Hr. 115. 27. Jahrgang. 2. KtilM des„ Freitag, 20. Mai 1910. Partei- Angelegenheiten. Zweiter Wahlkreis, Friedrichstadt . Sonntag, den 22. Mai cr., bei Julius Meyer, Oranienstr. 103: Zahlmorgcn für Zeitungs- druckerei-Nachtarbeiter. Tagesordnung: 1.(Zeschäilliches. 2. Referat des Kollegen Gustav Fusj über:„Deutschlands Weltpolitik". Guten Besuch erwarten Die Vertrauensleute. Friedenau . Sonntag früh 8 Uhr: Handzettelverbreitung von den bekannten Bezirkslokalen aus. Materialausgabe Sonnabend abend bei Schönefeldt. Montag, abends 8Vz Uhr, öffentliche Versammlung im„Rheinschloff", Rheinstr. 60. Landtagsabgeordneter Genosse B o r g m a n» spricht über:«Volksvertreter im Preußen- Parlament". Die geplante Besichtigung des Gemeinde-Elektrizitätswerkes kann umständehalber nicht stattfinden. Der Vorstand. Trebbin . Am Sonnabend, den 21. Mai, abends S'/a Uhr, im Schützenhaus(W. Fromm), Wahlvereinsversammlung. Tagesordnung: 1. Kasse und Aufnahme neuer Mitglieder. 2. Stellungnahme zur Stadt- und Gemeindevertreterkonferenz am S. Juni in Char lottenburg . 3. Verlegung des Versammlungslokals. 4. Erhebung eines monatlichen Beitrags von 6 Pf. für Trebbin , ö. Verschiedenes. Zernsdorf . Sonnabend, den 21. Mai, abends 3 Uhr, findet die Wahlvereinsversammlung im Lokale von I. Knorr statt. Die TageS- Ordnung wird in der Versammlung bekanntgegeben. Der Vorstand. Franz.-Buchholz . Sonntag, den 22. Mai, Agitationstour nach Buch. Abmarsch 6'/a Uhr früh von Hauptstraße 60. Die Bezirksleitung. Buch(Bezirk Franz.-Buchholz ). Der Zahlabend findet Sonntag, vormittags pünktlich 8 Uhr, bei Starke statt. berliner JVacbricbten. Selbstgespräche moderner Zeitungskönige. Wie wird die Zeitung interessant? Das ist die Frage. an deren Lösung wir modernen, kapitalistischen Zeitungs- Verleger, Inhaber der großen Zeitungsfabriken von Scherl, Ullstein usw. Tag und Nacht unausgesetzt arbeiten unter Aufwendung nicht nur unseres eigenen kostbaren Hirn- schmalzes, sondern auch desjenigen unserer dafür bezahlten Angestellten. Die Presse ein Mittel zur Volksaufklärung, zur Er- ziehung, Bildung und Veredelung des Volkes? Ein Vor- kämpfer für Volksfreiheit und Volksrechte? Unsinn! Ueber- loundener Standpunkt! Wer wird denn so dumm seinl Wenn das Volk aufgeklärt werden würde, würde es ja unsere Zeitungen nicht mehr lesen.— Was die Presse dann noch für einen Zweck hat? Sehr einfach: Unsere Taschen zu füllen! Wir sind doch die Inhaber von Zeitungsfabriken. Wozu be- treibt denn der Kapitalist seine Fabrik, beispielsweise eine Fabrik von Hosenknöpfen? Etwa, um die leidende Kultur- Menschheit mit Hosenknöpfen zu versorgen? Lachhaft! Doch einzig und allein zu dem Zweck, Profit zu erzielen! Nun, ob es sich um Hosenknöpfe oder um Zeitungen handelt, das ist uns doch ganz egal. Vielleicht sind Hosenknöpfe für die Kultur sogar noch nützlicher als unsere Zeitungen. Auf den Artikel, der fabriziert wird, kommt es uns doch wahrlich nicht an. Profit, Profit, Profit! Das ist für uns die Haupt- fache. Das ist der oberste Zweck unserer Zeitungen, die Grundlage alles unseres Handelns. Ein Zweck, der aller- dings immer schwerer zu erreichen ist. Die Konkurrenz wird immer größer, das Publikum immer anspruchsvoller. Ein Glück nur, daß die Dummheit nicht ausstirbt. Es lebe die Dummheit! Gott segne die Schwartzpöpfferei, segne die preußifch-deutsche Volksschule, die unsere geehrten Mitbürger für unsere Zeitungen reif gemacht