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NeichSkag vorgelegt. De? wichtigste davon ist der über die Kol»> lektivver träge. Dieser Entwurf sollte ganz besonders dazu dienen, den Arbcitsfrieden zu sichern und die Gesellschaft vor solchen ungeheuren Kämpfen, wie der im Jahre 1903, bewahren. Das war die Absicht des Reichstages, als er seinerzeit die Anregung zu einer solchen Gesetzgebung gab. Aber der Regierungsentwurf ist in teiner Weise geeignet, diesem Zwecke zu dienen. Die Regierung hat eben einseitig die Wünsche der Unternehmer berücksichtigt. Das in den meisten Tarifverträgen festgelegte Recht, trotz der Verträge Sympathieaussperrungen und Streiks zu veranstalten, soll nach den Vorschlägen der Regierung legalisiert und insofern noch erweitert werden, als Aenderungen bestehender Tarifverträge, die infolge solcher Sympathiekämpfe vereinbart werden, nach Ablauf der Ver- träge Geltung erhalten sollen. Wird in irgend einem Orte oder Betriebe ein Tarifvertrag gebrochen, so soll das ein Grund sein, den vielleicht für das ganze Reich geltenden Vertrag binnen drei Wochen aufzulösen. Der berüchtigte 8 23 des Tarifvertragsmusters der schwedischen Arbeitgebervereinigung, der das absolute Recht des Arbeitgebers, die Arbeit selbstherrlich zu leiten und zu verteilen, festlegt, fehlt in dem Gesetzentwurf auch nicht. Besondere Auf- merksamkeit hat die Regierung dengemeingefährlichen" Streiks zugewandt, und in dieser Hinsicht will sie durch Aenderungen der Strafgesetzgebung den im Staats- und Gemcindedienst tätigen Arbeitern das Streikrecht gänzlich nehmen. Die Gesetzentwürfe, unter denen auch noch einer über den individuellen Arbeitsvertrag, ein anderer über die Errichtung von Arbeitsgerichten und schließlich ein Vereinsgesetz ist, zeigen eines- teils, daß man der schwedischen Arbeiterschaft eine unverschämte Klassengesetzgebung aufhalsen wollte, und andererseits, daß die Regierungsmänner nicht die Fähigeit hatten, brauchbare und durch- führbare Vorschläge auszuarbeiten. Dies ist offenbar auch die Meinung des ReichstagsauSschusseS. Selbst die konservative Mehrheit des Ausschusses hat soviel an den Entwürfen auszusetzen, daß man schon deswegen voraussagen kann, daß sie in der vorgeschlagenen Fassung jedenfalls nicht Gesetz werden. Die sozialdemokratischen Ausschußmitglieder Lindquist und Nils Persson verlangen selbstverständlich Ablehnung der Klassengesetze, und die schwedische Arbeiterschaft hat dieser Tage im ganzen Lande in zahlreichen Massenversammlungen Protest erhoben gegen das Attentat der Regierung auf ihre so wie so schon allzu knapp be- messenen Rechte und Freiheiten. Von den Gesetzen ist am vorigenDienstag schon eins gefallen. Der Bereinsgesetzcntwurf wurde von der zweiten Kammer mit 126 gegen 82 Stimmen abgelehnt. Durch dieses umfangreiche Gesetz, das in seiner gewundenen Ausdrucksweise der großen Masse der Jnter- cssenten unverständlich bleiben mußte, sollte für Vereine und Ver- bände aller Art ein Registrierungszwang eingeführt werden, und es enthielt Bestimmungen, die sowohl auf die innere wie äußere Tätigkeit der Organisationen geradezu lähmend Wirken mußten wie ein« Totenhand, sagte der liberale Abgeordnete Widen  . Der Zweck des Entwurfs war natürlich, die Gewerkschaften zu treffen und auch die Arbeitergenossenschaften; aber um den Klassencharakter zu verschleiern, hatte man alle möglichen Organisationen, wie die in Schweden   sehr stark verbreiteten privaten Religionsgemein- fchaften, die Nüchternheitsorganisationen, die Wohltätigkeitsvereine usw. mit einbezogen. Das hat viel dazu beigetragen, daß dieses Machwerk des Justizministers mit so starker Mehrheit verworfen wurde. Der Justizminister hat damit wieder einmal eine schwere Niederlage erlitten. Uebrigens spielte er bei den Verhandlungen eine ziemlich traurige Rolle, indem