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Nr. 101. 27. Jahrgang.

2. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt.

Abgeordnetenbaus.

62. Sigung, Sonnabend, den 30. April, vor. mittags 11 Uhr.

Am Ministertisch: b. Trott zu Sola.

Die zweite Lesung des

Kultusetats

ro betm rapttel Medizinalwesen" fortgesetzt.

Abg. Hirsch( Soz.):

Sonntag, 1. Mai 1910.

schon nach den ersten Wochen künstlich ernährt werden". Daß dies Koch- und Abortverhältnisse bemängelt. Die Leute, die den Mund aus Bequemlichkeit geschieht, mag in gewissen besibenden nicht voll genug nehmen können über die sittliche Ver­Streifen zutreffen, in manchen geistig ganz tief stehenden Kreisen rohung des Voltes, sollten doch zunächst dafür sorgen, daß geschieht es auch vielleicht aus Unkenntnis, aber in den ihre Ursachen, wie die mangelhafte Trennung der Ge­meisten Fällen wird das Stillen der Kinder deshalb unterlassen, schlechter in den Wohnungen, beseitigt werden.( Sehr richtig! bei weil die Mütter durch die wirtschaftlichen Berhältnisse gezwungen den Sozialdemokraten.).

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find, einem Erwerb nachzugehen. Ein Krankheit, die auch zugenommen hat, ist dann noch der Daher ist die Hauptsache die Besserung der wirtschaftlichen Ver­Säuferwahnsinn. Sie wissen, daß die sozialdemo hältnisse der Arbeiterbevölkerung.( Sehr wahr! bei den Sozial- aller Macht aufgenommen hat. Wir sind stolz darauf, daß bereits fratische Partei den Kampf gegen den Alkoholismus mit demokraten.) Weiter kommt noch in Betracht, daß die Arbeiter auch meist nicht in der Lage sind, sich die gute Milch zu kaufen, Erfolge in diesem Stampfe errungen worden sind, wir haben durch die unbedingt als Ersatz für die Muttermilch notwendig ist.( Sehr unsere Agitation dazu beigetragen, daß der Branntweinkonsum Krüppelfürsorge ausgesprochen hat, können wir uns nur wendig sie auch ist, ist der Bevölkerung nicht gedient, wenn diese Sie uns daran verhindert haben, überhaupt Versammlungen ab­Den Wünschen, die Herr 2üdicke gestern in bezug auf die wahr! bei den Sozialdemokraten.) Mit aller Aufklärung, so not- ganz erheblich zurückgegangen ist.( Buruf rechts.) Sie sagen, wir hätten früher damit anfangen sollen. Vielleicht zu der Zeit, wo anschließen. Eine ganze Reihe von Gemeinden und auch anderer nicht in der Lage ist, den gegebenen Ratschlägen zu folgen. deutscher Bundesstaaten unterstüßen die Krüppelheime durch Gewundert habe ich mich, daß im Etat der Fonds zur Unter- zuhalten.( Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) finanzielle Beihilfe. Diesem Beispiel sollte der preußische Staat stützung des Bezirkshebammenwesens bon 180 000 Sie haben ja planmäßig über ein Jahrzehnt die Kulturbestrebungen folgen. Herr b. d. Often hat dann wieder über die Nahrungs - auf 100 000 Mt. vermindert worden ist. Im Etat heißt es: der der Sozialdemokratie niedergehalten. mittelfontrolle Klage geführt. Wir stimmen mit dem bisherige Betrag sei über das Bedürfnis hinausgegangen. Viel Wenn Sie jetzt endlich zu der Erkenntnis kommen, daß die So­Herrn Minister dahin überein, daß die Nahrungsmittelkontrolle leicht ist aber nicht allen Hebammen die Existenz eines solchen zialdemokratie eine Stulturpartei ist, und sie ist die einzige für die Gemeinden keine Einnahmequelle bilden soll. Anderer- Fonds bekannt. Jedenfalls ist der Hebammenmangel im Osten Kulturpartei, dann ziehen Sie daraus auch die Konsequenzen. seits dürfen aber auch die Nahrungsmittel- Untersuchungsämter noch sehr groß, noch gehen 10 Prozent aller Entbin- Ich möchte die Regierung bitten, mit uns gemeinsam den Stampf nicht auf gewiffe Interessentenkreise, vor allent agrarische, dungen in Preußen ohne Mithilfe von Hebammen gegen den Alkoholismus aufzunehmen. Wir glauben freilich nicht, Rücksicht nehmen; es darf bei der Kontrolle nur das Interesse der vor sich. Charakteristisch ist auch hier wieder, daß sich der daß sie es tun wird, weil hier die Interessengegensätze zu sehr Bevölkerung ausschlaggebend sein. Herr v. d. Osten hat die tiefe Osten durch eine ganz besonders hohe Bahl von Entbindungen aufeinanderplaten. Weite agrarische Kreise sind ja daran inter­Weisheit ausgesprochen, daß der eine die Lasten bestimmt, die der ohne Hebammenhilfe auszeichnet.( hört! hört! bei den Sozial- essiert, daß die Arbeiter möglichst viel Fufel genießen.( Sehr andere zu tragen hat. Es ist allerdings in Preußen immer so demokraten.) Im Regierungsbezirk Allenstein zum Beispiel wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich will mich mit Rücksicht auf gewesen, ist die Zahl dieser Entbindungen viermal so groß wie im die Geschäftslage des Hauses auf diese wenigen Bemerkungen be­Durchschnitt des Staates, also auch hier marschiert der schränken. Es handelt sich hier nicht um Parteifragen, sondern in Aussicht gestellten Hebammengese ist nichts mehr zu die den Anspruch darauf erheben, Kulturparteien zu sein, mit­Often, wie immer in der Kultur, hintenan. Von dem seinerzeit um die Lösung von Kulturfragen, bei der alle Parteien, hören gewesen. Die Regierung sollte dies Versprechen nun end- wirken können. Wenn Sie sich eingehend mit diesen Fragen be lich einlösen. schäftigen, werden Sie mit uns zu der Einsicht kommen, daß es Pflicht eines Parlaments, das das Parlament eines Kulturstaates fein will, ist, dafür zu sorgen, daß solchen Zuständen möglichst bald ein Ende gemacht wird.( Lebhafter Beifall bei den Sozial. demokraten .) Abg. v. Wenden( f.) äußert Wünsche im Intereffe der Diako­Kultusminister v. Trott zu Solz gibt eine entgegenkommende Erklärung ab. Abg. Mogt( natl.) wünscht Auskunft, wann ein Hebammen. gesetz zu erivarten sei.

