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Nr. 105. 27. Jahrgang. 1. Kciltzt des Jimirts" Knliur WksdlM Ssmabend. 7. Mai 1910. Der hsuzwechlZMZgi'Sph Mgeoomwea. SS. Sitzung, Freitag, den s. Mai 1S10, vormittags 1t Uhr. Auf der Tagesordnung steht der Antrag der Geschäfts- ordnungskommissi'on über den Antrag A h r e n s(k.) auf Aenderung der Geschäftsordnung. Der Antrag der Kommission lautet: t.§ 64 der Geschäftsordnung erhält folgende Fassung: 1. Wenn ein Abgeordneter die Ordnung verletzt, so wird er vom Präsidenten mit Nennung des Namens zur Ordnung gerufen. 2. Im Falle besonders grober, die Würde des Hauses schädigender Verletzung der Ordnung kann der Präsident den Abgeordneten für den Rest des Tages von der Sitzung ausschließen. Auch kann auf Vorschlag des Präsidenten das Haus ohne Besprechung den Abgeordneten aus dem Sitzungssaale und von den Tribünen ausweisen, und zwar bis zur Dauer von sechs, im Wiederholungsfalle während derselben Session bis zur Dauer von zwölf Sitzungstagen. 3. Der Präsident trifft die erforderlichen Maßnahmen, um die Ausschließung durchzuführen. Er kann hierzu die Sitzung auf bestimmte Zeit aussetzen, den Sitzungs- saal und die Tribünen räumen, den ausgeschlossenen Abgeordneten aus diesen Räumen entfernen lassen, sowie seinen Wiedereintritt verhindern. 4. Gegen den Ordnungsruf oder die Ausschließung durch den Präsidenten kann der betroffene Abgeordnete spätestens am folgenden Tage schriftlich Einspruch erheben. Das Haus entscheidet frühestens in der nächsten Sitzung nach Eingang des Einspruchs ohne Besprechung, ob der Ordnungsruf oder die Aus- schließung gerechtfertigt war. 5. Erfolgt während der Dauer der Ausschließung oder AuS- Weisung in anderen als GeschäftsordnungSfragen eine Abstimmung. bei der die Stimme des abwesenden Abgeordneten hätte den Aus- schlag geben können, so wird die Abstimmung in der ersten Sitzung nach Ablauf der Ausschließung oder Ausweisung wieder- holt. 2. Dem Antrage der Abgg. Ahrens- Klein-Flöthe und Genossen, soweit er eine Einschränkung von Reden bezweckt, seine Zustimmung versagen. Berichterstatter Abg. Zimmer(Z.) betont, daß die Kommission von jeder Einschränkung der Redefreiheit und damit des Rechts der Minderheit Ab st and genommen habe.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Ihre Beschlüsse zur wirksamen Aufrechterhaltung der Ordnung des Hanl es habe die Kommission gefaßt in der sicheren Erwartung, daß sie niemals zur Anwendung kommen würden.(Ge- lächter links.) Die in der Presse geäußerten Bedenken, daß die Be- schlüsse der Kommission gegen das Strafgesetzbuch verstoßen, seien innerhalb der Kommission und auch von Vertretern des Juftiz- nnnisteriumS als unberechtigt zurückgewiesen worden, weil das Moment der Rechtswidrigkeit fehlt. Einer Gesetzesänderung bedarf es also nicht. Es ist dann in der Presse der Kommission der Vorwurf gemacht worden, sie wolle einen Hausknechtsparagraphen in die Geschäftsordnung einfügen.(Sehr richttg l bei den Sozial- demokraten.) Dieser Vorwurf trifft die Kommission nicht. Der Vorwurf kann höchstens gegen diejenigen erhoben werden, gegen deren Verhalten hier im Hause Maßregeln ergriffen werden müssen, die man außerhalb des Hauses durch einen Hausknecht besorgen lassen würde.