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Internationale Verständigung. Eine Anzahl von Professoren und bürgerlichen Politikern wir Nennen u. a. Hermann Cohen , Paul Ehrlich , Ernst H a e ck e l. Adolf H a r n a ck, Paul Natorp , Georg Jelline! erlassen einen Aufruf zur Begründung einesVerbandes für inter - nationale Verständigung". Es heißt darin: Einst ist eS die Aufgabe und das Ziel unseres Volkes gewesen, den nationalen Staat vorzubereiten. Wir wissen, welchen Fort- schritt, vornehmlich auf wirtschaftlichem Gebiete, wir dieser Staats- gründung verdanken, aber ein neues Zeitalter bringt neue For- derungen. Schon haben die technischen Umwälzungen eine Epoche des Internationalismus herbeigeführt, aber die politische Organisation der Kulturwelt ist hinter ihr zurückgeblieben bei dem Nebeneinander unverbundener Einzelstaaten... Wem die nationale Kultur am Herzen liegt, der wird mit uns erwägen, welche Blüte der heimischen Zivilisation überall begründet werden könnte, wenn es möglich wäre, ein Zeitalter der internationalen Verständigung in der Politik heraufzufiihren. Die Zeit drängt. Wenn die Rüstungen der großen Mächte in dem jetzigen Tempo fortschreiten, so bedeuten sie ein W e t t l a u f e n zum Ruin. Morgen kann es gelten, zu der Land- und Seearmee, für die hinreichende Mittel kaum noch aufzutreiben sind, eine Luftarmee zu rüsten! Sollte eS aber nicht eine Möglichkeit geben, mit den, nationalen Ge- danken den internationalen zu vereinen? Wir müsien nach einem anderen politischen System im Staatenverkehr streben, wir müssen zu diesem Zweck besonders die internationale Schiedsgerichtsbarkeit aus- zubauen und überhaupt Verträge mit den anderen Nationen zur Vermehrung der Bürgschaften des Weltfriedens herbeizuführen suchen. Auch sonst muß bei internationalen Konflikten planmäßig auf eine Klärung und Verständigung hingearbeitet werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muß die öffentliche Meinung der Völker aufgerufen und allmählich organisiert werden. Hier handelt es sich nicht um eine einseitige ethisch-humanitäre Bekämpfung des Krieges, mit der allein wenig auszurichten ist, hier handelt es fich uni praktische Ziele der internationalen Politik.... Wir Deutsche sind infolge unserer poltischen Leidens- geschichte erst Jahrhunderte später zu dem Nationalstaat ge- langt, als die Mehrzahl der anderen modernen Kulturnationen, noch erblicken wir darum in der Erfüllung der einseitig nationaalen Aufgaben das höchste politische Ideal und verkennen nur zu leicht den Umstand, daß die Kulturstaaten bei der Lösung dieser nationalen Aufgaben von einander ab- h ä n g i g sind. Deshalb begegnen wir den Bestrebungen, die aus der Erkenntnis dieser wechselseitigen Abhängigkeit erwachsen find und die in anderen Ländern schon ein tieferes Verständnis und eine weite Verbreitung gefunden haben, mit stärkerem Miß- trauen, als ein klares und volles Bewußtsein der nationalen Verantwortlichkeit zulassen sollte. Gerade das Volk der Denker sollte sich gern davon überzeugen, daß im letzten Grunde die ge- meinsamen Interessen der konkurrierenden Staaten größer sind wie ihre Rivalitäten und daß darum eine internationale Verständigung möglich ist." Es ist sicher anerkennenswert, daß gerade aus den Kreisen deutscher Profesforen, deren Mehrzahl solange die wüste und ver- logene Hetze gegen dievaterlandslose" Sozialdemokratie unterstützt hat und heute noch mitmacht, ein Protest erhoben wird gegen die einseitige nationalistische Ideologie. Ihre Argumente sind der Sozialdemokratie nicht fremd. Aber