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P o l i z i sk e n beobachtet �abe. Cr erklärte jedoch, er Habe dmi feinem Standpunkte aus nur noch die Polizei- lieamten, nicht mehr die Menschenmenge sehen können. Die Beantwortung der Frage, ob von der Zentral- behörde eine Anweisung erfolgt sei, öffentliche Aufzüge nicht zu genehmigen, wenn die Genehmigung von sozialdemokratischer Seite nachgesucht werde, und der anderen Frage, ob ihm der Maifeier- erlab des Ministers des Innern bekannt sei, lehnte der Z e u g e a b. Der Leiter der Polizeiattacke, Polizeikommissar G u t S m a n n, erklärte, daß die Absicht eines DemonsirationSzuges bestanden habe, deshalb sei die Absperrung erfolgt. Im Zeitraum von einer halben Stunde habe er dreimal, je dreimal hintereinander, die Menschen- menge aufgefordert, auseinanderzugehen, widrigenfalls von der Waffe Gebrauch gemacht werde. Die Menge sei aber nicht ge- wichen und habe sich widersetzlich gezeigt. Darauf erst habe er den Befehl zum Blankziehen gegeben. Die Polizisten hätten aber nur dicht von ihren Plätzen aus geschlagen, keinen Angriff ge- -nacht. Er habe auch nicht gesehen, daß auf F liebende oder am Boden Liegende geschlagen worden sei. auch habe er den Beamten den Befehl erteilt, nicht auf Fliehende zu schlagen. Ein Polizist nach dem anderen trat nun als Zeuge auf, um wie ein Echo die Aussage zu wiederholen, dah die Menschenmenge widersetzlich gewesen sei und daß die�olizisten keinen Angriff gemacht, sondern von ihren Plätzen auS mit dem Säbel drein- geschlagen haben. Kein Fliehender sei geschlagen worden; auf den Porhalt, daß doch alle verlebten von hinten geschlagen worden feien, erfolgte immer die prompte Antwort, die Geschlagenen hätten mit dem Gesicht dem Schlagenden zugewandt gestanden, hätten sich aber vor dem Zuschlagen gebäckt, so daß der Schlag auf den Rücken erfolgt sei.) Durch die Aussage deS Sattlermeisters Raedler, der von �einem Hause im Grohflecken die Porgänge beobachtet hat, wurde jedoch die Polizei arg bedrängt. Raedler sagte aus, als das Kam- mando zum Blankziehen gegeben wurde, sei zwischen der Schutz mannskette und der Menschenmenge ein Zwischenraum von 30 Schritten gewesen. Auf diesem Zwischen- räum hätten sich nur einzelne Personen bewegt. Er habe sich die Stelle gemerkt, weil es gerade vor seinein Hause war, und am anderen Tage die Entfernung abgeschritten. Die Polizei habe dann nach dem Blankziehen direkt eine» Angriff auf die Menge gemacht. Polizeikommissar G u t S m a n n, in die Enge getrieben, erklärte, die Menge habe um lObis 12 Sch ritte von der Schutz mannskette gestanden. Auf die Frage, wie man auf jemanden von seinem Standpunkte mit dem Säbel einschlagen kann, wenn dieser jemand 10 bis 12 Schritte entfernt steht, blieb der schneidige Kommissar die Antwort schuldig. Noch einige Momenthilder aus der Verhandlung. Frau Rad- los soll sich des Widerstandes schuldig gemacht haben. Sie hat bei einem während der Flucht vor den rasenden Polizisten über- einandergefallenen Knäuel von Menschen gestanden und wurde auf- gefordert, wegzugehen. Sie konnte und wollte aber nicht gehen, weil gerade der Arbeiter Flenher vorbeikam, der am Arme schwer verwundet war; sie fühlte sich verpflichtet, ihm Samariterdienste zu leisten.Vor mir," sagte die Angeklagte,stand ein Polizist mit drohendem