\S)(n Ländern aus dem Weltmarkt elkke'allzu empfindliche Kon. mrrenz bereitet. Gegen den Willen der deutschen Agrarier kam nach langen Verhandlungen der interessierten Regierungen im Jahre 1302 die Brüsseler Konvention zustande. Durch diese tvurde der Prämienwirtschaft ein Riegel vorgeschoben. Jeder Zucker im- portierende Staat war aus Grund der getroffenen Abmachungen verpflichtet. Prämienzucker mit Strafzöllen zu belegen. Ferner wurde ein bestimmtes Verhältnis zwischen inländischer Steuer und Einfuhrzoll hergestellt, in der Weise, daß letzterer die Steuer im Maximum nur um S nesp. 5H Fr. übersteigen durfte. Die wohl- tätige Folge dieser Bestimmungen für Deutschland war Herab- setzung der Steuer von 20 auf 14 M., und als Wirkung dieser Maß« nähme Verbilligung des Zuckers und eine Konsumsteigerung. Aber immer noch mußte eine erhebliche Menge der deutschen Produktion an das Ausland abgegeben werden. Die Verbilligung war nicht kräftig genug, um den Jnlandskonsum auf die Hohe der Erzeugung zu heben. Seit Inkrafttreten der Brüsseler Konvention gestaltete die deutsche Zuckerausfuhr sich folgendermaßen: r Rohzucker Verbrauchszucker in Tonnen 1303/04... 413 023 409133 1304/06... 285 473 432 365 1306/06... 441 816 633 147 1306/07... 486 418 666 437 Von der Ausfuhrmenge des letzten Berichtsjahres gingen nach Großbritannien allein 327 313 Tonnen Rohzucker und 379406 Tonnen Verbrauchszucker. Im Jahre 1307/03 ging dann der Import Englands aus Deutschland auf 307 683 To. Rohzucker und 364 486 To. Verbrauchs- zucker, im folgenden Jahre auf 233 164 Tonnen Rohzucker und 330 066 To. Berbrauchszucker zurück. Aber unsere Agrarier, in weiser Fürsorge, den Preis nicht sinken zu lassen, verringerten die Anbau« fläche, so daß trotz erhöhtem Ausbringen die Produktion geringere Mengen ergab. Folgende Zusammenstellung veranschaulicht daS: IN>«I Auf 1 Doppel- Anbaufläche Fabriken über» zentnerRoh. Hektar Haupt«ÄÄ«- L-ck-r entfielen � � Doppelzentner �ppelz.Rüben 1301/02 478 748 447 23 022 464 6,36 1906/06 471742 426 24 007711 6,66 1907/08 460 030 412 21 387 312 6,30 1908/09 436186 403 20 792 212 6,68 Verbesserte Technik, die das Rohmaterial ergiebiger ausnutzt, Betriebskonzentration, die die Produktion verbilligt, das alles kommt nicht dem Konsum zugute. ES wird weniger angebaut, damit nicht große Ernten die Preistreiberei stören können. Nach einer Berechnung von O. Licht-Magdeburg ergaben sich pro Kopf der Bevölkerung folgende Konsumzisfern(Rohzuckerwert in Kilogramm): Deutsch . Schweden « Däne««naiand land Norwegen mark" 1301/02.... 18,63 20,84 24.62 32,02 1806/06.... 13.73 21,38 32,37 36,33 - Trotz der Brüsseler Konvention ist der Konsum Englands noch bedeuteno gewachsen, so daß sich die enorme Verschiedenheit der Kopfqroten dort und in Deutschland nur unbedeutend zu unserem Vorteil veränderte. Nach amtlichen Angaben betrug der Verbrauch in Deutschland pro Kopf der Bevölkerung im Jahre 1936/06 nur 18,49 Kilogramm, im Jahre 1303/03 13,66 Kilogramm Rohzucker. Mithin hat bei uns der Konsum auch in den letzten Jahren noch keine erhebliche Steigerung erfahren. Die vorteilhaften Verhältnisse,, deren sich England erfreute, verhinderten nicht das Starkwcrden'der von kapitalistischen Jnter- essen diktierten Forderung, mit Ablauf der auf 5 Jahre geschlossenen Konvention von der Pflicht, Prämienzucker