, die ersoffen". Endlich schriebBernhard von Gelehrten, deren Fata und Lebenslauf im Mutterleibe erheblich waren". Nun schlägt Jean Pauls Fixlein ähnliche Schriften vor:»z. B. von Gelehrten, die ungelehrt waren von ganz boshaften von solchen, die ihr eigene» Haar ge- tragen... von Gelehrten, die eine noch abscheulichere Hand als andere Gelehrte schrieben oder von Gelehrten, die einander in keine Haare gerieten als in die am Kinn"(wovon keine als nur PhilelphuS und ThimotheuS bekannt sind). Diese beiden stritten über das Maß einer Gilbe; der Preis war der Bart deS Besiegten, und ThimotheuS büßte seinen ein. Notizen. Vorträge. Dr. G. Wegener wird am Sonnabend, den 30., abends 8 Uhr in der Urania über:»Mein Besuch der Provinz Hunan und der Stadt Tschangscha" unter Vorführung eigener photographischer Aufnahmen sprechen.(Diese im Herzen Chinas ge- legene Landschaft ist zurzeit der Herd gefährlicher fremdenfeindlicher Unruhen.) Insbesondere wird er seine Wanderungen durch die Hauptstadt Tschangscha schildern, die eine der reichsten und glänzendsten Städte Chinas , bis vor wenia mehr als einem Jahr- zehnt den Europäern vollkommen unzugänglich war. B j ö r n s o n ist Dienstagabend in Paris gestorben. Eine Seitlang schien es, als ob der Bärenstarke trotz seiner 77 Jahre der rankheit, die ihn seit Monaten in Paris fesselte, noch einmal Herr werden könnte. Nun ist er, von seiner Familie umgeben, ihr doch erlegen ohne Todeskampf. Die Leiche wird nach Kopenhagen übergeführt und von dort auf einem norwegischen Kriegsschiff nach Kristiania gebracht werden. Im Storthing hielt Mittwoch vormittag der Präfident eine Gedächtnisrede auf Björnson. Der Storthing beschloß, die Ueberführung der Leiche und das Begräbnis des Dichters auf Staatskosten zu bewirke». Darauf wurde die Sitzung zum Zeichen der Trauer aufgehoben. Sämtliche Theater haben ihre Bor- stellungen abgesagt. suche der Uenderung sozialer Ordnungen' und»die Verdienste unseres Herrscherhauses um die Förderung des Volks Wohls" hingewiesen werden, desgleichen auf.daS Ver- häuguisvolle unberechtigter sozialer Bestrebungen der Gegenwart"..Der Jugend soll die Ueberzeugung ver- schafft werden, daß die Lehren der Sozialdemokratie nicht nur de» göttlichen Geboren und der christlichen Sittenlehre wider- sprechen, sondern in der Wirklichkeit unausführbar und in ibren Konsequenzen dem Einzelnen und dem Ganzen gleich verderblich sind." So heißt es wörtlich ln dem amtlichen Lehrplan. Schückuig fährt fort:Diese Anweisungen in dem Lehrplan bilden ein durch dachtcS reaktionäres Programm. Bon preußischer Verfaffungs geschichte ist nicht die Rede. Dagegen soll den Schülern ein Abscheu vor der Revolution und Verachtung für die Sozialdemokratie eingeprägt werden.(Hört I hört l bei den Sozialdemokraten.) Wie können wir uns da noch über den mangelnden politischen Sinn der Jugend wundern, wenn wir die Existenz deS StaatSgrundgesetzeS bis zum Abgang zur Universität verschweigen?! Wie können wir unS wundern, daß das Bürgertum so ungern mit den Sozialisten gegen die Junker Front macht, wenn die Sozialistenverachtung auf allen höheren Schulen Preußens planmäßig betrieben wird." Bei solchen An- Weisungen ist ein obsektiver Geschichtsunterricht auf den höheren Schulen gar nicht möglich. Wenn Herr Kirschner im Herren- hause gesagt hat, daß Preußen unter dem Absolutismus das höchste geleistet habe, so ist das ein« ganz falsche byzantinische GeschichtS auffassung.