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isie allein die Macht hätken, reclitskräftig in den Grenzen des Groß- fürstcntumS die allgemeine lliechtsgcsetzgebungsgewalt auszuüben. ?>ls Selbstherrscher, der Rcichsgrundgesetze gebe, habe der Kaiser durch das Manifest vom 20. April sich das Recht vorbehalten, allgemeinstaatliche Gesetze festzusetzen. Stolypin fuhr fort: Ihnen liegt eine Frage von historischer Bedeutung vor. Man wird Sie auf die angebliche Meinn»rg Europas hinweisen und auf tau» sende von Finnländern im Auslande gesammelter Unter- f ch r i f t e n, doch darauf antworte nicht ich, sondern ganz Ruh- land. Viele begreifen wahrscheinlich nicht, daß Rußland bei der Neuordnung nicht zerfällt, sondern sich festigt. Eine Vernichtung unserer Heimat gibt sich kund in der Drohung mit passivem Wider- stand seitens einiger Finnllinder, ebenso auch bei ungebetenen Ratgebern und im Bedauern eines Teils unserer Gesellschaft, der weder an das Recht noch an die Kraft des russischen Volkes glaubt. Beweisen Sie, daß Sie hier Rußland verkörpern.(An- dauernder.stürmischer Beifall, Bravo rechts und beim Zentrum.) Die Rede ist deshalb interessant, weil Stolypin nicht ein- nial den Versuch inachen kann, das Recht Finnlands zu wider- legen: sie ist nichts als ein Appell an die brutale Gewalt. Der amerikanische Parteitag. New Siort, 22. Mai. Nach siebentägigen Verhandlungen ging der in C h i c a g o ab- gehaltene Parteitag der Socialist Party der Vereinigten Staaten gestern zu Ende. Zum ersten Male trat er in einen, Jahre, in welchem keine Präsidentenwahl stattfindet, zusammen, nachdem die Parteimitglieder sich in der Urabstimmung bei schwacher Beteiligung (mit 5020 gegen 3740 Stimmen) für seine Einberufung ausgesprochen hatten. Von den 129 Delegierten(einer auf je 300 Parteimitglieder) hatten 18 Vertreter der fremdsprachigen Organisationen nur be- ratende, aber keine beschließende Stimme. Angesichts der inneren Zerrissenheit der alten Parteien, der Demokraten und Republikaner, angesichts der Gärung unter der landwirtschaftlichen Bevölkerrmg und angesichts der Teuerung, des engen Zusammenschlusses dos Unternehmertums und der Verneinung des Koalitionsrechtes durch die Gerichte, was alles die Lage der Lohnarbeiter fortgesetzt schwieriger gestaltet, war der Parteitag von ganz besonderer Bedeutung. In Chicago wurde ein großes Stück Arbeit geleistet. Um eS zu bewältigen, hielten die Delegierten auch Abendfitzungen ab. Die Stellung der Partei zu der Gewerkschaftsbewegung und der Frauen frage wurde in recht glücklicher Weise festgelegt; jedes Wahlkompromiß mit bürgerlichen Parteien wurde verworfen. Da« gegen wurde die Beschlußfassung über ein Agrarprogramm auf den nächsten Parteitag verschoben. Nach dreitägigen VerHand- lungen gelangte am Mittwoch sodann eine Resolution zur Annahme, welche die Halmng der Partei zur Frage der Einwanderung umschreibt. Aber gestern beschloß der Parteitag auf Antrag deS kalifornischen Delegierten Wilson, eine nesue siebengliedrige Kommission zu bestellen und sie mit der erneuten Prüfung der Einwanderungsfrage und der Erstattung eines Berichtes auf dem nächsten, im Jahre 1912 stattfindenden Parteitag zu betrauen. Wahrhaftig daS beste, was überhaupt getan »verden konnte! Dem, der zur Annahme gelangte Antrag Hillquit stellt ein unglückliches Kompromiß dar. Für die internationale sozialistische Bewegung muß die Haltung, welche gerade die amerikanische Partei zu dem Beschluß des Stutt- aarter Kongresse» über die Aus- und Einwanderung einnimmt, von doppelter Bedeutung sein, da die Bereinigten Staaten von