mit Strafzöllen zu be- legen, entbunden zu sein. Es handelt sich dabei in der Hauptsache um Rußland , das der Konvention nicht angehörte und auf Grund einer besonderen Organisation das System der indirekten Prämien« zahlung beibehielt. Ab 1. September 1308 ist eine neue Konvention abgeschlossen worden, der nun auch Rußland angehört. Aber dieses Land hat sich nicht vollständig den für die anderen Staaten gül- tigen Bestimmungen unterworfen; es behält seine Steuergesetze und kann an der Begünstigung des Zuckerexports nicht durch Strafzölle gehindert werden. Andererseits hat sich Rußland verpflichtet, für das erste Jahr der Konvention höchstens 3 Millionen Doppelzentner und für die nächsten vier Jahre nicht mehr als je 2 Millionen Doppelzentner über die kontinentale europäische Grenze auSzu» führen. ES wäre nun vorteilhaft gewesen, zur Steigerung des in« kandischen Konsums eine kräftige Herabsetzung der Zuckersteuer vor- zunehmen mit dem Ziel der alsbaldigen vollständigen Aufhebung dieser Nahrungsmittelbelastung. Allerdings, eine Ermäßigung der Steuer von 14 auf 10 M. war ja beschlossen worden, aber die Er- Mäßigung sollte frühestens am 1. April 1303 in Kraft treten, wenn man bis dahin eine andere Steuerquelle erschlossen habe, deren Ertrag mindestens 36 Millionen ergab. Das schwarzblaue Kartell hat dem Volke mittlerweile ein paar hundert Millionen Steuern mehr aufgebürdet, um jedoch die SchnapSblock-Finanzreform unter Dach zu bringen, hat es dazu die Steuerermäßigung suspendiertll Für die Spekulation bot der Zuckermarkt schon immer ein gutes Feld: die Preisgestaltung wurde durch sie stark beeinflußt. Die Aussicht auf Steuerermäßigung gab der Spekulation zunächst Anlaß, mit den Eindeckungen möglichst zurückzuhalten. Die Ge- wißheit, daß die Ermäßigung nicht eintreten werde, wirkte dann entgegengesetzt. Ein starker Begehr trat hervor, der die Preise hinaufschnellen ließ. Die Haussespekulation half nach. Zurück- Haltung des Angebots. Nachrichten über schlechte kubanische Ernte usw., ließen in den letzten Monaten, speziell seit Mitte April, die Preise so scharf hinaufgehen, daß sie anfangs Mai ein schwindelnd hohes Niveau erreichten. Das ist auch em Teil der Gabe des schwarzblauen Schnapsblocks. Die nachstehende Tabelle bietet einen Vergleich zwischen den Terminpreisen der letzten fünf Jahre. Es notierten Geldkurse (Magdeburger Notiz sab Hamburg in Mark für 60 Kilogramm): 1306 1307 Mai... 8.16 10,20 tuli... 8,30 10,30 ugust.. 8,40 10,40 1908 1909 1910 11,80 10,50 15,02 11,85 10.62'/z 15,05 11,927» 10,70 15,10 Die Erwartung auf die Steuerermäßigung hatte die Notie- tungen im Jahre 1310 wohl zugunsten des Konsums beeinflußt, nun aber sind die Preise um fast 60 Prozent über den vorjährigen Stand hinaufgesprungen. Dabei muß noch berücksichtigt werden. daß wir mit einer relativ günstigen Ernte rechnen können. Ist doch nach der Umfrage der Internationalen Vereinigung für Zuckerstatistik in Deutschland für das laufende Jahr im Vergleich mit dem Vorjahre die Anbaufläche um 3 Prozent größer, wäh- rend für sieben hauptsächlich in Betracht'kommende europäische Länder, mit einer Anbaufläche von rund 1,3 Millionen Hektar, ein um 10,8 Prozent vergrößerter Zuckerrübenanbau ermittelt tvurde. DaS Aufreizende der Preistreibereien wird noch erhöht durch die Aussicht, daß den Arbeitern