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) WaS an Reformen bis 1848 durchgesetzt wurde, ist gewissermaßen erzwungen worden durch die ftauzösische Revolution, die danach folgenden Kriege und den Zusammenbruch deS alten preußischen Systems im Jahre 1807. Wie die Junker z. B. gegen die Frhr. v. Steinsche Bauernbefreiung waren, beweist die Aeußerung eines Junkers: Lieber dreimal noch ein Auerstädt, als eine solche Reform.(Hörtl hörtl bei den Sozialdem.) Soweit Preußen über Haupt ein Kulturstaat ist, ist seine Borwärtsentwickelung nicht auf die preußischen Herrscher zurückzuführen, sondern auf du sozialen und ökonomischen Triebkräfte und den Drang der BolkSmassen nach EntWickelung.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Preußen ist militärisch groß geworden, weil es kulturell rückständig war. Wie der Große Kurfürst den Adel für sich gewann, indem er den Junkern die Bauern preisgab, wird in unseren Schulen nicht gelehrt, auch nicht, wie die preußischen Könige nach den Befteiungskriegen ihr gegebenes Wort nicht erfüllten, wie man 1848 die Revolution pro- dozierte usw.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Gegen einen Geschichtsunterricht, wie er nach dem Lcbrplan gegeben werden soll, wie er der Wahrheit und den Tatsachen nicht ent- spricht, müssen wir den schär fsten Protest erheben und müssen einen objektiven Geschichtsunterricht verlangen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Statt die Legende der Ver- derblichkeit aller gewaltsamen Versuche zur Aenderung der sozialen Ordnung auf der Schule zu lehren, sollte man lehren, was Goethe gesagt hat, daß an allen Revolutionen iinmer dir Herrschenden die Schuld getragen haben.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Daß wir nicht für die Revolution schwärmen. sondern eine organische Entwickelung der Verhältnisse wünschen, wissen Sie. Am besten würde man Revolutionen vermeiden, wenn man lehren würde, warum Revolutionen gekommen sind und kommen mußten, daß sie nur die natürliche Folge unerträglicher Zustände waren.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kraten.) In der Schweiz ist im Kanton Zürich ein GeschichtS- lehrbuch geschaffen worden, in dem über die Ursache der Revolu- tionen sehr vernünftige Ausführungen gemacht sind. In knapper, überfichtlicher Form wird da die EntWickelung des absolutistischen Herrschaftssystems geschildert mit allen seinen Begleiterschei- nungen: AuSpressung der ärmeren Bevölkerung durch indirekte Steuern, Blutsteuern usw. In ihrer ganzen furchtbaren Größe werden die Leiden, die Not des arbeitenden Volkes geschildert: »Im Jahre 1789 fand man in der Normandie 4009 Arbeiter ohne Nahrung, und in der einen Vorstadt St. Antoine zu Paris deren 39 909. Die Sterblichkeit war außerordentlich groß. Der Hunger besonders würgte die Menschen massenweise dahin. Im Jahre 1715 erlagen ihm in Frankreich 5 Millionen, und in jenem Jahre, da man zur Hochzeit Ludwigs VXI. in einer einzigen Feuergarbe 39999 Franken verpuffte, streckte er in zwei kleinen Provinzen im Süden Frankreichs 49999 Men- schen auf die Bahre."