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Nr. 102. 27. Jahrgang. 3. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt

Wahlrechtsipaziergang

und Polizeiautorität.

Für den Berliner Wahlrechtsspaziergang vom 6. März, durch den die Autorität des Polizeipräsidenten von Berlin so bedenklich ins Wanten geraten war, hatte bekanntlich am 1. April das Amts: gericht Berlin- Mitte( Abteilung 129) dem verantwortlichen Re­dakteur des Vorwärts", unserem Genossen Richard Barth, als Sühne eine Haftstrafe von 4 Wochen zudiktiert.

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Durch mehrere im Vorwärts" veröffentlichte Artikel und Mit­teilungen über die Nichtgenehmigung der im Treptower Park ge­planten Versammlung und über die daraus entstandene Absicht eines Spazierganges nach dem Treptower Park sollte Genosse Barth das Zustandekommen jener Wahlrechtskundgebung, die im Tiergarten vor sich ging, verschuldet haben. Durch seinen Spazier­gangsartikel habe er öffentliche Aufzüge und Versammlungen unter freiem Himmel ohne die vorgeschriebene Genehmigung ber­anstaltet und demnach das Vereinsgeseß übertreten. Ferner habe der Tausendkünstler!- Barth durch jene Artikel zugleich andere zur Veranstaltung nichtgenehmigter Aufzüge und Versammlungen, hiermit aber zum Ungehorsam gegen das Vereinsgesetz aufgefordert. Gegen das Urteil hatte Barth Berufung eingelegt. So wurde gestern Entstehung und Verlauf des Wahlrechtsspazierganges noch einmal erörtert. In der Verhandlung führte den Vorsitz der Landgerichtsdirettor Quast, die Staatsanwalte schaft wurde durch den Ersten Staatsanwalt Stein brecht vertreten, Verteidiger war Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld. Es waren 25 Zeugen geladen.

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Das Amtsgericht war zu einem verurteilenden Erkenntnis ge­langt, indem es annahm, daß der Vorwärts" in Auflehnung gegen das Verbot des Polizeipräsidenten die Absicht verfolgt habe, trop alledem" Aufzüge und Versammlungen zustande zu bringen. Der Angeklagte sei darauf ausgegangen, den Spaziergang zu einer Massenfundgebung zu gestalten. Er habe die Aufzüge" und" Ver­fammlungen" auf Treptower Gebiet und im Tiergarten beran­staltet". Vernehmung des Angeklagten.