nichts, rein gar nicht? von den enormen Mehrerträgen zufließt. Obwohl auch die Raffinerien an der Preiserhöhung partizipieren, die Aktien der Zuckerfabriken in Gewißheit erhöhter Gewinne hinaufgesetzt wurden, sollen an- scheinend die Arbeiter vollständig leer ausgehen. Die Direktion der Trachenberge ! Zuckersiederei bekundete den auffälligen Eifer, der Oeffentlichkeit mitzuteilen, daß die jetzige brillante Lage des lguckermarktes für die deutschen Fabriken keinen Vorteil biete. tveil diese ausnahmslos bis auf ganz kleine Posten schon vorher ausverkauft gehabt hätten. Selbst, wenn man unterstellt, die Fabriken hätten vielleicht schon seit einem Monat ausverkauft, dann doch sicherlich auf der Grundlage der schon bis dahin ein- getretenen Preiserhöhungen. Die Erklärung söll offensichtlich nur den Zweck haben, LohnforderMgen der Arbeiter vorjveg die Spitze abzubrechen.£>, Zehnter Verbandstag der Möhlenarbetter. München , 14. Mai 1910. Am Pfingstsonntag beginnt hier der zehnte Verbandstag des Verbandes deutscher Mühlenarbeiter. Auf der vorläufigen Tages- ordnung steht neben den Geschäftsberichten nur die Verschmolz zungsfrage, und diese dürfte den größten Teil der Verhandz lungen ausfüllen. Daß eine Verschmelzung vorgenommen werden soll, darüber ist man sich im Verbände wohl einig, der Verbands- tag soll nun darüber entscheiden, ob ein Zusammenschluß mit den Bäckern oder mit den Brauern erfolgen soll. Der letzte Ver- bandstag des Mühlenarbeiterverbandes(1307) überwies dem Vor- stand einen Antrag:„der Frage der Gründung eines Lebensmittel- arbeiterverbandes für die gesamte Lebensmittelbranche näher zu treten". Der Vorstand handelte dem Antrag gemäß und wandte sich an die in Frage kommenden Verbände. Die Bäcker und Metzger erklärten sich für die Gründung eines Jndustrieverbandes, der Gedanke scheiterte aber bisher an den Brauern, die sich auf ihrem Verbandstage hierzu a b- lehnend verhielten. Der Vorstand des Mühlenarbeiterver- bandes suchte dann die Wege zu einer Verschmelzung mit dem Bäcker- oder Brauereiarbeiterverbande zu ebnen. Konferenzen mit den Vorständen der beiden Verbände führten zu dem Ergeb- nis, daß beide sich bereit erklärten, eine Verschmelzung mit dem Mühlenarbeiterverbande einzugehen. Bei einer Verschmelzung mit den Bäckern sollte die geeinte Organisation den Namen: „Verband der LebenSmittel-Arbeiter und»Ar- beiterinnen Deutschlands " führen. Hier wurde also dann auch rein äußerlich der Grundstock gebildet für den I n-- dustrieverband. Bei einer Verschmelzung mit den Brauern würde der Name des Verbandes lauten:„Verband der Brauerei- und Mühlenarbeiter und verw. Berufsgenossen". Die Beiträge würden bei einem Zusammenschluß mit den Bäckern je nach dem Lohn 40 Pf.(bis 18 M. Wochenverdienst). 60 Pf., 60 Pf. und 75 Pf.(bei über 30 M. Verdienst), und bei den Brauern 30 Pf. bei einem Lohne bis zu 13 M. und 60 Pf. bei über 13 M. Wochen- verdienst betragen. Ueber den Uebertritt zu einer der beiden Organisationen wurde in den Mitgliederkreisen sehr eifrig debattiert und auch im Verbandsorgan von den Kollegen sehr ausgiebig geschrieben. Dabei wurde für die Verschmelzung mit den Bäckern ebenso energisch wie für die mit den Brauern eingetreten. Besonders waren es die vorgeschlagenen hohen Beiträge bei einer Verschmelzung mit den Bäckern, die gegen einen Zusammenschluß