(Hört! hörtl bei den Sozialdeino- kraten.) So lehrt man die Schüler die Revolutionen wirklich be- greifen, während man durch einen gefälschten byzantinischen Ge- schichtsunterricht gerade die Gefahr von gewaltsamen Zusammen- stöhen heraufbeschwört. Wir sind, wie gesagt, nicht die Vertreter einer Gewaltpolitik, sondern die anderen Parteien, die sogar in daS Parlament HauSknechtSgebrLuch»_ einführen wollen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herr S i e b e r t sprach neulich davon, daß nach demVorwärts" die materialistische Geschichtsauffassung in der Schule gelehrt werden soll. Für ihn ist offenbar Materialismus gleichbedeutend mit Un- zucht, Fressen und Sauft», um ein Wort von Engels zu zitieren. In der Tat will die materialistische GeschichtSausfaffung nichts anderes, als die sozialen Zusammenhänge erkennen lehren.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Sie weist nach, daß nicht einzelne Personen die Geschichte gemacht haben, sondern daß die Entwickelung von den ökono- mischen Verhältnissen und auch von dem Mafsenwillen und der Masseneinsicht abhangig ist. DaS Wesen der Kultur besteht nicht darin, daß einzeln« Klassen der Bevölkerung emporsteigen können, sondern von einem wirklichen Kulturstaat wird man erst dann reden können, wenn die ganze große Masse der Bevölkerung die Möglichkeit deS Aufstieg» zu der höheren Kultur hat.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Bell(Z.) erörtert die Frage, ob die Lehrer an nichtstaat- lichen höheren Lehranstalten mitelbare oder unmittelbare Staats- beamte seien. Kultusminister Trott z« Solz: Durch die Ausführungen des Herrn Ströbel ging ein so rein theoretischer, ich möchte sagen weltfremder Zug, daß er wohl niemand zu seiner Ueberzeugung bekehrt haben wird, der nicht gewillt ist, in verda magistri(auf die Worte de» Meisters) zu schwören.(Sehr richtig! rechts.) Bei seiner Gegenüberstellung der Ausgaben für Volks- schulen und höheren Schulen hat er ganz vergessen, daß die höheren BildungSanstalten ganz andere Zwecke verfolgen, daß sie die wissenschaftlich« Forschung fördern sollen, daß ver Staat in der Schaffung dieser Einrichtung sich sein Beamtentum heranzieht, die Persönlichkeiten, die den Staat verwalten und später Lehrer werden sollen. Bei der Beurteilung der Leistun« gen des absoluten Königtums in Preußen hat er unterlassen zu erwähnen, daß damals die allgemeine Schulpflicht und die allge- meine Wehrpflicht eingeführt worden ist. Einen Geschichtslehrer mit so schiefen geschichtlichen Auffassungen möchte ich in unserer Schule nicht sehe«.(Bravo I«cht».) Abg. Biereck(fl.) begrüßt den modernen Geist in den höheren Lehranstalten und wünscht obligatorische Einführung deS Eng­lischen auf den Gymnasien. Abg. Gottschalk(natl.) wünscht eine Statistik darüber, in wie- vielen Fällen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist, das Einjährigenzeugnis auf Grund besonderer Leistungen auf praktischem Gebiet zu erteilen. Abg. Cassel(Fortschr. Bp.) hebt in längeren Ausführungen die Vorzuge der humanistischen Gymnasien hervor. Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Nach weiterer unerheblicher Spezialdebatte über da» Kapitel Höhere Lehranstalten" vertagt daS Hgzzs die Weiterberatung de» Kapitel» auf abend» VA Uhr. i Schluß 434 Uhr. parlamentanfcbeö* Budgetkommisfion. Die zweitägige Auseinandersetzung über die Politik hi unserer südwestafrikanischen Kolonie endete in der Sitzung am Mittwoch mit der widerspruchslosen Annahme einer allgemeinen VersöhnungS« r e s o l u r i o n, die die eingesetzte Subkommisston am Abend vorher formuliert halte. Sie hat folgenden Wortlaut: Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn ReichSkanzlor zu ersuchen: I. in Erwägung zu nehmen, ob und in welchem Umfange» im Hinblick auf die neuere Entwickelung in den Kolonien, eine Abänderung des SchutzgebielsgesetzeS