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Hiergegen wendet sich der Angeklagte, bevor die Artikel berlesen werden, in folgenden Ausführungen: Schon aus der Er­hebung der Anklage geht ihre Unhaltbarkeit hervor. Bum 9. März hatte ich eine Vorladung zu einer verantwortlichen Vernehmung er halten. Danach sollte ich zum Ungehorsam gegen Anordnungen des Polizeipräsidenten und zur Umgebung eines Verbotes aufge­fordert haben. Auf diese Anklage schrieb der Vorwärts" mit Recht, daß sie völlig ins Blaue schieße und unhaltbar sei, weil der Polizei­präsident teine Anordnungen im Sinne des Gesezes erlassen, fondern nur die Genehmigung zu einer Versammlung nicht erteilt habe. Es handelte sich um keine Aufforderung zum Unge­horsam im Sinne der§§ 110 und 111 des Strafgesetzbuches, abge­sehen davon, daß der Vorwärts" gar keine Aufforderung erlassen habe. Die erste Anklage fiel dann. Es wurde eine neue Anklage gebaut, aber die Anklageschrift selber ging mir nicht zu. Jest sollte ich Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge ohne Ge­nehmigung veranstaltet und durch den Vorwärts" zur Begehung strafbarer Handlungen, zum Ungehorsam gegen das Vereinsgefeß aufgefordert haben. Auch diefe Anflage ist völlig unhaltbar. Bu Versammlungen hatte ich nicht aufgefordert, Versammlungen hatte ich nicht veranstaltet, Versammlungen haben auch gar nicht statt. gefunden. Auch Aufzüge find nicht veranstaltet worden. Wenn An­fammlungen zustande gekommen sind, so ist das lediglich auf das Konto der Polizei, nicht aber auf mein Konto zu feßen. Der Polizeipräsident hat auch keine Anordnungen getroffen, er hat nur die Genehmigung zu einer Versammlung bersagt und zwar zu Un recht. Ueber den Treptower Part hat er überhaupt kein Ver fügungsrecht, er ist dort nicht zuständig. Ich soll zur Umgehung des polizeilichen Verbotes aufgefordert haben. Eine Aufforderung zur Umgebung einer strafbaren Handlung fann nicht strafbar sein, sie ist das direkte Gegenteil einer strafbaren Handlung, wie auch die Um­gehung eines Diebstahls fein Diebstahl ist. Der Vorwärts" hat lediglich mitgeteilt, daß ein Wahlrechtsspaziergang stattfinden werde. Das ist ebensowenig eine Aufforderung, wie z. B. die Mitteilung, daß Tausende sich den Halleyschen Kometen ansehen werden. Selbst wenn der Vorwärts" zu dem Spaziergang auf gefordert hätte, so wäre das auch kein Verstoß gegen die Ge­fete, weil ein Spaziergang feinen Aufzug und feine Bersammlung darstellt. Der Vorwärts" hat erklärt, daß das Verhalten des Polizeipräsidenten den Gejezen zuwider ist, weil die Berliner Ar. beiterschaft wie jeder andere ein Recht auf die Straße hat. Das zu fagen, war nicht nur unser gutes Recht, sondern geradezu unsere Pflicht. Auf die provozierende Nicht genehmigung der Versammlung antwortete der Vorwärts" mit einem" Trotz alledem", das so zu verstehen war: Troß alledem lassen wir uns nicht zu Ungefeßlich teiten hinreißen, sondern bekunden unseren Willen in anderer und

durchaus gesetzlicher Weise.

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Nach dieser Konstatierung, daß der Angeklagte völlig zu­treffend den Werdegang der für den Polizeipräsidenten eingeleite ten Rettungsaktion geschildert hat, werden die inkriminierten Artikel verlesen. Ein Zwischenfall.

Beweisaufnahme

Dienstag, 3. Mai 1910.