mit diesen angeführt wurden. Von den Freunden einer Fusion mit den Bäckern da- gegen wurde hervorgehoben— und sicher nicht ohne Berech- tigung—, daß die Mühlenarbeiter den Bäckern weit näherstehen als den Brauern und mit den Bäckern mehr Berührungspunkte haben. Auch hoffen die Befürworter einer Verschmelzung mit den Bäckern, daß dann die Gesamtverschmelzung, der Zusam- menschluß aller Verbände der Nahrungsmittelindustrie bald folgen würde. Die Gauleiter des Verbandes sprachen sich in einer Kon« ferenz einstimmig für die Verschmelzung mit den Brauereiarbeitern aus, da sie sich bei diesem Zusammenschluß mehr AnknüpfungS- und Stützpunkte sowie fördernde Mitarbeit in der Agitation und größere Unterstützung bei Lohnkämpfen versprechen, als bei den Bäckern. Der Brauereiarbeiterverband hat über die Verschmelzung mit den Mühlenarbeitern eine Urabstimmung vorgenommen, bei der 11 848 für und 5475 gegen die Verschmelzung stimmten.� Wahr« scheinlich wird nun auch die Mehrheit des Verbandstages für diese Verschmelzung votieren. Der Geschäftsbericht des Vorstandes umfaßk die Jahre 1907 bis 1309. Der Verband hatte unter der wirtschaftlichen KrisiS zu leiden. Die Mitgliederzahl ging von 4888 Ende 1306 auf 4482 Ende 1909 zurück. An Lohnbewegungen und Streiks war die Berichtszeit verhältnismäßig reich. Im Jahre 1337 wurden in 66 Orten mit 87 Betrieben und 1462 be. schäftigten Arbeitern, im Jahre 1308 in 41 Orten mit 70 Be» trieben und 1274 Beschäftigten und 1309 in 68 Orten mit 112 Be- trieben und 1816 Beschäftigten Bewegungen eingeleitet. Zu Streiks kam es 1307 in 7 Fällen, 1308 in 6 Fällen und 1303 in 4 Fällen und in 2 Fällen zu Aussperrungen. Erreicht wurden durch die Bewegungen: 1907 eine Arbeits- zeitverkürzung für 196 Kollegen von 844 Stunden pro Woche, so- wie eine Lohnerhöhung für 1032 Kollegen von 2263 M. wöchent- lieh; 1908 Arbeitszeitverkürzung für 78 Kollegen 479 Stunden, Lohnerhöhung für 463 Kollegen 764 M. pro Woche; 1333 Arbeits- zeitverkürzung für 333 Kollegen 1134 Stunden, Lohnzulage für 1337 Kollegen 1303 M. wöchentlich. Ferner wurden noch sonstige Verbesserungen erzielt. Nach dem Kassenbericht betrugen die Gesamteinnahmen des Verbandes in den Berichtsjahren 334 214.63 M. An Beiträgen wurden 286 669,50 M. vereinnahmt. Die Ausgaben der Hauptkasse stellen sich bei einem Kassenbestand von 74 668,13 M. auf 234 616,72 Mark. Für Lohnbewegungen und Streiks wurden 23376,37 M., für Arbeitslosenunterstützung 26 573,36 M., Krankenunterstützung 64116,20 M.. Reiseunterstützung 4662,66 M.. Sterbegeld 16 012,30 Mark und für das MerbandSorgan 20 394,75 R. verausgabt. Hus der Partei. Ein tägliches Parteiorgan für Lörrach und Umgebung. Die Preßkommission und der Verlag der Lörracher»Volks- zeitung" sowie die Kreisleitung der sozialdemokratischen Partei teilen in einem an der Spitze der.VolkSzeitung" veröffentlichten Aufruf mit, daß zur finanziellen Fundierung der im Prinzip be- schlossenen täglichen Herausgabe der.Volkszeitung" nunmehr Anteilscheine herausgegeben werden. Erst wenn die F i n a n z- frage genügend gelöst ist, werden die beteiligten Instanzen sich zu weiteren Schritten entschließen._ Sozialdemokratische Wahlerfolge in der Schweiz.