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Rechtlosigkeit bei h(i ersten Feststellung der Unfallentschädigungen geschädigt werden. Dieser Mißstand sei jetzt auch in den Motiven der Regierungsvorlage ausdrücklich anerkannt worden. Und doch wolle jetzt die Mehrheit jedes Mittel verweigern, um diesen Miß- stand zu beseitigen. Am Sonnabend hatte der G e h e i m r a t Neu mann von der preußischen Negierung sehr ent. schieden versichert, daß im Widerspruch zu einem Zwischenruf des Genossen Hoch die Schiedsgerichte in Preußen und besonders im Regierungsbezirk Kassel aufs zweck. mäßigste ihre Sitzungstage geregelt haben. Heute wies Genosse Hoch dem Herrn nach, daß seine Angaben durchweg unzutreffend seien. Gegenüber den Ausführungen des Abg. Horn(Reuß) in der vorigen Sitzung wies Genosse Hoch auf Grund eigener Er- fahrung darauf hin, daß Arbeitervertreter in der ersten Instanz durchaus segensreich wirken. Die Konservativen wollten mit dem Antrage nur ein« neue Form schaffen, in der Sache aber die bis- hcrige Rechtlosigkeit der Arbeiter bei der Feststellung der Rente bestehen laßen. Die Sozialdemokraten könnten sich mit einer Aenderung der F?rm allein nicht zufrieden geben, sie fordern das. volle Recht der Arbeiter auch bei der Feststellung der Unfallent- schädigung. Nächste Sitzung Dienstag. Äne Meies auf hoher See. Von einer einzigartigen Maifeier gibt uns ein Brief Kunde, der an den Vorstand des Verbandes der Wahlvereine Groß-Berlins gerichtet ist. Ter Brief ist an Bord des nach Australien gehenden AuswandererschiffesOsterley" geschrieben und auf der Zwischenstation C o lo m b o(Ceylon) aufgegeben. Das interessante und stimmungsvolle Schreiben lautet folgendermaßen i Werte Partcigenosseui Die herzlichsten Grüße zur Maifeier senden Euch die deutschen und englischen Genossen, welche sich von Berlin resp. London auf der Reise nach Austra» lien befinden. Eine von deutschen Partekgenossen am 1. Mai im Roten Meer auf Deck des obengenannten englischen Schiffes ein- berufene Versammlung war von ungefähr 200 Personen besucht, darunter etwa 80 Engländer. Die Tagesordnung lautete:Die Bedeutung des 1. Mai". Referent Ivar der Genosse Albert Beck- m a n n, früher im 4. Berliner Reichstagswahlkreise wohnhaft und organisiert. Punkt 9 Uhr wurde die Versammlung eröffnet. Das Bureau bildeten die Genossen Max Schäfer als Vorsitzender und Georg Lesche als Schriftführer. Der Referent legte die Be- deutung des internationalen WcltfeicrtagS dar. Besonders hob er hervor, daß eine gleichartige Versammlung auf einem deutschen Schiffe eine Unmöglichkeit wäre. Der Redner erinnerte an den Kampf, den.die Brüder in der Heimat gegen die preußische Drei- klassenschma») und die kapitalistische Klassenherrschaft so unermüd- lich führen. Er beleuchtete dann das Los der Auswanderer, die zum letzten Mittel griffen und der Heimat den Rücken kehrten. weil tiestraurige Verhältnisse sie dazu zivangen. Bon stürmischem Beifall unterbrochen schloß der Redner mit einem Appell an die Versammelten, im fernen Lande treu und fest zu den Grundsätzen der Sozialdemokratie zu stehen und die Ideen des Sozialismus auch in die entfern» testen Winkel zu tragen. Der Vorsitzende schloß hierauf die Versammlung mit einem dreimaligen Hoch auf die internatio- nale völkerbesreiende Sozialdemokratie. Brausend auö mehr denn 900 Kehlen von Frauen, Männern und Kindern ertönte es hin- über zur 1. und 2. Klasse, wo die Reichen noch beim Frühstück saßen. Dann stimmten die Angehörigen der beiden Nationen hie Arbeiter-Marseillaise an, von