nationaliikraU noticljreic. Die nationalliberalen Organisationen machen noch in letzter Stunde den Versuch, ihrer so bedenklich ins Wanken geratenen preußischen Landtagsfraktion das Rückgrat zu steifen. So haben die nationalliberalen Wahlvereine von L y ck, Oletzko und Johannisburg in einer zahlreich be- suchten gemeinschaftlichen Vorstandssitzung einstimmig den Beschluß gefaßt, daß die Fraktion in der Forderung der direkten und geheimen Wahl unbedingt fest- halten möge. Der Entwurf des Herrenhauses sei mit liberalen Grundsätzen nicht vereinbar, weil die Freiheit der Wahl dadurch nicht gewährleistet werde, insbesondere auch nicht für die o st p r e u ß i s ch e n Verhältnisse. Auch die Göttinger Nationalliberalen forderten in einer Versammlung des nationalliberalen Wahlvereins die glatteAblehnungdcs von dem Herrenhause beschlossenen Gesetzes. Der Vorsitzende, IlniversitätSprofessor Dr. B r a n d i, übte an der veränderten Gestalt, welche oas Abgeordnetenhaus der Regierungsvorlage gegeben, herbe Kritik. Auch in der Diskussion gab sich die einhellige Meinung der Rebner dahin kund, daß die nationalliberale Fraktion un- bedingt au den Magdeburger Beschlüssen festhalten und demgemäß die geheime und direkte Wahl fordern müsse. Justizrat Beyer erklärte, die Partei würde unheilbaren Schaden leiden, tvenn sie diese Forde- rungen fallen lassen wollte; werfe man doch ohnehin den Natwnalliberalen vor, daß sie nicht stand halten. Wir würden keine Ruhe inr Lande bekommen, wenn der Wille der über- großen Mehrheit des Volkes nicht erfüllt würde. Die National- liberalen, so meinte ein anderer Nedner, haben jetzt Gelegen- heit zu zeigen, daß sie auch liberal sind. Erfüllen sie jetzt nicht, was von ihnen erwartet wird, dann wendet sich das Volk von ihnen ab. Der Vorsitzende des National- liberalen Jugendvereins, Lehrer Keller, sagt, bis jetzt seien die Jungliberalen mit der Haltung der national- liberalen Fraktion einverstanden gewesen; gäben sie jetzt bei der Wahlrechtsvorlage ihren Standpunkt auf, so würde mau das sehr bedauerir. Ein als Gast anwesender Vertreter des Vereins der Fortschrittlichen Volkspartei , Dr. Nosenthal, inachte darauf aufmerksam, daß eine unüberbrückbare Spaltung zwischen der Volkspartei und den Nationalliberalen eintreten würde, falls letztere jetzt umfallen würden. Ein Zusammenarbeiten beider Parteien im hiesigen Wahlkreise würde sich dann als unmöglich erweisen. Auch andere Redner meinten. es wäre ein Unglück für die Partei, wenn sie nicht fest bliebe. Hierauf nahm der Vertreter des Wahlkreises Göttingen im Abgeordnetenhause, der nationalliberale Abgeordnete Heine, das Wort. Versprechungen für seine Fraktion könne er freilich nicht geben, da eine endgültige Stellungnahme noch nicht erfolgt sei. Ob im Abgeordnctenhause etwas zu- stände komme, sei noch fraglich, selbst ivenn die National- liberalen für die Beschlüsse des Herrenhauses stimmten. Ihm persönlich würde es angenehm sein, wenn die Fraktion zu einer glatten Ablehnung des Herrenhauskompronüsses kommen würde. Er werde in der FraktionSsttzung am Mittwoch ein klares Stimmungsbild über den Verlauf der heutigen Ver- sammlung geben. Im Schlußwort sprach Professor Brandt nochmals die Hoffnung aus, daß die Partei um keinen Preis ein Kompromiß eingehen, sondern an den Magdeburger Beschlüssen festhalten werde. Dem Zentrum die Kastanien aus den» Feuer zu holen, hätten die National- liberalen keine Veranlassung. Die nationalliberale Fraktion müsse in dieser Frage