allen Ländern die größte, fich aus allen Weltteilen rekrutierende Ein- Wanderung ausweisen. Dem amerikanischen Parteitag lagen vier Anträge vor, die sich mit der Einwanderung befasien. Zwei der Empfehlungen gingen von der mit dem Studium der Frage und der Ausarbeitung von Vor- schlägen beauftragten Kommission aus. Die von W a n h o p e- New Dort namens der Mehrheit der Kommission eingereichte Empfehlung besagt inhaltlich: Dem vom Internationalen Kongresse zu Stuttgart über die Einwanderung angenommenen Beschlüsse haben wir keine besonderen Empfehlungen hinzuzufügen. Aber an- gesichts der derzeitig in den Vereinigten Staaten abwaltenden Ver- Hältnisse befürworten wir die bedingungslose AuS- f ch ließun g de r Ch i n efen, I ap an e r, Koreaner und Hindu. Wir wenden uns gegen die Einwanderung der Angehörigen dieser Nationen nicht wegen ihrer Zugehörigkeit!zu einer bestimmten Rasse, sondern darum, weil sie aus Ländern mit rück- ständiger Entwickelung kommen und eine Gefahr für den Fortschritt deS intelligentesten und aggresiv st en Elementes unserer Bevölkerung(der organisierien Arbeiterschaft) bilden. Demgegenüber trat der von Spargo-New Fork erstattete Minderheitsbericht für die bedingungslose Billigung der Stuttgarter Resolution und damit für die Beseitigung der die Einwanderung unterbindenden Gesetze ein. Nur das An- werben von Streikbrechern und von Lohndrückern im Auslande und die Herbeischaffung derselben durch die Unternehmer wollte auch Spargo, wie er in der Debatte noch ausdrücklich hervorhob, verboten wissen. Der von Hillquit-New Dorl eingereichte und mit der geringen Mehrheit von SS gegen 20 Stimmen angenommene Antrag lautet: Die Socialist Party der Vereinigten Staaten begünstigt alle gesetzlichen Maßnahmen, welche geeignet find, die Einwanderung von Streikbrechern und Kontraktarbettern sowie die durch Arbeit- geber künstlich ermunterte Masseneinwanderung von Arbeitern aus fremden Ländern zu verhindern." Lee- New Aork brachte zu der Hillquitschen Resolution einen Zusatzantrag ein. der sich inhaltlich mit der Empfehlung der Kominissionsmehrheit deckt, aber anders begründet ist. Lee möchte nämlich die Einwanderung der Chinesen, Japaner, Koreaner»nd Hindu nicht darum verboten wissen, weil die Angehörigen der ge- nannten Nationen wirtschaftlich rückständig sind, sondern weil sie meistens als Kontraktarbeiter nach den Vereinigten Staaten gebracht werden, ohne daß sich der schon im Auöwanderungs- lande erfolgte Abschluß eines Arbeitsvertrags nachweisen ließe. Durch diese Verklauseliernng dachte Lee einen direkten Widerspruch mit dem Stuttgarter Beschluß zu vermeiden. Dasselbe Bemühen verrät auch der zur Annahme gelangte Hillquitsche Antrag, der formell einen Gegensatz zu der Stellung- ahme des Stuttgarter Kongresses zu umgeben sucht, aber sachlich den Befürwortern des Ausschlusses derAsiaten" aus den Ver- einigten Staaten gerecht werden will. Gegen das Verbot der Einwanderung von Leuten, ivelche in« Auslande als Streik- brecher geworben lvurden oder ohne Kenntnis der amerikani- schen Lohn- und Lebensverhältnisse einen Arbeitsvertrag ein« gingen, erhebt sich in der amerikanischen . Partei kaum eine Stimme. Aber der von Hillquit gebrauchte Ausdruckkünstlich ermunterte" Masseneinwanderung ist denn doch zu dehnbar. Er läßt auch die Deutung zu(und m der gewagten Interpretation von Gesetzesbestimmungen sind unsere amerikamschen Juristen Meister), daß die künstliche Ermunterung in der Verbreitung der Nachricht von dem Unterschied, der zwischen den Erwerbsvechälwissen und der Lebenshaltung der Arbeiter des in Betracht