daß die herrschenden Klassen die Lasten bestimmen, während die anderen, die die Lasten zu tragen haben, nichts zu fagen haben. Was Herr v. d. Osten über die fortwährende Be­lastung der bemittelten Schichten durch die preußische Gesetzgebung gefagt hat, trifft in keiner Weise zu. Ich komme noch auf diese Frage ausführlich bei anderer Gelegenheit zurück. Davon aber, Auch die Sterblichkeit an Tuberkulose ist etwas daß die sozialdemokratische Partei den Arbeitern Basten auferlegt, zurückgegangen, aber noch immer find 17,16 Sterbefälle auf 1000 wie Herr v. d. Often wieder einmal behauptete, kann keine Rede vorhanden. Die Gemeinden sind auch auf diesem Gebiete bahn­sein. Was die Arbeiter für die sozialdemokratische Partei bei- brechend vorangegangen, sie haben ja auch ein großes Interesse steuern, das tun fie aus freien Stüden.( Lachen rechts. Sehr rich- daran, weil dadurch ihre Armenlasten vermindert werden. Den tig! bei den Sozialdemokraten.) Und wir sind stolz darauf, daß leistungsschwachen Gemeinden sollte der Staat Mittel zur Be­ein solcher Opfermut innerhalb der Arbeiterschaft besteht.( Sehr fämpfung der Tuberkulose zur Verfügung stellen. In engem richtig! bei den Sozialdemokraten.) Sollte Herr v. d. Often die Zusammenhang hiermit steht die Wohnungsfrage. Das Gewerkschaften gemeint haben, so bergißt er, daß gerade die gibt die Regierung zu, indem sie in ihrem Bericht betont, daß in Gewerkschaften durch die Mittel, die ihnen ihre Mitglieder zur verschiedenen Städten die schlechten Wohnungsverhältnisse die Ab­Verfügung stellen, dem Staat eine erhebliche Menge von Aufnahme der Krankheit verhindert haben. Daher sollte endlich gaben abnehmen.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich ein Wohnungsgeseh erinnere nur an die Arbeitslosenunterstützung, die erlassen werden.( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Auf Kranten und Sterbeunterstüßung. Da der Staat die Tuberkulose hat auch die Art der Beschäftigung einen großen in dieser Richtung seine Pflicht nicht erfüllt, nehmen ihm die Ge- Einfluß. So weist der amtliche Bericht darauf hin, daß besonders werkschaften diese Aufgabe ab, und sie verrichten damit ein gut viel Tuberkulöse in den Tabak- und Holzfabriken, in Stüd Kulturarbeit.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Spinnereien und Porzellanfabriten, als 8igar­Wir haben im vorigen Jahre dargelegt, daß wir ein renarbeiter, in der Texttlindustrie, als Dreher und Schleifer tätig waren. Es muß daher darauf gesehen werden, diese Beschäftigungen möglichst wenig gesundheitsschädlich zu machen, und aus diesem Grunde wäre es gut, wenn den Ge­werbeaufsichtsbeamten einige beamtete Aerzte beigegeben würden. Was die Wohnungshygiene anbelangt, so scheitern alle Versuche, die von uns auch für Berlin ausgegangen sind, gesunde Wohnungsverhältnisse zu schaffen, an dem Einfluß der Haus­agrarier in den Stadtverordnetenversammlungen. Es wird be­richtet,

