|r. 127. 27. Jahrgang.1. Wqe Ks Jotiüiirls" Snliin ilollioliliitt.Ittilng, 3. lani 1910.Abgeordnetenhaus.76. Sitzung vom Donnerstag, den 2. Juni,mittags 12 Uhr.Am Ministertisch: Filianziniilisier Freiherr v. Rheinbaben.Auf der Tagesordnung steht zunächst die einmalige Beratungdes Staatsvertrages zwischen Preuhen und Elsatz-Lothringen zurRegelung der Lotterieverhältnis se.Abg. Dr. Arendt(fk.) begrüßt den Vertrag als ersten Schrittzur Angliederung Süddeutschlands an die preußische Lotterie.Der Vertrag wird genehmigt.Einige kleinere Vorlagen werden ohne Debatte erledigt.Der Gesetzentwurf, betreffend die Aenderung der Landgerichts-bezirke Krefeld-Kleve und München-Gladbach wird inzweiter Beratung nach längerer Debatte angenommen.Hierauf wird die seinerzeit abgebrochene Beratung deS Antrages Borgmann<Soz.), betreffend Aufhebung des sogenanntenVagabundenparagraphenfortgesetzt.Abg. Gyßling sFortsch. Vp.): Wir halten, wenn nicht eine Auf-Hebung, so doch mindestens eine Reform dieses Paragraphen fürdringend notwendig und beantragen daher die Ueberweisung desAntrages an die verstärkte Gemeindekommission. HervorragendeAutoren sind im Gegensatz zum Oberverwaltungsgericht derMeinung, daß dieser Paragraph überhaupt nicht mehrrechtsgültig ist. Schon dies sollte uns veranlassen,die Frage in der Kommission eingehend zu prüfen. Fernermuß ausgeschlossen werden, daß auch politische Gründemaßgebend sein können, um jemand den Aufenthalt zu verweigern.Es kommt weiter in Betracht, daß die Verweigerung des Auf-entHaltes heute nur beim Anzug möglich ist. Es kann sich aber imLaufe der Zeil herausstellen, daß gar kein Grund zur Verweigerungdes Aufenthaltes vorliegt. Es sollte daher eine gewisse Frist zurVerweigerung des Aufenthalles festgelegt werden. Endlich mutzauch verlangt werden, daß die Gründe der Verweigerung der be-troffenen Partei angegeben werden. sBravo I links.)Unterstaatssekretär Holtz: Die Regierung hält die Aufrecht-erhaltung des Paragraphen für notwendig. Durch einenErlaß ist die Durchführung dieses Paragraphen eingehend geregeltworden, und diese Regelung hat sich durchaus bewährt.In den letzten Jahren sind Beschwerden über die Handhabungdieses Paragraphen überhaupt nicht mehr bekannt geworden. Essind auch 1908 und 1609 nur einige 30 Fälle von Ausweisung inBerlin erfolgt, obwohl 1908 über 1000 und 1909 etwa 750 schwerbestraste Personen zugezogen sind.Abg. Lusensky(natl.): Die Bedenken einzelner juristischerAutoren, daß der Paragraph nicht rechtsgültig sei, werden von derPraxis nicht geteilt. Wir können dem Antrag Borgmann nichtzustimmen. Bei einer Neuregelung der Polizeiaussicht wird sichmöglicherweise der Paragraph überflüssig machen. Richtig ist. daßder Polizei fast schrankenlose Bollmacht durch den Paragraphen ge-geben ist. Daher halten wir es für angebracht, zu prüfen, ob dieseBefugnisse nicht einzuschränken sind und stimmen dem Antrag aufKommissionsberatung zu.Abg. Dr. Liebknecht(Soz.):Der Erlaß, den der Herr Unterstaatssekretär erwähnte, istuns leider nicht im Wortlaut mitgeteilt worden. Der Gesichts-Punkt, daß das Gesetz nur Anwendung finden soll beischweren Verbrechern, hat früher jedenfalls nicht Anwen-dung