kommenden AuS- wanderungSlandes und der werktätigen Bevölkerung der Vereinigten Staaten besteht, zu finden ist. In einer Hinficht geht HillquitS Antrag sogar noch weiter als derjenige der Kommissionsmehrheit. Diese wollte die Ausschließung auf die Angehörigen von vier Nationen beschränken. Anders der Hillquttsche Antrag, der sich als eine Verbeugung vor der American Federation of Labor(amerila- nischer Arbeite, bund) darstellt. Nun wendet sich aber die American Federation of Labor gegen die Ehmesen nicht als Rasse, sondern gegen die Einwanderung von billigen Arbeitskräften, als deren typische Vertreter eben die Chinesen angesehen werden. Dasselbe Argument läßt sich gegen alle Einwanderer au» Ländern von minderer kapitalistischer EntWickelung vorbringen. Zunächst gegen die S l a w e n, die I t a l i e n e r, die G r i e ch e n, die r u s s i s ch e n Juden, dann aber auch gegen D e u t s ch e. F r a n z o s e n und Briten . Will man konsequent sei», so muß man die Aus- schließung sämtlicher Einwanderer verlangen, welche aus Ländern mit einer niedrigeren als der amerikanischenLebenShaltung kommen. Ge- statten dürfte man die Einwanderung nur noch aus Kanada und Australien . Mit der Annahme deS Antrags Hillquit hat der Partei- tag eine schiefe Bahn betreten. Hoffentlich wird sie in zwei Jahren bei der erneuten Beratung über die Einwanderungsfrage ver- lassen. Kennedy-Pennsylvanien verwies auf dem Chicagoer Parteitag darauf, daß die Chinesen keineswegs im gleichen Maße die Löhne drücken, wie die aus Süd- und Osteuropa stammenden Arbeiter der pennshlvanischen Kohlenbergwerke. Bon anderer Seite wurde daran erinnert, daß die Löhne an der pacifischenKüste mit der verhältnismäßig zahl- reich st en chinesischen Bevölkerung höher find als im mittleren Westen, in den, es sozusagen keine Chinesen gibt. Der Angabe Spargos, daß zwar amerikanische Streikbrecher die Arbeitsplätze ausständiger Chinesen und Japaner einnahmen, daß aber umgekehrt die Chinesen und Japaner nicht zun, Streitbruch zu bewegen sind, wurde auf dem Parteitag nicht widersprochen. Sie darf also als richtig an- gesehen werden. Im Verlaufe der Debatte wurden für und wider die ver- schiedenen Anträge im allgemeinen von den Befürwortern der Vor- schlüge der Kommissionsmuiderheit prinzipielle Gründe neben solchen der Opportunität, von den übrigen Delegierten ausschließlich Ziveck- niäßigkeitsrücksichten ins Feld geführt. Nur eine Rednerin, Frau E. D. Cory-Washington, wollte die Chinesen wegen ihrer Rassen- zugehörigkeit aus den Vereinigten Staaten ausgeschlossen sehen. Richtig ist. daß sich mit der starken Einwanderung von Mongolen und Hindu eine zahlreiche, unter allen Umständen politisch entrechtete und darum den, Unternehmertum besonders genehme Arbeiterschicht ansammeln muhte. Denn nur Weiße und Neger können das Bürgerrecht der Vereinigten Staaten erwerben. Aber Abhilfe darf die Socialist Party nicht darin suchen, daß sie neben diesem einen Unrecht auch dasjenige des Verbotes der Einwanderung der Chinesen verewigen und daS Einwanderungsverbot auchoch auf Angehörige anderer Nationen ausdehnen will. Sturm mutzte die Partei gegen die beiden dem Geiste und Programm des internationalen klassenbewußten Prole- tariatS widersprechenden Bestimmungen laufe». politifcde(leberlicdt. Berlin , den 4. Juni 1910. Gefängnisarbeit und Feuerbestattung. DaS preußische Abgeordnetenhaus beriet am Sonnabend zwei Anträge von allgemeinem Interesse. Der erste, von dem Abg. Hammer(k.) gestellte Antrag, der den Schutz deS Handwerks gegen die Gefängnisarbeit betraf, ge- langte einstimmig zur