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eine gerechte und sachgemäße Erledigung der von den see- männischen Arbeitern an eine fortschrittliche Arbeiterversicherung (Kranken-, Unfall-, Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung) zu stellenden bezw. gestellten Anforderungen herbeizuführen. Wenn schon der Eni- Wurf der Reichsregierung die diesbezüglichen berechtigten Forde- rungen der Arbeiterschaft unerfüllt läßt, so unternimmt er anderseits nicht einmal den allerleisesten Versuch, den Klagen und berechtigten Fordetungen der seemännischen Arbeiter bezüa- lich der sozialen Versicherungsgesetzgcbung in irgendeiner Hinsicht gerecht zu werden. Die einseitige, in allen Hauptfragen der Arbeiterversicherung nur auf die Unternehmerinteressen Rück- ficht nehmende Tendenz dieses Gesetzentwurses ist offenlundig, uxShclb dieser Entwurf für die seemännische Bevölkerung aller Stände und Chargen unannehmbar ist. Den schärfsten Protest erhebt der Verbandstag gegen die Ab- ficht der Reichsrcgieruug, auch bei dieser geplanten Versicherungs- reform die seemännische Arbeiterschaft von der obligatorischen Krankenversicherung auszu- nehmen, die entschädigungspflichtige Berufs inValidität der seemännischen Arbeiterschaft sowie die seemännischen Ge- werbS. neben den klimatischen Krankheiten als den Betriebsunfällen gleichwertig nicht anzuerkennen. Desgleichen kann der Verbandstag in der nach der Vorlage geplanten Art der Invaliden-, Alters-, Witwen- und Waisen- Versicherung einen Fortschritt nicht erblicken. Namentlich haben die seemännischen Arbeiter gar kein Interesse an der auch nach der Vorlage möglichen Aufrechterhaltung der für diese Versiche- rungszweige der See-Berufsgenossenschaft bereits zugestandenen Sondcrkasse bezw. Anstalt mit all den Sonderrechten, die hier ausschliesslich den Reedern zugute kommen. Den nachdrücklichsten Protest legen die seemännischen Arbeiter ferner dagegen ein, dah die geplante ReichsversicherungSordnung abermals und im striktesten Gegensatz zu einer wirklichen Reform das Recht einräumt, ganz einseitig die Unfall- verhütungSvorschristen zu erlassen, ihre Durchführung zu überwachen, wie überhaupt die Kontrolle deS gesamten Schiff- fahrtsbetriebes auszuüben. Wenn ferner der Entwurf, entgegen früheren Regierungs- erklräungen, die seemännischen Unfallversicherten bezw. ihre Ver- ireter von jeder Mitwirkung bei der ersten Rentenfest- s e tz u n g ausschliesst, so beweist das eben nur, wie wenig die Reichsregierung mit dieser Vorlage eine ernsthafte Reform der Sozialversicherung bezweckt. Nach alledem muß die geplante ReichsversicherungSordnung eine Scheinreform, also ein wertloses Flickwerk bleiben, wenn es dem Reichstag nicht gelingt, grundlegende Aende- rungen an dem Entwurf selbst vorzunehmen. Unter voller Anerkennung der vom Vll. GewerkschaftS- kongreh(Berlin   LS. 26. April 1910) erhobenen Forderungen zur Förderung einer wirklichen Reichsversicherungsreform fordert der VII. Vebandstag deS Zentralverbandes der seemännischen Arbeiter Deutschlands   Reichsregierung und Reichstag auf, den wiederholt von den seemännischen Arbeitern gestellten Anforderungen an eine durchgreifende Reform der seemännischen Arbeiterversicherung durch eine grundlegende Umgestaltung und Erweiterung der ge- planten RcichSversicherung endlich Rechnung zu tragen. Eine Reichsversicherungsordnung, die diesem berechtigten Verlangen der seemännischen Bevölkerung