hat! Wir sollten theore- tische Aufsätze bringen, aus denen man etwas lernen kann, Artikel, die Wissen und Bildung vervollständigen? Wir sollten von unseren Lesern geistige Anstrengung verlangen? Das bringt uns ja nichts ein. Wir geben dem Pöbel leichte geistige Kost, die jeder Spießer mit Behagen verdaut. Interessant muß die Zeitung sein, interessant um jeden Preis! Morde, Sensationsprozesse, Verbrechen, Ehedramen. pikante und rührsame Romane. Fürstenempfänge, Artikel über das Brautkleid der Fürstin, über Prinzessinnen- Schwangerschaft und-Niederkunft, alles mit feiner journali- stischer Kochkunst zubereitet und mit Rührungs- und Sensa- tions-Sauce Übergossen, das setzen wir unfern Lesern als geistige Kost vor und sie verschlingen alles mit Wonne. Welche Richtung wir vertreten? Eigentlich gar keine. Schrieben wir gegen die Regierung, so stoßen wir die Patrio- ten vor den Kopf. Erklärten wir uns gegen die kapitalistische Ausbeutung, so würden uns die fetten Jnserateneinnahmen entzogen werden. Bekämpften wir offen die Sozialdemo- kratie, so würden wir die große Masse der Leser verlieren. Wir wollen es mit keinem verderben und winden uns deshalb so geschickt wie möglich zwischen den Meinungen hindurch. Nicht die Pflege irgend einer Gesinnung, sondern die Ge- sinnungslosigkeit ist unser Prinzip! Das schließt natürlich nicht aus. daß wir als kapitalistische Unternehmer die Interessen unserer Klassengenossen wahren. Bei Streiks und Aussperrungen stehen wir auf ihrer Seite. Wir nehmen sehr gern Streikbrecher-Jnserate auf. Wir nehmen natürlich nicht in langen Leitartikel für die Kapitalisten Partei, son- dern in irgend einer Plauderei. Der„Berliner Beobachter" und„Rentier Mudickes Stammtischreden" passen ausgezeich- net dazu. Ach. man kann ganz gut den unersättlichen Ar- bcitern und der begehrlichen Sozialdemokratie einen Seiten- hieb versetzen. Das freut die Kapitalisten und die Spieß- bürger. Der Pöbel, der unser Blatt liest, merkt nichts da- von. er ist zu dumm dazu. So wird unsere Tagespresse fabriziert. Aber das Ge- schäft mit den illustrierten Zeitungen geht fast noch besser. Genial muß man sein. Die Gründung der„Woche" war ein großer Zug. Die„Berliner Illustrierte" verstehts aber auch: auf einer Seite die Bilder von den Wahlrechtsdemon- strationen, auf der anderen irgend einen patriotischen Rum- mel— auf einer Seite die sozialdemokratische Landtags« fraktion, auf der andern die„allerhöchsten Herrschaften." Wie ist die Zeitung doch so interessant! So fabrizieren wir Tages- und illustrierte Zeitungen. Wer unsere Fabrikware liest? Nun, das Volk, die Spieß- bürger. die unaufgeklärte Arbeiterschaft, auch Tausende von organisierten Arbeitern. Seh'n Sie, das ist ein Geschäft, das bringt noch was ein!... Hunderttausende, auch Tausende organisierte Arbeiter �ese» die Klatschpresie! Wie lange noch?. Der Grunewald im Mai. Der Kalender der Feste und der Blütenkalender haben diesmal zwei der herrlichsten Blütenerschcinungen niit dem Pfingstfeste zusammenfallen lassen: die blaurötlichen Rispen des Flieders und die weißen, weithin leuchtenden der Kastanien. Beide Gewächse sind im hohen Grade von der Pflanztätigkeit des Menschen abhängig. Wir sehen sie daher fast immer nahe bei einander an den Stätten garten- und straßenmäßiger Kultur, aber wir lassen sie sofort hinter uns, wenn wir unter die Kiefern des Grunewaldes treten. Hier ist kein Feld für leuchtende Blütenpracht, denn