er die guten Gründe der Gegner des Entwurfs damit zu widerlegen suchte, daß er siePhrasen" nannte, ein Wort, das er dann allerdings zurücknehmen mußte. Die anderen Gesetzentwürfe über die Tarifverträge usw. sind gestern in beiden Kammern des Reichstages zur Verhandlung ge- kommen. Die e r st e Kammer wurde innerhalb dreier Stunden damit fertig und nahm natürlich, den Wünschen des Unternehmer- tums entsprechend, die Gesetzentwürfe an. wie sie auch die Vor- schlage zu den neuen Strafgesetzparagraphen guthieß, die vor allem den Staats- und Gemeindearbeitern die Arbeitsniederlegung un- möglich machen sollen. In der zweiten Kammer dauern die Verhandlungen noch fort, jedoch sind in dem Gesetzentwurf über Tarifverträge die dom Unternehmertum besonders am Herzen liegenden Bestimmungen schon abgelehnt; so die über die Auf- Hebung ganzer Reichstarife, wenn sie an einem Orte oder in einem Betriebe außer Kraft gesetzt werden, die mit 198 gegen 195 Stimmen siel. Statt der gesetzlichen Sanktionierung der Sympathie- aussperrungen und-Streiks beschloß die zweite Kammer mit 129 gegen 96 Stimmen, daß alle derartigen Verletzungen bestehender Tarifverträge verboten sein sollen. Die dem§ 23 des Tarif- vertragsmusters der Unternehmer entsprechende Gesetzesbestimmung, die auch ein Organisationsverbot für die Werkmeister und Vor- gesetzten in den Betrieben enthielt, wurde mit 129 gegen v? Stimmen abgelehnt. KulUanä. Die Arbeit deS Galgens. Laut den Nachrichten, die in die Tagespresse gedrungen sind, wurden im April 41 Todesurteile gefällt und 18 Personen hingerichtet. Insgesamt wurden vom 1. Januar bis 1. Mai 201 Personen zum Tode ver- urteilt und nach den unvollständigen Angaben der Presse 91 Personen hingerichtet. In der Duma aber sprachen die Minister und die Redner der Mehrheits- Parteien von der Größe der Reformen, von den hohen nationalen Aufgaben, zu deren Verwirklichung die unauf­hörliche Arbeit den Galgens eine notwendige Vorbedingung ist. finnlsncl. Doknmentenraub. Dieser Tage wurden auf Befehl aus Petersburg   aus dem finnischen   Staatsarchiv in Helsingfors   alle wichtigen Dokumente des finnischen   Staatssekretariats von 1398 bis 1840 nach Petersburg  geschafft. ES ist nicht anzunehmen, daß die echtrusstsche» Staats- rechtSlehrer i la Deutlich diese Dokumente zu ihrer Belehrung brauchen. Vielleicht steht zu befürchten, daß man diese Dokumente, die für die russische Regierung unbequem werden könnten, den Finnen unzugänglich machen will. Cürhet. Die Operationen in Albanien  . Saloniki, 1. Juni. Die Division Torgut Schefket Pascha? hat auf den Höhen von Rahowitza die Vereinigung mit der Division Osman Pascha  ? vollzogen und mit 39 Bataillonen D j a k o v a und seine Umgebung besetzt. Die Truppen haben auch �mit der E n t w a� s n u n g der dortigen Arnauten begonnen, die bereits, ohne Widerstand zu leisten, zweitausend Gewehre abgeliefert haben. Ulis der Reicltsveriiclscrungsordnunfls- kommliiion. Gestern wurde in der Beratung der Kompromißvorschläge über die Errichtung der Abteilung für Arbeiter» Versicherung sBersicherungSamt) fortgefahren. Der nächste Vorschlag lautet: Die unteren Verwaltungsbehörden, Abteilung für Arbeiter- Versicherung, nehmen nach den Vorschriften dieses Gesetzes die Geschäfte der Reichsversicherung wahr und erteilen in Angelegen- Herten   der Reichsversicherung Auskunft. Die Abteilungen für Arbeiterversicherung können nach den Vorschriften dieses Gesetzes die Versicherungsträger in deren An- gclegenheiten unterstützen. Die Landesregierung kann den Abteilungen für Arbeiter- Versicherung noch andere Aufgaben aus der knappschaftlichen Ver- sicherung übertragen. Aus eine Anfrage wurde festgestellt, daß die Versicherungsämter die Versicherungsträger nur mit deren Zustimmung in ihren An- gelegenheiten unterstützen können. Der