Deutschlands   nicht versucht nachzu- kommen, muss als rückständig, unzulänglich und einer wirklichen Reform hohnsprechend unter allen Umständen bekämpft und ab- gelehnt werden. In seinem Schlußwort wie? der Vorsitzende Oellerich auf die Ursachen der Verschmelzung hin und sprach die Hoffnung aus, daß der grosse Verband alle Wünsche zur Erfüllung bringen möge. Die kleine Organisation habe für die Verbesserung der Lohn, und Arbeitsverhältnisse der Seeleute Grosses geleistet, und wo es galt, Solidarität zu üben, immer ihren Mann gestanden. Das solle künstig noch in höherem Masse der Fall sein. Mit einem be- geisternden Hoch auf die Einheitsorganisation schloß der VII. und letzte Verbondstag des Zentralverbandes der seemännischen Arbeiter. Eue der Partei. Das Leipzig  -Jubiliium Bebels. Am 7. Mai waren fünfzig Jahre verflossen, baß Genosse Bebel als HandwerkSbnrsche in Leipzig   eingerückt war, wo er den Anschluß an die deutsche Arbeiterbewegung fand und sich zum Führer deS deutschen   Proletariats emporarbeitete. Eine schlichte und intinie Feier vereinte am Jubilänmstage Bebel und die Leipziger   Genossen im VolkShause. Genosse Geher drückte dem Jubilar die Gefühle der Versammelten aus. Genosse Bebel mit- wartete in einer Rede, die gar bald vom Persönlichen zum All- gemeinen zur Sache aufstieg. Er sagte da u. a.: ... Vor fünfzig Jahren waren die meisten Arbeiter Gegner des Sozialismus. Wie konnte es anders sein. Heute, nach fünfzig Jahren eifriger Arbeit gibt es nicht nur Tausende, sondern Millionen von Arbeitern, die Gegner deS Sozialismus sind, die von unseren Zielen nichts wissen wollen. Wenn ein Mann aus den höheren Gesellschaftsklassen zu uns herüberkommt, dann hat er einen schweren Kampf durchzufechten gehabt, er mußte Vorurteile überwinden, ehe er seiner Klasse den Rücken kehrte. Bei den Arbeitern aber ist gar nichts zu überwinden als die Unwissenheit und Dummheit. Doch ist auch das nur in wenigen Fällen die Schuld des einzelnen, in den weitaus meisten Fällen ist es die Schuld der Gesellschaft. Die bürgerliche Gesellschaft tut alles, um die Arbeiter in Un- wissenheit zu erhalten, damit sie ihnen erhalten bleiben. Wer auf- merksam die Dinge verfolgt hat, der muß eingestehen, daß die Gegner von uns gelernt haben in der Organisation und Agitation. Waren wir stüher die Meister und sie die Lehrlinge, so ist es heute oftmals umgekehrt. Sie sind zwar die kleinere Zahl und haben alle Machtmittel für sich, aber es kommt hinzu, daß der Kampf der herrschenden Klasse gegen uns ein Kampf auf Tod und Leben bedeutet, daß die herrschende Gesellschaft alles aufbietet, die Arbeiter von der Sozialdemokratie fernzuhalten. Es ist gar kein Zweifel, daß wir gegenwärtig eine weit schwerere Arbeit leisten müssen, als wir sie früher geleistet haben. Die ökonomische EntWickelung hat in Deutschland   solch bedeutende Fort- schritte gemacht, wie in keinem anderen Lande der Welt, die Zahl der Proletarier wird immer größer und damir wächst die Zahl der Kämpfer, die sich der Sozialdemokratie zur Verfügung stellen. Es wird also den herrschenden Klassen nicht gelingen, die Arbeiterschaft der Sozialdemokratie fernzuhalten. Die ganze Entwickelung drängt mit eherner Notwendigkeit dazu, daß der Arbeiter, der schließlich schon von Geburt zu uns gehört, erkennen muß, dah. wenn er gegen uns kämpft, er gegen seine ureigensten LebenSinteressen kämpft. Mir ist die Entwicklung wohl manches Mal zu langsam