ab, daß die sozialdemokratische Arbeiterschaft Berlins mit ihrer Als Zeuge wurde der Reichstagsabg. Gothein ver Wahlrechtskundgebung hätte warten sollen, bis im Verwaltungs- nommen: Er habe von seiner Wohnung in der Hindersinstr. 3, streitverfahren der Polizeipräsident eines anderen belehrt worden 2. Etage, zwischen 2 und 3 Uhr einige der Vorgänge bei dem Ab­wäre und führt Fälle an, in denen ein solches Verfahren länger gang der Massen aus dem Tiergarten beobachten können. Er habe als ein Jahr gedauert hat. Der Staatsanwalt weist hin auf gesehen, daß die Leute, die vom Tiergarten zurückkamen, von be= die inzwischen ergangene Entscheidung des Bezirksausschusses, der rittenen Schuhleuten in der Weise zurückgedrängt wurden, daß die dem Polizeipräsidenten beigestimmt habe. Der Verteidiger Schußleute das Trottoir entlang ritten und die Leute mit ihren erwidert, von vornherein sei nicht auf den Bezirksausschus, sondern Pferden vorwärts drängten. Dabei wurden einigen durch die Pferdes auf das Oberverwaltungsgericht gerechnet worden. töpfe die Hüte vom Kopf gerissen, anderen traten die Pferde mit Es wird dann in die ihren Hufen auf die Hacken. Das machte teinen erhebenden Ein­druck. Auf Befragen erklärt der Zeuge, daß nach seiner Meinung zwischen der Auffassung der Polizeibeamten über die Borgänge vom ganze Sache in Unordnung geraten und dadurch berechtigte Miz­eingetreten. Wieder tritt in ihr der scharfe Gegensatz zutage, der erst durch das Auftreten und das Nachdrängen der Schuhleute die 6. März und den Wahrnehmungen nichtbeamteter und unbeteilig- unter der Menge, die vor den Pferdehufen flüchtete, befanden sich vomitimmung unter die Zurüdgedrängten hineingetragen sei, denn ter Zeugen besteht. auch Frauen und Kinder, Mädchen mit Körben usw. Wo eine des Gewerkschaftshauses drei Züge nacheinander beobachtet. Den Polizei bewirkt. Denn ehe sie gekommen, habe sich der Verkehr in Polizeiwachtmeister Dehmel hat in der Umgebung Störung des Berkehrs eintrat, habe dies nach seiner Ansicht die ersten veranlaßte er selber, vom Fahrdamm sich auf den Bürger- vollster Ordnung vollzogen und es wurde jede Droschke und jedes steig zu begeben, weil er wünschte, daß es nicht einen so demon- Auto durchgelaffen. strativen Eindruck machte". Dieser Zug habe sich ruhig bewegt, dagegen habe der zweite folossalen Radau" gemacht. Auch seien 6. März von 114 Uhr an längere Zeit in der Hofjägerallee Reichstagsabgeordneter Stadthagen ist am Rufe wie" Bluthunde!" usw. gefallen. Auch der dritte sei ein und den angrenzenden Wegen des Tiergartens, nahe dem Radauzug" gewesen. Daß Ordner tätig waren, nimmt Beuge an, Großen Stern auf und ab gegangen. Er sah größere Massen von weil einmal, als der Wagenverkehr zu stoden drohte, den ein- Spaziergängern, hat aber von irgendwelcher Verkehrsstörung nichts greifenden Beamten von einigen Teilnehmern des Zuges gesagt bemerkt. Es wurden Wahlrechtshochs ausgebracht, und gleich dar­wurde: Lassen Sie man, das machen wir allein!" Eingeschritten auf machten Berittene erst auf der Ostseite, dann auf der Westseite worden sei nur gegen den dritten Zug, der an der Neuen Roßstraße der Allee eine Attade auf die Menge. Diese stob auseinander, und die Schußmannstette zu durchbrechen versucht habe. nun fielen ganz spontan Ausdrüde, wie Bluthunde!" Ich selber Polizeihauptmann Bernhard Rigdorf, der den blieb auf der Westseite stehen. Als ein Berittener auf mich zu Auftrag erhalten hatte, den Treptower Part abzusperren, berichtete sprengte, sagte ich ihm, er solle auf dem Reitweg bleiben. Er eingehend über seine Beobachtunge am 6. März. Er bekundet u. a., hielt mit seinem Säbel auf mich zu und traf mich an den Baletot. daß der Dammweg schwarz voll Menschen war; es mochten wohl Sch parierte mit meinem Stock, traf aber nur das Pferd. Durch das 4-5000 Menschen gewesen sein, die heranrückten und von den Po- Pferd des nachfolgenden Berittenen wurde ich auf den Rasen ge lizeimannschaften nicht durchgelassen wurden. Ordner oder Leiter worfen. Vor der Attade der Polizei war von Unruhe nichts zu hat der Zeuge nicht bemerkt. Am Treptower Bahnhof brachte jeder bemerken gewesen. Mir ist mitgeteilt worden, daß ein Fabrikant sich Bug Hunderte von Menschen, die die unten schon angesammelten als Zeuge dafür angeboten hat, daß am Großen Stern beim Hirsch Menschen von oben herab begrüßten und die immer mehr an- denkmal mit dem Säbel auf einen am Boden Liegenden eind schwellende Menge mußte mehrfach auseinander getrieben werden. geschlagen ist. Auch soll ein Polizeihauptmann gefagt haben: Diese Da aus einigen dortigen Restaurationsgärten nicht nur gejohlt verfluchte Bande. Jeden Sonntag muß man sich ärgern, die muß und geschrien, sondern auch mit Steinen und Seideln geworfen man gleich zusammenhauen". Was den mehrfach erwähnten Mann wurde, so mußten diese Gärten geräumt werden. Die 4-5000 betrifft, der in einer Droschte herumgefahren und ein rotes Buch Menschen, die sich am Dammiveg stauten, haben auf den Beugen geschwenkt haben soll, so sei dies, wie ihm mitgeteilt worden, nicht nicht den Eindruck gemacht, daß es sich um zufällig zusammen ein Barteigenoffe gewesen, sondern ein Mann, der früher der treffende harmlose Spaziergänger handelte, sondern um einen Partei angehört und mit den sozialistischen Monatsheften herum. planmäßigen Zug, zumal aus der Menge Rufe wie Bluthunde!" geschwenkt habe. Auf Befragen erklärt der Beuge noch, daß am und Pfuil" ertönten. Wäre Gewalt von der Menge angewendet Großen Stern der Verkehr nicht gestört gewesen sei. Er selbst habe worden, so würden die Polizeimannschaften mit Gewalt geant- fich durch das Vorgehen der berittenen Schußleute persönlich bes wortet haben, aber es sei hierzu nicht gekommen. einträchtigt gefühlt und Strafanzeige erstattet. Gegen den aba lehnenden Bescheid, der ihm geworden, habe er Befchtverde eins gelegt. Auf dem Stern hätten gedrängt taum 2000 Personen Platz.