____ Bei den Gemeinde Wahlen im Kanton Genf hat unsere Partei in der Stadt Genf nur einen bisherigen Sitz in der Gemeindebehörde behalten, die übrigens in ihrer Mehrheit kon- servativ zusammengesetzt ist, während bisher die Radikalen herrschten, besonderer Genugtuung erfüllt der Sturz des konservativen Regiments in der Gemeinde PlainpalaiS durch die verbündeten Sozialdemokraten und Radikalen, von denen vier der crsteren gewählt wurden. Die gestürzten Dorfmatadoren hatten jahrelang einen Vernichtungskampf gegen unsere Partei geführt und unter gefälliger Mithilfe der Klassenjustizdirne ein Schand- urteil gegen den„Peuple " wegen Beleidigung erlangt, wonach er 10 000 Frank Buße und die Kosten bezahlen sollte. Das Urteil hatte den Verlust der Genoslenschastsdruckerei der Arbeiter, die mitverurteilt worden war, zur Folge. Der endliche Sturz dieses politischen Gaunertums muß die Arbeiterschaft mit großer Freude erfüllen.— In mehreren anderen Gemeinden des Kantons Genf wurden ebenfalls Sozialdemokraten gewählt. Im Kanton Bern brachten die jüngsten Kantonsratswahlen der Sozialdemokratie auf der ganzen Linie verheißungsvollen Stimmenzuwachs. So stieg in der S t a d t B e r n unsere Stimmen- zahl von 3283 in 1906 auf 4863, und im ganzen Kanton erhielt der sozialdemokratische Regierungskandidat, Genosse Zgraggen, 13836 gegen 10 000 Stimmen in 1306. Die neun bürgerlichen Kandidaten wurden mit 60 000 bis 64 000 Stimmen gewählt, so daß im Durch- schnitt auf jeden 6000 Stimmen entfallen und der Sozialdemokratie mit rund 14 000 Stimmen zu allermindest ein Vertreter in der Regierung gehörte. Die bürgerlichen Gewaltpolitiker haben aber skrupellos den Staatsstreich vollendet und trotz der klaren Ver- sassungsbestimmung über die Vertretung der Minderheiten in der Regierung der Sozialdemokratie den ihr gebührenden Sitz geraubt. ES ist damit an der Sozialdemokratie von den bürgerlichen Orb- Mngsbanpiten einfach eiy Verbrechen verübt worden. Soziales. Gesundheitssimulation. Krankenkassenvorstände und Vertrauensärzte von Kranken« lassen sind nur zu leicht bereit, überall Simulation zu wittern« Dabei glauben sie zumeist, daß nur Simulation von Krankheit möglich sei. Leute, die frei find von dieser Voreingenommenheit, wissen langst, daß es auch eine Simulation von Gesundheit gibt« Und oft genug muß just da, wo die Mißtrauischen eine Krankheits« simulation annehmen, richtiger angenommen werden, daß der end« lichen Krankmeldung eine Gesundhcitssimulation vorange- gangen ist. Die Frage, ob Gesundheitssimulation vorkommt, ist von dem Statistiker Dr. Mayet, Professor an der Universität Berlin, an dem Material einer großen Krankenkasse geprüft worden. Er ist ausgegangen von der Beobachtung, daß im Kreislauf der Woche die Zaht der Krankmeldungen die größte am Montag zu sei» pflegt und sodann Tag für Tag geringer wird, bis sie am Sonn- tag ihr Minimum erreicht, um am darauffolgenden Montag Plötz- lich wieder in die Höhe zu schnellen und vom Dienstag an aufs neue abzusinken. Bei kleinen Zahlen tritt diese Erscheinung weniger klar herbor, in überraschender Deutlichkeit zeigt sie sich aber bei großen Zahlen. Mayet hat das Material benutzt, das Magdeburgs Allgemeine Ortskrankenkasse aus den drei Jahren 1906— 1908 ihm bot. Die Ergebnisse wurden von ihm der„Gesell- schaft für soziale Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik" in einem Vortrag:„Gesundheitssimulation, eine statistische Unter- suchung über das Gesetz der großen