der trockne Nadelstreuboden gibt auch der Pflanzenwelt, die auf ihm ge- deiht, etwas Trockenes, Hartes, wie das die Nadeln der Kiefern selbst am ausgeprägtesten zeigen. Aber nian würde doch irren, wenn inan sich den Boden im Grunewalde als bar eines Blütcnflores vorstellen wollte. Er erreicht gerade im Mai seine schönste Entfaltung und wenn man ein wenig ab- seits von den Hauptwegen querwaldein streift, wo das Grün etwas üppiger aufschießt, so geht man über gelbe, Weiße und blaue Blumen, die oft genug kleine Teppiche bilden. Am höchsten über das Gras reicht die Wolfsmilch, die daher, zu- mal sie auch immer truppweise zusammensteht, am weitesten sichtbar ist. Bei aller Lebhaftigkeit der Färbung ist etwas Trübes in den Blüten, wie das vielen Giftpflanzen eigen ist: so gar besonders gefährlich ist unsere Wolfsmilch übrigens nicht. Als Nahrungsmittel überläßt man sie allerdings am besten der Raupe des Wolfsmilchschwärmers ganz und gar. Ein zartes Weiß, das bisweilen ins Gelbliche sticht, schmückt die rasenartig vereinten Bestände der Walderdbeere. Sie steht gerade im vollsten Flor, und so mancher Spazier- gänger merkt sich schon jetzt die Stellen, wo cr zu gegebener Zeit den reifen Beeren seinen Besuch abstatten will. Nicht viel weniger zahlreich sind die Blüten des Waldveilchens, das nur im Geruch, nicht aber in der Schönheit der Erscheinung dem Märzveilchcn nachgibt. Rote Schmetterlingsblüten, von der Art, wie sie jeder bei den Erbsen kennt, zieren ein Pslänz- chen(Orodus montamis), für das ein Volksname nicht be- kannt ist. Dazwischen kriecht noch der Gundermann mit seinen zahlreichen blauen Blumen und an sonnigen Stellen machen sich die Sternkräuter mit schlanken, schmalblätterigen Stengeln und sehr regelmäßigen weißen Blüten bemerkbar. Viel weniger auffällig sind die Vertreter des Geschlechtes der Seggen und Gräser und ihrer Verwandten, die nur dem Suchenden durch die aus den Aehrchen heraushängenden gelben Staubbeutel auffallen. Die meisten Gräser haben die Aehrchen noch nicht entwickelt. Lassen wir hier und da einen Grashalm durch die Fingerspitzen gleiten, so merken wir bald einmal eine Verdickung im Halme: schälen wir ihn an dieser Stelle vorsichtig auseinander, so finden wir die Aehre oder Rispe des Grases an dieser Stelle schon fertig vorge- bildet, aber im engsten Räume zusamniengewickelt eingg- schachtelt. An vielen Stellen des Grunewaldes ist der niedrige Strauch der Preißelbeere zu finden, die neue und daher jetzt hellgrüne Blätter gebildet hat. Man muß aber genauer zu» sehen, wenn man die nach abwärts gekehrten, rötlichen Blüten finden will, die wie ein weitbauchiger Krug mit enger Mün- dung aussehen. An breiteren Wegen mit etwas feuchterem Boden gedeiht außer dem Gänseblümchen auch die allen Kindern liebe Butterblume. Beide blühen fast das ganze Jahr, aber be- sonders die Butterblume ist eine Maiblume, denn in keinem Monat entwickelt sie solche Mengen von Blüten, und sie soll ja damit auch an der gelben Färbung der Maibutter schuld sein. So bekannt die Butterblume ist, so besitzt sie doch eine sehr merkwürdige, im breiten Publikum nicht bekannte Eigen- schaft. Ihre Blüten entwickeln, wie es sich gehört, den männ- lichen Pollenstaub und die weiblichen Narben. Bienen und andere Insekten tummeln sich auf ihnen herum und man glaubte früher, daß auch bei der Butterblume keine reifen Samen entstehen könnten, wenn die Insekten nicht