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Chefredakteur Dr. Alfr. Oehlte. Breslau ist am 6. März einige Zeit durch den Tiergarten gefahren. Er hat den Eindrud gehabt, daß die Arbeiter sich ruhig und besonnen gezeigt haben, die Polizei aber sehr nervös war. Zu Anfang boten die Reute das Bild geschlossener Züge, viele von ihnen hatten Bücher in der Hand und sangen die Arbeitermarseillaise.

Restaurateur Gustav Perchner, Besiber eines Restaurants unmittelbar am Treptower Bahnhof, bekundet, daß sein erwartetes gutes Sonntagsgeschäft dadurch gestört worden sei, daß mehrmals sein Lokal von der Polizei geräumt wurde, zuerst der Garten, dann später der Saal und die Galerien, wohin sich die Gäste, die aus gutem Publikum bestanden, zurückgezogen hatten. Der Zeuge hat nichts davon gesehen, daß mit Steinen oder Seideln geworfen worden sei. Als er Einspruch gegen die Maßregel erhob, habe der eine junge Leutnant, an den er sich wandte, geantwortet: Das ist mir ganz egal, stören Sie mich jest nicht! Sie können sich beschweren, ich mache was ich will!" Der Beuge betont, daß in seinem Lotal das ganze Jahr nichts vorkomme und daß, wenn irgend jemand sich nicht ordnungsmäßig betrage, er selbst und auch die Gäste selbst für Ordnung sorgen.

Mehrere Polizeibeamte befunden Einzelheiten über die Maßnahmen, die die Polizei gegenüber den Demonstranten im Tier­garten für geboten erachtet hat. Sie haben den Eindruck gehabt, daß es sich um Züge" handelte, die von unsichtbaren Führern ge= leitet wurden. Rechtsanwalt Rosenfeld bemängelt diese Aus­sagen und zeigt, daß die Beugen weniger mit eigenen Beobachtungen als mit allerlei Schlüssen operieren. Der Schuhmann Müller fagt unter anderem:" Die Züge schienen organisierte Arbeiter zu sein." Verteidiger: Schienen! Warum denn? Beuge: Na, wissen Sie, ich habe ja nicht soviel Verstand ich verbitte mir das!" Der Vorsitzende verweist den Zeugen zur Ruhe, indem er sich diese Art, dem Verteidiger zu antworten, verbittet.

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Ein Handlungsgehilfe Levy bestreitet gleichfalls, daß am Großen Stern ein Verkehrshindernis entstanden war; alles sei ruhig und friedlich gewesen, bis die Attade der Berittenen, für die kein Grund zu erkennen war, eingeriffen habe. Der Zeuge be. fundet noch eine Episode, wo zwei Berittene einen einzelnen Mann über den Rasen gejagt hätten.