der der erste und dritte Vers ge. fungen wurde. Die Versammelten gingen darauf auseinander. Am Abend wurde eine kleine Feier mit Vorträgen und Klavier- begleitung im Musikraum des Schiffes abgehalten. Folgende Resolution gelangte zur einstimmigen Annahme: Die heute am t. Mai im Roten Meer an Bord derOster- Ich" tagende öffentliche Volksversammlung, einberufen von den deutschen Auswanderern, begrüßt die deutschen Parteigenossen zur Weltfeier. Die Anwesenden geloben, auch im fernen Lande treu und fest zur Fahne der Partei zu stehen und. wo es auch sei, die Interessen der Partei zu vertreten und deren Ideen zu verbreiten, bis der Sieg errungen ist." 7 Soweit dieser Brief, der von mehreren deutschen und englischen Genossen unterzeichnet ist. Uns aber ist diese Versammlung von symbolischer Bedeutung. Wo immer heute Arbeiter zusammenkonimen, da einigt und erhebt sie der Ge- danke au den Sozialisnius. Es ist ihr Schmer z, daß sie mit der Heimat zugleich auch die mächtige Kampfgemeinschaft verlassen müssen, deren Sieg erst den Arbeiter das Vaterland geben wird, das sie heute aus seinen Grenzen gestoßen hat: es ist aber auch ihr T r o st, daß wohin immer sie kommen, sie auch neue Kampfgenossen für die Sache der Arbeiter finden werden. Und so möge denn der Wunsch unserer Genossen in Erfüllung gehen und sie auch im fernen Weltteil reiche und lohnende Arbeit finden für die heilige Sache der sozialistischen Internationale. politifcbc OebcrHcbt. Berlin , den 30. Mai 1910. Parlamentarisches Potpourri. Das AbgeorditetenhauS hatte am Montag eine reichhaltige Tagesordnung zu erledigen. Zunächst beschäftigte es sich mit Wahlprüfungen und erklärte u. a. die Wahl des in Moabit gewählten Mischmaschkandidaten Runze für gültig. Vergeblich forderten unsere Genossen, für die H i r s ch sprach, die Prüfung der in dem sozialdemokratischen Protest behaupteten Tatsachen; vergeblich appellierte unser Redner an das Gerechtigkeitsgefühl des Hauses. Die Wahl wurde gegen die Stimmen unserer Genossen ftir gültig erklärt und der sozial- demokratische Antrag auf Beweiserhebung abgelehnt. Geradezu skandalös war das Schalten des schwarz- blauen Blocks, der sich auch hier wieder zusammenfand, bei der Prüfung der Wahl des in Emden -Norden gewählten Nationalliberalen Fürbringe r. Die Kommission hatte die Ungültigkeit der Wahl beantragt, da einige Wahlmännerstimmen abgerechnet werden mußten und Fürbringer dann nicht mehr die Mehrheit gehabt hätte. Die Nationalliberalen wiesen nun nach, daß auf der zum Wahl- kreis gehörenden Insel Borkum eine unheimliche Wahl- beeinflussung zugunsten des konservativen Gegenkandidaten geübt war. Von Rechts wegen hätten die auf Borkum ge» wählten Wahlmänner für ungültig erklärt werden müssen und dann hätte Herr Fürbringer die Mehrheit gehabt. Da aber Wahlprüfungen nicht nach Recht und Gerechtigkeit, sondern nach parteipolitischen Erwägungen beurteilt werden, erklärte die Mehrheit Lie Wahlen in Borkum für gültig und kassierte das Mandat des rechtmäßig gewählten Herrn Für- dringer. Weiter beriet das Haus in dieser Lesung den Gesetzentwurf betreffend die ländlicheen Fortbildungsschulen für Schlesien . Die Herren vom Zentrum suchten wieder, wie bereits bei der zweiten Lesung, den Religionsunterricht in den Lehrplan einzuschmuggeln; der einzige Erfolg war der, daß sie sich eine neue Niederlage holten, die ihnen Genosse Hoff mann bereitete. In ihrer ohnmächtigen Wut ergingen sie sich in persönlichen An- rcmpelungen unserer Genossen, die nun erst recht ausholten und die Partei der