ge- gangen und ich habe verschiedenfach meinen Gedanken in Form von Prophezeiungen Ausdruck gegeben. In unseren eigenen Reihen bat man darüber gehöhnt und dies als Illusionismus bezeichnet. Ich mag mich um Tage und Jahre geirrt haben, nicht aber um Jahr« zehnte, sicher ist, daß der Sieg kommen muß. Und wenn ich auch nicht mehr dabei sein sollte, so bin ich doch überzeugt, daß die Schar. die hinter uns steht, sich bewußt ist, daß eS keine Macht gibt, die ihr widerstehen kann. Ich habe das frohe Bewußtsein, dass diese Schar geistig klarer sieht, als je zuvor, daß sie zielbewußt und vom Geist der Partei tief durchdrungen ist. Im nächsten Jahre haben wir die Reichstagswahlen. Ein großer Kampf steht uns bevor. Unsere Gegner sehen den Wahlen mit großem Unbehagen entgegen, sie sind sich ihrer Schuld bewußt. Um so ge- trosteren Mutes sehen wir dem Kampf entgegen. Sind wir auch im Jahre 1907 insofern unterlegen, als wir eine Anzahl Mandate eingebüßt haben, so können wir mit um so größerer Zuversicht in die Zukunft blicken. Freilich muß jeder bereit sein, seine letzten Kräfte zu opfern, denn der Kampf toird nicht leicht sein. Um so glänzender aber der Sieg, je schwerer der Kampf. Ebenso sicher ist dann auch, daß ein solcher Sieg dazu führen muß, die ganze bürgerliche Gesellschaft zu um so heftigerem Widerstande gegen uns zusammenzuschmieden. Die Gegner wissen, eS geht um ihre Existenz. Wer jeder neue Sieg, den wir erringen, der führt uns näher dem endgültigen, enlscheidenden Kampfe. Wir gehen ihm entgegen und bauen auf unsere Kraft und unsere Idee, die zum Siege führt. Alle Be- mühungen der Gegner werden vergeblich sein, eine Gesellschafts- ordnung. die alle Bedingungen ihrer Lebensfähigkeit verloren hat, muß untergehen. Die Partei, die diesen Sieg erstreitet, sie lebe hoch I* Begeistert stimmten die Genossen in das Hoch ein. Gesangs- Vorträge der Arbeitersänger beschlossen die schöne Feier. Maifeier in Aegypten  . Kairo  , Anfang Mai. Zum ersten Male sah dieses Jahr auch die alte Khalifenhauptstadt am Nil eine Maifeier. An 300 bis 400 Manifestanten hielten eine Versammlung ab und zogen nach Anhören von Referaten mit roten Fahnen und unter Hochrufen auf den Sozialismus durch die Straßen. Dieser ersten Kundgebung für die Ziele des modernen Proletariats kommt zwar im wesentlichen nur symptomatische Be­deutung zu, da in dem kaum von der Industrie berührten Aegypten  dem kräftigen Aufstieg der Arbeiterklasse große Hemmnisse ent- gegenstehen. Dennoch war diese Demonstration ein erhebendes Schauspiel, das auch auf den Fernstehenden einen nachhaltigen Ein- druck machen mußte. An dieser Gvenzscheide der christlichen und islamitischen Welt reichten sich zum ersten Male orientalische und europäische Proletarier die Hand, Araber fraternisierten mit Jta- lienern, Griechen mit Nubiern, Türken mit Kopten. Das funkelnde Rot der Proletarierbanner ließ den bunten Firlefanz der natio- nalen und religiösen Embleme der Herrschenden verblassen. Trä- gerin der eben einsetzenden sozialistischen   Bewegung ist vor allem die im letzten Sommer gegründete ParteiorganisationFedera- zione Internationale Fra Operai et Jmpiegati- Kairo", aber auch einige kürzlich entstandene Gewerkschaften, wie die der Trambahner, Elektriker und Lithographen, entfalten eine rührige Agitation. Die Seele des Ganzen sind jugendliche Genossen verschiedener Nationalität, die dem doppelt lähmenden Einfluß des erschlaffend