Annahme. Für die Sozialdemokraten sprach Liebknecht , der sich dem Grundgedanken des Antrags sympathisch gegenüberstellte und in Uebereinstimmung mit dem Re- gierungsvertreter, dem Geheimrat Krahne , die Notwendigkeit betonte, die Gefangenen wieder dem sozialen Leben zurückzugeben. Recht beherzigenswert ist die Anregung unseres Genossen, in den Gefängnissen eine Art Lehrwerkstätten einzurichten, um auch solche Arbeiter zu erziehen, die bisher noch nicht für derartige Arbeiten geeignet waren. Weiter wies Liebknecht darauf hin, daß es er. wünscht wäre, zu dem von dem Antragsteller vorgeschlagenen Beirat, der die Frage der Gefängnisarbeit prüfen soll, nicht nur Vertreter deS Handels, des Handwerks und der Landwirtschast, sondern auch Vertreter der Arbeiter hinzuziehen. Heftiger platzten die Geister bei der Beratung deS freisinnigen Antrags auf Einführung der fakultativen Feuer- bestattung aufeinander. Der Antrag ist ein alter Bekannter, er ist bisher von der konservativ-klerikalen Mehrheit stets ab- gelehnt worden. Auch diesmal wieder zogen daS Zentrum, die Konservativen und die Polen heftig gegen ihn zu Felde, aber ver- gebenS, ihre Bänke wiesen so starke Lücken auf, daß der Antrag angenommen wurde. Zum ersten Mal äußerte sich auch ein Sozial- demokrat zu dieser wichtigen Frage. In kurzer, aber prägnanter Rede widerlegte er die von den Frömmlern gegen die Feuer. bestattung vorgebrachten Argumente und versetzte besonders dem Zentrum einige wohlverdiente Hiebe. Am Montag sollen wieder Initiativanträge beraten werden. Wichtigkeit!" Die erhitzten Glaubensstreiter»vollen nun ihr Gezänk in den Dreiklassenlandtag tragen. Für die Nationalliberalen hat Herr v. Hackenberg folgende Interpellation ein- gebracht: Die in demOsservatore Romano' Rr. 146 d. I. ver- öffentlichte Borromäusenzyklika enthält Schmähungen der evangelischen Kirche, ihrer Reformatoren und der der Reformation zugetanen deutschen Fürsten und Völker. »Welche Matzregeln gedenkt die königliche Staats- regierung zu ergreifen, um den durch d,e Veröffentlichung dieser Enzyklika bedrohten konfessionellen Frieden in Preußen zu sichern?" Hinter der nationalliberalen Konkurrenz dürfen die Kon- scrvativen schon aus Rücksicht auf ihre Pastoren, diese treff- lichcn, aus allgemeinen Staatsmitteln erhaltenen Wahlhelfer, nicht zurückbleiben. Sie interpellieren folgendermaßen: Was gedenkt die königliche Staatsregierung zu tun, um durch die preußische Gesandtschaft be,m Vatikan oder auf anderem Wege solchen Beschimpfungen der evangelischen Kirche. wie sie in der Enzyklika deS Papstes vom 26. Mai enthalten sind, und die den konfessionellen Frieden ernst- lich gefährden, wirksam entgegenzutreten?" Dies beiden katholischen Abgeordneten der konservativen Fraktion v. Gescher und WolkowSki haben die Int«- pellation nicht mitunterzeichnet. ES trifft sich sehr gut, daß als Unterzeichner der national- liberalen Interpellation derselbe Herr Hachenberg fungiert, der der Vater des berüchtigten Schul- k o m p r o m i s f e s ist. Die Nationalliberalen tragen die Hauptschuld an der Verschlechterung des preußischen Volks- schulwesens; sie haben die Konfessionalisierung der Schule auf dem Gewissen und haben dadurch das Gebiet des konfessionellen Haders erst recht ausgedehnt, die Herrschast der Kirche über die Schule befestigt. Und diese Leute wagen es jetzt, eine Entrüstungskomödie zu inszenieren, weil Pfaffen nicht lassen können, wovon sie doch leben: das konfessionelle Gezänk. Zuerst befestigen Konservative und Nationalliberale im Verein mit dem»Zentrum die Macht der Kirchen, weil sie in der Kirche