gefunden« Das Gesetz ist vielmehr in sehr rigoroserWeise angewandt worden auch da, wo eS sich nur um geringfügigeKörperverletzung gehandelt hat usw. Das Gesetz ist auch, wie ichnachgewiesen habe, vielfach politisch gemißbraucht. Allerdings sindmir in der letzten Zeit Fälle dieser Art nicht bekannt geworden.doch wurde vor wenigen Jahren einem Anarchisten, der nur ausGrund eine? Preßvergehens verurteilt war, der Aufenthalt inBerlin auf Grund dieses Paragraphen unmöglich gemacht. UebrigenList auch unser Parteigenosse Abg. Hoffmann am 5. November1894 von diesem Gesetz betroffen worden; er erhielt damalsfolgende Verfügung:„ES ist zu meiner Kenntnis gelangt, daß Sieseit dem Jahre 1891 zu Magdeburg, Zeitz, Naumburg wiederholtwegen öffentlicher Beleidigung und Vergehens gegen das Preßgesetzmit Geldstrafe und Gefängnis bestraft sind."— Ich bemerke, eskleines feuilleton.Die Herkunft der Menschen. Wie die„Tägl. Rundsch." zu be-richten weiß, hat Prof. Koch, über seine Meinung von der Herkunftder Menschen befragt, sich einmal folgendermaßen geäußert:„Ich glaube, daß es nur zwei Menschenrasse n�gibt,eine hellfarbige und eine dunkelfarbige. In der Schulewurde uns noch gelehrt, es gäbe fünf; in Wirklichkeit ist klar, daßKaukasier, Mongolen und Indianer eng zu einander gehören. DieMalayen sind eine Mischrasse aus Mongolen und Schwarzen, undnur die Schwarzen sind eine Rasse für sich. Eineinteressante Analogie, aus der ich aber keineswegs auf eineunmittelbare Deszendenz im Sinne mißverstandener Darwin-scher Ideen schließe, zeigt sich bei den menswenähn-lichen Affen. Auch hier haben wir eine dunkle Rasse, Schim-pause und Gorilla, und eine helle, den Orangutang. Leider Heimatliegt am Aequator, wo auch der Mensch zu Hause ist. Denn kämeder Mensch nicht vom Aequator, so wäre er nicht nackt. Dieschwarzen Menschen wohnen dort, wo die schwarzen A f fse n sitzen;die H e l l e n kommen von dort her, wo die h e l l e n Affen vorkommen.Die schwarzen Affen und Menschen haben krauses, die hellen straffesKopfhaar. Wann die Gablung vorgekommen ist, weiß ichnicht."—Theater.Deutsches Theater. Sommerga st spiel unter derDirektion von Emil Geyer:„lieber unsere Kraft".Schauspiel von B j ö r n s o n. Herr Geyer, der Leiter des märkischenWandertheaters, eröffnete die Reihe seiner Sommervorstellungen aufder Reinhardlbühue im Zeichen des großen Toten dieses Frühjahrs.Ibsens Weltruhm überstrahlt den Björnsons und wird ihn immeruberstrahlen, aber für die eigene Nation ist Björnson, mit allenFasern in der Heimat wurzelnd und ein unermüdlich leidenschaft-licher Mitstreiter in den Freiheitskämpfen, mehr gewesen: eine jenerbodenwüchsig-repräsentativen Naturen, die in lebendigem Kontakt mitder Menge Gefühl und Willen machtvoll in Bewegung setzenkönnen. Dieses Moment hob der kurze, von Herrn Geyergesprochene Prolog. den Gegensatz zu dem modernenkampsflüchtigen, weltfremd verzärtelten Artistenwme streifend, alsdas Entscheidende mit markigen Worten hervor.Der erste Teil von„Ueber unsere Kraft" ist unter allen DramenBjörnsonS der eigenartigste und kühnste Wurf. Dos Werk führt denZuschauer in eine fremde Welt: ins Land der Mitternachtssonne, wodie Natur