(Lebhafte Zustimmung rechts und im Zentrum.) Zur Geschäftsordnung erhält das Wort Abg. Borgmann(Soz.): Ich habe namens meiner Freunde eine Erklärung abzu- geben. Die sozialdemokratischen Mitglieder des Hauses können die Mehrheitsparteien nicht hindern, die Geschäftsordnung nach Belieben zu verschärfen, wenn fie es im Juteresse der Erziehung ihrer eigenen Mitglieder für notwendig halten.(Lachen und Lärm rechts und im Zentrum; Heiterkeit links.) Sie behalten sich zwar vor, etwaige gegen sie gerichtete Angriffe im Verlauf der Debatte zurückzuweisen; sie erachten es aber für unvereinbar mit der Würde eines Ab» geordneten und mit ihrer Auffassung von der Stellung eines Volks- Vertreters(Lachen im Zentrum und rechts), sich an der Diskussion über einen Antrag zu beteiligen(Lachen rechts), der offensichtlich nach außen hin in schroffem Gegensatz zu der Wirklichkeit den Anschein erwecken soll, als sei durch das Auf- treten der sozialdemokratischen Abgeordneten ein Ton in die Debatte hineingetragen, demgegenüber sogar die heutigen Machtbefugnisse des Präsidenten nicht ausreichen.(Sehr richtig I rechts und im Zentrum.) Die sozialdemokratischen Mitglieder des Hauses sind sich bewußt, daß sie trotz aller Provokationen nie- mals Veranlassung zu einem derartigen Vorgehen gegeben haben (Gelächter rechts) und daß die Antragsteller in Wahrheit nur den Zweck verfolgen, die wenigen wirklichen Volksvertreter im Ab- geordnetenhause(Laute? Lachen rechts) bequemer niederknüppeln zu können.(Lärm rechts und im Zentrum. Sehr wahr 1 links I) Dazu kommt, daß der Ausschluß eines Abgeordneten von den Sitzungen und selbst schon die Drohung damit auf da« schwerste gegen dos Reichsstrafgesetzbnch und die preußische Verfassung ver- stoßen würde.(Lärm rechts und im Zentrum.) Die sozialdemokrati- schen Mitglieder des Hauses erklären, daß sie allein ihren Wählern für ihre Handlangen verantwortlich sind »md daß sie sich möge beschlossen werden, waS da wolle auf keinen Fall davon abbringen lassen werden, ihr Mandat in dem Sinne auszuüben, wie es ihnen von ihren Wählern übertragen ist. (Bravo I bei den Sozialdemokraten. Lärm und Lachen rechts und im Zentrum.) Abg. v. Ditfurth(k.): Namens meiner politischen Freunde habe ich zu erklären, daß wir dem ersten Teil der Kommissionsbeschlüsse Vollständig zustimmen und daß wir auch nach wie vor eine Einschränkung der Rededaner nicht derRedefreiheitl für dringend wünschenswert halten, und diesen Autrag eventuell aufrecht erhalten werden. In der Presse wird eS es so dargestellt, als wenn man mit brutaler Gewalt die Sozialdemokratie ihrer heilig st en Rechte berauben wolle(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- kratcn), als handle es sich um ein neues S o z i a l i st e n g e s e tz. (Sehr richtig l bei den Sozialdemokraten. Ruf rechts: Ruhe!) Man hat auch von einem Maulkorbgcsctz gesprochen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Ich überlasse es Ihnen, einen Zusammenhang zwischen einem Maulkorb und einem Abgeordneten zu finden. Ich kenne den Maulkorb nur als nützliches Instrument zur Unschädlichmachung von bissigen Kreaturen.(Heiter- teil rechts.) In diese Kategorie auch preußische Abgeordnete ein- zureihen, mag Ihnen(zu den Sozialdemokraten) vorbehalten bleiben ich will Sie in diesem Vergnügen nicht stören.(Beifall rechts.) Aber das ist nicht sehr richtig, sondern sehr falsch. Es handelt sich in keiner Weise um Maulkörbe, noch um ein Ausnahmegesetz, sondern um ein Gesetz, das für uns alle ohne jede Aus- nähme gilt.