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Nr. 138.

Grscheint täglich außer Montags. Prets pränumerando: Viertels fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg fret In's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags: Nummer mit 1uftr. Sonntags- Beilage Neue Belt" 10 Pig. Poft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Defterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Boit Zeitungs- Preisliste für 1893 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Bfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 fg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Bor mittags geöffnet. Fernsprecher: 3mt 1. 4186. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Donnerstag, den 15. Juni 1893.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Genossen! Wähler!

Der Lag der Entscheidung ist gekommen. Befragt Euere Vernunft und that Enere Pflicht! Heute schlecht gewählt, und auf fünf Jahre habt Ihr Euch Eueren Feinden überliefert. Wählt gut und Ihr trefft den Feind ins Herz. Ein Verräther an sich selbst und am Volf, wer zu Hause bleibt! Auf jede Stimme kommt's an. Jede Stimme mehr vergrößert den Sieg, jede Stimme weniger verringert ihn.

Auf zur Wahl!

Auf zur Wahl! Auf zum Sieg!

Wähler!

Die Schlacht hat begonnen. Da ist keine Zeit mehr Rein Wähler darf die Ausübung seines höchsten politischen für viel Worte. Gekämpft wird um die Zukunft Deutsch­ lands   und des deutschen   Voltes. Rechtes versäumen.

Nur heute von Vormittags 10 Uhr bis Nachmittags 6 Uhr kann der Stimmzettel abgegeben werden.

Wer es ermöglichen kann, benuße zur Stimmabgabe die Zeit von 10 bis 12 und von 2 Uhr an, damit die Mittagsstunden für die zur Arbeit Gezwungenen frei bleiben und zu großer Andrang vermieden wird.

Soll unser Land die Beute einer winzigen Minderheit von Leuten sein, die Deutschland   als ihre Domäne be trachten, die sie in ihrem persönlichen Interesse ausnutzen

wollen?

Oder soll unser Land die Heimath freier und glüd­licher Menschen sein?

Schmach die schmachvollste ist: freiwillig in die Knechtschaft zu stürzen!

Auf zur Wahl! Wähler an die Urne! Thut Euere Pflicht! Thue Jeder seine Pflicht! Mahne Jeder den Anderen an seine Pflicht! Und stimmt für den sozial­demokratischen Kandidaten!

Fort mit der Militärvorlage, Fort mit dem Militarismus. Hoch das Allgemeine Wahlrecht.

Hoch die internationale Sozialdemo

Soll das deutsche   Volf Herr sein im eigenen Lande? tratie! Soll es mündig sein? Soll es im Wahlrecht einen Hammer besigen, mit dem es sich sein Glück schmieden kann? Soll der Wille des Voltes Gesetz sein? Soll das deutsche   Volk ein wehrhaftes Bolt sein, das keinen Soldatenstand kennt, und Der Reichstag   wird auf fünf lange Jahre den Frieden sichert und Europa   die erdrückende Last bei höchster Entwickelung der Wehrkraft, sich und der Welt gewählt. Wähler bedenkt das! des bewaffneten Friedens abnimmt?

Wählt die Kandidaten der Sozialdemokratie!

I. Wahlkreis: Schneidermeister August Täterow.

II. Wahlkreis: Schriftsetzer Richard Fischer. III. Wahlkreis: Stadtverordneter Ewald Vogtherr  . IV. Wahlkreis: Stadtverordneter Paul Singer  .

V. Wahlkreis: Klavierarbeiter Robert Schmidt. VI. Wahlkreis: Schriftsteller Wilhelm Liebknecht  .

Nieder- Barnim:

Oder soll das deutsche   Volk durch die eherne Rüstung des Militarismus in das Verderben gerissen werden, und entweder im bewaffneten Frieden dem Bankrott zueilen, oder, um dem unerträglichen Zustand ein Ende zu machen, sich in das Blutmeer eines Krieges stürzen, verglichen mit dem der deutsch  - französische Krieg von 1870/71 ein idyllisches Kinderspiel war?

Sollen wir forttaumeln auf dem Weg des Verderbens? Oder soll unser Volt umkehren, und soll unsere Politik in andere, zum Heil führende Bahnen einlenken? Das sind die Fragen, auf die Ihr Wähler heute die richtige Antwort zu geben habt.

Pirmasenser   Lehren.

Ein merkwürdiges Sympton des fortschreitenden Prozesses der Aufsaugung der Kleinbetriebe durch den Großbetrieb und auch von uns bereits erwähnte bevorstehende Vereinigung der der Proletarisirung der Mittelschichten der Bevölkerung ist die Schuhfabriken von Pirmasens  . Doppelt interessant ist diese Thatsache für die Gegenwart gerade deshalb, weil Pirmasens   dem Militarismus des vorigen Jahrhunderts, der Soldatenspielerei der Zopfzeit, seine Entstehung verdankt.