Heuchelei vollends auf den Saud streckten. j Von den zahlreichen Jnitiatibäntragen, mit denen das Haus sich schließlich noch beschäftigte, wurde der nationalliberale Antrag betreffend die Regelung der Schulpflicht an die Unter- richtskommission verwiesen. Da der Schluß der Session bevor- steht, ist das gleichbedeutend mit einem«Begräbnis, die Regelung dieser wichtigen Materie wird also vorab noch nicht erfolgen. Deutsche Bank kontra preustischc Finanzpolitik. Das Herrenhaus verhandelte am Montag über den Etat des Finanzmini st eriums und der Tag war für Herrn v. Rheinbaben kein angenehmer Tag. Er mußte mit seiner Finanzpolitik förmlich Spießruten laufen. Das Groteske an der Sache ist, daß Herr v. Rheinbaben diesen Unglückstag selbst ver» anlaßt hat. Am Freitag voriger Woche hatte der Direktor der Deutschen Bank, Herr v. Gwinner, die Generaldebatte des Etats zu einer, ob zutreffend oder nicht, mag dahingestellt bleiben, aber jedenfalls zu einer sachlichen Kritik an der Rheinbabenschen Finanzpolitik benutzt. Darauf hatte sich Herr v. Rheinbaben sofort erhoben, um den unangenehmen Kritiker in überhebendem Tone herunterzumachen und ihm Unkenntnis und andere schöne Sachen an den Kopf zu werfen. Man kann es Herrn v. Gwinner nicht verdenken, wenn er so etwas nicht auf sich sitzen läßt. Und er er- griff denn auch die erste Gelegenheit, die sich ihm beim Etat des Finanzministeriums bot. um Herrn v. Rheinbaben eine Antwort zu geben, die dieser sich sicher nicht hinter den Spiegel stecken wird. Herr v. Gwinner, dem zweifellos auf dem Gebiet des Finanzwesens die Sachkenntnis nicht abgesprochen werden kann und der übrigens beim letzten Ministerrevirement im Reich für den Posten emeS Schahsekretärs ausersehen war, ließ dem Borwitzigen auf der Ministerbank nichts geschenkt. Der Kernpunkt seiner Ausführungen. dje ihre Spitze wiederholt auch gegen die Person des Herrn von Rheinbaben richteten, war der, daß unserer Finanzverwaltung jede sinanzwiffenschaftliche Einficht fehlt. Unsere Finanzverwaltung mag genügt haben für die Zeit vor dreißig Jahren, wo es nur Steuern und Zölle zu erheben galt, aber nicht für heute, wo Preußen mit seineu Eisenbahnen Besitz vom gewaltigsten Betriebe der Welt er- griffen hat. Die technische Verwaltung dieses gewaltigen Unter- nehmens pries Herr v. Gwinner zwar in den höchsten Tönen, und nickst nur wir Sozialdemokraten werden dahinter ein großes Frage- zeichen machen. Aber die finanzielle Verwaltung ist nach der An. ficht des Herrn v. Gwinner unter aller Kritik. Zum Beweise dafür bezog er sich auf die Politik der privaten Eisenbahngesellschaften anderer Staaten, und vor allem auf die absolut unfähige Art, die sich bei uns auch bei den wichtigsten Maßnahmen der Finanz- Verwaltung zeige. Sie habe es fertig gebracht, das Miquelsche Erve so herunterzuüzirtschaftcn, daß Preußen? Finanzen trotz der hohen Einnahmen auf den Eisenbahnen heute beinahe so schlecht seien. wie die Finanzen des Reiches. Die ganze Lauge seines Spottes goß Herr v.' Gwinner über den höchst betrübt dasitzenden Herrn v. Rheinbaben aus, als er dessen gänzlich verkehrte Beurteilung der jeweiligen Lage der Konjunktur schilderte. Besserung auS den gegenwärtigverstrubbelten" Etatsverhältnissen erhofft Herr von Gwinner von der Aufnahme besonderer Eisenbahnanleihen an Stelle einer allgemeinen Defizitanleihe. Herr v. Rheinbaben machte sich die Erwiderung leichter, als es selbst einem preußischen Mi- nister erlaubt sein dürfte. Er nahm nach bekannten Borbildern Anstoß an der Form, die der parlamentarisch