geschlossen dastehen. Auch im„ H a n n 0 v. Courier" erhebt der Vorsitzende eines nationalliberalen Vereins noch einmal einen „Notschrei". Er setzt auseinander, daß die Opposition der Nationalliberalen bei der Reichsfinanzreform der Partei wieder zahlreiche Männer zugeführt habe, die sich lange ab- scits gehalten hätten, weil die Partei bis dahin immer gar zu leicht umgefallen wäre. Nun habe sich weiter Kreise wieder große Unruhe bemächtigt, da man neuen Umfall befürchtet. Mache man diese Befürchtungen wahr, so werde das von den schlimmsten Folgen für die Partei begleitet sein. Die Fraktion möge sich doch ja nicht durch den Vorwurf beeinflussen lassen, daß sie„nicht mitarbeiten" wolle. Die Nationalliberalen hätten oft nur zu sehr mitgearbeitet; etwas mehr Zurück- Haltung wäre manchmal am Platze gewesen. Die Achtung vor sich selbst, liberale Gesinnung und der Blick auf die Zukunft der Partei, alles das weise hin auf die Not- wendigkeit der Ablehnung der Herrenhausbeschlüsse. Auch in der„Na ti o n a l-Z e i tun g" wendet sich ein Dr. P. Liepmann in einem langen Artikel gegen die Umfall- gelüste gewisser Parteianaehörigen. Er schreibt u. a.: „Zunächst wird ongesiilirt, daß die Ablehnung„alles oder nichtS-Politit" treiben heiße, die dem nationalliberalen Wesen frenw sei und die freisinnige Richtung zur Ohnmacht herunter« gedrückt habe. Eine solche, rein negierende Haltung dürfen wir allerdings unserem Programm und unseren Traditionen gemäß nicht einnehmen. Gerade eine nationale und Mittelpartei muß das Gute nehmen, wenn das ihrer Ansicht nach Bessere nicht erreichbar ist, sie muß dann selbst zu Opfern bereit sein, soweit nur dadurch der Fortschritt zu erkaufen ist. Ja, bringt denn aber die Vorlage da« Gute? Genügt sie auch nur einer der in der Magdeburger Tagung einmütig und mit Begeisterung aufgestellten Forderungen? Ersetzt sie die veraltete, nur für politische Kinder berechnete, zur Wahlabschreckuug sowie zur Kandidatenbenennung feiten« eine« kleinen, mächtigen Konventikel« führende indirekte Wahl durch die direkte? Bringt sie die nach der staatsbürgerlichen Bedeutung der Wähler bemessene Abstufung des Stimmrechts? Schafft sie eine gerechte und insbesondere eine der Geltung von Industrie und Handel sich anbeguemende Verteilung der Mandate? Ein glatte« Nein ist die Antwort. Die beschlossene, so gepriesene D ritte l u ng kann für die Verewigung de» Wahl« kreiöeinteilungSnnrechtS nicht entschädigen. Die Wirkungen, welche die westfälische Industrie von ihr erhofft, sind unerprobt und durchaus noch nicht sicher; sie beschränken sich jedenfalls auf einige große Arbriterzentren und komme» dann andrer- seits auf das von liberaler Seite doch sicherlich nicht er« strebenS werte Ziel hinaus, die Sozialdemo- kratie von jeder Vertretung im preußischen BolkShause fernzuhalten. Mit um so größerer Macht wird sie dann in den Reichstag eindringen.... Die nationalliberale Partei kann und darf die endlich in Aussicht stehende Sammlung allerLiberalen zum Kampf gegen eine veraltete Weltauffassung nicht sprengen. Sie muß Farbe bekenne»«nd zusammenstehen mit denjenigen Parteien, die wie sie eine wirkliche Wahlreform für Preußen durchsetzen wollen. Darum Achtung vor der « i g e>r e n F l a g g e, die wir aber bewahren müssen vor einem unrühmlichen Rückzug!" Man muß es den linksstehenden Nationalliberalen lassen, daß sie es an Warnungen vor denk Unfall und an einem Appell an das politische Anstands« und Pflichtgefühl ihrer Parteifreunde nicht