Pollen- staub auf die Narben übertrügen und so die Befruchtung ver- mittelten. Vor etwa sechs Jahren aber wurde entdeckt, daß der Pollenstaub der Butterblume nur noch schwach oder gar nicht befruchtungsfähig ist, ja, daß er überhaupt keine Rolle mehr bei der Hervorbringung der Samen spielt! Schneidet man von einer geschlossenen Knospe etwa in ihrer halben Höhe mit einem scharfen Messer den oberen Teil fort, sodaß nur die jungen Samen im unteren Teile erhalten bleiben. so reifen diese dennoch zu vollen, keimfähigen Samen heran. Diese geschlechtslose Vermehrung ist noch bei einer ganzen Reihe höherer Pflanzen nachgewiesen worden(bei niederen Organismen war sie längst bekannt). Worauf diese Art der Vermehrung eigentlich hinaus will, ob auf ein allmähliches Aufgehen d«r Geschlechtlichkeit bei den höheren Pflanzen oder nur auf eine Anpassung an die Lebensbedingungen bestimm- ter Gewächse, darüber gibt es nur Vermutungen. Jedenfalls sind die Geheimnisse der Pflanzenwelt schon bei unseren ge- wöhnlichsten Kräutern zu verfolgen, die wir oft kaum mit einem Blicke streifen._ Die Paradetage für immer schulfrei! Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten hat jetzt ein für allemal bestimmt, daß der Unterricht in den- jenigcn Schulen der Vororte von Berlin , für welche die Frei- gäbe früher genehmigt ward, bei den Frühjahrs- und Herbst- Paraden ausfällt. Die nächste Parade findet bekanntlich am 1. Juni in Berlin statt. Der Kultusminister bleibt auf halbem Wege stehen, denn er hätte auch gleich die E i n z u g s f e r i e n in den Stundenplan mit aufnehmen können. Dann wäre reiner Tisch gemacht. Ueder die äußere Heilighaltung der Sonn- und Feiertag« erläßt der Polizeipräsident nunmehr folgende Verordnung, worauf wir bereits in der Sonntagsnummer des.Vorwärts' aufmerksam ge- macht hatten: Lluf Grund der 88 137 Abs.% 139, 43 Abs. 3 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 3l>. Juli 1883 (Ges. S. S. 196), der Allerhöchsten Kabinettsorder vom 7. Februar 1837(Ges. S. S. 19) sowie der 88 e> t2, 15 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1859(Ges. S. S. 265) wird mit Zustimmung des königlichen Oberpräfidenten zu Potsdam für den die Stadtbezirke Berlin , Charlottenburg . Schöneberg , Wilmersdorf . Rixdorf, Lichtenberg und die Landgemeindebezirke Boyhagen» Rummelsburg und Stralau umfaffenden Landespolizeibezirk Berlin folgendes verordnet: I. Die Polizeiverordnung vom 27. März 1903(I. Th. 2087, Amtsblatt S. 127) tritt vom Tage des Inkrafttretens der gegen- wärtigen Verordnung(IV unten) mit den aus dieser sich ergebenden Abänderungen auch für den Stadtbezirk Lichtenberg und die Land« gemeindebezirke Boxhagen-Rummelsburg und Stralau in Kraft. Die entsprechende Polizeiverordnung des kgl. Oberpräsidenten zu Potsdam vom 4. Juli 1898(Amtsblatt S. 306) tritt mit demselben Zeitpunkt für diese Bezirke außer Kraft. II. Die Absätze 1 und 2 des 8 6 der Polizeiverordnung vom 27. März 1903 erhalten folgende Fassung: 1. Das offene Aus« hängen und Ausstellen von Waren in und vor den Ladentiiren ist an Sonn- und Feiertagen nur während der zulässigen Verkaufszeiten gestattet. Außerhalb dieser Zeiten müssen die Ladentüren geschlossen sein. Schaufenster und Schaukästen sind während der Stunden deS Hauptgottesdienstes(8 15) zu verhängen. 