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Kr.M. 27. Jahrgang. 3. Kilmk des Jenmitts" fittliiiet MKsblM Mag, 13. Mai 1910. Partei- Hngelegenbeiten* Zweiter Wahlkreis, Friedrich st ad t. Der Zahlmorge« für ZeitungSdruckerei-Nachtarbeiter findet nicht am 15., sondern Sonn­tag, den 22. Mai statt. Gharlottendurg. Der Wahlverein veranstaltet am 2. Pfingst- feiertaa im Volkshause, Rosinenstr. 3, ein Gartenkonzert. Bei ungünstiger Witterung wird das Konzert im Saale abgehalten. Der Eintrittspreis beträgt nur IS Pf. Es wird erwartet, dah die Arbeiterschaft durch starken Besuch ihr Interesse an dem Gedeihen ihres eigenen Heims bekundet. Siixdorf. thn Montag, den 16. Mai(2. Pfingstfeiertag) ver­anstaltet der Wahlverein in den LokalenKarlsgarten", Karlsgarten« strage 61», und Felsch, Knesebeckstr. 4849, Frühkonzerte. Eintritt 1l) Pf. Anfang des Konzerts S Uhr. Kasseneröffnung 4Vz Uhr morgens. Von dieser Zeit an steht auch die Kaffeeküche den geehrten Damen zur Verfügung. DaS Komitee. Lichtenrade . Umständehalber findet der regelmäßige Zahlabend erst am Sonnabend(nach Pfingsten), den 21. Mai bei R. Deter, Bahiihofstraße statt._ Berliner JVacbrlcbten. Maien und Kalmus. Der Wald gcht spazieren. Zu Weihnachten wandern die Tannen, zu Pfingsten die Birken. Im Winter besucht uns die düstere Schwermut der Fichtenwälder, im �riihjahr der leuchtende Zauber des Waldfrühlings. Wie zum letzten Gange festlich geschmückt, hält der silbrige Birkenstamm mit den feinen Älattwedeln seinen Einzug in die frühlingsdurstige Großstadtwclt. Nichts von all der satten, jungen Pracht kehrt zurück in die Waldeinsamkeit. Auf langen Leiterwagen, von ländlichen Gestalten begleitet, wandern die schlanken Früh- lingsboten aus den stillen Forsten der Mark nach der lauten, menschenübersäten� Groststadtstraste. Wie eine rauschende Schleppe ziehen die dicht gehäuften Stämme das zarte Laub hinterdrein. Hell bricht die Morgensonne durchs Gewölk, er- füllt mit ihrem goldigen Schimmer die entlehnte Waldschön- heit. Bald tönt es überall in der Runde:Maien, kauft Maien ... frische Maien I" Und die Welt weist nun. dast Pfingsten, das lieblichste der Feste, dicht vor der Tür steht. Einen eigenen, immer wieder schönen Reiz hat doch die Sitte des Schmucks der Häuser und Wohnungen mit Pfingstmaien. Der deutsche Wald lädt sich zu Gaste, mit Frohmut nehmen wir ihn auf Weit hinweg schweift über die wallenden Maienbüschel blitz- gleich das Auge, in idyllische Täler mit Buchen- und Eichen- grün, zu dem Gemurmel des Waldbachs und dem Jubilieren der Vögel. Mitten hindurch schreitet ein lieblicher Knabe mit strahlenden Blauaugen, das Haar mit Blättern und Blüten geziert, in der Hand den blumenumwundenen Stab... der lachende Frühling. Und ebenso schnell zerstört uns die Wald illusion auf nüchternem Groststadtpflaster wieder der ein tönige Ruf:Maien... kauft Maien!" Dicht ist der Leiter- wagen umlagert. Zusehends schwindet die duftige Last. Die einen tragen ganze Bäume fort, um sie vor den Geschäftsläden in Wasserkübeln aufzustellen, andere begnügen sich für wenige Pfennige mit ein paar Reisern. Von allen Balkons grüstt der frische grüne Wald, selbst von Neubauten, Geschäftswagen und von den nickenden Köpfen der Gäule. Und wo in den dunstigen Fabriken die Kollegen zusammenschiesten, um den öden Raum zu schmücken, schwillt die Brust verjüngt höher in übermäch tigem Frühlingssehnen. Bunte Bänder in die Pfingstmaien zu flechten, wie vielfach auf dem Lande, ist