ein gutes Mittel sehen, die Herrschaft ihrer Klaffe zu erhalten und den wachsenden Widerstand des Volkes zu ver- ringern, und dann stellen sie sich hin und tun entrüstet, wenn sich die diversen Kirchenväter in die Haare geraten. Als ob es nicht das gute Recht und daS Geschäft der Pfaffen wäre, die Brüdex von der anderen Couleur nach Kräften herunterzumachen. Und als ob an solchem Krakeel viel gelegen wäre, da doch glücklicherweise die Volks- maffen immer inehr sowohl von den einen als von den anderen nichts wissen wollen. Am komischesten sind die Konservativen in ihrer neuesten Rolle. Wenn auf irgend einem Gebiet, so sind doch gerade die Konservativen in dem Haß gegen die Aufklärung, gegen die Befreiung der Schule und des Lebens aus der religiösen Gebundenheit ein Herz und eine Seele mit dem Zentrum. Im Kampf gegen Geistesfreiheit waren Ritter und Heilige stets die treuesten Bundesgenossen. An dieser Bundesgenossen- schaft wird natürlich auch die bevorstehende Debatte nichts ändern. Der ganze Entrüstungsrummel ist eben nur eine nichtsnutzige Komödie, die die Herren allerdings inszenieren müssen, um ihre nicht allzu zahlreiche, gut- gläubige Gefolgschaft. die in der Ideologie der religiösen Vergangenheit noch befangen ist. darüber hinweg zu täuschen, daß sie in Wirklichkeit in allen realen Fragen ihrerPolitik mit demZentrum völlig eins sind. Wenn aber von manchen Seiten die Forderung der A b« berufung des preußischen Gesandten beim Vati- kan aufgestellt wird, so haben wir gegen die Auflassung dieses unnützen Postens gewiß nichts einzuwenden. Nur scheint es uns. daß dieser Schritt nicht der erste, sondern der letzte sein müßte der vollständigen Trennung der Kirche vom Staate. Neugierig darf man auf den Herrn v. B e t h- mann sein. In der bevorstehenden mittelalterlichen Disputation ist er eigentlich am richtigen Platz. Und da es dabei keine Gefahr hat, wird er vielleicht sogar einmal energisch werden und ein paar unfreundliche Worte verlieren. Liegt es ja auch in seinem Interesse, diese Komödie möglichst lange hinauszuziehen. Aber trotz aller Jnszenierungskünste wird das Spektakclstück nicht allzulange dauern, denn die Hauptperson, das Volk, ertellt eine Absage._ Noch ein paar Glossen zurZulage". Von einem Eingeweihten wird uns geschrieben? Die bürgerlichen Parteien haben sich geeinigt, in eine Er- höhung um 2Vj Millionen Mark ab nächsten Winter Etat für 1910/11 einzuwilligen. Die Regierung hat das für ungenügend befunden. Die sämtlichen Parteien haben sich dann bereit ge- funden, 3% Millionen Mark jährlich sofort zu bewilligen. Konser- vative und Freikonservative waren natürlich für 4)4 Millionen Mark. Die Nationalliberalen haben sich noch am zurückhaltendsten gezeigt. Falls der Freisinn Opposition gewagj lHtte. wäre es bei 2 Vi Millionen Mark geblieben. Das brave Zentrum wird ge- schloffen dafür stimmen; die paar Opponenten dürfen den Saal verlassen. Eine Diskussion wird nicht beliebt werden; für jede Partei wird nur eine kurze Erklärung abgeben. Die Vor- läge soll am Mittwoch zur Beratung kommen und sofort erledigt werden. »» » Die Fürsorge, die die Vorlage Nr. 2 für die Theater an den Tag legt, nimmt sich ja sehr kulturträgerisch aus und wirkt um so rührender, als die aus der Hinterlaffenschast früherer Könige und Fürsten von Gottesgnaden(sofern es nämlich solche vor 1866 gegeben haben sollte) übernommenen Hoftheater von Hannover , Kassel und Wiesbaden in den Vordergrund geschoben werden. Leider sorgen schon die hohen, für das arbeitende Volk und so ziemlich für den ganzen Mittelstand un- erschwinglichen Eintrittsgelder