in„Riesenverhältnissen und Kontrasten" sich dehnt, wofurchtbare Stürme die vom Eismeer strömenden Wogen gegen schroffeFelswände schleudern, endlose Winternächte die einsamen Seelen inschwermütig phantastisches Grübeln wiegen— ein Milieu, das, weitab vom Flachlande der Zivilisation, alle Vorbedingungen für dieErhaltung naiv religiöser Wundergläubigkeit in sich birgt.Nur im Zusammenhange mit jenen Hintergründen, die desDichters Kunst heraufbeschwört, werden die Gestalten, wirddie Zuspitzung des ganzen Konflikts auf die Frage, obes dem Christus nachstrebenden Pfarrer Sang durch dasGebet gelingen wird, sein krankes Weib zu heilen, wird die mächtigehandelte sich um drei kurze Strafen von 10 Tagen, 14 Tagen undeinem Monat. Der Erlaß fährt fort:„Von der mir gesetzlich zu-stehenden Befugnis, bestrafte Personen vom Aufenthalt in Berlinausznichließen, will ich in, vorliegenden Fall mit Rücksicht darauf,daß Sie hier einen reellen Broterwerb gefunden haben, vorläufigkeinen Gebrauch machen und Ihnen den Aufenthalt hier versuchsweisegestatten. Es geschieht dies jedoch nur unter Vorbehalt jederzeitigenWiderrufs und in der Voraussetzung, daß Sie weder zu polizeilichemnoch zu gerichtlichem Einschreiten Anlaß geben werden."Gegenüber dieser Verfügung bemerke ich, daß das Gesetznur die Ausweisung neu Zuziehender gestattet, daß es alsozweifellos eine Gesetzwidrigkeit ist, jemand„vorläufig" zuzu-lassen und sich den Widerruf der Zulassung vorzubehalten.Jin übrigen ist Herr Hoff mann ein geborener Berliner.und daher war es der Polizei außerordentlich schwer, ihn ausBerlin auszuweisen. Herr Hoffmann begab sich auf das Polizei-Präsidium, um dem Grafen Stillfried klarzumachen, daß eine Aus-Weisung bei ihm nicht in Frage kommen könne. Graf Stillfriedverwies ihn darauf, daß er zehn Jahre von Berlin abwesend ge-Wesen sei. Herr Hoffmann erwiderte, daß daran sieben Wochenfehlten und antwortete auf die erstaunte Gegenfrage, wo erdenn diese sieben Wochen gewesen sei: Moabit, Unter-s u ch u n g s g e f ä n g n i s, vom 7. Januar bis 23. Februar 1384.(Heiterkeit.) Herr Hoffmann ist damals nicht aus Berlin aus-gewiesen. Sie sehen aber daraus, wie man dieses Gesetz anwendenkann und es früher anzuwenden versuchte. Ich traue der preußischenPolizei nicht über den Weg. Wenn sie eine Machtbefugnis in derHand hat, die sie heute nicht anwendet, so sind wir doch nichtsicher, daß sie nicht bereits morgen einen höchst verwerflichen Ge-brauch davon macht.(Sehr wahr! bei den Sozialoemokraten.)Wir verlangen, daß eine Reform auf gesetzlichem Wege er-folgt, daß den Grundsätzen der Humanität aus diesem Gebiete ineiner Weise, die die Polizei bindet und ihr die Möglichkeit jederWillkür raubt, Rechnung getragen wird. Wenn in der letzten Zeitkeine Klagen zu den Ohren der Regierung gekommen sind, so beweistdas nichts. Wer in der Praxis des Lebens steht und speziell alsJurist, weiß, wie häufig gerade das schwerste Unrecht den am meistenbedrückten Personen geschieht, ohne daß diese auch nur diemoralische Fähigkeit besäßen, zu remonstrieren. Ich bitte Siealso dringend, unserem Antrag zuzustimmen.