der praktische Erfolg hängt nicht von Argumenten, sondern von den Machtverhältnissen ab, und erst wenn das Proletariat, feiner intemationalen Jnteresiensolidarität bewußt, die Macht erlangt haben wird, wird die internationale Organisation der Welt zur Wirklichkeit werden. Der Zeuguiszwang. In der Justizkommission fanden am Donnerstag die Diskussionen über§ 67 der Strafprozeßordnung statt. Der Paragraph bestimmt »ach der Regierungsvorlage, daß bei einer nicht berechtigten Zeugnis- Verweigerung der Zeuge im ersten Fall mit einer Strafe bis 30Ö M. oder drei Wochen Haft bedacht werden kann, im zweiten Fall soll die Strafe im Höchstmaß 600 M. oder sechs Wochen Haft betragen. Auch könnte im Wiederholungsfall an Stelle der Bestraftmg die Zwangshaft treten. Die Zwangshaft darf nicht über drei Monate dauern. Nach einem nationalliöeralcn Antrag sollten im wieder- holten Bestrafungsfalle, wobei die Bestrafung nur bis zu 800 M. Geldstrafe oder bis zu drei Wochen Haft gehen sollte, neben die Strafe noch die Zwangshaft treten. Unsere Genossen beantragten, diese Strasbestimmungen für Zeugen, die nach 8 68 der Strafprozeßordnung nicht zu ver- eidigen sind, nicht gelten zu lasten. Ferner darf die Zwangshaft und die verhängte Strafe nicht höher fein als die Strafe, die für die strafbare Handlung angedroht ist. Insbesondere wandten sich unsere Genossen gegen jede Anwendung des ZeugniSzwangsvcrfahrens gegen Redakteure. Die Regierungsverlreter sprachen sich gegen den sozialdemokratischen Antrag aus. Der Antrag unserer Genosten wurde dann auch abgelehnt und der§ 67 nach der Regierung?- Vorlage mit der Aenderung angenommen, daß auch im Wieder« holungsfalle der Zeugnisverweigerung die Strafe nur bis zu 300 M. oder 3 Wochen Haft bewogen darf. Auch die übrigen Borschriften über Zeugen und Sachverständige wurden im wesentlichen nach der Regierungsvorlage angenommen. Die Kommission hält ihre nächste Sitzung am 23. Mai ab._ Die Polizeibrutalitäteu vor der Bürgerschaft. Aus Bremen wird uns vom 11. Mai geschrieben: Da zu Anfang der Sitzung der Polizeisenator noch nicht anwesend, wurde nach Erledigung einiger unwesentlicher Punkte der Antrag betreffend das B e a m t e n g e s e tz ver- wandelt. Genosse Henke begründete ihn. Er bezeichnete das Borgehen der Behörde als einen Gewaltstreich, da sie die Rechte der Beainten nicht wahre, und erinnert daran, daß in Preußen liberale Beamte ebenso behandelt würden, wie jetzt das liberale Bremen sozialdeuiokratische Beamte behandle. Es half jedoch nichts. Der Oberreaktionär Dr. Spitta wies mit juristischer Spitzfindigkeit nach, daß die Behörde die Ge- sinnung der Beamten an sich nicht antaste, ein Beamter dürfe sich nur nichtschrankenlos" betätigen. Durch diese von der Be- Hörde gesetzte Beschränkung der Freiheit käme man erst zur wahren politischen Freiheit, wie sie der bürgerliche Liberalismus wolle. Die bürgerliche Mehrheit konnte solchem Scharfsinn nicht widerstehen und lehnte den sozialdemokra- tischen Antrag ab. Den Antrag wegen der Willkür- iichen Auslegung des Vereinsgesetzes und des Vorgehens der Polizei begründete Genosse Rauch, der mit scharfen Worten das unerhört brutale Vor- gehen am 6. April geißelte. Er brachte eine Menge Be- schwerdcn, die in bürgerlichen Blättern veröffentlicht worden waren, zur Sprache. Bewiesen wurde, daß Polizeihaupt- mann Pohl zu den Schutzleuten gesagt hat:Meine Herren! Gehen Sie rücksichtslos vo r." Festgestellt wurde, daß an diesem Abend Knüppel an Kriminalbeamte ausgegeben wurden! Polizeisenator Luermann und fein Stellvertreter