2. Bezüglich des Gewerbe« betriebes im Umherziehen(8 55 Ziffer 1—3 der Gewerbeordnung) sowie des Gewerbebetriebes der im 8 � der Gewerbeordnung bezeichneten Personen(des sogen, ambulanten Handels am Wohnort) bewendet es bei den Verbotsvorschriften des 8 ö5a Absatz 1 der Gewerbeordnung und den auf Grund des Absatzes 2 daselbst seitens der Ortspolizeibehörden zugelassenen und zuzulassenden Ausnahmen. (3 wie bisher.) III. In 8 16 der Polizeiverordnung vom 27. März 1903 fallen die Worte„gegenwärtig 10—12 Uhr vormittags" fort. IV. Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Veröffentlichung im Amtsblatte der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin in Kraft. Die amtliche Veröffentlichung dürfte erst im Laufe der nächsten Woche erfolgen. Sie wird daher erst vom nächsten Sonntag ab in Kraft treten._ Zum Empfang deS„HaLcy" hatten sich in der gestrigen fllacht tausende Frühaufsteher, zum Teil auch„Nachtschwärmer" an den einzelnen Beobachtungspunkten auf« gestellt. Der Hauptanziehungspunkt war die Treptower Sternwarte mit ihrem Riesenfernrohr. Auch auf dem Kreuzberg , denr Tempel- hofer Felde sowie auf den Dächern richteten die„Kometcnsucher" ihre Blicke gen Osten, um endlich das kosmische Schauspiel zu sehen. Doch der seit Monaten so viel beschriebene Halley ließ sich nicht blicken, auch seines langen Schweifes konnte man nicht habhaft werden. So mancher fröstelnde Kometensucher hätte sicher gern die Be- obachtungSstelle mit dem Bette vertauscht. Endlich trat von Zeit zu Zeit die Sonne aus der Wolkenhülle hervor und beglänzte die schlaf« trunkenen Gesichter. Da noch immer nichts zu sehen war. zogen die Beobachter wieder enttäuscht von dannen. Ein alter Geizhals. Im Alter von 89 Jahren starb in Berlin der Geheime Konnnerzienrat Moritz Plaut, ein sehr reicher Mann und dabei ein seltsamer Geizhals. Die„B. Z. a. M." erzählt von ihm folgende Geschichte: An schönen Sommernachmittagen konnten die Besucher des Zoologischen Gartens ein gebücktes, hageres Männchen beobachten, das in einem Ueberrock von recht unbestimmt brauner Farbe und einem Zylinder auf dem Kopfe, der zur Revo« lntionszeit modern gewesen sein mochte, umgeben von Kindern und Bonnen, auf den Stühlen vor der Musikkapelle den Klängen lauschte. Niemand, der den alten Herrn nicht kannte, ahnte, daß das ein Mann war. der über 100 000 M. Steuern jährlich dem Staat entrichtete. Diese Bänke waren der Lieblingsplatz des alten Plaut, denn dort brauchte man— nichts zu verzehren. Er konnte nicht annähernd die Zinsen feines Vermögens verbrauchen, aber er brachte sich seine eingewickelten Stullen mit in den Zoo. Besucher des Ausstellungsparkes wollen ihn sogar dort aus einer Treppe am äußersten Ende des Parkes haben seine Stullen essen sehen, um die Ausgabe für die Getränke zu sparen. Sein Geiz bot natürlich den Änckdotenerfindern, die an der Börse be» sonders zahlreich sind, ein reiches Feld. Sie erzählten von ihm, daß er, wenn er wirklich einmal ein Cafs oder ein Restaurant be» suchte, vor dem Zahlen fortging und den genau ausgerechneten Gegen« wert seiner Zeche seinen Freunden übergab, damit er dem Kellner kein Trinkgeld zu zahlen brauchte. Sie behaupteten sogar, daß er Groschen und Sechser, die er auf dem Börsenparkett fand, auf« hob.— Als wenige Jahre vor Uebergang seiner Firma an die Brcslauer Diskontogesellschaft eine flaue Geschäftszeit herrschte, erzählte man eines Tages an der Börse, der alte Plaut sei durch die Bureaus gegangen und habe zu seinen Angestellten gesagt: „Kinder, Kinder, es ist doch bei den faulen Zeiten gar nichts zutun: belastet mal jeden Kunden für einen Taler Spesen."