(Bravo I bei denSozialdemokraten.)Damit schließt die Debatte. Der Antrag auf Ueberweisung desAntrages Borgmann an die Gemeindekommission wird ab-gelehnt, ebenso der Antrag selbst.Es folgt die Beratung des Antrages Borgmann(Soz.), betr. dieBehandlungausländischer politischer Polizcibeamten und Zlgentcn.Der Antrag lautet:„Das Haus der Abgeordneten wolle be-schließen, die Regierung zu ersuchen, ungesäumt dafür Sorge zutragen, daß dem Treiben von Beamten oder Agenten der politischenPolizei außerdeutscher Staaten in Preußen ein Ende gemachtw i r d."Abg. Dr. Liebknecht(Soz.):Schon im Januar 1004 hat der„Vorwärts" unter der Spitz-marke„Preußen eine russische Spitzelbude" geschrieben:„Der Ober-spitze! in Berlin ist ein Herr, der von seinen Untergebenen ehrfurchts-voll mit Exzellenz angeredet wird. Sein Gehalt, das er vonder russischen Regierung bezieht, ist in der Tat daS einer Exzellenz,er bekommt jährlich 36 000 Mark, also genau so viel wie einpreußischer Minister."(Hört! hörtl bei de» Sozialdemokraten.)Das war der später so berühmt gewordene Harting. Aufeine sozialdemokratische Interpellation am 16. Januar 1904 imReichstag antwortete der Staatssekretär v. Richthofen:„Dem Reichs-kanzler ist bekannt, daß ein zur hiesigen russischen Botschaftgehöriger Beamter von seiner Regierung damit betraut ist, das Tunund Treiben russischer Anarchisten, die sich in Deutschland auf-halten, zu beobachten und die russische Regierung darüber fort-laufend zu unterrichten. Dem Reichskanzler ist nicht bekannt,daß dieser Beamte oder von ihm zur Hilfe herangezogenePersonen in Deutschland Verbrechen verübt oder versucht hätte,andere Personen zur Begehung von Verbrechen zu bestimmen. EineBeseitigung deS bestehenden Zustandes erscheint dem Herrn Reichs-kanzler daher nicht angezeigt."(Hörtl hört! bei den Sozial-demokraten.) Die hier als offiziell akkreditiert bezeichnete PersonSpannung, in der das Volk— als Chor— des Ausganges harrt,verständlich. Nur auf diesen Grundlagen erhebt sich auch das Ringenund die Niederlage Sangs zu einem Schicksal von symbolischer Be-deutsamkeit.Wundervoll wurde der Geist der Dichtung im SpieleK a y ß l e r S lebendig. Er brachte einem die Figur zum Greifennahe, ohne ihr doch da? geringste vom Zauber ihrer imponierendenEhrwürdigkeit zu nehmen. In all' seiner Schlichtheit umwob diesenSang jener festlich sonntägliche Glanz, von dem sein Weib spricht.Man glaubte, daß die Menschen an ihn glauben. Ein fein ge-töntes Bild gab auch der andere von Berliner Bühnen hinzugezogeneGast: Frau Feh dm er in der Rolle der todkranken und doch vomGlücksgefühl unerschütterlicher Liebe beschirmten und getröstetenFrau. Die Kräfte des eigenen Ensembles können sich bei mancheranerkennenswerten Leistung naturgemäß mit diesen beiden Dar-stellern nicht messen. dtGastspiel des Kölner Residenz-Theaters(imLessing-Theater)j:„ K a s e r n e n l n f t" von H. M. Stein undErnst S ö h n g e n. Wieder ein Militärstück; doch wenigstens eins,das Schärfe des erschauten Lebens innerhalb der Kasernenmauernmit guter dramatischer Handwerkskunst vereinigt. Eine satirischeKomödie ist es freilich nicht; es bietet jedoch verschiedene Ansätzehierzu, insoweit nämlich, als die Soldatenschlaucherei aufgezeigtwird. Die Motive sind oft sehr persönlicher