haben fehlen lassen. Es wird sich nun zeigen müssen, was innerhalb des preußischen National- liberalismus einflußreicher ist: die letzten Reminiszenzen an eine liberale Vergangenheit oder die Neigung, den rheinisch- westfälischen Scharfmachern und Geldsackprotzen zuliebe die völlige Entrechtung der Massen durchsetzen zu Helsen ! politische(leber licht. Berlin , den Lt. Mai 1910. Aus dem Abgeordnetenhause. Der Treiklassenlandtag hatte in seiner Dienstagsitzung— der ersten nach den Psingstferien— zunächst die erste und zweite Be- ratung eines Gesetzentwurfs vorzunehmen, der 12 Millionen Mark für die Verbesserung der Wohnungsverhältnisse der staatlichen Arbeiter und Unterbeamten verlangte. Nachdem mehrere Redner ihrer Sorge Ausdruck gegeben hatten, daß der Staat nicht etwa der privaten Bautätigkeit Konkurrenz mache, wurde die Vorlage an- genommen. Zu einer scharfen Kritik der verrotteten preußischen Zustände durch Genossen Liebknecht gab ein sozialdemokratischer An- trag Veranlassung, der verlangte, daß die veralteten tzA v, 10 und 41 des preußischen Preßgesetzes vom 12. Mai ISbl aufgehoben würden. Die bürgerliche Majorität konnte sich zu einer Beseitigung der in der Zeit der ärgsten Reaktion geschaffenen Knebelpara- graphen nicht aufschwingen. Nur ein nichtssagender Zentrums- antrag, der an die Negierung das Ersuchen richtet, die Paragraphen in zeitgemäßer Weise abzuändern, wurde angenommen. Ein wei« terer Antrag unserer Genossen verlangte die Ausljebung einiger Bestimmungen, die den Unterstützungswohnsitz regeln. Genosse Lieb« k n e ch t. der an Hand eines reichhaltigen Materials den Antrag begründete, zeigte durch verschiedene Beispiele, wie willkürlich die Polizeibehörden die Bestimmungen des Gesetzes handhaben. Um 4% Uhr wurden die Verhandlungen auf Mittwoch mittag vertagt._ Die Angst vor der Abrechnung. Die Reaktionäre aller Schattierungen des Abgeordneten- Hauses möchten um jeden Preis irgend ettvas, das man alS Wahlreform ausgeben kann, zustande bringen, um nur der sozialdemokratischen Wahlrechtsbewegung Abbruch zu tun. Darin sind die Konservativen init den nationalliberalen Scharf- machcrn völlig einig. Nichts fürchten sie mehr, als daß sie vor den Wählern des gleichen Wahlrechts stir ihre Volksfeindschaft Rechenschaft werden ablegen müssen. So schreiben die nationalliberalen„Wests. Pol. Nachr.": „Die nationalliberal gesinnten gewerblichen Kreise, nicht bloß der Großindustrie, sondern auch des Mittelstande«, würden e» geradezu als ein Unglück ansehen, wenn die preußische Wahlreform in die nächste ReichStaaswahlagitation hineinge« zogen würde. Wir selbst haben keinen Anstand genommen, derartige Bestrebungen als einen Frevel an unserer Gewerbetätigleit zu bezeichnen und wiederholen dieö hier mit allem Nachdruck I Die ( gewerblichen Kreise wünschen, daß Fragen, die Lebensinteressen ür den Gewerbestand in sich schließen, nicht von parteiagitatori- scheu und parteitaktischen, sondern von sachlichen Gesichtspunkten aus behandelt werden... Wer darauf hinausgeht, die preußische Wahlrechtsfrage in die Reichstags wahl-Agita- tion hineinzuziehen, der wirkt, bewußt oder unbewußt, auf Einführung de« R« i ch S t a g s w a h l r e ch t S in Preußen hin. Eine Parteileitung, die dem Vorschub leistete, könnte sicher sein, daß nicht bloß die paar„westfälischen Schars« machet", sondern die GeWerbetätigkeit im weitesten Umfange, im Westen wie im Osten, ihr ohne weiteren Umstand den Rücken kehren würde." Sinn, die Herren können