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besonderes Medizinalministerium

angesichts der hohen Bedeutung der Gesundheitspflege für erfor­derlich halten. Wir müssen uns nun damit abfinden, daß die Medizinalabteilung dem" Ministerium des Innern angegliedert werden soll. Die Hauptsache ist, daß an der Spiße eine tüchtige geeignete Persönlichkeit steht, am besten ein Mediziner, der auf Sem Gebiete der Sozialhygiene Erfahrung hat.( Sehr rich­tig! bei den Sozialdemokraten.) Die Wissenschaft hat gewiß Großes auf dem Gebiete der Volksgesundheit geleistet; aber was nüht die ganze Forschung, wenn nicht ihre Ergebnisse praktisch im Inter­effe der Gesamtheit angewendet werden. Daran fehlt es leider bielfach. Ich will nur einige Beispiele hervorheben, einige An­regungen auf diesem Gebiete geben. So ist wissenschaftlich fest gestellt eine ungeheure Zahl von Geweberkrankheiten, z. B. Blei­ertranfungen. Aber es geschicht in der Praxis so gut wie gar nichts zur Abwehr dieser Krankheit. Das ist erklärlich, weil hier die Gewerbeinspektoren in Frage kommen, die wieder zu einem ganz anderen Ministerium gehören. Daher sollte alles, was in das Gebiet der sozialen Hygiene fällt, einer einheitlichen Instanz unterstellt sein. Bon größter Bedeutung ist die

folossale Säuglingssterblichkeit.

daß in Berlin in 34 Fällen aus fanitätspolizeilichen Gründen die Räumung der Wohnung veranlaßt worden ist. Wie schlimm muß es in diesen Wohnungen ausgesehen haben. Daß es auch heute noch Hunderte von jammervollen Wohnungen gibt, hat die Enquete der Krantentasse der Kaufleute bewiesen. Sier muß eine vernünftige Wohnungsinspet tion neben Maßnahmen zur Schaffung gesunder Wohnungen ein­greifen. Viel schlimmer sieht es natürlich auf dem Lande aus. Nach dem Bericht findet man hier vielfach Fußböden aus Lehm­schlag oder Ziegelsteinen und kleine Fenster, die Schießscharten ähneln.( Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Im Osten zwingt die Leutenot erfreulicherweise jeßt die Gutsbesitzer, bessere Wohnungen zu bauen. Aber auch im Westen sieht es schlimm aus. So wird aus dem Bezirk Hildesheim berichtet, daß sich noch vielfach