Art. Wehe demGemeinen, der absichtlich oder unabsichtlich einem Vorgesetzten einMädel wegschnappt! Der Musketier Hans Frizzen befindet sich indiesem Falle. Zwischen ihm und der Nichte des Feldwebels hat sichein Liebesverhällnis entsponnen. Sobald der Unteroffizier Faller, dendas Mädchen abgewiesen bat, dahinter gekommen ist, peinigt er denRekruten im Dienst, wo und wie er kann. Der kommt gar nicht mehraus dem Stubenarrest heraus. Leuchen wird von dem Verschmähtenverleumdet, sogar öffentlich als Rekrutendirne beschimpft. Schließlich.als Hans die Quälereien nicht mehr ertragen kann, desertiert er.Sein Vater, ein Gendarmcriewachtmeister, feiert gerade sein vierzig-jähriges Dienstjubiläum, als Hans ins Haus kommt. Natürlichfreut sich der Alte. Die Freude wird aber rasch ins Gegenteil ver-kehrt. Während man gemütlich beim Punsch sitzt, kriegt der beimFeste anwesende Bezirksfeldwebel aus telegraphischem Wege Befehl.den Ausreißer zu verhaften. Der eigene Vater stülpt den Helm auf,schnallt den Säbel um und bringt den Jungen in die Kaserne zurück.Unterdessen ist Faller nicht müßig geblieben. Er will Hans durch-aus auf Festung bringen. Es ist gerade Schrankrevision: manfahndet wieder mal nach antimilitaristischen Flugschriften, die in dieKaserne geschmuggelt worden sein sollen. Der Unteroffizier besitzteinige Exemplare. Eins davon steckt er in Fritzens Schrank. DerHauptmann ist zwar schon mißtrauisch gegen Faller geworden,jetzt aber läge der Beweis gegen HanS offen da—wenn nicht der Polack SchwienSki, wie er dem Fallereine Zigarre aus der Tischschublade mopste�, darin auchsolche Schriften gesehen hätte. Nu» ist Fallers Schurkenhaftigkeitentlarvt. Ihm wird der Prozeß gemacht werden— undso wendet sich dann noch alles zum guten. Die Autoren hüten sichaus guten Gründen, das Endresultat anzudeuten. Gar so hart wirdFaller ja kaum bestraft werden; denn er ist ein„tüchtiger" Unter-offizier; da pflegt selbst die gröbste Verfehlung milde Richter zuist derselbe Harting. Die Beratung führte damals zu den heftigenAngriffen gegen die Regierung. Von Herrn Dr. Spahn wurdez. B. damals die Ausweisung der russischen Polizeiagentengefordert, und auch der Redner der N a ti o n a I l i b e r a l e nschloß sich der Verurteilung der russischen Polizei an. DieRegierung flüchtete sich dann nach altbewährtem Muster indas preußische Abgeordnetenhaus, wo sie ja immer sicher ist,ein bequemes Echo für jegliche kultuwidrigc Maßnahmen zu finden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Von kaum irgend einemVertreter der bürgerlichen Parteien wurde inr Abgeordnetenhause ein.energisches Wort gegenüber denselben Machenschaften gesunden, diezum Teil von den Angehörigen derselben Partei im Reichstagescharf verurteilt worden waren. Es siel damals aus dem Mundsdes Staatssekretärs v. Richthofen das vom Gesichtspunkt jeglichen Anstandes scharf zu verurteilende Wort, lvodnrch er dieEhre der russischen studierenden Frauen antastete(Lachenrechts), und das Wort des Reichskanzlers von den Schnorrer»und Verschwörern, das Deutschland in der Welt blamierthat.