noch ungeschulte Herr v. Gwinner gewählt hatte. Als er dann mit einem zwar ganz in- haltslosen, dafür aber mit um so größerem Pathos vorgetragenen Satz sagte, er müsse nicht nur für seine Person, sondern auch für seine treuen Mitarbeiter die Angriffe des Vorredners zurückweisen, da täuschte ihn seine Erwartung nicht, und die Lords überschütteten ihn förmlich mit Beifall. Hilfe erstand ihm in dem Magdeburger Oberbürgermeister Lentze. der die Zulässigieit jedes Vergleichs eines Staatsbetriebes mit einem Privatbetriebe ablehnte, und vor allem in Herrn v. B u ch, einem Stockkonservativen, der gleichfalls unter lebhaftem Beifall im schnarrenden Kriegervereinston den Minister auffordörte. an den bewährten alten preußischen Grund- sähen festzuhalten. Herr v. Gwinner griff wiederholt in die Debatte ein und wehrte sich kräftig. Der Etat des Finanzministeriums wurde schließlich bewilligt. Am Dienstag kommt Ver Bauetat an die Reihe._ Zwei erledigte Reichstagsmandate. Am Montag sind zwei Reichstagsabgeordnete aus dem Leben geschieden, in Frankfurt a. O. ders Nationalliberale Detto, in Dresden der Antisemit Zimmermann. Der erstere vertrat den Wahlkreis Frankfurts . O.- Lebus , Zimmermann den Wahlkreis Zschopau - Marienberg (20. sächsischer). Beide Wahlkreise waren schon inl Besitz der Sozialdemokratie. Frankfurt a. O.- Lebus wurde 1903 in der Stichwahl mit 14 685 gegen 14 204 konservative Stimmen erobert, nachdem in der Haupt- Wahl 12 817 sozialdemokratische, 8268 konservative und 7025 nationalliberale Zettel abgegeben worden waren. In der Nachwahl am 13. Mai 1904, die durch die skandalöse Un- gültigkeitZerklärung des Mandats nötig wurde, ging der Kreis indessen wieder verloren. In der Hauptwahl fielen 11 407 sozialdemokratische, 11 747 nationalliberale und 2872 Stimmen des Bundes der Landwirte, der Nationalliberale siegte dann in der Stichwahl mit 14 385 gegen 11882 sozial- demokratische Stimmen. 1907 war das Stimmenverhältnis: Sozialdemokraten 12388, Nationalliberale 10070, Anti» semiten 7722, Zentrum 228 Stimmen in der Stichwahl siegte der Nationalliberale mit 17 805 gegen 12196 sozial- demokratische Stimmen. Zschopau - Marienberg war von 18981904 im Besitz der Sozialdemokratie. 1903 hatte Genosse Rosenow im ersten Wahlgang mit 13 616 Stimmen über den freikonser- vativen Gegner gesiegt, der nur 9876 Stimmen erhielt. Bei der Ersatzwahl am 18. März 1904. die durch den frühen Tod Rosenows nötig wurde, fielen auf die Sozial- demokratie 10 277, auf die Antisemiten 5998, auf die Konser- vativen 4325 Stimmen, bei der Stichwahl siegte der Anti- scmit mit 11957 Stimmen über den Sozialdemokraten, der 10 982 Stimmen erhielt. 1907 siegte im ersten Wahlgang der Antisemit mit 14 732 Stimmen über 11 281 sozialdemokratische. In beiden Wahlkreisen hat also die Sozialdemokratie Scharten auszuwetzen und sie darf mit gutem Mut an diese Aufgabe herangehen. In Frankfurt a- O. kandidiert Genosse Faber, in Zschopau -Marienberg Genosse Paul Göhre. -»»» In Zimmermann ist der Führer des Flügels der Antisemiten gestorben, der sich Reformpartei nennt. In Wirklichkeit ist von einer Partei längst keine Rede mehr. Zwar sind 1907 noch ein paar Resormparteiler in Sachsen gewählt worden aber sie haben nicht als Vertreter ihrer Partei die Mandate erhalten, sondern als Troßbuben der Reaktion: aus eigener Kraft vermöchten die Antisemiten in Sachsen nirgends mehr durchzudringen Einstmals freilich vermaßen sie sich, alle anderen Parteien, vor allen Dingen die Sozialdemokratie zu verschlingen. Das war in den