Wohnräume und Ställe unter einem Dach

Dank der Tätigkeit vor allem der Kommunen hat sie fich ja in den letzten Jahren etwas verringert. Aber sie ist noch erschreckend hoch. Nach den amtlichen Nachrichten starben im Jahre 1907 auf 1000 Lebendgeborene im ersten Lebensjahr immer noch 168,33, und befinden. Ein erfreuliches Beispiel hat der Landrat zu Lübing zwar verteilte sich diese Zahl auf die Städte und das Land ziem- hausen im Bezirk Münster gegeben, der Musterbaupläne in seinem lich gleichmäßig. Jm Durchschnitt von ganz Preußen ist die Säug- Dienstgebäude ausgestellt hat. Miserabel sind vielfach auch noch lingssterblichkeit auf dem Lande sogar noch etwas höher als in die Quartiere der Saisonarbeiter und Arbeiter, die den Städten.( Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Besonders tut sich der Ost en wieder hervor. Es ist fast eine Diffe vorübergehenden Zwecken untergebracht sind. So waren solche Arbeiter im Bezirk Frankfurt bei einem staatlichen Bahn­renz von 100 Prozent zwischen Osten und Westen. wagen und einer Baubude untergebracht,

bau teils in einem feuchten Keller, teils in einem Eisenbahn­

In dem Bericht der Medizinalabteilung über das Gesundheits­wesen im preußischen Staat vom vorigen Jahre wird aus Haupt­ursache für die Säuglingssterblichkeit angegeben: unawedmäßige in der in einem Raum zwei Familien wohnten. Ernährungsweise, da die Kinder, anstatt die Mutterbruſt au er-( Sört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Bielfach werden auch die halten meistens aus Unkenntnis, vielfach aus Bequemlichkeit, nicht genügende Trennung der Geschlechter und die mangelnden

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feuilleton.

Die rote fabne.

Das während der ruffischen Revolution entstandene Kampflied bes ruffischen Proletariats, die Marseillaise , bruden wir nachstehend, einem Wunsche vieler Genossen entsprechend, in deutscher Uebersetzung ab. Die Melodie ist eine andere als die der deutschen Marseillaise

Des Volkes Blut verströmt in Bächen Und bitt're Tränen rinnen drein, Doch kommt der Tag, da wir uns rächen! :: Dann werden wir die Richter sein!:,: Stimmt an den Gesang! nun wohlan! Die Fahne trägt des Volkes Grollen Ueber 8wingburgen stolz himmelan. Der Freiheit Morgenrot bricht an, Rot ist das Tuch, das wir entrollen, Klebt doch des Volkes Blut daran! Bohl knüpft ihr knechtisch finstern Schergen Vergeblich das zerriff'ne Seil. Das Schlechte fault in dumpfen Särgen, Das Gute fiegt , der Welt zum Heil!:,: Stimmt an den Gesang usw.

Tod Euch, den Henkern, den Despoten! Die alte Niedertracht zerfällt. Wir pflügen um den alten Boden : Und bauen eine neue Welt!:,:

Stimmt an den Gesang! usto.

Auf Brüder, scharet Euch zum Heere, Die Brust vom gleichen Geist durchweht! Wo ist die Macht, die einem Meere, Die uns'rer Sturmflut widersteht?:,: Stimmt an den Gesang! usw.

Unter der Sonne.

