faljte, Ter neue König, Set vermutlich Seit Namen Georg V. annehmen wird— Georg IV. regierte von 1820 bis 1830 und warein Oheim der Königin Victoria ist feit dem 6. Juli 1893 miti>er Prinzessin Mary von Teck, vermählt, die vorher mit seinem«m 14. Januar 1892 verstorbenen älteren Bruder, dem Herzog vonClarencc, verlobt gewesen war. Ltönig Georg besitzt 5 Söhne undeine Tochter; der Kronprinz Eduard Albert ist am 23. Juni 1894geboren, steht also im 13. Lebensjahre.Die bürgerliche Presse Englands.Die„T i m e ä" schreibt: Er war nicht nur in hohem MaßeKönig, sondern jeder Zoll ein englischer König und ein englischerGentleman. Der Verlust eines so erfahrenen, so scharssinnigen,bei den Staatsmännern beider Parteien wie bei der Nation so be�liebten, so vorsichtigen, mutigen und in den schwersten heimischenKrisen so taktvollen Königs bedeutet in der Tat ein öffentlichesUnglück..,D a i l h N e w S" sagt: Der König galt allen in seinem Wesen,seinem Geschmack und seinen Jnteresten als typischer Engländer.„Mornrng Post" führt aus: Der König ist im Zenithseines Ruhmes plötzlich dahingerafft worden. Seine Thron-besteigung bedeutete den Beginn einer neuen Epoche. BeiBeginn seiner Regierung war England in Europa isoliert; erhinterläßt England und das Reich glücklicher, stärker und einiger.Das Blatt fährt fort: Niemand wünschte aufrichtiger und erstrebteernstlicher als er. die Beziehungen zu Deutschland zu verbessern.„Daily Ehronicle" sagt: Das Bemerkenswerteste seinerRegierung ist die Stellung, die die Krone in der auswärtigenPolitik einnahm; der Einfluß der Königin Viktoria blieb größten-teils verborgen. König Eduard hat seinen Einfluß direkt und offen,aber stets konstitutionell ausgeübt.Zusammentritt des Parlaments.London, 7. Mai. Der Tod des Königs macht den alsbaldigenZusammentritt des Parlaments notwendig, das bis zum 26. Maivertagt ist, aber jetzt ohne besondere Einberufungzusammentritt. Der Sprecher ist augenblicklich zum Besuchseines Bruders, des Botschafters Lowther, in Konstantinopel undwird in einigen Tagen zurückerwartet.für Finnland.Das Internationale sozialistische Bureau zuBrüssel erläßt folgende Kundgebung:An die Arbeiter aller Länder!�' Am 27. März dieses Jahres hat Nikolaus II., der Zar vonRußland, Großfiirft von Finnland, ein Manifest veröffentlicht,Weichs, ohne Rücksicht auf seine feierlich übernommenen Verpflich-tungen, die finnländische Verfassung vernichtet hat.Es ist dies das zweite Mal, daß die russische Regierung ausdie finnländische Verfassung einen verbrecherischen Angriff wagt,der in diie ganzen Kulturlvelt allgemeine Zurückweisung erfahrenhat. Ganz besonders hat das sozialistische Proletariat dem sinn-ländischen Volke bereits früher seine wärmste Sympathie aus-gedrückt und gibt ihr heute nochmals durch das gegenwärtige Mani-fest Ausdruck, da es sehr Wohl weiß, daß Finnland in einen hart-näckigen Kampf gegen den russischen Despotismus einzutretengezwungen ist. Es wird nach Maßgabe der zur Verfügung stehen-den Machtmittel eingreifen, um Finnland gegen seine Feinde zuverteidigen, da das gute Reicht auf Seiten des unterdrückten Volkesist und nicht aus der deS meineidigen Herrschers. Die organisierteArbeiterschaft zweifelt keinen Augenblick an dem glücklichen Aus-gange des Streites. Das finnländische Volk hat sich wie ein Mannerhoben! Nach einer fünfstündigen Debatte hat sich der Landtageinstimmig in dem Beschlüsse zusammengefunden, das ManifestNikolaus II. der Verfassungskommission zu überweisen, welchezufolge der Anschauung der angesehensten Rechtsgelehrten aller£cr,bct nicht die geringste Mühe haben wird, die UngesetzlichkeitftjsseS brutalen und unerhörten Vorgehens darzutun.' Wenn