Paragraph wird mit großer Mehrheit angenommen. Daraus werden die Sonderversicherungsämter be- sprachen. In dem RegiernngSentlvurf war vorgeschlagen worden, daß Sonderversicherungsämter errichtet werden für 1. Bewieböver- waltungen und Dienstbetriebe des Reichs oder der Bundesstaaten, die eigene Betriebskrankenkassen haben, 2. Gruppen von Betrieben, sür deren Beschäftigte Sondcranstalten die Invaliden- und Hinter- bliebenenversicherung besorgen, 3. Gruppen von Betrieben, die Knapp- schaftsvereinen oder Knappschaftskassen angehören. Bisher war in der Konimission von den Abgeordneten durchweg gegen die Sonderversicherungsämter Stellung genommen. ES war denn auch sowohl von de» Sozialdemokraten als auch von den Kom- vromißparteien beantragt worden, die SonderversichcrungSämter zu st r e i ch e n. Gestern schlug Graf v. Westarp vor, die Beschlußfassung über die Smiderämter auszusetzen. Ministerialdirektor C a s p e r wies auf den vorgestern angenommenen Satz hin, daß die oberste Verwaltungsbehörde bestimmt, welche Behörden in jedem Bundes- staat als untere Verwaltungsbehörde im Sinne dieses Gesetzes zu verstehen sind. Diese Vorschrift gibt nach der Ausfassung des Ministerialdirektors den Regierungen die Befugnis, nach ihrem Belieben Sonderämter einzurichten. Hiergegen erhoben die KommisstonSmitglieder sofort Einspruch. Ebenso wurde dem Vorschlage des Grafen v. Westarp nicht zugestimmt, sondern in die Beratung der Sache eingetreten. Die Vertreter der preußischen Eisenbahn- und Bergwerksverwaltung legten sich mit großem Eifer für die Sonderämter ins Zeug, führten aber für ihre Forderung keinen einzigen Grund an. Neu ist nur, daß gestern auch ein Vertreter der Marineverwaltung erschienen war und daß er und die anderen Regierungsvertreter jetzt ganz besonders die Rücksicht auf die Disziplin als Grund für die Sonderämter geltend machten.. Dem Herrn wurde von mehreren Mitgliedern der Kommission versichert, daß er mehr gegen als für die Sonderämter gesprochen habe. Besonders entschieden traten unsere Genossen Schmidt und Molkenbuhr dem Herrn entgegen, indem sie nachwiesen, daß die Sonderämter auch nicht den geringsten guten Zweck haben, wohl aber die beteiligten Arbeiter schwer schäbigen können. Schließlich wurden die Sonderämter mit allen Stimmen gegen die des Abg. Schultz- Hannover   gestrichen. Sehr ausgedehnt war die nun folgende Debatte über den Vor- sitzenden des Versicherungsamts. Die RegierungS  - vorläge hatte einen besonderen Vorsitzenden verlangt, den sogen. VersicherungSanitmann. Die Kompromißparteien schlugen dagegen folgende Bestimmungen vor: Der Leiter der unteren Verwaltungsbehörde ist der Vorsitzende der Abteilung für Arbeiterversicherung. Es kann ein Stellvertreter des Vorsitzenden, der durch Vorbildung oder Erfahrung auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung geeignet ist, bestellt werden. Ist die Abteilung für Arbeiterversicherung bei einer gemeind- lichcn Behörde errichtet, so bestellt den Stellvertreter des Borsitzenden der Gemeindeverband, besten Bezirk den der Abteilung für Arbeiter- Versicherung umfaßt. Wo das Landesgesetz für die Wahl höherer gemeindlicher Beamter eine Bestätigung vorschreibt, gilt sie auch für die Bestellung deS Vorsitzenden der Abteilung für Arbeiter- Versicherung. Die Sozialdemokraten forderten in erster Linie: Die Beisitzer des VersicherungSamtS wählen den Vorsitzenden des Ver- sicherungSamts. Als Vorsitzender soll in der Regel nur gewählt werden, wer zum höheren Verwaltungsdienst oder zum Richteramt befähigt ist. Andere Personen können gewählt werden, wenn sie durch Vorbildung und Erfahrung auf dem Gebiete der ReichSver- sicherung geeignet sind. Unsere Genossen vertraten die Ansicht, daß die Beisitzer ganz gut in der Lage seien, den geeignetsten Vorsitzenden auszuwählen. Der Antrag