Nie geschaute Frühlingsbilder hat dieses starre Breußen uns heuer gezeichnet: Aus den bewegten Linien dunkler Kleider, die sich zu Tausenden drängen, recken sich weiß leuchtende Hände zum Himmel empor. Es sind harte Hände der Arbeit und der Drangfal, verwitterte Hände der Sorge und des Schmerzes, gefurchte, ber­stümmelte Hände; aber alle diese Risse des Alltage sind unsichtbar geworden, aufgelöst in dem schimmernden Weiß, so wie sie fich feht aus dem büfteren Gewirr streden, sind es alles dieselben schwö renden Hände des großen Willens und des fruchtbaren Zornes, wett und hoch entfaltete Hände, die sich nicht in demütigen Gebeten verschränken, sondern die frei und stolz rufenden Finger dem Lichte zukehren, das an ihnen mild und reich herabrinnt, als wollte es Die Sonne selbst in die Herzen leiten. Wie Blüten sind diese Hände, die plötzlich der Frühling auf steinigem Brachland erweďte. Eine neue Schönheit hat der bedeutsame Augenblick geboren: Ueber dem finsteren Millionenelend betrogener, geplünderter Menschen, der farblosen Masse, die immer mur anderen Farbe gewinnt, hat fich die unendlich gegliederte, in zahllosen Wandlungen doch ein­beitliche Riesenblüte schaffender Hände strahlend ausgebreitet, und diese öde Welt der Frohn hat auf einmal die Form und Farbe des Frohen gewonnen. Eine neue Sonnenfeier ist wie über Nacht ge­

worden.

niffen.

Abg. Dr. Pachnide( Fortschr. Bp.) betont die Notwendigkeit der Wohnungsfürsorge und eines Feuerbestattungsgesetzes.

Abg. Beltasohn( Fortschr. Vop.) bringt die Ablehnung eines Medizinalpraktikanten durch den Leiter des Kreistranten. hauses in Bris zur Sprache, die mit der Begründung er folgte, daß die Aerzte in Brit keinen jüdischen Kollegen wünschten. ( Hört! hört!)

Kultusminister v. Trott zu Solz: Der Herr Vorredner geht von der falschen Voraussetzung aus, daß die Krankenhäuser ver­pflichtet seien, alle Praktikanten aufzunehmen. Nach der Rechts­lage fann ich da keine Vorschriften machen.

Die Debatte wird geschlossen.

Abg. Cassel( Fortschr. Vp.) bedauert, verhindert zu sein, nach­zuweisen, daß die Erklärung des Ministers mit der Rechtslage und der Werfaffung unverträglich sei.

Der Rest des Kultusetats wird nach unwesentlicher Debatte bewilligt. Beim

regt

Etat des Abgeordnetenhauses

Abg. v. Neffel( t.) erneut die Verschmelzung der stenographi schen Bureaus des Abgeordnetenhauses und des Herrenhauses an. Abg. Wallenborn ( 3.) schließt sich dem Vorredner an und fragt nach dem Schidjal der Freifahrkarten für die Abgeordneten.

Abg. Dr. Friedberg( natl.) fordert eine gesetzliche Regelung der Rechte der Parlamentsbeamten. In der Frage der Freifahre farten hätte der Minister des Innern selbst erscheinen und eine Erklärung abgeben müssen. Er erwarte nun bestimmt eine Ant­wort bei der dritten Lesung.

Abg. Dr. Bachnide( Fortschr. Bp.) wünscht gleichfalls eine Be­schleunigung der anderweitigen Organisation des stenographischen Dienstes. Vor allem bedarf das Rechtsverhältnis der Parlaments. beamten und des Präsidiums einer gesezgeberischen Regelung. Die schäfte dieses Hauses und auch, um in der Auswahl der Kandi. Freifahrkarten brauchen wir dringend zur Förderung der Ge. baten weniger behindert zu sein. Es wäre angezeigt, daß wir von dem Artikel 60, die Gegenwart der Minister zu verlangen, Ge brauch machten. Durch diese bewußte Nichtachtung des Parlaments wird das Ansehen des Parlaments planmäßig herabgedrückt.( Sehr richtig!)

Abg. Leinert( Soz.): Ich glaubte vorhin, als der Herr Vertreter des Ministers des Innern seinen Plak verließ, er wolle so schnell wie möglich die Fahrtarten holen.( Große Heiterfeit.) Er ist aber wieder gekommen, ohne das Parlament einer Antwort zu würdigen. Ich muß ja sagen, das hohe Haus erhält die Behandlung währenden Schlacht, die große Mehrzahl der Menschen entstellende Wunden der Not und der Fesselung mit sich schleppt, die sie scham voll verhüllen möchte. Die Sonne heischt die ungebrochene Schön. beit des Menschen, und sie selbst wird zur Antlägerin wider die Verbrecher an menschlicher Kraft, Größe und Reinheit. Unter der Sonne wird alles Unechte entlarvt, aller hüllende Plunder und alles erheuchelnd Gefühl zerzaust: Nur die ganze starke Wahrheit fann sich in ihrem richtenden Glanz bewähren. Nur in ihr können frohe, ehrliche, brausende este des Leben& entstehen!