es noch nötig ist zu beweisen, daß das gute Recht aufSeiten Finnlands ist, so genügt es. daran zu erinnern, untertoelcheu Bedingungen der finnländische Staat an Rußland an-gegliedert woroen ist, ohne einen Augenblick aufzuhören, feineUnabhängigkeit zu bewahremWährend des ganzen 13. Jahrhunderts war Finnland derSchauplatz blutiger Konflikte zwischen Nußland und Schweden.ober im Jahre 1809, am 27. März, machte es den Zaren Alexander I.zu seinem Großfürsten, nachdem er bereits am Tage vorher dieBürgschaftsurkmide für die Grundrechte unterzeichnet hatte; und,am 29. März erneuerte der neue Herrscher, in Gegenwart desLandtages� seine Verpflichtung�», indem er feierlich die Uuverletz-lichkeit der finnländischen Verfassung verkündete. Diese Erklärungwurde am 4. April in einem Manifeste an die Bevölkerung wieder-holt und von allen Nachfolgern Alexanders l. gutgeheißen undganz besonder bestätigt durch Alexander ll. im Jahre 1863. Derständische Landtag wurde von neuein zusammenberufen und bliebohne Unterbrechung in Tätigkeit, als Ausfluß eines selbständigenStaates', der namentlich eine eigene Gerichtsorganisation undein eigenes Münzsystem besaß, der für seine inneren Angelegen-heiten, ohne Dazwischentreten irgend eines Faktors, die Gesetz-gebungSgewalt ausübte, und welcher Beschlüsse faßte, die durch dieSanktion des Großfürsten Gesetzeskraft erlangten. Dieser ständischeLandtag arbeitete im Jahre 1878 ein Gesetz über den Kriegsdienstaus» das besagte, daß die Finnländer nur in ihrem eigenen Landezum Kriegsdienst verpflichtet sind, und das Recht, eine solche Maß-nähme zu beschließen, wurde ihm keinen Augenblick streitig gemacht.Diese Unabhängigkeit ist während des 9� und letzten Jahrzehntsdes vergangenen Jahrhunderts Gmen stand unaufhörlicher Angriffevon Seiten der moÄowitischen Reaktion gewesen, deren Gipfel-Punkt da» Manifest Nikolaus II. vom 3./15. Februar 1899 gebildethat, durch welches der Zar-Großfürst die Neichsgesetzgebung Ruß-lands auf Finnland ausdehnen Wollte. Um jeden Widerstand zubrechen, setzte er als Diktator Bobrikow unseligen Angedenkensein. Im Jahre 1991 verstand er, eigenmächtig die bestehendeMtlitärgesetzgebung zu beseitigen» und versuchte, dem Lande aufdem Verwaltungswege feine freiheitsmörderischen Anschamingenaufzuidrängen. Das finnländische Volk leistete hartnäckigen Wider-stand. Die zum Dienst auSgehobenen ZNannschaften streikten, unddie Gärung nahm noch zu. als der russisch-japanische Krieg ausbrach. Der Zarismus wurde gezwungen, sich in seinen Ansprüchen»u mäßigen und schließlich nachzugeben. Während der OktobertageIVOS schloß sich die Arbeiterklasse Finnlands dem ProletariatRußlands an und verkündete den Generalstreik. Die Diktaturbrach zusammen, dir Ukase wurden zurückgezogen, die russischenBeamten verschwanden, und daS Manifest vom 22. Oktober/4. No-vember 1905 verkündete die Rückkehr zur„gesetzlichen Ordnung".Der ständische Landtag kapttulierte ebenfalls, und das Ergebnisdieses Kampfts war die Eroberung deS allgemeinenStimmrechts für Männer und Frauen, die Ver.hältniswahl. das demokratische Einkammer-system, die B er sammlungS-, Vereins» und Preß.r e i h ei t. Alle dies« Verfassungsgesetz« und Bürgschaften wurden»rch den Zaren Nikolaus II. bestätigt durch die feierlicheUrkunde vom Juli 1906.Die Sozialdemokratie hat sich nicht wie die Bourgeoisie mitdiesen Reformen zufrieden gegeben. Si-e versuchte in wirkungS.