(Lebhafte Zustimmung rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) VonAusnahmegesetz" kann nur in dem Sinne gesprochen werden, als wir hoffen, daß seine Anwendung nur ausnahms- weise nötig sein wird.(Sehr gut l rechrS.) Die Aenderung richtet sich auch nicht gegen eine politische Partei, sondern nur gegen die Partei der Ruhestörer, der Verächter von Sitte und Anstand.  (Lebhafter Beifall rechts.) Niemand hat das Recht hier, sich den Anordnungen des Präsidenten oder einem Beschlüsse des Hauses zu widersetzen. Solche Wider- setzlichkeit ist die Voraussetzung für die Anwendung der so viel noch falsch verstandencnen Bestimmungen. An eine Knebelung denkt auch niemand(Lachen bei den Sozialdemokraten), auch nicht an eine Beschränkung der freien Meinungsäußerung, so lange sie sich eben in Formen hält, in den Formen, die lediglich dem An- stand entsprechen. Allerdings muß jedes Vergehen gegen die Ordnung dieses Hauses eine entsprechende Sühne finden. Wir wollen nur verhindern, daß das Ansehen, die Würde und der gute Ruf dieses Hauses verletzt wird.(Zuruf bei den Sozialdemo- traten: von Pappen heimsSo'n Bengel I") Die Würde des Hauses war in letzter Zeit ernstlich gefährdet.(Sehr richtigl rechts.) Vorbeugend können wir da nur durch schärfere Bestimmungen der Geschäftsordnung wirken. Die geplanten Maßnahmen sind notwendig gegen Abgeordnete, die, wie Herr Singer einmal im Reichstage ge- sagt hat,so verhärtet sind, daß sie einem Ordnungsruf nicht Folge leisten". Wir können es nicht zulassen, daß hier im Hause den Ab- geordneten, besonders den Vertretern der Regierung grobe Injurien a» den Kopf geworfen oder eine Mißachtung ausgesprochen wird. Ich weise darauf hin, daß ein sozialdemokratischer Abgeordneter im Reichs­tage auf einen Ordnungsruf des Präsidenten diesem zurief:Ich pfeife darauf! Die Redefreiheit hat ja gewiß ihre Vorzüge, aber wir haben doch üble Auswüchse dieser Redefreiheit hier im Hause gehabt. Es sind hier in kurzer Zeit an die fünf Herren Sozialdemokraten 29 Ordnungsrufe erteilt worden, in die sich diese Herren ziemlich brüderlich reilen.(Heiterkeit rcchtS.) Sie haben jeden Rekord feit Jahren geschlagen. Ich meine, man sollte doch bei jedem Abgeordneten ein gewisses Feingefühl voraussetzen.(Sehr richttg I rechts.) Daß man ohne schärfere Mittel nicht auskommt, hat das Verhalten des sozialdemokratischen Abgeordneten Singer im Reichstag bewiesen, der der Anordnung des Präsidenten, den Saal zu verlassen, nicht Folge leistete. Was die Wirkung der hier vorgeschlagenen Maßnahmen betrifft, so würde ein Wiedereindringen in diese Räume für die Abgeordneten, die von der Sitzung aus- geschlossen Jnd. Hausfriedensbruch bedeuten, gegen den man evenwell die Hilfe der Sicherheitsorgane in Anspruch nehmen müßte. Aber diese Feststellung hat nur den besonderen Zweck, vorbeugend zu wirken. Jedenfalls wird die Drohung Borgmanns dieses Haus nicht einschüchtern, sondern nur in seiner Ueberzengnng befestigen. Wir müssen Vorbeugungsmaßregeln schaffen, die eine abschreckende Wirkung haben. Wir lassen uns dieses widerwärtige Auftreten nicht länger gefallen.(Beifall rechts und im Zentrum. Lachen bei den Sozial- demokraten. Stürmische Rufe rechts: Ruhe!) Der Vorgang, der den Anlaß zu unserem Einschreiten gibt, war kein Akt der Notwehr, sondern eine Provokation. Lassen wir das ungerngt hingehen, so leidet die Würde des Hauses.