in die Wege zu leiten ist, insbesondere auch eine Abänderung der bergrechtlichen Be« sttmmungen in der Richtung zu erwägen, a) ob die früher verliehenen, etwa Dritten noch zustehenden Hoheitsrechte(Privilegien), nötigenfalls gegen Entschädigung, aufgehoben werden können, b) wie durch eine Revision der Kaiserlichen Verordnung vom 8. August 1995 über die Ausübung des Bergrechts die Rechte und Pflichten der Schürfer und der Grundeigentümer abgegrenzt und sichergestellt werden können, o) ob ein besonderes Gesetz über die Gewinnung und den Absatz von Edelsteinen unter Wahrung wohlerworbener Rechte Dritter zu erlassen ist; U. einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den in dem Schutz- gebiet Südwestasrika vor Ausbruch des dortigen Aufstandes domizilierte, leistungsfähige Personen und Gesellschaften zur Eni- lastung des ReichsfiskuS herangezogen werden; III. dem Reichstag eine Denkschrift über die Frage vor« zulegen, unter welchen Boraussetznngen und in welchem Umfang ein Schutzgebiet durch direkte Besteuerung zur Deckung von Kosten heranzuziehen ist, die aus Krisgsmaßnahmen in diesem Schutz« gebiet erwachsen sind. Die Petition der Bergbaugesellschaft Stäup, die Diamaittenregiegesellschast betreffend, und die P e t i t i o n deS Bürgermeisters K r e p l i n in Lüderitzbucht über die Berhält» nisse im Diamantgebiet wurden zum Teil der Regierung zur Be« rücksichtigung und Erwägung überwiesen, zum Teil durch Ucbergang zur Tagesordnung erledigt. Die Petition des Handels» Vereins in Apia wegen Schaffung einer Selbstverwaltung auf Samoa wurde zurückgestellt. Ein Nachtragsetat zum Haushallsetat für die Schutzgebiete in 1919 wird mit einer unwesentlichen Abänderung angenommen; gleichfalls Annahme findet ein Nachtragsetat zum Reichshaus« haltSetat für 1919. Hierauf trat die Kommission in die Beratung deS Eni« Wurfes eines Kolonialbeamtengesetzes ein und er­ledigte 88 13 ohne grundlegende Aenderungen der Vorlage. Nur in einigen Punkten wurden die vorgesehenen Rechte des Reichs« kanzlerS zugunsten der Gesetzgebung beschränkt. Nächste Sitzung Donnerstag. Kaligescy.Kommisston. Die Kalikommission beschäftigte sich in ihrer Mittwochsitzung mft den zum 8 23 gestellten sozialdemokratischen Anträgen, die verlangen, daß bei der Verteilung der BeteiligungSziffern der Zuwachs des Absatzes so lange allein den rein fiskalischen und denjenigen Werken, die sich zu mindestens 51 Prozent im Besitze eine» Bundes st aates befinden, zugeteilt werde, bis diese Werke ihre volle Leistungsfähigkeit ausnützen können. Abg. Gothein, der gegen die BerstaatlichungSanträge im früheren Stadium der Ver» Handlung gestimml hatte, beantragt, diese Vergünstigung nur den dem Reiche gehörenden Werken zuteil werden zu lassen, wahrscheinlich des- halb, weil das Reich keine Werke besitzt. Die sozialdemokratischen Kom« misstonSnntglieder begründen ihren Antrag mit den amtlichen Mit» teilungen, daß die fiskalischen Werke nur 29 Proz. ihrer Förderfähigkeit auszunützen in der Lage find, so daß zuungunsten der bundesstaotlichen Steuerzahler diese Förderungseinschränkung die Budgets ungünstig beeinflußt Im Interesse der Steuerzahler fei e« gelegen, wenn eine volle AuSnüyung der fiskalischen Werke herbeigeführt werde. Kein bürgerlicher Abgeordneter sprach für den Antrag, bei der Abstimmung erhob außer den Sozialdemokraten nur der Ver« treter der Polen zaghaft seine Hand dafür. Bei 8 24 kommen die reinen Profitverteilungsgrundsätze zur