in der Groststadt nicht Brauch. Man nimmt die Natur, wie sie sich gibt. Wenn aber die Kinder unter den Birkenblättern ein paar verschlafene Maikäfer entdecken, einen purpurleuchtendenKaiser " oder König " oder auch blost einen schildbehaarten«Müller", ist der Jubel groß. Die Landleute machen mit dem grünen Waldsegen, den der Forstmann zur Durchlichtung seiner reichen Bestände ganz gern abgibt, gute Geschäfte. Nicht einen einzigen Zweig nehmen sie wieder mit nach Hause. Dafür überlassen die Dörfler es meist den Berliner Händlern, das junge Grün der Wasserpflanzenwelt unter die Leute, oder richtiger, unter die Kinder zu bringen, die noch immer so gernan dem Kalmus piepen". Der Kalmus wächst an wohl fast allen märkischen Seeufern im Morast und wuchert an vielen Stellen außer- ordentlich stark. Die schlanken Schwertblätter mit dem rot- weißen Wurzelschaft herauszuschneiden, ist für ungeübte Hände und namentlich für Kinder nicht ganz ungefährlich. Scharf sind in diesen Tagen wieder die Gendarmen hinter der für Unberufene verbotenen Kalmusfischerei einher, aber die grün- berockten Staatshüter stehen zu spät auf, und so finden große Mengen Kalmus doch ihren Weg nach der Stadt, um ein paar Dutzend armen Schluckern netten Verdienst abzuwerfen. Lange dauert das Vergnügen nicht, dann hat die Kinderwelt das Kalmuspiepen satt. Auch die Freude an den grünen Reisern ist nur kurz. Nach wenigen Tagen lassen die braunen und weißen Ruten die Köpfe hängen,,, der Pfingstzauber ist wieder mal vorüber,_ Ein Ausflug nach Erkner . Die Züge nach Erkner fahren Sonntags sehr zahlreich vom Schlcsischen Bahnhof(Fahrpreis von hier aus 55 Pf.) ab, vom übrigen Teil der Stadtbahn seltener. Durch Um- steigen auf dem Schlesischen Bahnhof kann man jedenfalls fortwährend in wenigen Minuten Anschluß erhalten, ebenso in Stralau-Rummelsburg , wo man den Erkner -Zug auf dem Wahnsteig E erwartet. Nachdem wir die lange Reihe der Stationen glücklich zurückgelegt haben, gehen wir vom Bahn- Hof Erkner nicht zur Tampfer-Haltestelle, sondern wenden uns rechts in den Ort hinein, indem wir ihn auf seiner hübschen, baumbepflanzten Hauptstraße durchschreiten, bis wir die links abzweigende Hübnerstraße erreichen. Diese führt uns über die Bahn und bald darauf auf einer Brücke iiber die Löcknitz , die sich hier durch Wald und Wiesen schlängelt. Dann sind wir im Walde, wo wir den als Walter- Leistit'ow-Weg bezeichneten Fußweg einschlagen, der nach der Tafel am Baume gen Fangschleuse führt. Eine Reihe von Seen, im weiten Wiesenbereich der Löcknitz eingebettet und mit ihr meistens verbunden, erwartet uns. Durch Hochwald, den schöne Wachholderbllsche zieren, wird zunächst der von Teichhühnern belebte Wupatzsee erreicht. Die Walter- Leistikow-Bank an seinem Ufer erinnert an den genialen Meister märkischer Landschaften, dessen Auge oft über den dunflen Spiegel schweifte. Mit Hilfe der Karte und der Weg- bezeichnungen finden wir leicht die folgenden Seen. Heide- reuter- oder Förstersee heißt der nächste, der nur wenige Minuten östlich entfernt ist. Er ist nicht mehr mit der Löcknitz verbunden, sondern rings von Wald umgeben, kleiner und daher noch reizvoller, wie etwa der Pechsee im Grunewald, und wie dieser ein Moorsee, an dessen Ufer stellenweise Torf- bildung auftritt. Weiter geht es in der Nähe des Waldrandes, rechts von der Löcknitz durchströmte Wiesen und Aecker, die Dächer von Gottesbrück(rechts) und Fangschleuse(links) tauchen auf und nach Ausblicken