Redakteur Dr. Heuß hat die Vorgänge vor dem Bismard­denkmal, auf der Rampe des Reichstagsgebäudes und an der Siegessäule mit angesehen. Die ganze Entwickelung der Men­schenmenge habe auf ihn einen ästhetisch angenehmen Eindruck gemacht, er könne nicht sagen, daß sie eine Versammlung oder einen Zug darstellte. Er habe den besten Eindruck von der ganzen Veranstaltung gehabt, denn die Leute machten im allgemeinen einen festlichen und gehobenen Eindruck. Die Zeitungsnachricht, daß auf der Rampe des Reichstagsgebäudes eine rote Fahne ge. hißt worden, sei nicht richtig. Ein Mann wurde von einem an­deren auf die Schulter gehoben und schwenkte ein rotes Tuch hin und her. Er habe von der ganzen Manifestation nur den Eindruck gehabt, daß es ein großartiges und friedfertiges Bild gewesen. Der Verkehr in der Nähe der Siegessäule war nicht gehemmt.

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Beugin Ruth Bré aus erischdorf im Riesen. gebirge ist Herausgeberin einer Zeitschrift Mutterschutz und Kinderrecht". Sie war am 6. März in Berlin und hat den An fang der Vorgänge am Großen Stern mit angesehen. Es seien fleinere Trupps gekommen, die sich au immer größeren Zügen Die Ordnung und Disziplin, die dabei herrschten, vereinigten. haben auf fie einen großartigen Eindrud gemacht. Es vollzog sich alles ganz ruhig, so daß man nicht wußte, wer zu den Demonstrans ten und wer zu den Spaziergängern gehörte. Wenn Polizeipräsi­dent v. Jagow diese Ruhe und Ordnung, die vor dem Erscheinen der Schuhleute herrschte, gesehen hätte, dann hätte er sicher alle feine Befehle zurüdgenommen.( Heiterkeit.)

Es wurde noch eine Anzahl von Schuhleuten vernommen, die allerlei Einzelheiten bekundeten, aus denen hervorgehen sollte, troffenen Maßnahmen der Situation entsprachen. Polizeileutnant daß es sich um Aufzüge" handelte und die von der Polizei ge Rausch te fagte unter anderem aus, daß, als er auf dem Vorderperron eines Straßenbahnwagens über den Großen Stern gefahren sei, aus der Menge ihm drohende Worte, wie Blut­hunde"," Mörder" und dergleichen zugerufen worden seien, Nach feiner Wahrnehmung seien Ordner vorhanden gewesen, die durch Erheben der Hand das Zeichen gaben, wenn Hochrufe ertönen sollten. In einem Auto seien 6 Mann mit einer roten Fahne umhergefahren. Ein anderer soll ein Plakat mit den Bildern von Mar und Morib und der Unterschrift: Etsch , wir machen eine Landpartiel" herumgetragen haben.

Ein paar rote Fahnen" wurden übrigens durch den Zeugen Schußmann Lawrenz vor Gericht entfaltet; fie waren aus den Bäumen des Tiergartens heruntergeholt worden und gingen nun Plaidoyers.