Erledigung; wunderbar ist eS, wie auf einmal die sonst schweig» samen bürgerlichen Abgeordneten redselig werden. Durch einen 8 24a, der durch den Abg. v. Brockhausen«ingebracht ist, aber alle charakteristischen Merkmale eines RegierungSantrageS trägt. sollen die gester» abgelehnten sozialdemolratischen Anträge ersetzt werden. Ein Zusatzantrag Müller« Fulda will die Tarisverträge in empfehlende Erinnerung bringen. Bon sozialdemo- k r a t i s ch e r Seite wird dieser Antrag einer vernichtenden Kritik unterzogen und nachgewiesen, daß er den Arbeitern gar keinen Bar» teil bringt. Nach einer Verteidigung deS Antrages durw r»ne« Regierungsvertreter wird die Debatte um 2 Uhr abgebrochen und auf Donnerstag vertagt._ Kommission für die Zuwachssteuer. Die letzten beiden Sitzungen der Kommisston brachten abermals Abschwächungen der Regierungsvorlage durch Anträge der bürger« lichen Kommissionsmitglieder. Während die RegierungSvorlafle im § 15 Absatz 4 bestimmt, daß von den Veräußerungspreisen in Abzug zu bringen sind vier vom Hundert von dem Erwerbs« preise unbebauter Grundstücke, die vom Veränßerer vor der Veräußerung bebaut worden find, für einen Zeitraum von nicht mehr als sechs Jahren vor der bchörd« lichen GebrauchSabnahme, will ein nationalliberaler Antrag zwar auch 4 vom Hundert bestehen lassen aber ohne einen Zeitraum festzusetzen. Die Konservativen beantragen statt vier vom Hundert drei vom Hundert zu setzen. Sin Z e u« trumSredner begründet einen Antrag, daß drei vom Hun» dert von dem Erwerbspreis vom Tage deS Erwerbes an abgezogen werden können, jedoch nicht länger als 15 Jahre zurückliegend. Der sozialdemokratische Redner betont, daß daS Gesetz kaum noch in dieser Tagung zu erledigen sei. da nur schwer der verdiente und unverdiente Wertzuwachs festgestellt werde» könne. Man müsse auch den bestehenden Landes» gesehen Rechnung tragen; die Regierungsvorlage treffe noch die besten Bestimmungen. Nach langer Debatte wird der konservative Antrag abgelehnt, der Antrag des Zentrums angenommen. In der weiteren Debatte wird die Vorlage mit einigen kleinen Aenderungen bis zum 8 12 erledigt; die Beschlußfassung über den ß 17 wird noch zurückgestellt.__ Der Gpitzclparagraph in der Juftizkommifttou. Nach 8 53 der Strafprozeßordnung darf ein öffentlicher Be- amter über Tatsachen, aus die sich seine amtliche Pflicht zur Per- 'chwiegcnheit bezieht, nur mit Genehmigung der vorgesetzten Be- orden vernommen werden. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Vernehmung dem Wohle des Reichs oder eine» Bundesstaates Nachteil bereiten würde. Dieselbe Borschrist wieder« holt Z 43 des Entwurfs der Strafprozeßordnung. Die Vorschrift ist bielfach mißbraucht, um in BeleidigungS « Prozessen gegen Redakteure und Arbeiter den Wahrheitsbeweis da- durch zu unterbinden, daß den Beamten die Genehmigung zur Ausfrage versagt ist. Noch schlimmer ist der Mißbrauch, der mit dem 8 �2 dadurch getrieben wird, daß den Beamten die Geneh- migung zur Bekundung von Tatsachen versagt wird, die auf das Wirken von Spitzeln und Lockspitzeln sich beziehen. Unzählig« Unschuldige sind verurteilt, weil Beamte eS ablehnten, ihre.Ver­trauensleute(Spitzel) zu benennen. Der 8 b3 ist auch überflüssig, weil seit 1887 ein Ausschluß der Oefftntlichkcit mit Schweigegebot möglich ist. Gestern beantragten die Genossen Frohme, Stadt» Hagen , Zietsch in der Strafjustizkommission die Streichung deS unveränderten, wieder vorgeschlagenen Spitzelparagraphen.