Dreyer baten um milderne Umstände wegen der Erregung der Beamten: sie behaupteten auch, die Polizei habe das Gesetz nicht willkürlich ausgelegt! Aber die Ausschrei- tungen konnten durch keine Beschönigung vertuscht werden. Die bürgerliche Mehrheit riskierte natürlich keine Opposition. Sie nahm auch die Hiebe der Polizei alsverdient" an und lehnte den sozialdemokratischen Antrag ab. Der Wahl- rechtsantrag kam nicht mehr zur Perhandlung. Von bürger- lich'sr Seite ist ein Aistrag eingereicht worden, in dem der Senat ersucht wird, sofort einen Gesetzentwurf vorzulegen, daß im Disziplinarverfahren Geld- und Haftstrafen zur Er- zwingung des Zeugnisses nicht zulässig sind. Vom Zerfall des Nationalliberalismus. Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Merkel, der auch Mitglied des sächsischen Landtages ist und dort eine hervorragende Rolle spielte, ist aus der national- liberalen Fraktion des sächsischen Landtages aus- getreten. Merkel gehörte zum linken Flügel der sächsischen Nationalliberalen. Durch seinen Austritt aus der Landtagsfraktion ist die Richtung geschwächt worden, die bisher eine national- liberal-konservative Koalition im sächsischen Landtage verhindert hat. Wie Herr Merkel dem Dresdener Korrespondenten desBerliner Tagebl." mitgeteilt hat, ist er ausgetreten, weil er die in der Landtagsfraltion herrschende politische Dekadenz nicht weiter mitmachen könne. Sollten seine Wähler mit diesem Schritt nicht einverstanden sein, so werde er sofort sowohl sein Reichstagsmandat wie sein LandtagSmandat niederlegen. Er wolle indes Mitglied der nationalliberalen Partei bleiben. Der Korrespondent deutet an. daß Merkels Austritt nicht der einzige bleiben werde._ Italien . Das Votum der Parteifraktron. Rom , 10. Mai. (Eig. Ber.) Das italienische Zentral- komitee für das allgemeine Stiminrecht hat am 8. d. Mts. in Rom eine Sitzung abgehalten, in der über das Verhalten der Parteifraktion diskutiert wurde. Zugegen waren die Genossen Turati, Morgari, Salvemini, Deila Scta, M e r l o n i und R o s e t t i. Salvemini vertrat eine Tages- ordnung, die das Votum der Fraktion als im Wider- spruch zur Agitation für das Wahlrecht bezeichnete und für die tiefe Apathie in der Partei den Zwiespalt verantwortlich macht zwischen denen, die ernstlich die Wahlreforin und den anderen, die andere Reformen anstreben. Diese Tagesordnung erhielt aber nur die Stimmen des Unterzeichners und des Genossen Della Seta. Dagegen erhielt eine Tages- ordnung Merloni vier Stimmen, die die Haltung der Parteifrattion billigte. Am Dienstag wird die römische Parteisektion sich mit derselben Frage beschäftigen. Die Vizepräsideuten der Kammer. Rom , 12. Mai. In der D e p u t i e r t e n k a m in e r fand heute die Wahl der Vizepräsidenten statt. Gewählt wurden G i r a r d i mit 133 und C a r m i n e mit 110 Stimmen. Lelgien. Die Brandmarkung der klerikalen Beutepolitiker. Brüssel, 8. Mai. (Eig. B-r.) In den letzten Wochen haben eine Reihe von Interpellationen des radikalen Deputierten Buhl gezeigt, in wie gewissenloser Weife die Herren Minister für ihre höchst persönlichen Bedürfnisse die Steuergelder verschlemmen: angefangen von den Gratis-StaatS- telegrammen" bis zu den 180 000 Frank Automobilkosten des Arbeitsmini st erS, den 18 000 Fr. Wohnungsentschädigung für den Herrn I u st i z ni i n i st e r. den 800 000 Fr. Baukosten für daSHotel " des Herrn Kolonienministers. Auch sonst sind die klerikalen Minister Belgiens fürsorglich bemüht, aus der Politik ein einträgliches Geschäft zu machen. Sie lassen eS sich nicht nur