auf den schon einigermaßen der Bebauung erschlossenen" Priestersee erreichen wir nach weiterer Wanderung den großen Werlsee, den wir von hohen Sanddünen aus betrachten können. Hier liegt, zwischen Werlsee und Peetzsee, Grünheide , wo wir uns bei Vater Fielitz erfrischen können. Unser nächstes Ziel ist jetzt Wolters- dorfer Schleuse. Man kann über Alt-Buchhorst dahin gehen, wo aber kein Lokal für uns frei ist. Deshalb suchen wir uns nach der Karte bald hinter Grünheide das zweite oder dritte lange, von Osten nach Westen streichende Gestell, das wir West- wärts durch prächtigen Hochwald verfolgen, den Unterholz Wachholdergebüsch und Eichenbestände verschönern. Wo nach einer Stunde rechts die Hügel der Kranichsberge kenntlich werden, können wir uns dorthin wenden, um von einem der hohen Punkte eine Aussicht zu gewinnen oder auch den Aus sichtsturm zu besteigen, ehe wir nach Woltersdorfer Schleuse absteigen.(Ausgenommen Woltersdorfer Mühle und Hotel Kranichsberg sind hier alle Lokale frei.) Es lohnt sich, diesem Punkte, einem der schönsten der Mark, einige Zeit zu widmen am Flaken- oder Kalkseeufer zu flanieren usw., ehe man au das Geklingel einer der abfahrenden Dampfer achtet, und sich endlich losreist. Die Fahrt über den See zum Bahnhof ist nicht lang, und das ist ihr einziger Fehler. Sie bildet einen Abschluß dieser Seenreise, wie man ihn sich nicht besser wünschen kann. Allzuspät darf man sich freilich nicht zur Rück kehr entschließen, es sei denn, daß einem Gedränge und über füllte Züge nichts anzuhaben vermögen. Die Minderung der Eheschließungen war in Berlin unter dem Einfluß der Wirtschaftskrisis in den letzten Jahren immer fühlbarer geworden. In den Jahren 1907, 1908, 1909 wurden hier nur noch 23 245, 21 799, 21 209 Ehen geschlossen, das ergibt pro Tausend der jahresdurchschnittlichen Bevölkerung Berlins nur rund 22, 21 20 Eheschließende. Es scheint nun, daß im Jahre 1910 diese Abwärtsbewegung zum Still st and kommen will. All- jährlich zweimal häufen sich in Berlin die Eheschließungen, im Frühjahr etwa von Mitte März bis gegen Ende April und im Herbst etwa von Mitte September bis gegen Ende Oktober. Gewöhnlich liefern März und April sowie September und Oktober zusammen schon die Hälfte aller Eheschließungen des ganzen Jahres, so daß das Ergebnis dieser vier Monate stark für die Eheschließungsziffer des Jahres ins Gewicht fällt. Für 1910 liegt jetzt die übliche Frühjahrshochflut der Ehe schließungen bereits hinter uns. Da ist festzustellen, daß März und April diesmal ein merklich höheres Ergebnis gebracht haben als dieselben beiden Monate des vorigen Jahres. Für 1907, 1908, 1909 bclief sich in den Monaten März und April zusammen die Zahl der Eheschließungen auf 5478, 5256, 4958, in 1910 aber wurden im März und April zusammen 5218 Ehen geschlossen. Auch Januar und Februar hatten übrigens schon ein kleines Eheschließungsplus gegenüber dem Vorjahre geliefert: in beiden Monaten zusammen wurden diesmal 2155 Ehen geschlossen, in 1909 nur 2087, in 1903 und 1907 dagegen 2348 und 2324. Der Umschwung, den offensichtlich das Jahr 1910 bringen will, wurde bereits in 1909 durch die inzwischen wieder eingetretene Mehrung des Zuzugs nach Berlin angekündigt._ Die Jahresfeier» der Gemeindeschulen Berlin ? sind bor etwa einem Jahrzehnt eingeführt worden. Sie wollen ein Ersatz für die öffentlichen Prüfungen sein, die früher in den Schulen üblich waren. Diese Prüfungen, zu denen die Eltern als zuhörende