Blicke und hochgeschwungenem Säbel. Ich lief aber nicht fort, weil ich gesehen hatte, daß die Polizisten immer auf fliehende Leute schlage», sah dem Wütenden vielmehr gerade inS Gesicht, weil ich mich nicht schlagen lassen wollte, und er ließ den Säbel sinken. Wäre ich geflohen, wäre ich auch geschlagen worden." Der Arbeiter Pletzmann sagte als Zeuge aus, daß er den Großflecken abgesperrt fand, als er auS dem Kaisersaal kam. Er ging darauf nach dem entgegengesetzten Ausgange des Platzes, kennte dort aber nicht sofort weiter, weil sich die zurückgedrängte Menge gestaut hatte. Da kam ein Polizist, schlug ihm von hinten in den Rücken. Zeuge lag wegen dieser Verletzung 9 Wochen im Krankenhause in Neumünster   und ist noch jetzt krank und rrwerbSunfähig. Der Arbeiter SieverS bezeugt, daß er beim Nachhausewege don hinten sieben Schläge über die Schulter bekommen Hai, von denen fünf durchs Zeug gedrungen sind. Der Arbeiter E g g e l hat von hinten einen Schlag über die Schulter erhalten. Der Weber Krause erhielt zwei Schläge von hinten über den Rücken; als er sich danach umdrehte, erhielt er einen Schlag über dew Kopf. Keiner der Polizeibeamten, die als Zeugen geladen waren, konnte die Frage beantworten, worin eigentlich die Be» d r o h u n g. von der sie gesprochen bestanden habe, ebenso wie der Verteidiger feststellen konnte, daß kein Beamter verletzt worden sei. Außer den Polizeibeamten hatte keiner der übrigen Zeugen von einer Bedrohung der Beamten etwas wahrgenommen. Eine große Anzahl der Sozialdemokratie fernstehen- der Zeugen bekundeten, daß die Masse vor der Polizeiattacke vollständig ruhig war. Trotzdem verurteilte daS Gericht sämtliche Ange­klagten. Kurz nach 1? Uhr nachts wurde das Urteil ver- kündet. ES wurden verurteilt: Radlof wegen Veranstaltung eines nicht gennehmigten Umzuges und wegen Auslaufs zu zwei Monat Gefängnis und zehn Tagen Haft, I ü r s wegen Veranstaltung eines nicht genehmigten öffentlichen Aufzuges zu fünf Tagen Haft, Frau !ti a d l o f und S t u d t wegen Auslaufs und Widerstandes zu 50 Mark Geldstrafe, Westphalen wegen Auflaufs zu zwei Wochen Gefängnis, Frau Westphalen wegen Auflaufe, Wider- siands und Beleidigung zu einem Monat Gefängnis, Richter und Crabke wegen Auflaufs und Widerstands zu drei Wochen Ge- fängnis, Södge und W e n s i e n wegen Beleidigung zu drei resp. zwei Wochen Gefängnis. Trotz der Verurteilung der Angeklagten war der Tag für die kleumünsterische Polizei kein Ehrentag. Die Urteile sind hart aber die Polizei von Neu- Münster ist damit keineswegs gerechtfertigt! Im Gegenteil: der Prozeß wird die Empörung über die Polizeiattacke von Neumünster   aufs neue entfachen und in der Arbeiterschaft den Entschluß festigen, den Kampf gegen Wahlwucher und Polizeiwillkür  entschieden weiterzuführen. Ter Braunschweiger Wahlrechtsprvzrß. Braunschweig  , 4. Mai. Die am Montag wegen Ablehnung des Gerichtshöfe« unter- brochene Verhandlung gegen den Redakteur de«Braun- fchweiger Bolksfreund", Genossen Wese meier, wurde heute fortgesetzt. Der Antrag der Verteidigung, den Gerichtshof als befangen abzulehnen, wurde z u- rückgewiesen. Rechtsanwalt Dr. Jasper erhielt zugleich wegen Ungebühr, die in der Begründung des Ab» lebnungSankrageS gefunden wurde, SO M. Geldstrafe zudiktiert. Für den Prozeß find 70 Zeugen geladen; zur Verhandlung