gut gehen, so lange sie im Amte sind: sie sorgen auch dafiir, daß sie beim Sturz auf einen weichen Verwaltungs« Posten einer Finanzgesellschaft fallen, wie der ehemalige Minister Francotte und Smet de Naher. Andere, wie der der- zeitige Arbeitsminister Delbecke lassen sich ihre ehemaligen Posten bei den Gesellschaften überhaupt offen für alle Fälle. Unter solchen Umständen, bei solchem Beispiel von oben, verdient die Ko r ruptions a ffäre des klerikalen Antwerpener Deputierten CoremanS, wie Vandervelde am Mitt- woch in der Kammer nicht ohne Ironie bemerkte, die Zubilligung mildernder Umstände. Herr CoremanS, dem nun so üble Dinge nachgesagt werden, hat in der Tat nur sein Mandat so auS- genutzt, wie gewisse Minister ihr Portefeuille. Wie der sozialistische Antlverpener Deputierte Terwagne in der Kammer mitteilte, hat der Klerikale CoremanS. Ge- meinderat und Abgeordneter der Stadt Antwerpen , gegen die Tramwaygesellschaft einen Prozeß angestrengt, in dem er gegen diese auf die.Zahlung von 2S0 000 Fr. Entschädigung für den Entgang einer Administratoren st ekle klagte. Aus dieser Klage geht nun hervor, daß sich der ehrenwerte Mann bei der Straßenbahngesellschast diese Summe mittels eines Votums im Gemeinderat sicherstellte. DaS heißt: der klerikale Herr Ge- meinderat hat sich seinerzeit an der Debatte und an dem Votum über die Vergebung der Straßenbahnkonzession an ein Kapitalisten- konsortium beteiligt, mit der Zusicherung eines materiellen Vorteils von feiten der betreffenden Gesellschaft wie der Prozeß zeigt von 280 000 Fr. Dieser Mann zierte bis vor zwei Tagen die Kandidatenliste der Klerikalen in Antwerpen eine Liste, auf der auch der Name des Ministers Delbecke prangt. Mit der Ausflucht, daß daS Par- lament kein Urteil über den Fall geben könne, ehe nicht das Gericht entschieden habe, suchten die Klerikalen, allen voran der Staats- minister Woeste, den Enthüllungen TerwagneS jede politische Konsequenz abzusprechen, daS Ganze als.Schachzug" der Opposition vor den Wahlen hinzustellen, der einer puren Verleumdung entspringe. Nach der Wirkung, die die Enthüllungen des sozialistischen Depu­tierten und die sich daran schließende Debatte ergaben, voll- zog sich allerdings auch bei den Klerikalen eine Wandlung: nach Schluß der Sitzung erhielt das parlamentarische Preßbureau die schriftliche Mitteilung, nach der sämtliche klerikalen Antwerpener Kandidaten eS ablehnen, mit dem betreffenden Herrn CoremanS auf einer gemeinsamen Liste zu figurierenaus höheren Parteirücksichten". DaS Schreiben meldete zwar kühn, daß dieser Beschluß schon vor der Kammerdiskussion gefaßt worden sei- was natürlich nur allseits Heiterkeit erweckte. Warum hätte sich bann Herr Woeste und die anderen Herren als Verteidiger strapaziert, wenn doch die Verurteilung schon ausgesprochen war? In Wahrheit haben dieHerrschasten natürlich abgewartet, wie der Effekt in der Kammer ausfallen würde. Nebenbei wird dem beschuldigten CoremanS noch nachgesagt, daß er sich von der Straßenbahngesellschaft bei ihrer Etablierung das Geschenk von 20 000 Fr. habe machen lassen. So ganzarm" ist der Mann also doch wohl nicht, wie ihn sein Verteidiger Woeste hinstellen wollte I Man begreift, wie bitter dieser Schlag die Klerikalen 14 Tage vor den Wahlen trifft! Herr Coremans ist überdies ein sehr renitenter und eigenwilliger Herr und hat keine Lust, stillschweigend abzutreten. Vielmehr wird er. im Verein mit anderen Unzuftiedenen, eine Dissidentenliste in seinem Wahlkreise aufstellen, also ein neues Ungemach für die Klerikalen. Eine andere