«oller Weise, die Lage der Land- und der Industriearbeiter zuverbessern, aber ihre Bemühungen scheiterten an der Beschränktheitund an der Selbstsucht der herrschenden Klassen. Auf ihre Ver-«nlassnng wurden namentlich während der Session 1907/09 be-schlössen und sanktioniert das Grs cd über dieBäckereien.welches die Arbeitszeit auf ein Maximum von48Stundenpro Woche festsetzte und die N a ch t a r b e i t verbot, dasGesetz zum Schutze der landwirtschaftlichen Ar-bester sowie der Kleinpächtep, ein Gesetz zur FörderungdesSchulwescns. Der Landtag hat auH eine Reihe andererGesetze nngenomuren. Nämlich«hn Kommunal Wahlgesetz,das trotz einiger Beschränkungen auf dem allgemeinenStimmrechtbeid er Geschlechter beruht, ein Arbeiter-s ch u tz ge s e tz, welches die wöchentliche Arbeitszeit aufhöchstens 60 Stunden fcsssetzte, die Kinderarbeituntersagte und die Nachtarbeit sowie die Frauen-arbeit beschränkte— aber diese Gesetze warten noch immerauf die Sanktion durch den Großfürsten.Die sozialistische Fraktion des Landtages hat auch keinenAugenblick gezögert, sich der von der Bourgeoisie befolgten Politikder Schwäche zu widersetzen, welche sich einbildete, ihre Ruhe durcheinige Konzessionen erkaufen zu können. Die Reaktion inSt. Petersburg wollte die Vernichtung des finnländischen Staates,aber, wo cs galt, sich diesen Absichten entgegenzustellen, hielt dieganze Nation wie ein Mann zusammen.Dreimal hat der Zar die Auflösung des Land-tageL verkündet mit der Absicht, daS Parlament in Miß-achtung zu bringen, den Widerstand des Volkes zu untergrabenund de» Sozialismus zurückzudrängen. Er wollte nicht, daß derSozialiSnms sich vor den Toren St. Petersburg entwickle; er wolltesich nicht dazu verstehen, als Großfürst zu dulden, was er alsZar unterdrückte. Aber bei jeder Neuwahl wuchs derSozialismus. Er eroberte 80 Sitze im Jahre 1906, 83 imJahre 1008, 84 im Jahre 1909, und bei den letzten Wahlen vom1. Februar 1910 erhielten die sozialistischen Kandidaten 314 931Stimmen» d. h. 40 Proz. der Gesamtheit, die der Partei 86 Sitzevon 200 brachten. Die russische Regierung sah, daß sie durch diewiederholten Parlamentsauslösungen nichts erreichen konnte, undversuchte dann, das Volk zu unüberlegten Handlungen zu provo-zieren durch kleinliche Schikanen, durch willkürliche Maßnahmen.und schreckte auch vor Drohungen nicht zurück. Aber das Volkbewahrte seine Besonnenheit und gab den russischen GewalthabernIveder Gelegenheit noch Vorwand, mit Waffengewalt einzuschreiten.Auf diese Weise wurde dieser nichtswürdige reaktionäre Planvereitelt.Es blieb also der zaristischen Regierung nichts anderes übrig,als den Weg des offenen Rechtsbruches zu beschreiten. Der ersteAnsturm war das Manifest vom 24. September/7. Oktober 1909,in welchem die finnländische Militärfrage grundsätzlichentschieden wurde und welches die Zahlung einer jährlichenBeisteuer zu Heereszwecken von 10— 20 Millionen finnischeMark aus finnländischen Staatsmitteln anordnete.Der allzeit unterwürfige und nachgiebige bürgerliche Senatkonnte diesen rechtswidrigen Schritt doch nicht billigen, und derZar-Großfürst berief darauf russische Militärbeamte in den sinn-ländischen Senat, welche dieses ungesetzmäßigc Manifest amtlichkundgeben sollten Der Landtag verweigerte die geforderte Bei-steuer zu den Heereslasten und gab zur Antwort, daß die finnländische Militärfrage auf gesetzlichem Wege geregelt werden müsse,mit anderen Worten, eine neue Militärordnung könne nur durchdie gesetzmäßige Zustimmung der finnländischen VolksvertretungGesetzkraft erlangen. Der Landtag wurde darauf zum drittenMale aufgelöst, und der russisch-fmnländische Senat nahm eigewmächtig die von Rußland geforderten Millionen aus dem finnländischen Staatsschatze.Diese neuerliche Brutalität der zarischen Regierung rief tiefeEntrüstung in> der ganzen Kulturwelt hervor. Die öffentlicheMeinung Europas und vor allem der sozialistischen Internationalestellt sich auf die