find drei Tage in Aussicht genommen. Die Leffentlichkrit der Verhandlung ist äußerst beschränkt, denn nur 22 Personen sind als Zuhörer zugelassen worden. Unter Anklage stehen u. a. auch ein aus derFrankfurter Zeitung  " entnommener Artikel und einige Prcßstimmen aus unserer Parteipresse. Der Vorsitzende, Landgerichtspräsident G r o ß m a n n, der als heftiger Gegner der Sozialdemokratie bekannt ist, hatte zugleich zu Beginn der Verhandlung einen Zusammen- st o ß mit den Verteidigern Dr. Rosenfeld- Berlin   und Dr. Jasper- Braunschweig. Ohne die Begründung von Anträgen der Verteidiger zu Ende zu hören, erklärte er einfach:Der Antrag ist abgelehnt!" Als Dr. Jasper auf eine willkürliche Unterbrechung be- merkte:Wer, Herr Präsident, ich bin ja mit meinen Ausführungen noch gar nicht zu Ende," erwiderte dieser:Ja, leider!" Die zunächst vernommenen Zeugen derStaatsanwalt- s ch a f t zeigten eine ganz eigenartige Befangenheit, die vielleicht ihren Grund darin haben mag, daß der Polizeipräsident im Sitzungssaale mit anwesend ist. Mehrere P.» l i z i st e n können sich an nichts mehr erinnern, namentlich nicht mehr daran, ob sie Leute mit dem Säbel geschlagen habe».(!!) Als ein Polizist von den Verteidigern nach der Instruktion für den Wahlrechtstag gefragt wurde, sprang der Polizei- p r ä s i de n t auf und verbot ihm zu antworten. Genosse Rosen- f e l d mußte erst den Präsidenten darüber belehren, daß er zu diesem Vorgehen nicht berechtigt war. Der Vorsitzende erklärte in einer Antwort an den Rechtsanwalt Dr. Jasper:Die Frage gehört nicht zur Sache, die Polizei ist aufs grob- lichstedurchDrucksachenbeleidigtworden." Demnach hat sich der Vorsitzende sein Urteil bereits gebildet. Die Verhand- lung wurde um 3 Uhr auf Freitag vertagt. Braunschweig  , 6. Mai. In der heutigen Verhandlung kam es gleich zu Beginn wieder zu einem Zusammenstoß zwischen dem Präsidenten Groß- mann und den Verteidigern, weil der Präsident dem Rechtsanwalt R o s e n f e l d inS Wort fiel. Als sich R o f e n f e l d das verbat, erklärte der Präsident:Sie haben schon lange genug ge- sprachen", worauf der Verteidiger scharf erwiderte:Darüber, wie lange ich reden will, haben nicht Sie, sondern ich zu entscheiden." Staatsminister H a r t w i e g, der von, Ministerialgebäude aus dem Angriff der Polizei zugesehen hatte, hat nichts davon gehört, daß die Polizei zum Auseinandergehen aufgefordert bat. Auch die anderen Zeugen haben eine solche Aufforderung nicht gehört. Tagegen behauptet ein Polizeibeamter, daß er die Auf- forderung ordnungsgemäß habe ergehen lassen. Insgesamt wurden bis jetzt 31 Zeugen vernommen, die zum größten Teile von schroffem Vorgehen der Polizei berichteten. Redakteur Kirch ho ff von der..Braunschweiger LandeSzeitung" erklärt, schon öfter bemerkt zu haben, daß die Polizei sehr leicht nervös wird. Am Wahlrechtsabend habe er selbst mit dem Säbel einen Schlag über den Rücken bekommen. Daß die Schutzleute mit Eisstücken beworfen worden sind, habe er ge- sehen. Ein Zahnarzt hat bemerkt, daß die Demonstranten von der Polizei aus den Häusern herausgetrieben worden sind. Nach einem abermaligen Zusammenstoß zwischen dem Vor- sitzenden und dem Verteidiger wurde die Verhandlung auf Montag vertagt. politische(lederlickt. Berlin  , den 6. Mai 1910. Ablehnung der kleinen Aktien und Annahme der Justizvtrtenerung. Aus dem Reichstage. 