Polizeiwachtmeister Marquardt wiederholte u. a. feine frühere Aussage, wonach in der Umgegend des großen Sternes in der Menge verschiedene rute Tücher, die wie Fahnen geschwentt wurden, geführt und Rufe wie Bluthunde"," Mörder"," Hoch die bölferbefreiende Sozialdemokratie usw. gerufen wurden. Auto" aufmarschieren, der ein rotes Buch gefchwentt habe, sowie die Schuhmann Mainz läßt den vielerwähnten Herrn im Erster Staatsanwalt Steinbrecht verwahrt sich gegen" Dame im Auto", die mit einem roten Bouquett gewinkt habe. den Ausdruck, die Anklage sei gebaut" worden. Erhoben sei über- Schußmann Noll kann, wie in der Verhandlung erster Instanz, haupt nur eine Anklage, die keineswegs in Widerspruch zu der so auch jetzt wieder sich nicht entsinnen, daß nach der Attace am anfänglichen Auffassung der Staatsanwaltschaft stehe. Verteidiger Großen Stern einer der Attackierten den kommandierenden Offizier Dr. Rosenfeld erwiderte, man spreche vom Bau einer An- nach einem Schuhmann habe suchen lassen, von dem auf einen flage" und so auch von ihrem Zusammenbruch", und hoffentlich Wehrlofen eingehauen worden war. werde der Anklage gegen Barth diesmal der Zusammenbruch be­ Chefredakteur Theodor Wolff vom Berliner Tage­schieden sein. Darüber, ob die Anklagebehörde ihren Standpunkt blatt", der den Aufmarsch der Demonstranten im Tiergarten mit geändert hat, entspinnt sich eine längere Kontroverse. Der Ver- angesehen hatte, gibt wieder, wie in erster Instanz, eine zusammen­teidiger stellt aus der Vorladung zur verantwortlichen Berneh- hängende Darstellung seiner Wahrnehmungen. Der Aufmarsch n.ung des Angeklagten urkundlich fest, daß darin direkt von einer habe sich in voller Ruhe und Ordnung vollzogen, bis zu dem Augen­Aufforderung zum Ungehorsam gegen Anordnungen des Polizei- blick, wo die Polizei eingriff. Die Attacke der Polizei sei nach seiner Meinung sinnlos und unvernünftig gewesen und habe erst Anlaß präsidenten die Rede war. zu großer Erregung, nicht nur unter den Manifestanten, sondern in die" Atten". auch unter dem Publikum, welches aus guten Elementen bestand, gegeben. Die anziehenden einzelnen Gruppen haben den Verkehr Nach Schluß der Beweisaufnahme begründet der Vertei nicht behindert und dem Publikum keinerlei Angst oder Furcht ein­geflößt. Einzelne Personen schienen die Ordner zu sein. Die diger Rechtsanwalt Rosenfeld die Berufung: Das ganze Während der Verlesung wird dem Verteidiger bekannt, daß Rufe" Bluthunde" usw. seien erst nach der Attacke der Polizei er- Berfahren gegen den Angeklagten ist nichts weiter als ein Probuft Während der Verlesung wird dem Verteidiger bekannt, daß folgt. Richtig sei es, daß von den Manifestanten die Marseillaise der Verlegenheit, in der nach dem 6. März Polizeibehörden und Zuhörerraum ein paar Ariminalbeamte gesungen und Hochrufe auf das freie Wahlrecht ausgebracht wurden. Staatsanwaltschaft sich befanden. Alle Welt war darüber einig, fiken. Er macht den Vorsitzenden darauf aufmerksam und erhebt Der Zeuge hat die feste Ueberzeugung, daß die Menge ganz ruhig daß die Arbeiterschaft Berlins Bewunderung verdiente für die Art, Einwendungen mindestens dagegen, daß der eine diefer unge- auseinander gegangen sein würde, wenn die Polizei nicht einge- in der sie ihren Willen kundzugeben verstanden hatte. Die Polizei betenen Gäste, der Kriminalbeamte Palm, die Ver= handlungen mit anhört. Palm habe als Kriminalbeamter sich in griffen hätte. Von einer Versammlung" tann man nach Ansicht hätte wohl nichts weiter dagegen getan, wenn nicht das Gelächter des Zeugen nicht sprechen, weil die Leute fortwährend in Bewegung der ganzen Welt sich gegen sie gerichtet hätte. Die Polizei war einen sozialdemokratischen