wirkenden Klimas und der orientalischen Gleichgültig- keit den stürmenden Eiser einer heiligen Ueberzeugung entgegen- stellen._ Eine sozialdemokratische Gemeindcvertreter-Konferenz für de» RcichstagSwahlkreiS Solingen fand am Sonntag in Leichlingen   statt, 40 Vertreter aus den einzelnen Orten nahmen teil. Die Genossen Großberndt- Ohligs und S ch a a l- Solingen referierten über das Thema: Armenwesen und Fürsorgeerziehung." Sie forderten, daß in den einzelnen Gemeinden die Bezugssätze der Annen erhöht werden, weil diese in der gegenwärtigen Zeit zum Leben nicht mehr ausreichten; außerdem müsse dafür gesorgt werden, daß den Frauen der Eintritt in die Armenverwaltung erleichtert werde. Das Für« sorge erziehungsgesetz vom 2. Juli 1900, fo konstatierten die Redner an der Hand statistischen Materials, habe seine Wirkung vollständig verfehlt. Die Erfolge, die man mit der Fürsorge in der Rheinprovinz   erzielte, seien gleich Null gewesen. Darauf habe schon der Landeshauptmann bei Eröffnung des letzten ProvinziallandtageS in Düsseldorf   hingewiesen. Um so mehr müsse von der Sozialdemokratie darauf hingearbeitet werden, daß die materielle Lage der Arbeiter gehoben werde, daß die Erziehungsarbeit in den Gewerkschaften und den Jugend- Organisationen besser vorwärts komme und so der Verwahrlosung der Jugend vorgebeugt würde. Wie die Arbeiterbewegung in dieser Beziehung wirkt, zeigt der Umstand, daß sich unter den Eltern im Solinger   Kreise, die ihre Kinder in Fürsorgeerziehung bringen lassen mußten, auch nicht ein einziger Parteigenosfe befand. Nach leb- haster Diskussion, die sich im Sinne der Referenten gestaltete, wurde nachstehende Resolutton einstimmig angenommen: Die Gemeindevertreter-Konferenz des Kreises Solingen   erblickt in der gegenwärtigen Praxis der preußischen Fürsorgeerziehung nicht daS Mittel, eine Besserung verwahrloster Jugendlicher herbei- zuführen. In der Hebung der materiellen Lage des Arbeiter- standeS, in der Verbesserung der Volksschulen und Schaffung gemeindlicher Bildungsanstalten, der Betättgung in Wirtschaft- lichen, politischen und erzieherischen Organisationen ist ungleich mehr Garantie für eine moralische Erziehung der heranwachsenden Jugend geboten als in den ZwangSinstitutioncn des Staates oder privater und kirchlicher Korporationen. In sämtlichen Stadt­verordnetenkollegien des Kreises Solingen  , soweit wir als Sozial- demokraten bereits vertreten sind, ist der Antrag einzubringen, daß Frauen zur Armenpflege mit herangezogen werden." Delegationen zum Internationale» Kongreß,. Der Parteitag für den Bezirk Nordwest, der am Sonntag in Bremen   tagte, delegierte nach Kopenhagen   die Genossen Henke- Bremen, Haverkamp» Bremerhaven   und die Genossin Reitze« Vegesack.>_ pollzeilkhco, Oerichtiicheo utto. ZcntrumSrache.> Das Breslauer Schöffengericht verurteilte Mittwoch den Genossen Parteisekretär S ch o l i ch wegen Hausfriedens- b r u ch s zu 1 0 M. G e l d st r a f e. Er soll das Vergehen begangen haben, indem er in einer ZentrumSvcrsammlung in Prisselwitz, Kreis Breslau blieb, aus der der Vorsitzende wegen einiger Zwischenrufe die Sozialdemokraten hinausgewiesen hatte. Der den Vorsitz führende Pfarrer hatte das erst bemerkt, als einige Wochen später ein Bericht über die Versammlung imLandboten  " erfchien, über den der Herr sich schwer ärgerte. Eifrige Nachforschungen, die er dann in der Gemeinde anstellte, ergaben für ihn, dass Partei- sekretär