Seite Finnlands, die hervorragendsten europäischenRechtsgclehrten sprachen sich zugunsten der staatlichen AutonomieFinnlands aus. Aber gerade der einmütige feste Wille des sinn-ländischen Volkes und die Sympathie, welche sein Verfassungs-kämpf in der ganzen zivilisierten Welt hervorrief, reizte die Wutder russischen Reaktion. Die persönlichen Feinde des finnländischenVolkes, oie mit Schimpf und Schande verjagten Handlanger desBobrikowschen Systems(Deutlich, Korewkä, Mzasojedow undandere), arbeiteten einen sogenannten Gesetzentwnrs der russischenReichsgesetzgebung für Finnland aus, und Stolypin und der ZarNikolaus setzten unter dieses verfassungswidrige Machwerk ihreUnterschrift. Das zaristische Manifest vom 14./27. März1910 bedeutete nichts mehr und nicht? weniger als eine voll-ständige Vernichtung der finnländischen Ver-fassung. Es wivd darin ausgesprochen, daß in allen aufFinnland bezüglichen Fragen die russischen Staatsbehörden zu-ständig find, und der finnländische Landtag wird darinzu einem bedeutungslosen P r o v i n z i a l- V e r°waltungsorgan herabgodrückt. Die staatliche SelbständigkeitFinnlands ist nur nock, ein leeres Wort. An den finnländischenLandtag wird die höhnische Zumutung gerichtet, im Laufe einesMonats ein„Gutachten" über diesen Vorschlag der russischenRegierung auszuarbeiten. Wohlgemerkt, ein„Gutachten", keinenBeschluß mit Gesetzeskraft, obwohl die vom Zaren Nikolaus 1906bestätigte Geschäftsordnung des Landtages in zwei Paragraphen(8 60 und 8 60) klar und deutlich besagt, daß Grundgesetze desLandes nur auf Antrag des Monarchen und unter Zustimmungdes finnländischen Landtages geändert werden können. Aber daskümmert die zarische Regierung nicht im geringsten, und sie schicktsich jetzt an. ihren Staatsstreich durch die Autorität der drittenDuma decken zu lassen. Di« Mehrheit dieser Du»na hatbereits die Henkerpolitik Sholypins gutgeheißen,hat der Erwürgung der russischen VolkSrcchte zugejubelt und wirdauch bereitwillig dem Vernichtungswerke an Finnlandihren Arm leihen.Der russisch« Adelskongreh hat bereits einen„militärischenSpaziergang durch Finnland" in Aussicht gestellt, und Wie die Verhältnisse jetzt liegen» können diese blutdürstigen Pläne für Finn-land furchtbarer Ernst werden, denn Finnlands staatliche Unab-hängigkeit und seine demokratische Freiheit ist den russischenReaktionären ein Dorn im Auge, und sie werden nicht ruhim,'bis sie dem finnländischen Volke die vcrfassungSgemäßen Bürg-schaften entrissen haben, und Galgen und Knute auch in Finnlandherrschen Werden.Der finnländische Landtag wird den russi-schen Regierungsvorschlag einstimmig zurück-weisen und das Volk zur Verteidigung seinerRechte aufrufen. Eine Zeit schwerer Kämpfe fürdas finnlandische Volk und vor allem für das klassenbewußte Pro-letariat wird dann hereinbrechen. Wir wissen ganz genau, welcheOpfer und Verluste bevorstehen, aber die finnländische Sozialdemo-kratie muh diesen Kampf aufnehme� weil«s sich hier um Lebenund Freiheit des finnländischen Volkes handelt.Die Unabhängig! ett Finnlands ist für unsere Genossen keinleerer RecbtStitel, sie bedeutet für das finnländische VolkdaS freie Selbstbestimmungsrecht; sie bedeutet denFortschritt der Kultur und des Sozialismus. Di«russische Reichsgesetzgebung über Finnland heißt füruns Unterjochung und Versklavung sowohl auf poli«tischem Wie auf kulturellem Gebiet, blutig« Unter-drückungsmaßregeln und namenloses Elend fürdas ganze finnländische Volk. AuS allen diesen Gründen nehmendie Finnländer ruhig und ohne Zögern den Kampf auf. Sievertrauen in erster Linie auf ihre eigene Kraft, auf den Mut unddie Energie der finnländischen Avbetterschast; sie wissen sich