Korruptkonsaffäre hat den klerikalen Senator D u p r e t zum Helden, der seinen Schwiegersohn auf der belgischen Ab» teilung der Mailänder Ausstellung in dessen Eigenschaft als Architekt in gründlicher Weise protegierte und protegieren ließ. Wenn sich die vom Deputierten Buhl erhobenen Beschuldigungen als richtig herausstellen und der betreffende Abgeordnete hat ein sehr un- zweifelhaftes Material, kopierte Beweisstücke, vorgelegt so wäre diese Protektionsgeschichte ein neuer, eklatanter Beweis, wie aus» giebig und mannigfaltig die klerikalen Herren die Steuergroschen für ihre persönlichen Zwecke plündern. ffolland. Für den Zehnstundentag. Amsterdam , 6. Mai. (Eig. Ber.) Am Himmelfahrtstage, drei Tage nach Einreichung eines Gc- setzentwurfes betreffend die Arbeitszeit seitens des christlichen und demokratischen" Ministers Talma , demonstrierte das organi- sierte Proletariat Hollands nochmals für den Z e h n st u n d e n» tag. Diesmal zu Rotterdam . Das Meeting war wieder von der S. D. A. P. und der Gewerkschaftszentrale einberufen worden. Auch der in freisinnig-demokratischem Fahrivasscr segelnoe Werklicdenverbond" hatte sich wieder angeschlossen. b2S Organi­sationen mit 83 000 organisierten Mitgliedern waren durch 100ö Delegierte vertreten. Ueber 100 Sympathieschreiben waren ein- gegangen. Die verschiedenen Redner wiesen auf die erschreckend lange Arbeitszeit hin. Die Mehrzahl der Arbeiter in Holland müsse noch mehr als 11, ja vielfach 12 und 14 S t u n» den arbeiten. Das Gesetz ließe noch einen 1 1 st ü n d i g e n Ar­beitstag für Kinder zu. Die Nachtarbeit habe sehr ver» heerende Folgen. Liberale und christliche Regierungen reichten ab» wechselnd zwar Gesetzentwürfe zur Verkürzung der Arbeitszeit ein, doch seien sie bedeutungslos und wandern in den Papierkorb. Sie dienten nur dazu, den Widerwillen der regierenden Klasse gegen die Einführung der allernotwendigsten sozialen Reformen zur Hebung und Stärkung der Arbeiterklasse zu verschleiern. Die Redner brandmarkten die Unfähigkeit des christlich-demokratischen� Ministers Talnia, der nichts tun könne und wolle, da er die ton. servativen Christlichen als gute Freunde schonen müsse. Eine ein» stimmig angenommene Resolutwn wendet sich mit aller Schärfe gegen die Passivität der Regierung und fordert die unverzügliche Einführung des Zehnswndentages. Sie spricht den Führern der christlichen Gewerkschaften scharfe Mißbilligung aus, da sie den Widerstand dadurch verstärken, daß sie unter allerlei Vorwän» den die A rd e i ter von der Agitation für den Zehnstundentag abhalten. Die Resolution ruft alle Arbeiter zur Agitation und zur Einigkeit der ganzen Arbeiterklasse und zur Erobe- rung des gleichen Wahlrechts auf, als unentbehrlich für die Erzielung der Macht, die allein den Widerstand brechen kann. Dänemark . Die Verbündete Reaktion. Die Konservativen haben sich nun fast überall mit den Reform- parteilern zu Wahlbündnissen zusammengeschlossen, um auf jeden Fall einen Gegner der radikalen Regierung ins Folketing zu bringen. Das Bündnis ist ein Beweis für die politische Ber» sumpfung beider Parteien. Mit irgendwelchen guten Gründen können diese Parteien ihre Wahlagitation natürlich nicht betreiben, und so greifen sie denn auch zu den schmutzigsten Mitteln, die Wähler cinzufangen. In Kopenhagen werden an alle mög- lichcn Leute Listen verschickt, aus denen sie sich unterschriftlich ver- pflichten sollen, für die konservativen Kandidaten zu stimmen. Der Zweck ist, da« Wahlgeheimnis soweit wie möglich aufzuheben und Wähler durch Furcht vor wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Boykott zum Diensie der Reaktion zu zwingen. Das Verfahren ist eine Umgehung des zur Sicherung des Wahlgeheimnisses erlassenen Gesetzes von 1001, wonach ein Kandidat höchstens 25Steller" haben darf, das heißt nur 25 Leute, die ihn durch ihre Unterschrift den Wählern empfehlen. Aber auch die Versammlungssreiheit wollen die Reaktionäre auf gesetzwidrigem Wege vernichten. Eines ihre Blätter,Köbenhavn ", schrieb vorgestern:Vernichtet die Ver- saminlungen der Gegner, und wollt Ihr nicht selbst als Spektakel- machcr auftreten, so macht es wie in Amerika : Kauft 4 bis 5 pro- fessionclle Spektakelmachcr; es ist unglaublich, was so ein paar Menschen mit etwas gutem Willen ausrichten können!" Unsere Genossen werden natürlich Mittel und Wege finden, um die Rowdics aus ihren Versammlungen fernzuhalten. Die Wahlbewegung ist äußerst lebhaft, und man darf wohl er- warten, daß es gelingt, das Land vor einem neuen Reaktions» Ministerium mit den durch die Albcrti-Affäre kompromittierten Leuten an der Spitze zu bewahren. finnlandL Gewalt vor Recht. Petersburg, 12. Mai. Der Ministerrat beschäftigte sich heute mit der finnländischen Frage und gab seiner Ueberzeu- gung dahin Ausdruck, daß den Wünschen des finnländischen Land- tags keine. Rechnung getragen werden dürfe. Cilrket Der Aufstand in Albamen. Saloniki, 11. Mai. Durch Kämpfe, die gestern bei Bveke» strin und Debrenitza im Bezirk Prizrend stattfanden und die mit dem Siege der türkischen Tr Uppen endeten, scheint Prizrend von weiterer Bedrohung befteit. Die Truppen gingen überall mit großer Tapferkeit, teilweise mit dem Bajonett vor. Mahmud Schefket Pascha begibt sich nach Bcrisowitsch, um den Operationen näher zu sein. Saloniki, 12. Mai. (W. T. B.) Der KricgSminister hat daS Generalkommando über die Truppen in Albanien übernommen und hat sich heute mit Torgut Schefket Pascha und dem Bali von UeSkueb nach Stimlia begeben. In der Umgebung von Karafcria fand ein Kampf mit einer bulgarischen Bande statt, bei dem zwrt Soldaten und ein Bandenführer getötet und einige Mitglieder der Bande verwundet wurden. Die Kretasrage. Konstantinopel , 11. Mai. Deputierten kämme r. Auf Befragen erklärte der Minister des Aeußern, daß die Eides» leistung in der kretischen Kammer die türkischen Rechte verletze. Er teilte mit. daß die S ch u tz m ä ch t e in ihrer soeben eingegangenen Antwortnote erklärten, daß die Eidesleistung eines Teiles der kretischen Deputierten auf den Namen des Königs der Hellenen an dem status quo auf der Insel nichts ändere. Er, der Minister, finde die Note unzureichend, doch werde sie von der Pforte als Zusicherung der Beibehaltung der Souveränitäts» rechte der Türkei interpretiert. Der Minister teile diese Auffassung. Die Eidesleistung könne keineswegs etwas an dem Regime der Insel ändern. Was die Kreter auch täten, die Insel werde stets ein Teil der Türkei bleiben. Die Kammer erachtete die Erklärungen der Regierung als ausreichend. Japan . Bevorstehende Annexion Koreas. New Aork, 12. Mai. Eine Depesche auS Peking an den New Dort Herald" besagt, daß alle russischen Konsuln in K o r e a sich nach Soeul begeben, um eine Besprechung bezüglich der bevorstehenden Annektierung Koreas durch Japan abzuhalten. Dem Pernehmen nach ist die Konferenz durch die Forderung aus Petersburg veranlaßt worden, einen eingehen- den Bericht einzusenden über die im ganzen Lande herrschenden Verhältnisse, die allgemeine Situation daselbst und besonders die Möglichkeit eines erneuten Aufstandes infolge der An, «ektierung.