(Beifall rechts.) Was find denn das für Herren, die in dieser Weise hier auftreten? Sie veranstalten Strastendemonstrationen, aber wenn die Massen mit der Polizei zusammengeraten, dann läßt sich keiner von diesen Herren auf der Straße sehen.(Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum. Pfui-Rufe bei den Sozialdemokraten. Lärm rechts. Rufe: Ruhe I) Sie sind mir auf Ihre persönliche Sicherheit bedacht.(Dr. Liebknecht ruft erregt: Schämen Sie sich! Gelächter rechts.) Sic markieren nur Tapferkeit, wenn Sie nichts riskiere», gegen ein wehrloses Haus und gegen einen wehr- losen Präsidenten.(Lebhafter Beifall rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Gegen alle vernünftigen Vor- stcllungen sind Sie mit dreifachem Erz gepanzert. Darum genügt die Geschäftsordnung, die der bisherigen Zusammensetzung des HauseS angepaßt war, nicht mehr. Nur große Optimisten können vertrauensselig genug sein um zu glauben, daß solche Vorgänge, wie die geschilderten, sich nicht mehr wiederholen. Die Verhöhnung und Beschimpfung dieses Hauses als einesIrrenhauses", als einerSchacher- und Trödel- bude" muh endlich ein Ende nehmen. (Lebhafter Beifall rechts, Pfui-Rufe bei den Sozialdemokraten, leb- haste Zurufe: Ruhe I) Die Herren setzen sich über alle Rücksichten hinweg. Für sie bedarf es eines Zwanges, und zwar eines recht kräftigen Zwanges.(Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum.) Die weiteren Ausführungen des Redners gehen in der immer mehr wachsenden Unruhe deS Hauses und den Zwischenrufen verloren. Als der Redner von Abgeordneten spricht, die alle Regeln des Anstandcs verleben, bemerkt Präsident v. Kröcher: Ich bitte, einen Augenblick mit den Zwischenrufen einzuhalten, um zu dem Herrn Redner eine Be- merkung zu machen. Herr Abgeordneter, Sie dürfen Abgeordneten dieses HauseS nicht vorwerfen, daß sie die Regeln des An- standeS verletzen.(Ironische Rufe bei den Sozialdemokraten: Zur Ordnung! Ausschließen! Große Heiterkeit.)! Abg. v. Ditfurth(k., fortfahrend): Die Verschärfung der Ge- schäftsordnung soll die Wiederholung ähnlicher Vorkommnisse, wie wir sie in letzter Zeit erlebt haben, verhindern, und in diesem Wunsche müssen eigentlich alle Parteien einig sein.(Sehr richtig I rechts.) Der freien Meinungsäußerung soll in keiner Weise eine Beschränkung auferlegt werden.(Zu- stimmung rechts. Lebhafter Widerspruch links.) Nur Anstand, Ruhe und Ordnung soll dauernd erhalten werden. Wer das will, muß den Kommissionsbeschlüssen zustimmen. (Beifall rechts. Widerspruch links.) Präsident v. Kröcher teilt mit, daß von dem Abg. Roer en(Z.) beantragt ist, im zweiten Absatz des Kommissionsbeschlusses den zweiten Satz und entsprechend im dritten Absatz die Worte»oder Ausweisung" zu st r e i ch e n. Der Antrag will also die Ausschließung eines Abgeordneten nur f ü r d e n R e st des Tages zulassen; djeBefugnis" des Präsidenten, den ausgeschlossenen Abgeordneten mus dem Hause zu entfernen und seinen Wiedereintritt zu verhindern, läßt der An- trag bestehen. Abg. Rocrcn(Z.): Die Kommission hat eine Be» schränkung der Redezeit abgelehnt, obwohl auch sie drei- stündige Reden für eine Rücksichtslosigkeit, geradezu für eine Terrorisiernng des Hanfes halt.