wurde aber mit allen gegen die Stimmen der Sozial- demokraten, des Polen   und der Wirtschaftlichen Vereinigung ab- gelehnt. Außerdem lag der Antrag deS Zentrums vor, in dem Antrage der Kompromißparteien Absatz 1 an Stelle des zweiten Satzes folgenden Absatz 2 einzufügen: Es kann ein ständiger Stellvertreter bestellt werden. Als solcher soll in der Regel nur ernannt werden, wer zum höheren Verwaltungsdienst oder zum Richteramt besähigt ist. Andere Personen können ernannt werden, wenn sie durch Vorbildung und Erfahrung auf dem Gebiete der Reichsversicherung geeignet sind. Der ständige Stellvertreter kann noch andere Dienstgeschäfte führen. Ist die Abteilung bei einer staatlichen unteren Ver- waltungSbehörde errichtet, so ernennt den ständigen Stellvertreter die oberste Verwaltungsbehörde. Ist die Abteilung bei einer gemeindlichen Behörde errichtet, so ernennt ihn der Vorstand des Gemeindeverbandes. Zur Begründung dieses Antrages wiesen die Zentrums- Vertreter darauf hin, daß nur dann das Versicherungsamt seinen Aufgaben gerecht werden kann, wenn an seiner Spitze ständig ein wirklich geeigneter Mann steht. Die Sozialdemokraten beantragten, daß ein ständiger Stellvertreter des Vorsitzenden gewählt werden muß, nicht nur kann. Genosse Hoch erinnerte daran, daß seit jeher über zu große Be- lastung der unteren Verwaltungsbehörde geklagt werde. Deshalb werde auch überall ein ständiger Stellvertreter des Vorsitzenden notwendig sein. Wird das aber nicht ausdrücklich im Gesetz vorgeschrieben, so werden in vielen Bezirken niemals ständige Stellvertreter gewählt werden. In Preußen z. B. soll die Wahl durch die Kominunalverwaltung ge- scheheu. In den ineisten Kreiskonimunalverbänden aber ist die Mehrheit so reaktionär, daß sie niemals für solche Zwecke einen neuen Beamten anstellen wird. Für den Antrgg erklärte sich ent- schieden der Staatssekretär, da auch er. eine sachgemäße Wirksamkeit der Versicherungsäniter für ganz ausgeschlossen hält. wem, an der Spitze des Versicherungsamts nicht ein geeigneter, ständiger Vorsitzender steht. Der Antrag wurde jedoch mit allen Stinmien gegen die der Sozialdemokraten, deS Polen  , der Wirtschaft- lichen Vereinigung und der Abg. Becker und Schiffers abgelehnt. Ferner beantragten die Sozialdemokraten, daß andere Personen als ausgebildete Juristen nurmit Zustimmung der Bei­sitzer de? VersicherungSamtS" zu stellvertretenden Vorsitzenden er- nannt werde» können.'Dies sei die einzige Sicherheit dagegen, daß nicht etwa ausgediente Offiziere-- wie es bereits von Konservativen gefordert worden sei oder andere ganz ungeeignete Personen nach einer kurzen und oberflächlichen Ausbildung an diese Stellen gesetzt würden. Auch dieser Antrag wurde»iederge stimmt mit allen Stimmen gegen die der Sozialdemokraten und des Polen  . Endlich wollten die Sozialdemokraten die Berechtigung, daß dem ständigen Stellvertreter noch andere Dienstgeschäfte zu- gewiesen weiden, so beschränken, daß die Geschäfte sozialpolitischer Art sein müssen; insbesondere dürfe der Vorsitzende des Versicherungs- amteS auch Vorsitzender des Gewerbe- und KaufmannsgerichtcS sein. Auch hiergegen stimmten alle Parteien mit Ausnahme der Sozial- demokraten und des Polen  . Damit waren alle AbändernngZanträge zum Antrage des Zentrums abgelehnt. Der Antrag des Zentrums aber wurde ebenfalls ab- gelehnt und zwar mit 1b gegen 13 Stimmen. Für den Antrag stimmten außer dem Zentrum nur die Sozialdemokraten, der Pole und die Wirtschaftliche Vereinigung. Schließlich wurde der Kompromiß-' antrag unverändert angenommen. Der RegierungSentwnrf schlug bor  , daß für iedeS Arbeitsamt mindestens zwölf Beisitzer, sechs Arbeitervertreter und sechs Arbeitgebcrvertreter, gewählt werden sollen. Die Zahl kann vom Versicherungsamte mit Genehmigung deS Oberversicherungsamts(o- wie von diesem