versichert sein, daß ihnen das „Unglück" nicht erspart bleiben wird. Die preußische WahlrechtSfrage wird unter allen Umständen— und keine taktischen Kunststücke werden daran etwas ändern— in dem Mittelpunkt der nächsten RcichStagSwahlen stehen, und keiner Partei wird es erspart bleiben, zu erklären, ob sie für das Recht oder für die Entrechtung des Volkes in Preußen gekämpft hat. Aber darin hat daS nationalliberale Scharfmacherblatt schon recht: Die nächsten ReichstagSwahlen müssen für die Einführung deS gleichen Wahlrechts in Preußen eine wichtige Etappe bilden und der Stimmzettel zur Waffe werden, um die Feinde des gleichen Wahlrechts in Preußen zur Strecke zu bringen. Der Termin der nächste« ReichStagswahlen. Bisher wurde in parlamentarischen Kreisen ganz allgc- ntcin angenommen, die Regierung werde den Reichstag nach Ablauf der nächsten Session im Mai oder Juni 1911 auf- lösen und die Neuwahlen für den Herbst 1911 ausschreiben. Jetzt kommt nun eine für die bürgerliche Presse„sehr zuverlässige Quelle" in Dresden und telegraphiert in die Welt hinaus — beispielsweise an„Köln . Zeitung" und„Berl. Tageblatt"— „Die vereinigten Regierungen hätten sich bereits dahin ge- einigt, die nächsten ReichstagSwahlen im Januar IS 12 statt- finden zu lassen." Möglich wäre das natürlich, denn der gegenwärtige Reichstag ist im Januar 1907 gewählt, die Neuwahl im Januar 1912 würde also der letzte Termin sein und außerdem würde eine Auflösung nicht notwendig werden. Aber, da bei einer Wahl im Januar die Beratung des Etats, der zum 1. April fertig sein soll, unterbrochen und die ganze Session für Arbeiten über den Etat hinaus unbrauchbar gemacht würde, darf man doch wohl ein großes Fragezeichen hinter die Meldung der„zuverlässigen Quelle" machen. Die Mannesmann- Affäre. Seit einigen Tagen ist in der deutschen und französischen Presse viel davon die Rede, daß zwischen Frankreich und Deutschland ein„nichtpolitischeS Ueberein- kommen" abgeschlossen worden sei, über dessen Inhalt allerhand Mutmaßungen geäußert werden. Es scheint sich dabei um an sich wenig wichtige Dinge zu handeln, die höchstens als Symptome für eine allgemeine Besserung in den Beziehungen beider Länder von Bedeutung sind. Dagegen scheint allerdings in letzter Zeit ein Konfliktsstoff aus der Welt geschafft worden zu sein, der, wenn es nach der Absicht unserer Kolonialenthustasten gegangen wäre, das Verhältnis zu Frankreich sehr gestört hätte. Die Brüder Mannesmann, welche für ihre an- geblichen Minenkonzessionen am liebsten die deutsche Armee mobilisiert gesehen hätten, haben sich jetzt, wie aus Paris gemeldet wlrd, mit den französischen Marokkointeressenten verständigt; sie haben ihre Ansprüche ermäßigt und den französischen Kapitalisten einige Zugeständnisse gemacht, die diese befriedigen. So endigt auch dieser Streck, der so auf- dringlich als nationale Angelegenheit ausgeschrien wurde, mit der Teilung des Raubes unter die hadernden Kapitalisten- gruppen. Deutscher Männerstolz vor Königsthrone»« I» der Stadt Delitzsch werden, einer alten Tradition getreu, die sich an den 30[ährigen Krieg knüpft, wöchentlich zweimal von einem Turme herab die sogenannten schwedischen Reitersignal« ge- blasen. Mitglieder der schwedischen Gesandtschaft in Berlin waren vergangene Woche in Delitzsch , und diese an sich völlig gleichgültige Sache benutzte» die Väter der Stadt dazu, den König von Schweden , der sich zurzeit in Wien aufhält, anzutelegraphieren. Und wie sie das getan haben, zeigt