(Sehr richtigl rechts und im Zentrum.) Den Beschluß der GeschäftsocdnungSkominission hat man ein Attentat auf den ParlamenlarismuS, eine Knebelung der freien Meinungsäußerung genannt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- kraten.) Aber solche Bestimmungen haben wir in fast allen Par- lamenten. In Frankreich   kann ein Abgeordneter sogar bis zu drei Tagen in Haft gehalten werden, wenn er vor Ablauf der Aus- fchließungszeit im Kammergebäude erscheint.(Hört! hört I rechts und i. Zentrum.) Und in England besteht sogar die Möglichkeit der Ver- Haftung und Gefangenhaltung des Abgeordneten wegen unbotmäßigen Verhaltens auf unbestimmte Zeit.(Erneutes Hört! hört! rechts und im Zentrum.) Die im vorigen Jahre beschlossene Geschäftsordnung für die württembergrsche zweite Kammer sieht die Bestimmung vor, daß ein Abgeordneter bei fortgesetzter gröblicher Verletzung der Ordnung durch Beschluß deS HauseS von der Sitzung ausgeschlossen und durch Anordnung deS Präsidenten nötigenfalls entfernt werden kann. Und lvaS das Wichtigsie ist: diese Be- stimmung, die Sie(nach links) als Hausknechtsparagraphen be- zeichnen, ist in der Kommission wie inr Plenum einstimmig angenommen worden.(Hört I hört I in» Zentrum) und dasür haben auch die Sozialdemokraten und die süddeutsche Volks- Partei gestimmt. Wenn Sie also jetzt von einem HauSknechtSparagraphcn sprechen, so läge es nahe, daß Sie diesen Vorwurf zunächst gegen Ihre eigenen Gesinnungsgenossen richteten, die diesen Hausknechts- Paragraphen haben mitschaffen helfen. Nun versteht es sich ganz von selbst, daß dem Präsidenten, dem die Pflicht obliegt, die Ordnung des Hauses aufrechtzuerhalten und einen ordnungsmäßigen Fortgang der Verhandlungen zu ermöglichen, auch die Mittel an die Hand gegeben werden müssen, seinen Anordnungen den nötigen Nachdruck zu geben. Auch dafür ist in der württemberaischen Geschäfts- orduung gesorgt. Der 8 68 gibt dem Präsidenten das Recht, den Abgeordneten zur Ordnung zu rufen. Und außerdem bestimmt der Paragraph, daß bei fortgesetzten Störungen die Sitzung unterbrochen werden kann, und wenn nach Wiederaufnahme der Sitzung die Störungen fortdauern, dann kann der Präsident nur wieder und wieder die Sitzung unter- brechen. Daß ein derartiges Verfahren nur dazu führt, den Präsidenten und das ganze Hau« dem Gespött des Landes auszusetzen, liegt auf der Hand.(Sehr wahr I rechts und im Zentrum.) Was nun den vorliegenden Antrag anlangt, so sollen doch die vorgeschlagenen Bestimmungen erst dann Anwendung finden, wenn alle dem Präsidenten zu Gebote stehenden Mittel erschöpft sind, um die ordnungsmäßige Fortführung der Verhand- lungen zu gewährleisten. Es handelt sich um Befugnisse zur Aufrecht- erhaltuug der Ordnung, die das Haus sich selbst schafft und mit deren eventueller Ausübung es nur seinen Präsidenten beaustragt. Und dieses Recht muß das Haus doch besitzen; zarte Rück» sichten brauchen schließlich doch nicht genommen zu werden.(Sehr wahr I rechts und im Zentrum.) Was dann die verfassungsrechtlichen Bedenken anlangt, so ja gar nicht darum, eine» Abgeord- Ausübung seines Mandats zu der Präsident vermöge der ihm übertragenen Befugnisse von seinen: Recht Gebrauch zu machen gezwungen ist, einen Abgeordneten von der Sitzung auszuschließen, dann geschieht das doch, um die Möglichkeit einer ordnungsmäßigen Fortführung der Verhandlungen herbeizuführen. Sollte nun von Rednern der Linken meiner Fraktion der Vor- Wurf gemacht werden, daß das Zentrum seinerzeit im Reichstage in der gleichen Frage eine andere Strllung ctugenommen