abereins mit dem russischen klassenbewußten Proletariat, ja mit demganzen russischen Volke, welches um seine Freiheit ringt, undzwnfeln nicht an dem schließlich siegreichen Ausgang« der russischenRevolution.In dieser schweren Stunde wenden sich unsere finn»ländischen Parteigenossen an die sozialistischeInternationale und cm alle den. okraiisch undfreiheitlich gesinnten Elemente der zivili»sierten Welt, um hoffen» daß sie ihren politischen undmoralischen Einfluß für die demokmtische VerfassungFinnlands und gegen die russische Regierung, gegen den Zarismusund seine Gewaltpolitik in die Wagfchale werfen mögen. D i esozialt ssf schen Abgeordneten aller Länder habendie moralische Pflicht, den von Rußland an dem sinn-ländischen Volk begangenen Verfassungsbruch in ihremParlament zur Sprach« zu bringen und gegen dieberbreiherische Politik bon St. Pekershurg mit Entschiedenheft auf-zutreten. Die sozialistischen Parteien aller Länder Haber bereitsin ihrer Presse und in öffentlichen Versammlungen den Kampfunterstützt und Werden ihn weiterhin muterstutzcn. Ein Sturmder Entrüstung muß sich gegen den Zarismus erheben.Die finnländische Sozialdemokratie, die auf vorgeschobenemPosten gegen einen übermächtigen Feind kämpft, ist die Hüterinunseres völkerbefreienden Banners und beauftragt uns, deminternationalen sozialistischen Proletariat ihren brüderlichen Grußzu übermitteln.Das Exekutivkomitee des Internationalen Sozialistischen Bureaus(Belgien):Eduard A n s e e l e- Emil Vandervelde, Lgon Furnemont,Camille HuhsmanS.politische Qeberficht.Berlin, den 7. Mai 1910.Wohtmngsgeldzuschuft.Das preußische Abgeordnetenhaus beriet am Sonnabend inerster Lesung den Gesetzentwurf zur Abänderung der Vorschriftenüber die Wohnungsgeldzuschüsse und Mietsent»schädigungeir. Die Vorlage, die im allgemeinen eine Gleich-stellung des Reichs mit Preußen bezweckt, fand auf keiner Seitedes Hauses unbedingte Zustimmung, jeder einzelne Redner machte»nehr oder minder wichdige Bedenken geltend. Wie bereits im Vor-jähre gelegentlich der Beamtenbesoldungsvorlage, vertrat auch dies-mal wieder unsere Fraktion, in deren Namen S t r ö b e l dasWort ergriff, vor allem die Interessen der unteren Beamten, die— wie S t r ö b e l zahlenmäßig nachwies— wieder einmalstiefmütterlich behandelt sind. Mit gutem Geschick polemisierteunser Wortführer gegen die bürgerlichen Parteien, die, sobaldcs sich um ihre eigenen Angelegenheiten handelt, der Regierungopponieren und Minister stürzen, aber, wenn die Interessen derBeamten auf dem Spiel stehen, sich vor dem Willen der Regierungbeugen. Dem Finanzminister war bei den Ausführungen Ströbelsnicht wohl zumute. Da er aber dessen Zahlen nicht zu wider-legen vermochte, suchte er sich nach bekannter Manier aus derAffäre zu ziehen. Unter dem jubelnden Beifall der konservativ-klerikalen Mehrheit tat er der Welt kund und zu wissen, daß wirnoch nicht im Zukunftsstaat leben, und nicht gerade geschickt fügteer hinzu, in der heutigen Gesellschaftsordnung werde es immerso bleiben, daß die unteren Beamten gegenüber den höheren benach-teiligt werde»». Das ist also das Eingeständnis, daß wir mitunseren Behauptungen im Recht sind. Wir sind Herrn v. Rhein-baben dafür aufrichtig dankbar und werden uns bei Gelegenheitdes Agitationsmaterials, daS er uns dadurch geboten hat, bedienen.Nachdem der Entwurf einer Kommission überwiesen warz, be-gann die Beratung der Sekundärbahnvorlage, die denRest der Sitzungen bis Pfingsten ausfüllen soll.Eine„sehr schwere Entscheidung".jDie Konservativen befinden sich in einer argen Klemme.Sie sollen in einigen Wochen im Abgeordnetenhause ent-scheiden, ob sie dein Zentrum treu bleiben und die