nach Anhören des VersicherungSamtS erhöht werden. Die Sozialdemokraten hatten beantragt, daß die Zahl aus 24 erhöht werde. Die Konservativen wollten die Festsetzung der Zahl dem Ermessen der unteren Verwaltungsbehörden über- lassen. Diese Abänderungsanträge wurden aber abgelehnt und der Wortlaur der Regierungsvorlage angenommen. Schließlich wurde mit der Beratung des Wahlverfahrens für die Beisitzer begonnen. Die Debatte mußte aber abgebrochen und auf morgen vertagt werden. Hut der luitizllommiiiion. Die Debatte setzte auch in der Mittwochsitzung der Justiz- kommission bei der Bestimmung über den Erlaß deS Hast­befehls recht lebhaft ein. Nach dem 8 112 kann im allgememen das Gericht nur auf Antrag'der Staatsanwaltschaft einen Haft» besehl erlassen und nur im Falle der Gefahr selbständig vorgehen. Dazu beantragten unsere Genossen, die Gerichte gegenüber der Staatsanwaltschaft unabhängiger zu machen und ihnen das Recht zu geben, ohne einen Antrag der Staatsanwaltschaft ablvarten zu müssen, Verhaftungen vornehmen zu können. Die Regierungsvcr- treter wandten sich ungemein hartnäckig gegen unseren Antrag und wiesen daraus hin, daß mit dieser Aenderung das System der all- gemeinen Initiative der Staatsanwaltschaft erschüttert werde. Hieran wolle die Regierung aber nichts ändern. Die Regierung?- Vorlage fand nur eine sehr knappe Mehrheit; denn unser Antrag wurde mit 15 gegen 13 Stimmen abgelehnt. Ein national. liberaler Antrag, wonach das Amtsgericht, in dessen Gerichtsstand sich der Verdächtige aufhält, auch ohne Antrag verhaften kann, wurde angenommen. Besonders heiß umstritten wurde der§ 113, der besagt, daß, wenn in einem Falle, in dem nur auf Antrag Strafverfolgung ein- tritt, ein Haftbefehl erlassen wird, die Antragsberechtigten sofort benachrichtigt werden müssen. Geht dann der Antrag auf Strafverfolgung nicht innerhalb einer Woche nqch dem Erlaß d» Haftbefehls ein, so ist er aufzuheben. Unsere Genossen beantragten, in Antragssachen erst dann d,e Verfolgung eintreten zu lassen, wenn der Antrag gestellt ist. Der Erlaß eines Haftbefehls soll, solange ein Autrag auf Strafverfol- gung noch nicht vorliegt, unzulässig sein. Bleibt aber die Möglichkeit bestehen, ohne vorherigen Antrag einen Haftbefehl er- lassen zu können, so soll in dem i5alle, wenn der Verhaftung kein Antrag folgt, der den Haftbefehl erlassende Beamte dem Verhafteten haftpflichtig sein. Und zwar soll der Verhaftete außer seinen allgemeinen Schadenersatzansprüchen, Anspruch aus Zahlung von 199 M. für jeden Tag der erlittenen Haft haben. Der Staat soll für diesen Anspruch haften. Begrün- dend wurde von unserer Seite ausgeführt, es solle eine größere Garantie gegen die so häufig ganz unnötigen Strafverfolgungen wegen Beamtenbeleidtgungen geschaffen und der so oft recht übertriebene Eifer allzu schneidiger Staatsanwälte ein- gedämmt werden. Die Regierungsvertreter wollten von diesen Garantien nichts wissen. In der Abstimmung wurden unsere Anträge, für die nur der alte Träger und der Pole mit unseren Genossen stimmten, abgelehnt. Auch alle übrigen von den bürger- lichcn Parteien gestellten Abänderungsanträge wurden abgelehnt und der Regierungsvorlage nur der Zusatz auf Antrag des freifinnigen Abgeordneten Dove angefügt, daß in Privatklage- sachen nur dann ein Haftbefehl erlassen werden darf, wenn bereits ein Antrag vorliegt. Zum 8 114, der die Bestimmungen über die Formalitäten des Haftbefehls enthält, beantragten unsere Genossen, in den Haftbefehl auch das Datum seiner Ausstellung aufzunehmen und dem Verhafteten eine Abschrift des Haftbefehls zu erteilen. Ferner beantragten die Sozialdemokraten, zu bestimmen, daß der Verhaftete zu befragen ist, ob von seiner Verhaftung einer seiner Angehörigen oder eine dritte Person benachrichtigt werden soll. Hat der Verhaftete diesen Wunsch, so