(Lachen rechts.) Und cS erfolgte die beschämendeAusweisung der russischen S t u d i e r e n d e n, die offenund würdig gegen diese Angriffe protestiert haften. Wir haben durchdokumentarische Festlegung dafür gesorgt, daß diese schmachvollenVorgänge der Nachwelt nicht vorenthalten bleiben. Diese Abhängig-keit der preußischen Polizei von Rußland stammt ja schon her ausder Zeit Friedrichs des Großen. Treitschke nannte diese PolitikFriedrichs des Großen die schliminstc Demütigung, der Preußenjenials unterworfen worden sei.(Hört! hört! b. d. Soz.) Schon zurZeit des Königsberger Prozesses wurde von uns als Verteidigern derVerdacht geäußert, daß jene blutrünstigen Schriften, mit denendamals der Minister v. Hammerstein im Aögeordiieteilhanse einenso glänzenden Erfolg erzielte, schwerlich ans anständige Weise andie Adresse der Personen gelangt seien, bei denen sie beschlagnahmtworden sind. Und auch bei dem Dynamit, das in dem Koffer desM i r s k i gefunden wurde, hat man vermutet, daß dunkle Ehren-mSnnrr ihre Hände dabei im Spiele hatten. In bezug auf dieFunde in der Pankstraßcwurde das so zur Evidenz dargelegt, daß die Polizei von weiterenMatznahmen A b st a n d nah m. Wir sind jetzt in der Lage, an derHand von zahlreichen Tatsachen darzulegen, wie wohl begründetdiese damals von der Sozialdemokratie ausgesprochenen Berniutungengewesen sind. Vor etwa l'/z Jahren begann der russische Re-volutionär B u r z e w mit den bekannten Enthüllungen über dierussischen Lockspitzel. Dadurch wurde nachgewiesen, daßAzcw der größte Lockspitzel,der größte Verräter der Welt gewesen ist. Er ist der Mitbegründerder sozial-revolutionären Partei Rußlands. Er gründete Organi«sationen, die zur Ausführung der Attentate bestimmt waren.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Er hat dieAttentatstechnik wieder auf die Bomben und das Dynamitzurückgeführt, er hat nach dem Attentat ans T r e p o lv die ganzeOrganisation in drei Abteilungen geteilt, die�die Ermordung desGroßfürsten Wladimir, des Großfürsien Sergius und desGenerals K ei b el zur Aufgabe haben solllen. Er bezog 30 000 M.jährlich für seine Tätigkeit. Dieser erbärmlichste JudaS, den es jegegeben hat, war es, der durch R u t h e n b e r g die Ermordungseines Konkurrenten Gapon durchführen ließ. Die Zahl der von ihmorganisierten Attentate ist enorm. Auf ihn fällt auch die Blutschuldfür die Ermordung jenes Fabrikanten Müller, der von TatjanaLeontjew an Stelle Dornowos getötet wurde. Solche Vorgängesind ja übrigens auch in Deutschland nicht ganz fremd. Icherinnere an dasNiederwald-Attcntat»von dem die Polizei so frühzeitig erfuhr, daß sie in der Lagegewesen wäre, es im Keime zu ersticken. Azelv war es, der dieAttentate auf S t o l y p i n ausgearbeitet hat, der auch 1907 einAttentat auf den Zaren vorbereitete, ebenso 1903, um seinenKredit bei den Revolutionären zu heben. Eine ganze Anzahl vonAttentaten, die er ausgearbeitet hat, ist auch ausgeführt worden. Icherinnere au P l e w e und den Großfürsten Sergius. DasAttentat auf Plewe wurde ausgeführt, weil Raschkowski, derfrühere Chef der russischen Geheimpolizei, der n,it Plewe inDifferenzen gekommen war und entlassen war, ihn beseitigen wollte.Die Folge war denn auch, daß Raschkowski wieder zum Ches derrussischen Geheimpolizei