der Wortlaut des Telegramms: „Eiv. Majestät wollen a l l e r g n ä d i g st gestatten, daß Ew. Majestät wir in allerticfster Dankbarkeit und Ehrfurcht in dieser schönen und unvergeßlichen Feststunde einen alleruntertänigsten HuldigungSgruß senden." Welchen Begriff mag der König von Schweden von den Deutschen bekommen, tvemi er schon aus Anlaß einer solchen Geringfügigkeit in dieser unglaublichen Weise angewedelt wird! Von den sächsischen Nationalliberalen. Bei der nationalliberalen Fraktion des sächsischen Landtages scheinen recht nette Zustände zu herrschen. Politisch wird sie treffend durch ein Schreiben charakterisiert, das ihr früheres Mitglied, der Abg. Merkel, ver- öffcntlicht. Es heißt darin unter anderein: „Mein Austritt aus der nationalliberalen LandtagSfraktion ist erfolgt, weil die Fraktionsleitiing dem gemäßigten Liberalis- muS der Regierung gegenüber keine Gellung zu verschaffen wußte und weil in der Fraktion von Liberalismus schließlich nicht viel mehr zu spüren war. Zu Beginn der Session, als mehrere Mimster den Nationalliberalen scharf zu Leibe gingen, hat es an schönen Borsätzen nicht gefehlt, aber zu guter Letzt war alles wieder vergeben und vergessen. Mau wich stet« mutig zurück und konzedierte alles, was die Regierung wünschte, sobald sie nur mit Nachdruck auf ihrem Willen be- stand... Erst der fortgesetzte Umfall der Fraktion und die offen zutage tretende Liebedienerei der Parteileitung gegen die Regierung und die Konservativen haben mir schließlich den Austritt diktiert. Ich ward zuletzt als liberaler Mann gedrängt, meiner Wege zu gehen." Das ist sicher eine Charakterisierung, die dadurch nicht« an Wert verliert, weil sie nicht nur für die sächsische, sondern ebensogut für die preußische LandtagSfraktion zutrifft. ES ist dies nur die Folge des Umstände«, daß eS Herrn Merkel trefflich gelungen ist, das Wesen des deutschen NationalliberaliSmuS überhaupt herauszuarbeiten. Zu dem politischen Skandalum kommt noch ein p e r s ö n- licher. Die Fraktion veröffentlicht folgende Erklärung, die sich gegen die Praktiken ihre« zweiten Vorsitzenden, des Herrn Abg. Langhammer, bei der Gründung des Tapetentrusts<Tiag) richtet: „Der Beschluß der Fraktion geht dahin, daß sie nach Prüfung deS ihr von Herrn Abg. Langhammcr vorgelegten Materials nicht imstande ist, sein Verhalten in der„Tiag"- Angelegenheit als einwandSfrei anzusehen, und zwar hat sie vor allem Anstoß genommen an der Tatsache, daß Herr Langbammer zu einer Zeit, in der er bereits mit der Tapeten-Jndustrie-Akiiengesrllschaft über den Verkauf seiner Tapetenfabrik verhandelte, und auch noch, als er diesen Verkauf zum Abschluß brachte, den Vorsitz in dem Verein Deutscher Tapetensabrikanten trotz dessen Gegnerschaft zur„Tiag" nicht niedergelegt hat. Diesem Beschluß haben alle Mitglieder der Fraktion mit Ans- nähme deS Herrn Lnnghammer zugestimmt. Die Frattton hat gemeint. Herrn Abg. Langhammer überlassen zu sollen, die notwendigen Kon» seguenzen auö diesem Beschlüsse selbst zu ziehen." Damit diese herrliche Partei die stärkste deS Landtag« ist. war e« allerdings nötig, die Arbeiterklasse, die bekanntlich politisch unreif und minderwertig ist. durch da« infame Pluralwahlsystem zu entrechten. Wie„kaiserliche" Arbeiter behandelt werden! Au« Danzig wird un« geschrieben: Am 7. Mai d. I. hatte sich der Former L. von einem Arbeitskollegen ein Stückchen Salmiak geborgt, mit der Bedingung, den Gegenstand wieder zurückzubringen, um seine Laterne von seinem