S ch o l i ch aus Breslau   sitzen geblieben und sich Notizen gemacht habe. Darauf stellte der Pfarrer Straf an trag wegen Hausfriedensbruchs..' Soziales. LS Jahre Krankenkasse. . Der soeben erschienene Bericht der Allgemeinen OrtSkranken- kasse in Frankfurt   a. M. gibt einen interessanten Rückblick auf das Lbjährige Bestehen der Ortskrankcnkasse. Auf Grund des Krankenversicherungsgesetzes traten am 1. De- zember 1884 10 Ortskrankenkassen in Frankfurt   inS Leben. Die Statuten der einzelnen Kassen lauteten übereinstimmend, ins- besondere waren gleichmäßige Leistungen der Mitglieder und der Kassen vorgesehen. Gleichzeitig vereinigten sich diese 10 OrtSkranken- lassen gemäß der Bestimmung des K 46 des Krankenversicherungs- gesetzes vom IS. Juni 1888 zu einem Kassenverbande mit dem Zweck: 1. der Anstellung von gemeinsamem Rechnungs- und Kassenpersonal und von anderem Hilfspersonal zur Erledigung der den beteiligten Ortskrankenkassen obliegenden Kassengeschäfte; 2. der Abschliessung gemeinsamer Verträge mit Aerzten, Apotheken und Krankenhäu ern; 8. der Einrichtung einer gemeinsamen Meldestelle. Obwohl die 10 Ortskrankenkassen durch die Vereinigung zu einem Kassenverband einer gemeinsamen Verwaltuneg unterstellt waren, so blieb doch der Verwaltungsapvarat ein höchst komplizierter Es mußten die Einnahmen und Ausgaben auf die einzelnen Kassen, die in Frage kamen, verbucht werden; es mußten bei den einzelnen Kassen regelmäßige Vorstandssitzungen, alljährlich 10 Generalver- sainmlungen und ferner die Wahlen der Generaldersammlungs- Vertreter seitens der einzelnen Kassen stattfinden. Hierzu traten dann noch die Verbandssitzungen, in denen über die gemeinsamen Interessen der 10 Ortskrantenkassen beraten und beschlossen wurde. Am S. Mai 1886 konnte das Eintrittsgeld auf die Hälfte herabgesetzt, die Krankenunterstützung von 13 auf 26 Wochen aus- gedehnt Wrden. ferner wurde seit dem Jahre 1886 die Einrichtung getroffen, ie Mitglieder gegen einen vierteljährlichen Beitrag von l.SO Mark für die in ihrem Haushalte lebenden nicht selbst versiche- rnngSpslichtlgen Angehörigen den Anspruch auf freie kassenärztliche Behandlung erwerben konnten. Beim Arzneibezug wurde ihnen 10 Proz. Rabatt gewährt. Vom 1. Juli 1888 ab wurden die 10 Kassen zu einer ver- schmolzen, die den NamenAllgemeine Ortskrankenkasse zu Frank» furt a. M." führte. Dadurch wurden die Verwaltungsgeschäste erheblich erleichert. Von den Leistungen der Kasse heben wir folgende hervor:, Durch finanzielle Beteiligung der Kasse und durch die Zu« sicherung auf ausgiebige Benutzung bat der Frankfurter Verein für Rekonvaleszenten-Anstalten mit Hilfe des Magistrats und der Bürgerschaft folgende Verpflegungsanstalten ins Leben zu rufen vermocht: 1. die Rekonvalcszenten-Anstalt Neuenhain   b. Soden   im Taunus  , am 28. September 1891; 2. die provisorische kleine Lungeil» Heilstätte in Falkenstein bezw. Vockenhausen   b. Eppstein  , für aus- schließlich männliche Patienten, am 15. August 1892; 3. die große Lungcnhcilanstalt für männliche und weibliche Patienten in Ruppertshain   i. T., die am 22. Oktober 1895 an Stelle der unter 2 genannten Anstalt getreten ist, und 4. die Walderholungsstätte bei Oberrad  , die im Juli 1902 geschaffen wurde. Neben diesen Anstalten stehen der Kasse das vom Hospital zum heiligen Geist im August 1902 für weibliche Patienten eröffnete Genesungsheim Hohenwald bei Cronberg, das an Stelle der alten