Gäste eingeladen wurden, sollten den Zusammenhang zwischen Schule und HauS fördern, indem sie den Eltern einen Einblick in die Unterrichtsweise gäben. Ihren Zweck erfüllten sie so wenig, daß man es nur mit Befriedigung begrüßen konnte, als dieser alte Zopf endlich abgeschnitten wurde. Von den Jahresfeiern wurde erwartet, daß sie wirksamer als die öffentlichen Prüfungen dazu beitragen würden, der Schule die Familie näher zu bringen. Sie wollen mit ihrem meist aus Unterrichts- proben, Deklamationen, Gesangsvorträgen usw. zusammengesetzten Programm den Eltern nicht nur Belehrung über die Arbeit der Schule, sondern auch einige Anregung und Unterhaltung bieten. Aber die Hoffnung, daß sie eine Brücke zwischen Schule und Haus schlagen würden, hat auch hier sich nicht erfüllt. Obwohl diese Veranstaltungen unentgeltlich dargeboten werden, gelingt es wohl nur selten einer Schule, durch sie einen besonderen Eindruck auf die Eltern zu machen. Im übrigen könnte selbst die best gelungene, eindrucksvollste Jahresfeier den Eltern nur wenig be- deuten gegenüber dem. was die Schule Tag für Tag an den Kindern, ihnen zum Segen oder manchmal auch zum Unsegen, tut. In den Kreisen der Gemeindeschulrektoren werden die Jahresfeiern ebenso, wie früher die öffentlichen Prüfungen, als ein B a l l a st empfunden, von dem die Schule baldigst wieder zu befreien sei. Der Berliner Nektorenverein hatte denn auch bor einiger Zeit an die Schuldeputation die Bitte gerichtet, die Jahres- feiern abzuschaffen, weil sie ihre Aufgabe, eine Verbindung zwischen Schule und Haus herzustellen, nicht erfüllen. ÄuS dem Rathause wird uns gemeldet, daß die Schuldeputation jetzt sich mit dieser Petition beschäftigt hat, aber zu dem einstimmigen Beschluß gelangt ist, sie abzulehnen. In der Debatte sei sogar angeregt worden, daß man diese Jahresfeiern, die jetzt an jeder Gemeindeschule nur alle drei Jahre stattfinden, künftig alljährlich veranstalten solle. Ob sonst noch etwas angeregt worden ist. sagt die uns zugegangene Meldung nicht. Wie wär'S, wenn man auch versuchte, die Jahresfeiern zwcckgemäß umzugestalten? Man sollte ihnen eine freiere Form geben, die eS den Eltern ermöglicht, den Lehrern per- sönlich näher zu treten. Durch eine Veranstaltung, bei der ein be- stimmteS Programm heruntergehaspelt wird und im übrigen Eltern und Lehrer fremd aneinander vorübergehen, kann allerdings nicht die zwischen Schule und Haus bestehende Schranke weggeräumt werden. Manche Pädagogen fürchten, daß ihre Autorität, wenn sie nicht auch den Eltern gegenüber sich alsunnahbar" geben, in die Brüche gehen könnte. DaS wäre eine sehr fragwürdige.Autorität" die nur mit solchen Mitteln aufrecht erhalte» werden kann. vnd Teddy sprach. Mr. Roosevelt kann mit dem Empfang, den ihm Behörden und Schmocks in Berlin bereitet haben, mehr als zufrieden sein. Einem blöderen Staunen und einer kindischeren Neugier ist er sicher- lich auch bei den rückständigsten Stämmen des entlegensten Ostafrika niemals begegnet. Aber Teddy kennt seine Leute und weiß mit ihnen umzugehen. Dem Cowboy versteht er als Reiter und Schütze zu imponieren, und dem Volk der Dichter und Denker durchphilo- fophifche" Reden. Er wollte den guten Berlinern beweisen, daß ein republikanischer Exregent der Neuen Welt ebensotiefsinnig" zu reden versteht wie ein gekröntes Haupt Europas . Und so hielt er denn im SenatSzimmer der Universität eine wunderbare Rede über Die Kulturbewegung der Welt". Wer diese Rede liest, ohne