Wahlverein aufnehmen laffen. In der verfekt worden: sie selber befand sich in Treptow , und im Tier­Berhandung werde vielleicht auch zur Sprache kommen müssen, Auch Redakteur Friz Engel wiederholt seine Befun- garten wurde demonstriert! Sie suchte nun nach den Veranstaltern daß Aehnliches von Kriminalbeamten öfter getrieben worden ist bungen in erster Instanz, wonach Heinere Gruppen in Ruhe und und fand niemand, da versuchte man, aus den Artikeln des Vor­und daß Kriminalbeamte direkt an Kundgebungen der Sozial- Ordnung nach dem Großen Stern zu strebten, ohne Verkehrs- wärts" die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung zu ent­demokratie teilgenommen haben. Balm werde dafür als Zeuge ſtörungen zu verursachen. Es wurde die Arbeitermarseillaise ge- nehmen. Der Staatsanwaltschaft wurde es nicht leicht, eine Anklage benannt, mithin möge man ihn ersuchen, den Zuhörerraum fungen, aber nicht plößlich gemeinsam als Massendemonstration, zustande zu bringen. Aber auch das, was sie zustande gebracht hat, zu verlassen. Der Borsigende fragt darauf, ob ein Herr sondern es wurden halblaut gruppenweise Lieder angestimmt. Die ist durch die Beweisaufnahme widerlegt worden. Die Anklage und Balm" da sei. Herr Balm meldet sich und wird dann hinaus- total verunglüdte Attade der Polizei habe erst eine große Erregung das Urteil erster Instanz ruhen durchweg auf Annahmen und Mut­hervorgerufen; erst beim Anrücken der Polizei hätten sich die Leute maßungen, die als zweifellos" hingestellt wurden und schon dadurch Nach oder im Teptower Park? umgedreht und feien stehen geblieben. Erst danach ertönten Rufe, fich als sehr a weifelhaft charakterisieren. Straßendemon­Zu den Artikeln äußert sich der Angeklagte im einzelnen wie" Bluthunde", doch dagegen griffen die Ordner ein. Dasselbe ftrationen find an sich zulässig, fo hat das Kammergericht ent­noch eingehender. Der Staatsanwalt glaubt hervorheben geschah, als dem Zeugen selbst bei Gelegenheit aus der Menge zu- fchieden. Wie soll es da etwas Rechtswidriges sein, falls wirklich zu au sollen, daß im Vorwärts" immer von einem Epaziergang im gerufen wurde:" Sut ab beim Hochruf für das Wahlrecht!" Der emer Straßendemonstration aufgefordert" worden wäre! Der Treptower Part geredet worden sei, während es sich doch um einen Beuge hat diese Aufforderung nur als einen übermütigen Ruf be- Vorderrichter bezeichnet es als zweifellos", daß der Angeklagte die Spaziergang nach diesem Ziel gehandelt habe, den der Polizei- trachtet. Demonstration beranstaltet" habe und daß es sich bei ihr um präsident nicht habe dulden dürfen. Barth antwortet, dieses Von dem vorgeladenen Zeugen Prof. Harnad Stuttgart Aufzüge und Versammlungen gehandelt habe. Sein Wort in den nach" sei durch den Polizeipräsidenten hineingetragen worden. ist ein Schreiben eingegangen, wonach er zum Termin nicht er- Artikeln des Vorwärts", die lediglich sich allgemein über die Zu Bezüglich der Versagung der von den Genossen Ernst und Borg- scheinen könne, da er dazu des Urlaubs seiner vorgesetzten Be- lässigkeit eines Wahlrechtsspazierganges äußern, deutet auf eine mann nachgesuchten Genehmigung zu einer Versammlung unter hörde bedürfe und diese in der turzen Zeit zwischen seiner Bor- Veranstaltung" hin. Barth habe, so sagte in der Verhandlung freiem Himmel stellt Barth fest, daß hierin teine Anordnung" ladung und dem Termin nicht zu beschaffen war. Der Beuge gilt erster Instanz der Staatsanwalt, noch am Abend vor dem 6. März bes Polizeipräsidenten zu erblicken war. Er lehnt die Bumutung als entschuldigt. selber nicht gewußt, wo er am anderen Tage seine Veranstaltung

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