Rckonvaleszenten-Anstalt Mainkur getreten ist, sowie die Bäder Wiesbaden  , Nauheim  , Orb, Lippspringe   usw. zur Verfügung, so daß die Kasse für ihre Erkrankten ausreichende Fürsorge treffen und viel günstige Erfolge mit den einzelnen Heilderfahren erzielen konnte. Am 1. Januar 1896 wurde der Kassenarztzwang beseitigt und die freie Arztwahl eingeführt. Am 1. Januar 1899 wurde der Krankengcldbeziig auf 60 Proz. für die Dauer von 26 Wochen er- weitert. Zugleich wurde die kasienärztliche Famililcnversicherung von der bisherigen freien ärztlichen Behandlung auf freie Medi- kamente und kleinere Heilmittel ausgedehnt und ein Sterbegeld für Frauen und Kinder der Kassenmitglieder eingeführt. Er« weiterte Leistungen der Familiendersicherung, und zwar auf freie ärztliche Behandlung bei Geburten griffen ab 1. Juli 1899, die Gewährung von Zuschüssen bis zu 20 M. bei etwaiger Hospital- Verpflegung Platz. Die Zahl der Mitglieder stieg von 9397 im Jahre 188ö auf 93 127 im Jahre 1909. Aus dem Gebiete der Reformen innerhalb der Kassenverwaltung entnehmen wir dem Bericht folgendes. Im Jahre 1895 wurde ein Finanz-, SanitätS. und Rechtsausschuß ins Leben gerufen. Den Ausschüssen werden die ihnen ressortmäßig zustehenden einzelnen Verwaltungsgeschäfte, soweit sie nicht durch daS Bureau erledigt werden können, zur Beratung und Beschlußfassung und zur späteren Herbeiführung der Genehmigung durch den Gesamtvor- stand überwiesen. 1895 wurde eine sachgemäße Krankenkontrolle durch fest» angestellte Krankenbesucher, und dann eine ausgedehntere ver« trauensärztliche Untersuchung der Kassenmitglieder inS Leben gerufen. 1897 wurde die Beitragszahlung in Marken beseitigt und an dessen Stelle am 1. Juli das Erhebersvstem eingeführt. Die Quittungsbücher für Mitglieder Wurden gegen Einführung eine? zur Legitimation der Mitglieder dienenden An- und AbmeldeH abschnittes abgeschafft.> Die Anstellungs- und Gehaltsverhältnisse, die Pensionierung der Beamten und die Versorgung der Witwen und Waisen der» selben sind seit dem 1. Januar 1901 so geregelt, daß die Verwal« tungsbeamten, und nach deren Ableben ihre Hinterbliebenen, die Witwen und Waisen, in dem Maße ebenso gut versorgt sind, wie die Beamten bei Staats- und Kommunalverwaltungen. Und Organisationen, die durch ihre Selbstverwaltung fo Musterhaftes geleistet haben, will die ReichsversicherungSordnung durch Eindämmung der Selbstverwaltung und durch Bureaukrati- sierung verschandeln I_ Aus dem JnnungsschiedSgrricht. 1. Fräulein W. war auf Grund eines schriftlichen Vertrages beim Bäckermeister Max Schabrodt drei Monate als Lehrmädchen tätig. Bei ihrem Weggange nach Ablauf der VertragSzeit erhielt sie ein Zeugnis, in dem der Beklagte ihre Ehrlichkeit in Zweife! zog. Sie klagte deshalb am Montag auf Ausstellung eines andeern Zeugnisses. In der Verhandlung zeigte eS sich, dah der Beklagte völlig grundlos die Klägerin des Diebstahls und der Unterschlagung verdächtigte. Der Beklagte brachte ein andere? Zeugnis zum Termin mit, das er der Klägerin zum Vergleich anbot. In diesem Zeugnis stellte er die Klägerin als klatschsüchtig hin. DaS war denn doch dem Schiedsgericht zu viel. Es verurteilte den Beklagten ohne jede Beweisaufnahme zur Ausstellung eines anderen ordnungs- mäßigen Zeugnisses, das sich, dem Klageantrag entsprechend, auch auf die Führung und die Leistungen der Klägerin zu erstrecken hat. Hieraus ist wieder einmal zu ersehen, wieedel" mancher In» nungsmeister sein kann, wenn sich einmal ein Mädchen nichts so willig der Ausbeutung unterwirst, wie eS von ihr erwartet wird. Erst werden die Mädchen durch möglichst langfristtge Verträge ge« bunden und dann erhalten sie zum Dank solche UriaSbriefe, die sie in ihrem Fortkommen schwer behindern können.