hätte, so will ich daS von vornherein aufklären. Es hat sich damals im Reichstage tatsächlich um eine ganz andere Sache gehandelt. Da- mals war es die Regierung, die eine Gesetzesvorlage vorlegte, daß solche Bestimmungen in die Geschäftsordnung aufgenommen werden sollen, und zwar zum Schutze der Regierung. Dieses Vorgehen der Regierung bedeutete einen Eingriff in das Recht des Reichstages, feine Geschäftsordnung selbständig zu regeln. Dagegen wendete'sich der damalige Führer des Zentrunis Frhr. v. Heereman», der au, Schluß seiner damaligen Rede daS Wort eines Leipziger   Universitäts  - Professors zitierte:In unsere Rechte und Freiheiten hat kein König und kein Kanzler einzugreifen, die Universität regiert sich selbst." Genau aus diesem Grunde erklärte sich damals der ZcntrumSredner gegen jene GeschästSordnnngSbestimmungen im Reichstage. Ucbrigens war damals auch die Vorlage anders wie die heutige. Damals sollte dem Reichstag die Strafgewalt über seine Mit- gliedcr zuerkannt werden, und diese Strafgewalt sollte von einer besonders dazu erwählten Kommission ausgeübt werden. Als Ahndungen waren vorgesehen zunächst die Ausschließung von den Sitzungen auf eine bestimmte Zeitdauer, die sich bis zum Ende der Legislaturperiode erstrecken konnte. Femer sollte die Rede des gcmaßregelten Redners vom stenographischen B e r, ch t au S g e sch l o ss e n werden können. Wenn nun daS Zentrum Maßnahmen bekämpft hat, die eS heute für nützlich und notwendig an- erkennen muß, dann darf daraus nicht auf Inkonsequenzen geschlossen werden. Nach all diesen werden wir für die Kommission»« b e s ch l ü s s e st i m m e n, mit Ausnahme jenes Satzes, der dem Präsidenten das Recht der Ausschließung auf längere Zeit beilegt. (Bravo I im Zentrum.) Abg. Boisly(natl.): Die Vorgänge, welche die äußere Der- anlassung zu der Stellung des Antrages AhrenS gegeben haben, sind auch von uns auf das alleräußerste beklagt worden. Wir haben sie auf daS entschiedenste mißbilligt nnd loir bedauern, daß die- jenigen Herren, welche die Ursache jener Vorgänge gewesen sind. nicht selbst die Ueberzeugung gewonnen haben, daß sie durch die Ans- schreitungen nur sich selbst geschädigt haben. Wir geben uns trotz alledem innner noch der Hoffnung hin, daß es doch«och mal wieder zum Bessern kommen wird, daß alle diese Borgänge nur vorübergehend sein werden, und daß eS doch noch einmal wieder in diesem Hause dazu kommt, daß die Verhandlungen durchweg auch bei der schärfsten Gegnerschaft nur in den Formen der guten Gesellschaft gepflogen werden. Aus diesem Grunde können wir es jetzt noch nicht für unbedingt notivendig halten, dauernde Aendcningcn an unserer Geschäftsordnung vorzunehmen. Unsere Geschäfts- ordnung ist auf die Dauer berechnet, sie soll für lange Jahre hinaus gelten, wie sie jetzt in" schon seit ungefähr 60 Jahren gegolten hat, wir auf Grund einzelner Vorkommnisse, die.........____ einzelt bleiben werden, nicht jetzt schon die Hand dazu bieten, Aende- rungen in diesem Sinne vorzunehmen. Derartige Aendeningen haben sehr häufig nicht das zur Folge, daß sie in Wirklichkeit vorübergehend eine Besserung erreichen. Vielleicht mögen sie eS tun; aber sehr häufig in dem vorliegenden Falle ganz gewiß werden sie die Folge haben, daß fie eine tiefe Erbitterung hervorrufen, handelt eS sich ncten in der hindern. Wenn ihren Bestinmmngen und deswegen können wie wir hoffen, ver-