Jugendjahren des Antisemitismus, als Zimmermann noch ein Held war. 1893 schwoll die Flut des Antisemitismus in Sachsen an und Zimmermann zog als Erwählter von Dresden-Altstadt in den Reichstag ein, den er von 18901893 als Vertreter des Wahlkreises Alsfeld (Hessen ) angehört Hatte. Damals wurden sechs Antisemiten in Sachsen ge- wählt und eZ schien, als sollten die Konservativen bor ihnm die Segel streichen. Aber 1898 war es schon mit der Herr- lichkeit vorbei, die Konservativen drängten die Antisemiten wieder zurück, Zimmermann siel durch, die drei Dresdener Mandate wurden von der Sozialdemokratie erobert. Und das Tageblatt, das Zimmermann in Dresden gegründet hatte, dieDeutsche Wacht", ging den Krebsgang, schwebte jahrelang zwischen Leben und Sterben, bis es endlich an chronischer Abonnentenschwindsucht starb. Heute fristet der Alttisemitis- mus nur noch ein kümerliches Dasein als Hilfstruppe der Konservativen die Reichtagswahlen 1911 werden ihnen den Rest geben. Daß die Ersatzwahl in Hschopau-Marienberg ihr Teil dazu beitrage, dafür wird die eifrige Arbeit unserer Genossen sorgen._- Der Kriegszustand in Tortmund. In ver vorigen Woche ist es an mehreren Abenven zu mehr oder minder erheblichen Zusammenstößen m?t der Polizei gekommen, die beinähe zu Straßenkämpfen ausarteten. Die Zigarrenfirma H a n n e m a n n in Dortmund kürzte ihren Arbeitern den Lohn, und als die Arbeiter sich deu Abzug nicht gefallen ließen, schritt sie zur Aussperrung. Das[ Publikum ergriff die Partei der Ausgesperrten, und verhängte über die Firma den Boykott. Während der ersten Tage blieben die ausgestellten Posten unbehelligt, dann aber suchte die Polizei die Posten zu vertreiben. Das verursachte Ansammlungen. Das Ge- schäst liegt am Steinplatz, der schon durch frühere Polizei- schlachten historische Bedeutung erlangt hat. Am Donnerstagabend kam es zum erstenmal zu be- merkenswerten Auftritten. Große Massen hatten sich angesammelt, die von der Polizei zerstreut wurden, wobei sie sich der Polizeihunde bediente. Es entstanden Pl l ä n k e l c i e n. die sich mehrere Stunden hinzogen und durch viele Straßen fortpflanzten. Auf dem Wall flüchtete die Menge ins Olympiatheater, die Hunde hinterdrein, und das gerade zur Zeit der Vor- stellung. Das Publikum glaubte, eine Schar toller Hunde fei ins Theater eingedrungen, und jeder suchte sich zu retten soguter konnte. Am Freitagabend war der Tumult nochgrößer, weil berittene Sch utzleute eingriffen. Das rief auch den I a n- Hagel auf den Plan, der die Polizisten mit Steinen, Kon. servenbüchsen. faulen Aepfcln usw. bewarf. Wohl an 4000 Personen hatten sich auf dem Steinplatz angc- sammelt. Der Kampf wogte wohl drei bis vier Stunden hw und her. Der Firma Hann«mann wurden vier große Schaufensterscheiben zertrümmert. Mehrere Verletzte mit schweren Wunden wurden festgestellt. Abends um 9 Uhr wurde die Schließung der Wirtschaften angeordnet, doch zogsichderTumult biöum12 Uhrhin. Sonnabend wieder dasselbe Spiel, nur in versöhärftem Maße. Schon am frühen Morgen zeigte der Steinplatz wieder An- iammlungen. Abends kam es zu scharfen Zusammenstößen. Die Polizei hatte 30 Mann zu Fuß, sieben Berittene und die Hundrmeute aufgeboten. Besonders die Verwendung der Hunde ist außerordentlich gefährlich. Einem unbeteiligtem jungen Mann wurde von einer folckicn Bestie ein dreißig Zenti» meter langes Stück Fleisch aus dem Oberschenkel gerissen. Der Unglückliche mußte von Passanten zum Arzt getragen werden. Trotzdem war cS der Polizei nicht möglich, die Massen zu zerstreuen. Geschossen