ist ihm sofort stattzugeben. Vom Zentrum und den Polen   lagen ähnliche Anträge vor. Die Regierung, und mit ihr die Nationalliberalen, Antisemiten und ein freisinniger Redner wollten das Gesetz mit solchenSelbstver- ständlichkeiten" nicht belasten. Bei der Abstimmung wurde unter Ablehnung aller Anträge beschlossen, dem§114 hinzuzusetzen, daß dem Verhafteten auf Verlangen eine Abschrift des Haft» befehls auszuhändigen und daß der Verhaftete auf dieses Recht hinzuweisen tst. Ferner ist dem Verhafteten auf sein Ver- langen Gelegenheit zu geben, von seiner Verhaftung seine An» gehörigen, oder einen Dritten benachrichtigen zu können, wenn da» durch der Zweck der Untersuchung nicht gefährdet wird. Hua der Partei. Nachwehen vom Königsberger Schandsäulen-Urteik. Am Abend deS 14. August v. I. bereiteten die KönigSberaer Genossen dem au» langer Gefängnishast in die Freiheit zurück» kehrenden Genossen Marckwald. der die harte Strafe aus dem Schandsäulen-Prozeß verbüßt hatte, einen herzlichen Empfang. Viele hundert Genossen empfingen ihn am Bahnhof und begleiteten ihn KU dem Lokal, wo eine Begrüßungsfeier stattfand. Die Polizei sah n, der Begleitung MarckwaldS durch die Genossen einenZug", den sieaufzulösen" suchte. Genosst Dr. G o t t s ch a l k kritisierte nachher in seiner Begrüßungsrede das Verhalten der Schutzleute, deren einer dem Genossen Marckwald einen Blumenstrauß fortgenommen hatte. In dieser Kritik soll er die Schutzleute beleidigt haben. Da« Landgericht Königsberg verurteilte ihn am 1. Februar wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe. Ein Mitangeklagter JodieS ist wegen ge» fährlicher Körperverletzung und Widerstandes zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Auf die Revision JodieS wurde daS Urteil gegen diesen am 81. Mai vom ReichSgencht aufgehoben, weil der Angeklagte nicht auf einen veränderten rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen ist. Die R e v i s i o n deS Genossen Dr. G o t t s ch a l k wurde verworfen. Die Rache eines Abgesägte». Der von den Dortmunder Genossen au» der Partei auS« geschlossene Oberhauö kann nicht zur Ruhe kommen, alle mög» lichen Mittel versucht er, um sich zu rächen: BeleidigungS  » klagen und Meineidsanzeigen wechseln einander ab. Nach vielen Mißerfolgen hat er jetzt mal endlich wieder einen Erfolg" zu verzeichnen, nämlich die Verurteilung des Genossen B e r g e r. de» verantwortlichen Redakteurs derArbeiter» zeitung". Vor etlicher Zeit hatte schon ein BeleidignngSprozeß stattgefunden, der zwar auch mit einer Verurteilung BergerS endete. aber auch für Oberhau« eine vernichtende Niederlage bedeutete, denn alle Tatsachen wurden erwiesen, die zum Ausschluß Oberhaus' führen mußten. Die nächste Folge war, daß Oberhaus gegen zwei Zeugen in diesem Prozeß Strafanzeige wegen Meineids erstattete. ES handelte sich um die alten Genossen Bartels und Köhler; sie selbst betrieben die Beschleunigung deS Verfahrens. Der Denunziant wurde abgewiesen, daö Gericht beschloß Einstellung deS Ver- fahrens wegen Mangels jeglichen Beweises. Wegen des Bericht» über den ersten Prozeß fühlte sich Oberhaus ober auch wieder beleidigt und strengte abermals Klage gegen Berg er an, der wegen dieser Sache am Dienstag auch wirklich zu einer Woche Gefängnis verurteilt wurde. Ob- schon Berger zweifellos in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt hat, ließ das Gericht diesen Einwand doch nicht gelten. Es ist bestimmt anzunehmen, daß da« Urteil von der BerusungS- instanz aufgehoben werden wird. Umso mehr, als auch jüngst Oberhaus wegen Beleidigung des Genossen Wächter. deS Vcr- trauenSmanne? der Bergarbeiter, zu 1S9 M. Geldstrafe veriirieilt� wurde. Da« Gericht nahm frivole Verleumdung an, Oberhaus habe für feine unerhörten Behauptungen auch nicht den Schatten eines Beweises erbracht.