Zahl" unterbreitet. Die Erfahrung, daß die größten Zahlen der Krankmeldungen in der Regel am Montag und die nächstgroßen nacheinander am Dienstag, Mittwoch usw. auftreten, ist durch die 5krankenstatistik der Magdeburger Krankenkasse bestätigt worden. Die über 14 000 Krankmeldungen jener drei Jahre ergeben bei gleichmäßiger Ver- teilung auf die sieben Wochentage über 2033 Krankmeldungen pro Wochentag, tatsächlich stehen aber an der Spitze die Montage mit über 3303, und den Schluß machen die Sonntage mit nur 1300. Das wird gewöhnlich so erklärt, daß der Sonntag mit seinem Amüsement, seinen Tanzvergnügungen oder seinem Alkoholmiß- brauch, eine gesundheitschädigende Wirkung ausübe, die am Mon- tag sich geltend mache. Gewiß, das ist die nächstliegende und„ein- fachste" Erklärung, sie braucht aber deshalb noch nicht richtig zu sein. Mayet vertritt den Standpunkt, daß viele Erkrankende die Krankmeldung zunächst noch hinausschieben und besonders noch den Sonntag abwarten, an dem sie von einem Spaziergang in frischer Luft und warmer Sonne oder auch von einer Schwitz- oder Absühr- kur im Hause sich Besserung erhoffen. Hat die Sonntagskur nicht geholfen, so warten die meisten nun nicht länger, sondern melden am Montag sich krank oder halten vielleicht noch bis Dienstag, Mittwoch usw. durch. Wenn das Zahlenmaterial aufgeteilt wird nach Jahren, nach Geschlechtern, nach Lohnklassen, so tritt, je kleiner die Zahlen werden, die Regelmäßigkeit desto mehr zurück. Bei der Zusammenfassung werden eben die mannigfachen Ein« flüsse, durch die die Erscheinung beeinflußt und ihre Klarheit vermindert werden kann, gegeneinander aufgewogen. Mayets Darlegungen über das Gesetz der„großen Zahl", das hierin sich kundgibt, führten ihn zu einem Exkurs in daS Gebiet der Reform unserer Bersicherungögesetzgebuiig. Er sprach von der günstigen Situation, in der eine große, möglichst allgemeine Kran- kenkasse sich gegenüber einer kleinen befinde, weil in einer großen die wechselnden Einflüsse, die auf die Zahl der Krankmeldungen einwirken, leichter einander ausgleichen. Wo viele oder alle Ar- beiter in einer Kasse zusammengefaßt seien, komme es zu einer Ausgleichung der Konjunkturen der einzelnen Jahre und der ein- zelncn Berufe, einer Ausgleichung auch der verschieden stark die Gesundheit störenden Umstände, der verschiedenen Altersklassen- bcsctzung usw. Vom Standpunkt des Statistikers aus müsse auch nach dem Entwurf der neuen Bersicherungsordnung die Zersplitte- rung der Krankenkassen noch zu groß erscheinen. Wichtiger aber als dieser Seitensprung war ihm die Fest- stellung, daß die Ungleichheit der Anteile der einzelnen Wochen» tage an den Krankmeldungen auf eine weite Verbreitung des Brauches der Gefundheitsstmulation schließen läßt. Er hob her- vor, daß sie bei den Frauen noch häufiger ist als bei den Männern. und er erklärte das hauptsächlich daraus, daß die erwerbstätige Frau bei ihrem geringeren Lohn noch mehr als der Mann die Verdienstkürzung fürchte, die sie von einer Krankmeldung zu er« warten hat. Auch das unterstrich er, daß das Jahr 1308 auch den Männern eine intensivere Gesundheitssimulation aufgenötigt hat, weil es ein wirtschaftlich ungünstige» Jahr war. Eine Diskussion über den Vortrag wird in der nächsten Sitzung stattfinden. Wir nehmen an, daß von anderer Seite noch manches Material zur