wurde gleichfalls, man weiß aber nickt von welöher Seite. Erst nach 12 Uhr trat wieder Ruhe ein. Es heißt, daß viele Verhaftungen erfolgt seien. Die Sozialdenidkratie steht diesen Borkommnissen fern und si« verurteilt auch die Taten des Janhagels. Sie ist aber auch der Ansicht, daß die Zusammenstöße wie überhaupt die Ansamm. lungen vermieden worden wären, wenn sich die Polizei nicht eingemischt und die Posten ln Ruhe gelassen hätte. Nament- Uch ist es aber die Verwendung der Berittenen und der Hunde wieder gewesen, die den Janhagel auf den Plan gelockt hatt_ Nationalliberale Kandidatur in Cannstadt-Ludwigsbnrg. Für den früheren Abgeordneten Hieb er. dessen Mandat durch feine Beförderung erloschen ist. haben die Nationalliberalen den Rechtsanwalt Friedrich L i st aus Reutlingen als Zwndidaten aufgestellt. Die Fortschrittliche Volkspartei ist noch unentschlossen, ob sie für List eintreten oder einen eigenen Kandidaten auf» stellen soll. Bei der letzten Wahl war daS Stimmenverhältnis folgendes: Hieber erhielt 13 787 Stimmen. Genosse Keil 15 488. Die Ent» scheidung wird, falls eS zur Stichwahl kommen sollte, bei den Bauernbündlern liegen, die einen eigenen Kandidaten aufstellen werden._ Arbeit entehrt! In einem Dörfchen des Eistales wohnt ein baye- rischer Graf Max v. Tauffkirchen zu Guttenburg. Kle» Ving, Katzenberg und Engelburg , der seine aus Frau und sieben Sprößlingen bestehende Familie auS dem Ettrage einer kleinen Gast- und SchankivirtschaftZum Ochsen" ernährt. Weil nun aber nach dem bayerischen Adelsgesetz die Ausübung eines Gewerbes bei offenem Laden oder Kram, wozu auch die Ausübung deS Gast- wittsgeiverbes gehört, die Suspension vom Adel zur Folge hat, ist. wie dieFrankfutter Ztg." meldet, dem Ochsen- Witt kürzlich dieFührung desGrafentitelsunter- s a g t worden, das heißt, die Titelführungruht" so lange das Geschäft betrieben wird. Also wird der ehr- liche Mann behandelt, wie im Mittelalter dieunehrlichen" Leute behandelt wurden! Das Zugeständnis, daß unsere Adligen ehrliche Arbeit att entehrend betrachten. ist wunderhübsch!Z Die standes- gcmäßeste Beschäftigung süd- wie norddeutscher Junker ist es ja entschieden auch, als moderne Strauchritter durch Brot- und Fleischwucher, Branntwein-LiebeSgaben u. dergl. die Masse des arbeitenden Volkes auszuplündern! Militärische Erziehungsfrncht. In einer Kantine auf dem Truppenübungsplatz Alten-Grabow entstand am 80. April d. I. zwischen Infanteristen und Artilleristen Streit, der in eine Schlägerei überging. Hierbei erhielt der Artillerist Leonhardt vom 19. Feldartillerie-Regiment in Erfutt einen schweren Hieb mit dem Bierseidel über den Kopf, an dessen Folgen er starb. Als Täter wurde der Füsilier Müller vom 36. Jnfanterie-Regiment in Halle ermittelt. Vom Kriegs. gcricht der 8. Division in Halle wurde M., der von seinem Haupt» mann als ganz vorzüglicher Soldat gerühmt wurde, zu S Jahre Gefängnis verurteilt. Es ist bekannt, daß auf UebungSplätzen zwischen den ver, schiedenen Truppengattungen stets Awistigkeiten bestehen, aus btntu sich oft blutige Schlägereien entwickeln. Opfer des Mansfelder Streits. Leipzig , 30. Mai. Das Reichsgericht verwarf heute die Redi, sion der Bergleute Scharfer und G e p p e r t, die von der Strafkammer Eisleben wegen versuchter Nötigung und Ver- rufSerklärung während des Mansfelder Bergarbeiterstreiks zu Ge- fängnis verurteilt worden waren. Ebenso wurde die Revision der Bergleute GoeSler und Siching, die vom Schwurgericht Halle aus des gleichen Anlaß vxrlllteilt wozden vavm folvie