ihren Urheber und ihre Veranlassung zu kennen, würde glauben, die Primanerrede einer Schulfeier vor sich zu haben. Denn wie schön führt uns Herr Roosevelt im Fluge durch die Zeitalter! Kein Pennäler könnte uns exakter und schul- gerechter die Merkmale der verschiedenen Kulturen aufzählen, könnte uns erbaulicher und belehrfamer über das Vergängliche aller Ge« bilde von Menschenhand unterhalten. Und die Würdenträger der Universität der Reichshauptstadt umgaben in Ehrfurcht ersterbend den erhabenen Redner und die Presse, vor allem die l i b e- r a l e Presse, brachte nicht nur diverse Leitartikel über dies epochale Ereignis, sondern übermittelte auch die illustren Gedanken des genialen Staatsmannes in spaltenlangen Berichten brühwarm ihren Lesern! Den Bericht hätten sich die Blätter aber doch lieber schenken sollen! Denn an dem kann höchstens Herr v. Bethmann Hollweg seine Freude haben. Kann er daraus doch schmunzelnd konstatieren, daß auch staatsmännische Zelebritäten des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten ebenso langweilig und pedantisch gespreizt zu reden verstehen, wie ein gewissesaltes Weib" in Preußen! Und wirklich: ein wiesmarter" Staatsmann Teddy nach den Begriffen der amerikanischen Bourgeoisie immer gewesen sein mag. mit kultur- historischen Redeergüssen sollte er seine kultivierteren Mitmenschen doch lieber verschonen. Hätte er noch Jägerlatein aus Wildwest oder Wildost verzapft aber uns so ganz bethmanniich-langstielig zu kommen, das geht denn doch über die Hutschnur! Wißbegierige Pädagogen. Die Schule soll auch um die Familie sich kümmern. Die Lehrenden sollen versuchen, ihre Zöglinge auch aus den Verhält- nissen des Hauses zu beurteilen und zu verstehen. DaS ist eine Forderung, die zeder Einsichtige billigen wird, weil nur so die Erziehungsarbeit der Schule den rechten Erfolg haben kann. Leider merkt man nicht viel von Bemühungen der Lehrerschaft, über das häuslicheMilieu" der Schuljugend sich zu informieren. Wo aber solche Versuche wirklich gemacht werden, da richtet die Wißbegier mitunter sich auf Dinge, an die die Schule besser nicht rühren sollte. Grundsätzlich sollte die Lehrerschaft es ablehnen, nach der Parteizugehörigkeit der Eltern zu forschen. Es ist richtig, daß gerade das sehr wichtig sein kann für die Beurteilung der Einflüsse, die in der Familie auf ein Kind wirken. Doch nur zu leicht wird eine Fragerei, die direkt oder indirekt auf diesen Punkt sich richtet, von den Eltern als Gesinnungsschnüffelei empfunden. In höheren Schulen kommt es wohl nur selten vor, daß Lehrer und Lehrerinnen ihren Zöglingen solche Fragen stellen. Aus der Volksschule aber sind oft genug Mißgriffe dieser Art be- kannt geworden, und gerade hier müssen sie auf das Eltern- haus verstimmend wirken. Die Bevölkerungsschichten, denen für ihren Nachwuchs nur die Volksschule offen steht, bekennen sich ja größtenteils zu einer politischen Anschauung, die von der Mehrheit der Lehrerschaft unserer Volksschule bekämpft wird. So- gar in die Schulstube haben manche Lehrer und Lehrerinnen den Kampf gegen die Arbeiterklasse hineingetragen, und Arbeiterkinder haben aus Pädagogenmund kränkende Aeuherungen zu hören be- kommen, die sie mit auf die eigenen Eltern beziehen mußten. Selbstverständlich werden da Arbeiterfamilien gegenüber der Schule mißtrauisch gegen jede Wißbegier, die die Parteizugehörigkeit der Eltern erforschen zu wollen scheint. Klagen hierüber sind immer wieder an uns