6. Mai. Eine Fülle zweiter und dritter Lesungen beschäftigte heute den Reichstag  . Ein- gehendere Auseinandersetzungen gab es wieder bei der zweiten Lesung der Lorlage wegen der Ausgabe kleiner Aktien in den Konsulargerichtsbezirken und im Schutzgebiet Kiautschou  . In der Kommission hatte sich schließlich ein Entgegenkommen gegen die Forderung der Regierung herausgestellt. Für dieses Mittel, der englischen Konkurrenz im Auslände durch Ausgabe kleiner Aktien(bis zu 200 M. Nennwert herunter) begegnen zu können, kämpfte wieder mit Feuer der Fortschrittler Herr K a e m p f, während sein Fraktionskollege H e ck s ch e r gegen diese Ver- leitung kleiner Leute zu Börsenspekulationen sich ins Zeug legte. Genosse Eichhorn legte dar. daß mit dem Gesetz die Ausschaltung der englischen Konkurrenz doch nicht erreicht werde, da in England ja sogar 20 Mark-Akticn ausgegeben werden. Die Abstimmungen über die einzelnen Paragraphen waren mehrfach zweifelhaft schließlich stellte das Bureau aber zunächst die Ablehnung der Hauptbestinimnngen fest, was die Volksseele deS fortschrittlichen Herrn Eickhoff zum Ueberkochen brachte. DaS half aber nichts. Dadurch, daß keine Einzelbestimmung zur Annahme kam. gelangte der Gesetzentwurf überhaupt nicht in die dritte Lesung. Knappe Abstimmungen ergab auch die dritte Beratung der Entwürfe betreffs der Zuständigkeit des Reichs- g e r i ch t s und derAenderung der Rechtsanwalts- ordnung. Erzielt werden soll durch beide Entwürfe, wie in der zweiten Lesung bereits dargelegt wurde, eine Ver- teuerung der Rechtspflege, um auf solche Weise abschreckend auf die Rechtsuchcnden und damit entlastend auf die Geschäfte des Reichsgerichts einzuwirken. Noch einmal erklärte Genosse Heine unseren Widerspruch gegen die ge- planten Verteuerungen der Rechtspflege. Bei den Ab- stimmungen, von denen einige namentliche waren, siegte jedoch die Verteuerungstendenz und schließlich wurde der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen dank einer Koalition der meisten Zentrunisjuristen mit der Mehr- heit deS Hottentottenblocks. Dann wurde noch ohne wesentliche Diskussion das Kolomalbeamtengesetz angenommen sowie das Diäten- gesetz für die Kommission des Reichstages, die in den Ferien weitertagen sollen. Bei dem Konsulatsgebührengesetz wurde dnrch einen Antrag Everling erwirkt, daß der Tabakindustrie einige Erleichterungen gewährt werden. Genosse N o s k e hatte die Zustimmung der Sozialdemokratie für diese Verbesserung er- klärt, ebenso wie für den Antrag Behrens, der die Be- dürftigen gegen Gebührenerhebung bei den Konsulaten sicher stellen will. Die nächste Sitzung findet Montag, 9. Mai, statt. Die Ausstchte» des Schandgesetzes. Die rheinisch-westfälischcn Geldgeber der Rationalliberalen fahren fort, die Partei durch die von ihr abhängigen Abgeordneten be- arbeiten zu lassen und sie den Konservativen zuzutreiben. Erst kürzlich erklärte der natkonalliberale Abg. Lukas in einer Ver- ammlung in Vohwinkel  , es fei kein Geheimnis, daß ein Teil der Nation alliberalen für das Schandgesetz [i i m rn e n wolle. Und eine Versammlung in B o r b e ck nahm nach einem Referat des nationalliberalen Parteisekretärs Lummel sogar eine Resolution an, die die Zustimmung zum Schand« gesetz fordert. Dagegen wiederholt daS