28ie fast alle deutschen Fürsten im Anfang des vorigen Jahrhunderts suchten auch die Pfalzgrafen von Zweibrücken   dem französischen   König Sonne", Ludwig XIV  , nachzuäffen in ihrem Hofleben, und so erhielt denn auch die glückliche Pfalz auf der Hochebene des Westrich ein Versailles   in dem Städtchen Pirmasens  . Doch nicht nur dem französischen   König, sondern später auch dem stockschwingenden Preußenkönig Friedrich Wilhelm I   erwuchs in einem Zweibrückener   Pfalzgrafen   ein Hinter der Militärvorlage, hinter dem Militarismus Nachahmer. Der Duodeztyrann von Zweibrücken   war von dem steht das kapitalistische Gesellschaftssystem, brennenden Ehrgeiz erfüllt, durch ein dem presßischen ähnliches welches auf der Ausbeutung und Knechtung des arbeitenden Riesenregiment seine höchsteigene werthe Persönlichkeit schützen Volkes beruht, und den Mittelstand in Stadt und Land: zu lassen und so werden denn auch durch Zweibrückener Werber die Handwerker, Bauern und Kleingewerbetreibenden jeder aufgegriffen und in die Zweibrückener Uniform gesteckt. Ja, überall lange Kerle" angeworben, zur Noth auch mit Gewalt Art unbarmherzig zu Grunde richtet, und in einem starten Durchlaucht trugen sich mit dem Gedanken, ein eigenes Riefen­Heer" seine festeste Stüße, in dem allgemeinen Wahl- geschlecht in höchstdero Landen heranzuzüchten, sintemalen dann recht seine größte Gefahr sieht. für fünftige Zeiten die Werbegelder nicht mehr in das Ausland Die Wahlschlacht des heutigen Tages gilt den höchsten zu wandern brauchten. Zum Size dieses menschlichen Riesen­geftüts ertoren Durchlaucht dero getreues Versailles  , die Stadt Soll das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahl- Pirmasens  . Die langen Sterle" mußten sich dort nach oder auch recht das heißt das Recht, welches einem Volk die poli- Daß wirklich dieser brutale, im Gehirne des Zweibrüdener wohl vor beendeter Dienstzeit verheirathen und niederlassen. tische Mündigkeit ertheilt, uns erhalten bleiben? Duodeztyrannen entsprungene Gedanke der Riesenzüchtung einen merkbaren Einfluß ausgeübt hat auf die Körpermaße der Pirmasenser   Bevölkerung, ist nach allgemeinen physio­logischen Erfahrungen allerdings nicht anzunehmen. Die Geschichte verdient aber der Vergessenheit entrissen au dabei herauskommt, wenn in einem Lande oder Ländchen des werden, um auch an diesem Beispiel zeigen zu können, was Fürsten   Wille das oberste Gesetz ist.

Gütern des Boltes.

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Oder wollt Ihr es opfern, Ihr Wähler? Wollt Ihr es Euren Feinden ausliefern und selbst die Hand dazu bieten, daß unser deutsches Volk aus der Reihe der freien Kulturvölker ausgestrichen werde?

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Wähler! In Eurer Hand liegt Euer Schicksal, liegt unsere Zukunft, liegt die Zukunft Deutschlands  . Laßt Euch nicht berücken! Laßt Euch nicht einschüchtern. Uns interessirt hier zunächst mehr die weitere Geschichte von Nicht die Russen und Franzosen bedrohen uns be- Pirmasens  . Als die Pfalzgrafschaft Zweibrücken   das Beitliche droht sind wir nur von den Kosaken im Inneren. gesegnet hatte und die Hofhaltung der bortigen Landesväter ein­Eine Volkswehr, wie wir Sozialdemokraten fie fordern, gegangen war, mußten sich die Pirmasenser   auf ihrer unwirth­giebt uns, um ein Drittel der Kosten, doppeltlichen Hochebene nach irgend einem bürgerlichen Erwerbs­Stadtverordneter Arthur Stadthagen.   fo viel wehrhafte Streiter, als die Caprivi'sche Militär- zweige umsehen und da griffen sie zur Schuhmacherei. Aus der organisation im Fall der Annahme nach Verlauf Birmasens in größerem Umfange für den Export zu arbeiten anfänglichen fleinmeisterlichen Betriebsweise entwickelte sich, sobald begann, der Fabritbetrieb. Die Kleinmeister wurden nach und Wähler, seid fest! Denkt an Euer und Eueres Volts nach genöthigt, für größere Geschäfte zu arbeiten, anfänglich als Wohl! Rettet unser Bolt vor der Schmach, die von jeder Hausindustrielle, dann, als die Vortheile der Arbeitstheilung die

Teltow- Beeskow- Charlottenburg: eines Vierteljahrhunderts uns geben joIL Gastwirth Fritz Zubeil  .