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Es lag von Anbeginn in der Maifeier des Proletariats, daß die Wiedergeburt der Natur fich mit dem Frühlingswillen mensche lichen Strebens innig verbände ein Sonnenfest erwachter Völker, ein Menschheitsfest, das zum erstenmal wieder in farbiger Freude und lachender Schönheit die ganze Erde einigen sollte. Aber fast schien es, als ob die Kraft, Feste zu feiern, versiegt sei. Das Mai­fest bildete sich keine eigenen Formen seines tiefen und heiligen Wesen Ga schleppte den Geruch und den Druck des Werktags mit wir nahmen an Veranstaltungen teil, nicht aber an einem& est, in dem sich der erhöhte Sinn des Lebens offen barte. Nur in unluftigen Sälen gob es etliche Vergnüglichkeit und flüchtige Erbauung.

Von unseren Festen, diesen Ausströmungen menschlicher Freude in den Formen der Kunst, der zu unmittelbarem Leben gewordenen Kunst, geht, was William Morris von der Kunst selbst sagt: Ver­fauft ist sie worden und billig fürwahr, achtlos vernichtet durch die Die Machthaber wußten wohl, was sie taten, als sie sich wei- Gier und Unfähigkeit von Narren, die nicht wissen, was Leben und gerten, die Menschheitsbewegung unserer Zeit in ungehemmtem Freude bedeuten, und sie weder selbst besitzen, noch anderen ge­Sonnenlicht sich ausbreiten zu lassen. Mochten die Rebellen immer währen wollen, zum Opfer gebracht jenem Ungeheuer, das alle fich in öden, qualmigen Sälen einsperren, sich als Höhlenmenschen Schönheit zerstört hat, und dessen Name ist- Handelsgewinn." vor dem natürlichen Licht verkriechen, da sah man sie nicht, da sahen In Wahrheit: find nicht auch unsere Feste zur Ware geworden, Spe­sie sich selber nicht, nur ihre Lungen wurden zerdrüdt und verstaubt fulationsobjekte für Saalbesiber und Bierbrauereien! Nicht nur und ihre Augen verlernten im Licht zu schauen. Es war eine Aus- unsere Arbeit wird ausgeschrotet, sondern auch unsere Freude, und sperrung aus der Natur, und die fahle Dämmerung ließ alle wenn wir in den fargen Minuten losgebundener Knechtschaft mit Schrunden und Wunden in einem Grau sich verstecken. Nur unter ermüdeten Sinnen und kaum fich selbst wagender und bejahender der Sonne reift die unzerstörbare Kraft, nur wer in ihrem Licht, Sehnsucht uns dem Schein einer Freiheit hingeben, so wird auch das jede Lüge entkleidet, zu bestehen vermag, bezeugt sein großes, fie auf dem Markt lärmend ausgeboten and feilschend verwüstet. gesundes, ungebrochenes Menschentum. Indem die Masse unter Unsere Feste von heute sollen eine Borahnung der Wirtschaftsord­bem Himmel sich ausbreitet, zählt sie sich nicht nur, fühlt sie sich nung von morgen sein. Diese Ordnung, die aus dem rohen Chaos nicht nur, wächst in ihr nicht nur die sehnsüchtige Daseinsfreude der menschlich- staatlichen Gesellschaft selbst ein Kunstwert gestaltet, und die tätige Entschlossenheit, sie gewahrt auch die Berstörungen, wäre nicht wert des Kampfes und der Opfer gewesen, wenn sie die ihr Leben an ihnen verübt hat: die Sonne bringt es an den nur( wieder mag William Morris reden!) die Bürde der Arbeit Tag, daß in der heutigen gesellschaftlichen Verfassung, dieser ewig lerleichtert hätte, ohne ihr wiederum jene Elemente sinnlichen Ber