Beleuchtung dieser Frage beigebracht werden wird._ Haben Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein Gemrindewahl- recht? Der Fabrikant Leo Feger zu Halle a. S., der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, welche in Ammen» dorf Grundbesitz(Fabrik) hat, war in Ammendorf als Vertreter der Gesellschaft zum Gemeindeverordneten gewählt worden. Gegen seine Wahl wurde Einspruch erhoben mit der Begründung, daß er in Ammendorsl nicht wahlfähig sei, weil der von ihm vertretenen „Gesellschaft mit beschränkter Hastung" ein Wahlrecht in Ammen» dorf überhaupt nicht zustehe.„Gesellschaften mit beschränkter Haf- tung" seien keine juristischen Personen im Sinne des§ 46, Absatz 2 der Landgemeindeordnung für die Provinzen Sachsen , Branden- bürg, Pommern , Ost- und Westpreußen , Posen und Schlesien , wo bestimmt sei:„Jngleichen steht das Stimmrecht juristischen Per- sonen, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschafwn aus Aktien, Berggewerkschaften, eingetragenen Genossenschaften und dem Staatsfiskus zu, sofern dieselben Grundstücke von dem bezeichneten Umfange im Gemeindebezirk haben." Die Gemeindevertretung erklärte die Wahl FegerS für«n- gültig, indem sie sich den Gründen des Einspruchs anschloß. Nun klagte F. gegen die Gemeindevertretung und verlangte, daß die Gültigkeit seiner Wahl anerkannt werde, weil Gesellschaften mit beschränkter Haftung juristische Personen im Sinne der Land- gemeindeordnung für die sieben östlichen Provinzen und im Sinne der Städteordnung seien. Die Klage wurde jedoch vom 5kreisaus- schuß und vom Bezirksausschuß in Merseburg abgewiesen. Be» gründend wurde ausgeführt, daß Gesellschaften mit beschränkter Haftung keine juristischen Personen seien. Damit falle auch die Äahlfähigkeit des Klägers für Ammendorf weg und die Wahl sei mit Recht für ungültig erklärt worden. F. legte nun noch Revision beim Ober-VcrwaltungSgericht ei« und suchte eingehend nachzuweisen, daß die Gesellschaften mit be- schränkter Haftung, die im modernen kapitalistischen Leben einen ungeahnten Aufschwung genommen hätten, mit unter die juristi» scheu Personen im Sinne der Landgemeindeordnung gerechnet werden müßten. Der erste Senat beS Oberverwaltungsgerichts bestätigte aber am Dienstag die Vorentscheidung mit folgender Begründung: Die Frage sei eigentlich nicht die, ob Gesellschaften mit beschränkter Haftung juristische Personen seien(die Frage sei vom Reichsgericht bejaht). Vielmehr sei hier zu entscheiden, ob die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach der Lanbgemeindeordnung berechtigt seien, ein Wahlrecht auszuüben. Maßgebend sei Z 46 Abs. 2. Dort seien die Erwerbsgesellschaften des modernen Rechts speziell auf- geführt. Daraus und aus anderen Umständen sei zu entnehmen, daß die Absicht des Gesetzgebers dahin gegangen sei, speziell nur den Gesellschaften des modernen Rechts bestimmte Fähigkeiten bei» zulegen, die ausdrücklich genannt sind. Die Gesellschaften mit be- schränkter Haftung seien nicht genannt. Sie schieden darum im Gebiete der östlichen Landgemcindcordnuirg aus. Es sei ja aller- dings richtig, daß sich in der Praxis, gleich den Gesellschaften mit beschränkter Haftung noch andere Gesellschaften herausbilden kpMtW. die euch juxistiM« PerMWkeiteu fciaii und daß sie
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