Fahrrade, das er von und zur Arbeitsstätte benutzt, zu löten. L. nahm nun leider diesen Gegenstand am Sonnabend mit nach HauS, um am Sonn- tag die Arbeit an seiner Laterne vorzunehmen. Von der jetzt auf der Werft stationierten Danziger Polizei wurde seine schmutzige Wäsche revidiert und dabei das wallnuhgroße Stück Salmiak„entdeckt". Allerdings verstößt das gegen die Werftdienst- ordnung. L. wurde dem Oberwerstdirektor gemeldet, der seine sofortige Entlassung verfügte. Einer solchen Lappalie wegen«inen Arbeiter sofort zu entlassen, der neun Jahre auf der Werft beschäftigt und nie bestraft ist, eine Familie von drei Kindern und eine verkrüppelte Frau zu ernähren hat, ist denn doch zu hart! Zumal diese Praxi» nicht immer geübt wird. Die skandalöse Wasser lochuffäre gibt dafür den besten Beweis. Hier wurde von höherer Stelle verfügt, daß Gegenstände, wie Kupferrohre. Messtngteile, Jnventarien und Geschützteile, zur Ausfüllung von Wasscrlöcbern verwendet wurden, weil die Gegenstände angeblich w e r t l o» seien. Dabei ist festgestellt, daß ein Kupfcrrohr allein den Wert von 8,80 Mt. hatte! Da« Reichs- marineamt erklärte allerdings nach der vom Abgeordneten Severing verlangten Auspeilung des MasserlocheS, daß Materialien irgendwelcher Art nicht mehr im Graben lägen, während heute bei Hellem Sonnenschein und klarem Wasser Gegenstände in dem bekannten— noch nicht gereinigten Wasserloche mit dem bloßen Auge erkennbar sindl Besteht etwa der Grundsatz auf der kaiserlichen Werft, daß, wenn zwei dasselbe tun, es nicht dasselbe ist? Bekämpfung der Schundliteratur im bayerische« Abgeordnetenhause. München , 21. Mai. Auf der Tagesordnung steht ein Antrag der Liberalen, der die Regierung auffordert, Mitteck zur Errich- tung und Förderung von Schul- und Volksbibliotheken in den Etat einzustellen, um die Schundliteratur wirksam zu bekämpfen. Der Redner der liberalen Partei begründet den Antrag in längeren und wirksamen Ausführungen. Er schildert besonders den verderblichen Einfluß der Schund, und Schmutzliteratur auf das empfängliche Gemüt der Jugend und führt Beispiele aus der Kriminalistik an. Er findet es auch außerordentlich bedauerlich, daß jährlich Millionen des Volksvermögens für den geistigen Schund ausgegeben werden und glaubt, daß nur die Verbreitung guter und billiger Schriften ein einigermaßen wirksame« Mittel gegen die literarische Brunnenvergiftung darstelle. Der sozialdemokratische Redner steht das bejte Mittel in der Hebung der Volksbildung durch eine gründliche Schulreform. Bei Errichtung von Volksbibliotheken will er allen Weltanschauungen Rechnung getragen wissen und bedauert, daß man kurzsichtiger und unvernünftigerweise die sozialistische Literatur aus den Volks- bibliotheken vielfach fernhält. Die sozialdemokratische Partei habe auch gegenüber der Schundliteratur zur Selbsthilfe gegriffen und suche besonders die Jugend zu schützen durch Einsetzung einer Jugendschriftenprüfungskommission und durch HemuSgab« eines Jugendichriftenverzeichnisses. Er stimmt dem Antrage zu, lehnt aber ein Kontrollrecht des Staates über die von Gemeinden oder Privaten errichteten Bibliotheken ab. Der Redner des Zentrum« erklärt sich wie auch der Minister egen den Antrag und zwar aus finanziellen Gründen: ein Geld dal Zugleich benützt der Redner die sehr wenig passende Gelegenheit zu einer Kulturkampfrede gegen den Liberali»- Müs und den Unglgnben, gegen die rcsigiynzcrstörxnden Mächte
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