eingesetzt wurde. Aehnlich war es bei demfinden. Es sind aber in diesem militärischen Volksstück so vortreff«liche Oualiläten, so photographisch getreue und mit Witz und Humordurchfetzte Bilder aus der Mannschaftsstube wie auch aus dem Heimder„Kompagniemutter", daß der Zuschauer mitgerissen wird undschließlich innerlich herzlich froh ist, daß er enlweder nie den„Rockdes Königs" getragen hat oder ihm schon längst mit heiler Hautentschlüpft ist.... Das Stück wird brillant gespielt. ES hatteeinen durchschlagenden Erfolg. Beide Autoren wurden mit denHauptdarstellern oft vor die Rampe gerufen. e. st.Hebbel-Theater(Direktion Mauer):„Wem gehörtHelene?" Komödie in drei Akten von Eberhard Büchner.— Eingewisser A l b er tu S schrieb vor vielen Jahren eine Posse:„DieStubengenossen". In diesem lustigen Eiiiakter wird erzählt, wie einekluge Witwe ihre Bude an zwei Männer vermietet: einen Tag- undeinen Nachtarbeiter. Die beiden„Stubengenossen" dürfen natürlichnicht erfahren, welchen frommen Betrug die gute Frau sich da er-laubt, und als die Männer eines Tages durch einen Zufall in demgemeinsamen Zimmer aufeinander stoßen, gibt es die drolligstenVerwickelungen und Mißverständnisse, bis sich aufklärt, wasfür einen kecken Streich die biedere Dame sich geleistethat.— In Büchners„Komödie", die am Mittwoch zumersten Male über die Bretter kroch, haben wir auch den Nacht- undden Tagarbeiter, nur daß eine Kollegin jener schlauen Zimmer»Vermieterin das Späßchen riskiert, sich erst dem einen, dann demanderen der beiden„Ehegenossen" als Gattin antrauen zu lassen.Was sich bei Albertus in einem Akt schnell und glaubhaft abwickelt,das hetzt Herr Buchner in drei Aufzügen zu Tode. Kein Wunder,daß die fleißigen Schauspieler und Schauspieleriimen dem armseligenStücklein kein echtes Leben einzuhauchen vermochten. Weshalb dieZensur der Aufführung dieser„Komödie" Schlvierigkeiten in denWeg legte— das ist jedenfalls schwerer zu beantworten als dieFrage:„Wem gehört Helene?" Ob inaii am Alexanderplatz etwafürchtete, einige Berliner�Damen könnten in Versuchung kommen,Frau Birnbaum-Krauses bigamischen Ehescherz nachzumachen? linsscheint im Gegenteil: daß Buchners Bühnenwerk allenfalls im Sinneder AbschreckungS-Theorie nach jeder Richtung Dienste zutun geeignet wäre. Die bewundernswerteste Leistung bot dieDirektion: sie brachte es feriig, an dem schwülen Sommerabenddas Theater fast bis auf den letzten Platz ausznverschenken._ G. D.Notizen.— Ein sozialdemokratischer GeschichtS« Pro«fefsor. Die norwegische Regierung hat unseren Genossen Dr.Halvdan K o h t zum Professor der Geschichte ernannt. Koht istder erste Sozialdemokrat, der auf einen Lehrstuhl der UniversitätKristiania berufen wird. Er hat in seinen wissenschaftlichen Arbeitennicht allein gründliche und vielseittge Kenntnisse an den Tag gelegt.sondern auch bewiesen, daß er Mut genug hat, andere Meinungenals die der offiziell anerkannten Wlssenschaft zur Geltung zu bringen.Aus seiner Feder stammt auch eine allerdings nur kurz gefaßte Ge-schichte der norwegischen Sozialdemokratie, die einen Teil des voreinigen Jahren in Kopenhagen erschienenen Werkes„Socialdemo-kratiets Aarhundrede" bildet.