der Königlichen Schauspiele dafür, daß diese Art Kultur ein privi- legierter Genuß sehr enger Kreise, etwa der ersten und so ungefähr der Hälfte der zweiten Wählerklasse bleibt. Denkt man übrigens an die Darbietungen des Sardanapal-Balletts, an Joseph Laufs und sonstige Königlich preußische privilegierte Hos- dichter, so ist man geneigt, diese Exklusivität milder zu beurteilen. Die Freude über die vermehrte Subventionierung dieserKunst- institute" aus dem allgemeinen Steuersäckel wird bei der Masse der Steuerzahler freilich nur eine sehr mäßige sein, was natürlich nicht hindern wird, daß der allbürgerliche Byzantinerblock die glücklich auf 3V6 Millionen heruntergehandelte Zivillistenerhöhung mit mehr oder minder großer hurrapatriotischer Begeisterung bewilligt._ Liebestverben. Zu einer Gcmeinbürgschaft der bürgerlichen Parteien gegen die Sozialdemokratie fordert dieMärkische Volkszeitung" auf. In einer Wahlbetrachtung über den Ausfall der Wahl in Jauer -Bolkcnhain schreibt das Zentrums- blatt: Diese Gemeinbürgschaft kann nur in der Form bestehen, daß die bürgerlichen Parteien grundsätzlich und ge- schlössen für den bürgerlichen Stichwahlkandidaten eintreten. Notwendig verbunden ist damit die Anerkennung, daß alle bürgerlichen Parteien in der Hauptwahl das Recht haben, ihre Kräfte zu messen. Welche Partei sich als die stärkste erweist. muß von den anderen bürgerlichen Parteien bedingungslos unterstützt werden. Dies alles ist nur unter der Voraussetzung möglich, daß von allen bürgerlichen Parteien die Sozialdemo- kratie als der gemeinsame und grössere Feind angesehen und bekämpft wird." Weitet meint das Blatt, daß eine Partei, die die Sozialdemo- kratie nicht von vornherein als das größere Uebel ansieht, auch keinen Anspruch erheben kann, in der Stichwahl unterstützt zu werden. Die Rechtsparteien, zu denen dieM. V. " das Zentrum natürlich auch rechnet, hätten gar keine Veranlassung, die zunächst widerspenstigen Liberalen in der Stichwahl zu unterstützen. Auch diese Auslassung verrät den dringenden Wunsch des Zentrums, den schwarz-blauen Block zu einem festen Wahlbündnis für die kommenden Reichstagswahlen auszugestalten. Reaktionär, wie daS Zentrum ist, wird es bei den kommenden Wahlen auf der Seite der ihm geistesverwandten Junker zu finden sein. Uns kann solche klare KampfeSstcllung ja nur erwünscht sein. Die deutschen Finanzen. Das kaiserliche Statistische Amt veröffentlicht eine Darstellung der Finanzen des Reiches und der deutschen Bundes « st a a t« n auf Grund der Voranschläge für daS Rechnungsjahr 1909, der Staatsrechnungen für das Rechnungsjahr 1907. Insgesamt betragen die StaatSausgaben nach den Bor» anschlägen der Bundesstaaten 6649 Millionen Mark(darunter außerordentliche 280), für das Reich 3391(darunter außerordent» liche 756), zusammen in Reich und Bundesstaaten 9240(darunter außerordentliche 1036). Die Staatseinnahmen belaufen sich in den Bundesstaaten auf 5628 Millionen Mark, im Reich auf 3591, zusammen in Reich und Bundesstaaten 9219(darunter außer- ordentliche des Grundstock, Anleihen und sonstigen Staatsfonds 414 bezw. 756). Unter den ordentlichen Ausgaben und Einnahmen der B u n de s st aa t e n stehen die Erwerbseinkünfte mit 2707 bezw. 3540 Millionen Mark an erster Stelle. Der Hauptanteil entfällt aus die StaatSeisenhahnen mit 2005 bezw. 2594. Der Rest verteilt sich auf Domänen, Forsten, Bergwerke. Staats» dampfschiffahrt, Post, Telegraph und die sonstigen Staatsbetriebe. Die ordentlichen Ausgaben und Einnahmen des Reiches an Er- werbSZnstalten(754 bezty.$$ Millionen Mark) entfallen Haupt»