Zentrum fortgesetzt sein: llnan» nehmhar. Auch Herr Dr. Jul. Bachem erklärt heute iu einem Artikel imTag" das gleiche. Die Beseitigung der Dritielung nach UrWahlbezirken sei eine unannehmbare Verschlechterung.Was sonst noch vom Herrenhause beschlossen worden ist, erscheint nicht geeignet, diese Erwägung abzuschwächen; im Gegenteil. Und so stehen loir  denn vor einer Wahlrechtsverschlechterung, anstatt vor einer Verbesserung; denn die Einführung der geheimen Wahl in den Grenzen des in diesem Punkte vom Herrenhause bestätigten Abgeordnetenkomproiiiisses kann die Bedenken gegen die neue gekünstelte Drittelung, welche den Wahlkreis- geometrischen Künsten in den Großstädten ein weites Feld eröffnet, in keiner Weise ausräumen. Daher bleibt für das Zentrum nur das klare und entschiedene Nein, und ich zweifle nicht, daß die gesamte Fraktion es kurz entschlossen aus- sprechen wird." Herr Dr. Bachem geht dann dazu über, an die Adresse der Konservativen und der Regierung ein paar kaum verhüllte Drohungen zu richten. Die parteipolitischen Folgen einer Annahme der Herrenhausbeschlüsse würden sehr ernste sein. Darüber sagt Herr Bachem: Die gesamte Wählerschaft des Zentrums, möge sie zu dieser oder jener Einzelstage stehen wie sie will, wird in diesem Augenblick von dem bitteren Gefühl beherrscht. daß wieder einmal dem Zentrum die parlamentarische Gleichberechtigung abgesprochen wird. DaS empfindet jeder ZentrnmSwähler wie einen ihm persönlich an- getanen Schimpf. Die Mitwirkung deS Zentrums an den großen allgemeinen Reichs- und Staatsaufgaben wird dadurch a u s s äußer st e erschwert, ebenso die Stellung des Zentrums zu den Parteien, welche zu dieser Capitis ckimürutio der stärksten und am festesten gefügten Partei im Deutschen   Reichstage beitragen. Das ist im Interesse des Gemeinwohls bedauerlich und bedenklich. Rein parteipolitisch betrachtet, liefert aber dieser neueste Zwischenfall der Zentrnmspartei für die bevorstehenden Wahlen eine Waffe von solcher Wucht, daß keine gegnerische Agitation, möge sie auch mit den größten materiellen Mitteln arbeiten, ihr gegenüber bestehen kann. DaS letzte ist ja natürlich übertrieben. Aber soviel ist schon richtig, die Einfalt des Herrn v. Bethmann hat dem Zentrum wieder einmal aus einer schweren Berlegcnheit geHolsen und die dummen Nationalliberalen sind im Begriffe, die erschütterte Stellung der klerikalen Volksverräter ausS   neue zu befestigen. Ist der nationalliberale Umfall, der eine Schlechtigkeit und eine Torheit wäre, eben deshalb wahrscheinlich, so ist eS doch noch völlig unsicher, ob die Herren dazu Gelegenheit bekommen werden. Denn das hängt nicht von ihnen, sondern von den Konservativen ab. Halten diese am Bündnis mit dem Zentrum fest, dann müssen sich die Nationalliberalen schon am Willen zur politischen Prostitution genügen lasten. Im Volke freilich wird man diesmal geneigt fein, den Wille» für die Tat zu nehmen._ Einer, der gefehlt hat. Bei der Abstimmung des Herrenhauses über die Wahlrechtsvorlage ist unter denen, die gefehlt haben. einer gewesen, dessen Name in den letzten Jahren viel genannt wurde: Fürst Philipp Eulenburg  , der deS Meineids dringend Verdächtige. Wenn der Herr nicht vorgezogen hätte, in Liebenberg   zu bleiben, um keine Zweifel an seiner Nicht- verHandlungsfähigkeit aufkommen zu lassen, so hätte