* 2. Ter Tapezierer Z. verlangte in der DienStagsitzung vom Tapezierrrmeister Eduard Strempel 3,25 M. Lohnentschädigung, weil er am 3. Mai mittags entlassen worden ist. Der Beklagte wendete ein, der Kläger   habe die Arbeit verweigert. Kläger   habe einige Tage aussetzen sollen; weil er damit nicht einverstanden war, sei er von ihm angewiesen worden, Wasser auf den Bau zu holen. Da? habe Kläger   abgelehnt. DaS Schiedsgericht verurteilte den Beklagten dem Klageantrage entsprechend. Mit dem Aussetzen brauchte der Kläger   nicht einverstanden zu sein und zum Wrisser« holen war er nicht verpflichtet, da das nicht zu den Arbeiten gehört, für die ein Tapezierergehilfe seine Arbeitskraft verdungen hat. 3. Die Firma Albert Krause hat dem Zimmerer A. 23 M. Lohn einbehalten und ist deshalb verklagt worden. Sie wendete ein, der Kläger   habe ihr einen Schaden von 35 M. angerichtet. Dieser bestritt sein Verschulden. DaS Schiedsgericht verurteilte die Firma zur Zahlung der 23 M., weil eine Verschulden deS Klägers an dem Schaden nicht nachgewiesen und überdies die Aufrechnung des Schadenersatzanspruchs gegen die Lohnforderung unzulässig ist. 4. Nicht besonders nobel ist der Fleischermcister Wehlisch zu dem bei ihm beschäftigt gewesenen Hausdiener W. gewesen. Letzterer kam am Sonntag, den 1. Mai. um 5 Uhr früh, bei Geschäftsbeginn nach Hause. Darauf fuhr ihn der Meister an:Na, Sie Strolch, wo kommen Sie denn her? Machen Sie, daß Sie wieder wegkommen!" Der so Entlassene glaubte sich zu Unrecht auf die Straße gesetzt und klagte auf 8,80 M. Entschädigung für die dreitägige Kündi« gungsfrist. Er gab in der Dienstagsitzung des Schiedsgerichts an, sich beim Besuche eines im Vorort wohnenden Freundes verspätet zu haben, so daß er keine Fahrgelegenheit mehr hatte. Er sei voll- kommen nüchtern am nächsten Morgen im Geschäft erschienen- Der Beklagte wendete ein. daß sich der Kläger   beim Nachhause« kommen ungebührlich benommen habe; denn er habe nicht einmal die Hände aus der Hosentasche genommen, als er mit ihm sprach. DaS Schiedsgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Ent- schädigung, weil das etwa vorgekommene ungebührliche Betragen ves Klägers ihn noch nicht zur sofortigen Entlassung berechtige. 5. Die Verkäuferin F. war beim Fleischermeistcr Adolf Rathenow beschäftigt. Sie ist am 15. März zum 1. April ge« kündigt und auch nach Ablauf dieser Frist entlassen worden. Fräulein F. betrachtete sich mit Recht als kaufmännische Angestellte und beanspruchte sechswöchentliche Kündigungsfrist zum Quartals- schluß. Da der Meister darauf nicht einging, verklagte sie ihn beim Kaufmannsgericht auf Zahlung einer GehaltSentschädignng von 300 M. für die Monate April bis Juni. Das hiesige Kaufmann«- gericht betrachtet aber leider entgegen dem Gesetz in seiner ständigen Praxis die Schlächtermamsells als Gewerbegehilfinnen, weil sie keine kaufmännische Vorbilduneg haben und neben dem Verkauf mit dem Zerlegen der Wurst- und Fleischwaren beschäftigt werden. Es verwies die Klage wegen vermeintlicher sachlicher Unzuständig- keit an dgs Jnnun�sschieosgericht. Mieses glaubte an die falschen