Ver»schlechterungsanträge des Herrenhauses ablehnen oder demZentrum die Treue brechen und mit Freikonservativen undeinem Teile der Nattonallibcralen die von den erblich belastetenGesetzgebern beschlossenen Verschandelungen des Wcchselbalgesakzepttercn sollen.Wenn die Junker nicht auf das Zentrum Rücksicht zunehmen hätten, würden sie natürlich die vom Herrenhaus be-schlossenen Verschlechterungen mit Freuden annehmen. DieVerhunzung der Maximierung, durch die der Geldfack wiederin sein volles Recht eingeführt tvird, und die Drittelung nachgrößeren Bezirken, durch die das edle Ziel der Geldsacks-Übermacht vollendet wird, nützen zwar den Konservativen selbstnichts, sind ihnen aber als Mittel zur Niederknüppc-lung des Proletariats von vornherein ungemeinsympathisch. Jedes Mittel, das die Arbeiterklasseentrechtet, ist ja den Junkern recht! Und wenn auchnicht die Konservativen selbst, sondern der mehr oder minderunentschiedene Liberalismus den Vorteil davon hätte: zehn-mal lieber als ein sozialdemokratischer Vertreter der Arbeiter-klaffe ist auch dem reaktionärsten Junker solch ein LiberalerlLeider uur hindert die Bundcsfreundschaft des Zentrums.hindern die den Konservativen vom Zentrum geleistetenLiebesdienste die Junker, der Verschlechterung freudig zu-zustimmen. Denn der blauschwarze Block müßte dabei elendin die Brüche gehen. Könnte das Zentrum doch nur unterPreisgabe seiner eigensten Interessen in dieherrcnhäuslerischcn Zumutungen Nsilligen, wobei cs sich zu-dem mit all seinen bisherigen Erklärungen über dieStcuerdrittelung»md die Maximierung in den un-gehcuerlichsten Widerspruch setzen würde. Ohne vollendsSelbstmord zu begehen, kann also daS Zentrumnicht für die HerronhauSbeschlüsfe stimmen, und die Junkerstehen deshalb vor dem schweren Gewissenskonflikt, ob sie eslieber mit dem Zentrum oder mit den Nationallibcralcn haltensollen.Eine Einmütigkeit scheint denn auch unter den Kon-servativen keineswegs zu herrschen. Die.Kreuzzeitung"beginnt eine Artikelserie, worin sie die HerrenhauSbeschlüsse zurechtfertigen versucht. Auch die„Deutsche TaaeSztg." ver-öffentlicht eine Zilschrift deS Herrn v. Wcdel-PicSdorf, diefür diese Beschlüsse Sttminimg macht. Die Redaktion deS Bündlerorgans ihrerseits erklärt im Anschluß an diese Zuschrift, daßfür die Konservativen deS Abgeordnetenhauses die Situationeine so schwere sei, daß sie auf das Erteilen von Rat-schlügen verzichte! Herr Oertel begnügt sich mit der Be-merkung, daß er für seine'Person nicht wisse, wie die kon-servative Fraktion des Abgeordnetenhauses den Uebcrgang zuden Beschlüssen des Herrenhauses begründen solle,„ohnesich im Widerspruch mit sich selb st zu be-finden".Nach unverbrüchlicherTreue demZentrumgegenüber sieht daS nicht gerade aus. Vielmehrgetvinnt man den Eindruck, als ob sdie Konservativen deinZentrum zum mindesten einige Zugeständnissein der Richtung derHerrenhauSbeschlüsse ab-zuringen suchten!_Die Lex Hcinze-Männer auf dem Kriegspfad.Auf Einladung einiger Mitglieder deS preußischen Abgeordneten«SmiseS hatten sich am Freitagabend mehrer« Dutzend Mitglieder de«Abgeordnetenhauses und des Reichstag» im Festsaal de» Ab-geordnetenYauseS eingefunden, um der Eröffnung eine» neuen Feld-zugs um die Lex Hemze beizuwohnen. Luch der Leiter des Reichs«jusiizamt» war erschiene»».Die Einladung hatte auch von einer»Ausstellung zur Jllustrierungder Art und de» UmfangeS der Schund- und Schmutz-Druckerzeugnisle"gesprochen. Aber die Erwartungen in diese„Ausstellung" wurden einwenig getäuscht. Was dort ausgestellt wurde, waren eine Anzahlvon Titelbildern der bekannten»Nie Carter".Hefte. ein Verzeichnisvon Berlagöfirmen. die in dergleichen.Literatur" machen, und—