— Einst fand bei einem seiner Verwandten eine Festlichkeit statt, bei der Scherz» gaben verteilt wurden. Auf dem Tische, wo diese Gaben ans- gestellt waren, stand auch eine verdeckte Schüssel mit der Aufschrift: „Geschenk des Herrn Geheimrat Plaut". Wenn man den Deckel der Schüssel aufhob, so sah man darin ein Stück eines faulen Apfels. — Vis in das hohe Alter hinein hegte der alte Herr eine große Vorliebe für das schöne Geschlecht, doch mußte er einst aus dem Munde einer Dome eine bittere Anspielung auf seinen Geiz hören. Als er nämlich auf einer Gesellschaft zu ihr sagte:„Aber, gnädige Frau, was haben Sie für schöne Arme l" antwortete sie ihm schlagfertig:„Nanu, Herr Geheimrat, seit wann interessieren Sie sich für Arme?" Zahlreiche Lauiendiebstähle, die seit Monaten in Berlin und den Vororten verübt wurden, dürften durch die Festnahme einer Ein- brecherbande aufgeklärt werden. Es handelt sich um die beiden Gelegenheitsarbeiter Donike und Jeske und um die Braut deS letzteren, die unverehelichte Rutz. Das Trio betrieb die Laubeneinbrüche Monate hindurch in großem Stil. Bei einer Durchsuchung der Behausungen der Einbrecher förderte die Polizei große Lager von Beutestücken zutage. Damit nun den bestohlenen Laubenbesitzern Gelegenheit geboten wird, wieder zu ihren ge» stohlenen Gütern zu kommen, hat sich die Polizei entschlossen, am nächsten Sonntag auf dem Sportplatz„Thasmania" an der Grenz-Allee eine Ausstellung der gestohlenen Gegenstände zu veranstalten. Die Laubenbesitzer können dann alles in Augenschem nehmen. Die verhafteten Einbrecher haben bisher fünfzig Einbrüche eingestanden. Ein BootSunfall ereignete sich gestern nachmittag auf dem Krossinsee bei Wernsdorf. Dort kenterte bei heftigem Winde ein mit drei Insassen, einer Dame und zwei Herren besetztes Boot des Grünauer Klub„Oberspree". Die beiden Herren wurden gerettet, während die Dame, ein Fräulein Hildebrandt, ertrank. Der Mangel an sanitären Einrichtungen auf den Bahnhöfen machte sich am 2. Feiertage auf der Station Heerstraße stark bemerk» bar. Infolge deS überfüllten Zuges wurde ein Mann unwohl. Da der Zug zufällig keine Ausfahrt hatte, schickten Mitpasiagiere nach Waffer. Aber wo ein Gefäß hernehmen? Nach langem Warten kam ein Passagier, der den Wagen verlassen hatte, mit einem Tops Waffer an. Es war ein Kaffeetopf, den er von anderen Mitfahrenden erhalten hatte; aus dem Bahnsteig war ein Gesäß nicht aufzutreiben gewesen. Schaffner standen ratlos dabei, damit niemand aus dem Zuge herausfiel. Es wäre doch ein dringendes Erfordernis, daß für Hilfsmittel bei Unfällen gesorgt würde, zumal an besonders verkehrsreichen Tagen solche Unfälle sehr häufig vorkommen können. Lom Tode überrascht wurde gestern vormittag um �12 Uhr der 60 Jahre alte Buchhändler Kolbe auS der Philippstraße S. Am Schiffbauerdamm, in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße , brach er plötzlich zusammen. In bewußtlosem Zustande wurde er nach der Charitü gebracht. Einige Minuten später starb er jedoch. Wahr« scheinlich ist er einem Herzschlage erlegen. Die Leiche wurde nach dem Schauhause gebracht. Ein schweres Verbrechen ist gestern in dem Hause Mühlenstr. 41 verübt worden. Ein unbekannter, etwa 20 jähriger Bursche schleppte das fünfjährige Töchterchen des Kaufmanns P. nach dem Bode»
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