gelangt, besonder? nach vielbemerkten Ereignissen im politischen Leben, nach Wahl- kämpfen, nach Wahlrechtsdemonstrationen oder Protestkundgebungen anderer Art, nach Märzfeiern und Maifeiern. Nach der dies- jährigen Maifeier hat in der 13 7. Gemeindeschule für Mädchen(Gerhardstratze) eine Lehrerin Frl. Seile, die die Klasse VI Ick leitet, ihre Schülerinnen niederschreiben lassen, wie sie den 1. Mai verlebt hatten. Ein Vater teilt uns das mit und knüpft daran die Frage, ob es sich hier nur um eine persönliche Neugier oder um einen Auftrag von oben handelt. Es braucht weder das eine noch das andere zuzutreffen, sondern kann lediglich ein Zufall sein, daß Fräulein Selle ihren acht- bis neunjährigen Schüle- rinnen für die kleine Stilübung ausgerechnet den Sonntag, der aus den 1. Mai fiel, als Thema gegeben hat. Aber angesichts früherer Vorkommnisse, die aus anderen Schulen bekannt geworden sind, kann man, wie gesagt, sich nicht wundern, wenn so etwas mit einigem Mißtrauen ausgenommen wird. Fräulein Selle hat übrigens auch selber schon oazu beigetragen, Argwohn gegen sich rege zu machen. Erst vor wenigen Wochen hat sie in ihrer Klasse gefragt, welche Zeitungen von den Eltern gelesen werden. Der Vater, der uns das mitteilt, vermutet auch hinter dieser Frage den Wunsch, die Parteizugehörigkeit der Eltern zu ermitteln. Die Lehrerin wird sich vielleicht beklagen, daß ihr da eine Absicht nach- gesagt werde, die ihr völlig fern gelegen habe. Zu danken hätte sie das denjenigen ihrer Kollegen und Kolleginnen, die den Kampf gegen die politisch und gewerkschaftlich organisierte Arbeiterklasse in die Schule hineingetragen haben. Wenn in dieser Hinsicht jede Ungehörigkeit vermieden wird, so wird auch das Elternhaus gegenüber der Schule sich frei machen von jenem Mißtrauen, das rasch bereit ist, G e s i n n u n g s- schnüffelei zu wittern. Im übrigen kann man nur wünschen, daß alle Eltern ihre Kinder dazu anhalten, solche Wißbegier durch rückhaltlose Auskunft zu befriedigen. Jedes Kind sozial« demokratischer Eltern sollte in der Schule, wenn es geftagt wird, mit Stolz erklären:Jawohl, meine Eltern lesen denVorwärts", mein Vater bekennt sich zu den Anschauungen der Sozialdemokratie, meine Mutter auch, beide haben an der Wahlrechtsdemonstration teilgenommen, und wir alle sind zur Maifeier gegangen." Jeder Lehrer und jede Lehrerin sollte zu der Ueberzeugung gebracht wer» den, daß bei Arbeiterkindern nur diese Antwort zu erwarten ist. Wettervorhersage durch den Fernsprecher. Das Zusprechen der Wettervorhersage durch den Fernsprecher ist eine Einrichtung, die immer noch so wenig bekannt zu sein scheint, daß die Post jetzt beim Beginn des Sommers auf die Einrichtung hierdurch hinweisen läßt. Die amtliche Wettervorhersage für den folgenden Tag gelangt in Berlin jeden Tag etwa mittags 12 Uhr auf jedes Fernsprechamt. Sie kann dann durch einfachen Anruf beim Amt erbeten werden, worauf sie sofort zugesprochen wird. Das Zusprechen kostet nur 10 Pfennig. Der Betrag wird nachher von dem Briefträger ein- gezogen. Das Zusprechen der Wetterdepeschen kann an jedem be- liebigen Tage geschehen. Außerdem kann man auch das Zusprechen der Wettervorhersage ein für allemal bestellen und daraus abonnieren. Auch dann kostet dies 10 Pfennig für den Tag. Die Betriebsleitung der Berliner elektrischen Straßenbahnen A.-G« .Siemens und Halske ) teilt mit, daß bei günstiger Witterung am ersten und zweiten Pfingftfeiertage auf ihren Linien folgende Früh-