er auch mitwirken können an den Beschlüssen der Erblichen wider das Recht der Enterbten._ Streik der Wahlprüfungökommission. Am Freitagmittass sollte wieder eine Sitzung der W a h l» Prüfungskommission stattfinden, die erste seit der dcnklvürdigcn Plenarsitzung, in der alle Beschlüsse der Kam- Mission umgeworfen wurden. Bei den Kommissionsmitglie- dern machte sich eine lebhafte Verstimmung über die rücksichtslose Art bemerkbar, mit der die Mehrheit des Pleirutns die Kommissionsanträge behandelt hatte. Genosse Fischer erklärte, die Wahlprüfungskommission solle die Sachen, die noch nicht geprüft sind, nicht mehr prüfen, sondern an das Haus zurückgeben. Nachdem das Hans nach parteipoli» tischen Beweggründen entschieden habe, sei einer weiteren sachlichen Prüfung jeder Boden entzogen. Schließ- lich einigte man sich dahin, die nächste Sitzung erst im k o m- mendenHerbst abzuhalten. DaS russische Kriegsgericht«nd der preußische Polizei- minister. Bei den Verhandlungen der Stadtverordnetenversammlung von Berlin   über den Fall des Geisteskranken Terpetrosow ist das unbeschreibliche Verhalten der Städtischen Irrenanstalt Buch mit erstculicher Uebereinslimmung verurteilt worden. Auch der Wortführer der kommunalstcisinnig�n Mehrheit, der Abgeord- nete Cassel, ist mit sehr deutlichen Worten von dem Direktor der Irrenanstalt abgerückt, der sich von dem Berliner   Polizeipräsi» denken einen Bruch der Vorschriften über die Entlassung von Kranken hat vorschreiben lassen. Traurig genug war diese Mit- Hilfe beim Schergendienst, aber mindestens ebenso schlimm daS Ver­fahren des Polizeipräsidiums selbst. Die Gutachten der Gerichts- ärzte wertlose Wische, der Ausspruch der Strafkammer, daß das Verfahren gegen Terpetrosow nicht fortgesetzt werden dürfe. ein inhaltloses Selbstgespräch, die Anordnung des Bormundschafts- gerichtS, daß der Pfleger mit der Polizei über den Aufenthaltsort des Kranken zu verhandeln habe, ein lächerlicher Zwirnsfaden, den das Polizeipräsidium mühelos zerreißt. Wozu wäre man denn fönst die allmächtige Behörde, der alle übrigen Teile der Staats- Verwaltung Untertan sind? Das heißt, nach der ftaatSrechtlickxn Praxis Preußens, die von der Staatsrechts lehre und von Gesetz und Humanität himincllveit verschieden ist. Dieser Praxis hat natürlich auch der Herr Polizeiminister. als Vorgejehter des Berliner   Polizeipräsidiums, im Abgeordneten- hause seinen Segen gegeben. Aber wie er es tat. das ist immerhin von besonderem Interesse. Ter Minister hat nach dem für ihn gewiß unverdächtigen Bericht der»Deutschen Tageszeitung" am 3. Mai gesagt: Er(Terpetrosow) wurde nicht als Gefangener überliefert. sondern nur gemäß dem Abkommen zwischen Rußland   und Preußen von 1b04 an der Grenze den russischen Behörden übergeben." Dieser amtliche Ausspruch soll offenbar den Eindruck er- wecken,, als ob in dem Abkommen von 1394 die fachlichen Voraus» fctzungen für dieUebergabe" an der Grenze bestens geordnet seien. Diesen Eindruck muß der gläubige Leser gewinnen, der noch amtlichen Versicherungen traut. Prüft man näher, so erweist sich die harmlose Aufklärung, die der Minister dem Fall Terpetrosow gibt, als eine Irreführung. Daß das Abkommen von 1894 nicht zwischen Rußland   und Preußen, sondern zwischen Rußland  und dein Deutschen Reich getroffen worden ist, mag nur nebenbei